Vater Goriot (eBook)

Roman
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2011 | 1. Auflage
625 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401253-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vater Goriot -  Honoré de Balzac
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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Vater Goriot, durch Spekulationen ordentlich zu Geld gekommen, hat ein zerstörerisches Laster: Er liebt seine verzogenen Töchter mit einer Hingabe, die an Selbstverleugnung grenzt. Ein fehlgeleiteter »Christ des Vaterseins«, der, buchstäblich ausgenommen bis aufs letzte Hemd, allein in seiner Dachkammer stirbt. Balzac weiß: Unsere Leidenschaften sind der Motor unseres Lebens - und unser Verderben.

Honoré de Balzac, geboren am 20. Mai 1799 in Tours, studierte von 1816 bis 1819 in Paris Jura, brach sein Studium aber ab, um Schriftsteller zu werden. 1825 beteiligte er sich als Verleger und Druckereiunternehmer an Spekulationen, die 1827 zum Bankrott führten. Um seine Schulden abzutragen, steigerte er seine literarische Produktion. Seine Kandidaturen für das Parlament und die Aufnahme in die Académie française blieben erfolglos. Balzac, der als einer der wichtigsten Autoren des Realismus gilt, starb am 18. August 1850 in Paris.

Honoré de Balzac, geboren am 20. Mai 1799 in Tours, studierte von 1816 bis 1819 in Paris Jura, brach sein Studium aber ab, um Schriftsteller zu werden. 1825 beteiligte er sich als Verleger und Druckereiunternehmer an Spekulationen, die 1827 zum Bankrott führten. Um seine Schulden abzutragen, steigerte er seine literarische Produktion. Seine Kandidaturen für das Parlament und die Aufnahme in die Académie française blieben erfolglos. Balzac, der als einer der wichtigsten Autoren des Realismus gilt, starb am 18. August 1850 in Paris.

Nachdem er so müßig herumgebummelt war, sprach Eugène gegen fünf Uhr bei Madame de Beauséant vor und erhielt dort einen Schlag, gegen den junge Herzen wehrlos sind. Bisher war ihm die Vicomtesse mit sicherer Anmut, mit jener entzückenden Liebenswürdigkeit entgegengetreten, die eine aristokratische Erziehung verleiht und die nur dann vollkommen ist, wenn sie von Herzen kommt.

Als er eintrat, bot ihm Madame de Beauséant einen kühlen Gruß und sagte mit harter Stimme: »Monsieur de Rastignac, es ist mir unmöglich, Sie zu empfangen, wenigstens jetzt unmöglich! Ich bin beschäftigt …«

Für einen guten Beobachter – und das war Rastignac inzwischen geworden – enthüllte dieser Satz, die kühle Geste, der Blick, der Tonfall das ganze Gebaren ihrer hochmütigen Kaste. Er gewahrte unter dem samtenen Handschuh die eiserne Faust; den Eigenwillen, die Selbstsucht unter der Politur der Höflichkeit; das Holz unter dem Lack. Er vernahm das ›Ich, der König‹, das beim Federbusch des Thrones beginnt und erst beim Helmbusch des letzten Edelmannes endet. Eugène hatte sich gar zu schnell auf den Adel dieser Frau verlassen. Wie alle Unglücklichen hatte er in gutem Glauben den gefährlichen Vertrag unterzeichnet, der den Almosenempfänger an den Wohltäter bindet. Die Wohltätigkeit, die zwei Wesen zu einem verschmilzt, bedingt eine himmlische Hingabe, die ebenso selten ist wie die wahre Liebe. Beide sind sie nur schönen Seelen in verschwenderischer Fülle zu eigen. Rastignac wollte um jeden Preis auf den Ball der Duchesse de Carigliano gelangen – er schluckte also die Grobheit hinunter.

»Madame«, sagte er mit bebender Stimme, »wenn es sich nicht um eine wichtige Sache handelte, würde ich Sie nicht behelligen; seien Sie so liebenswürdig und erlauben Sie mir, mich später zu empfangen, ich werde warten.«

»Also gut, Sie können nachher mit mir speisen«, sagte sie, selbst ein wenig verwirrt über die Härte ihrer Worte; denn diese Frau war wirklich ebenso gut wie groß.

Obgleich dieser plötzliche Umschwung ihn rührte, dachte Eugène doch beim Fortgehen: ›Krieche und winde dich aufwärts, ertrage alles! Wie müssen die andern sein, wenn die beste der Frauen wie im Handumdrehen ihr Freundschaftsversprechen wieder auslöscht, dich abseits liegen läßt wie einen alten Stiefel? So ist es denn wahr: jeder für sich? Es ist ja richtig, daß ihr Haus kein Kaufladen ist, und es ist dumm, daß ich sie nötig habe. Man muß sich, wie Vautrin sagte, zu einer Kanonenkugel machen.‹

Die herben Betrachtungen des Studenten wurden bald zerstreut durch die Freude, die er sich davon versprach, bei der Vicomtesse zu speisen. So schienen durch eine Art Verhängnis die unbedeutsamsten Ereignisse seines Lebens sich so zu fügen, daß sie ihn in eine Laufbahn schoben, in der er – laut Ausspruch der schrecklichen Sphinx des Hauses Vauquer – wie auf einem Schlachtfelde töten mußte, um nicht getötet zu werden, betrügen, um nicht betrogen zu werden; wo er vor Betreten des Kampfplatzes sein Gewissen, sein Herz ablegen und eine Maske vorbinden mußte, um mitleidlos mit Schicksalen zu spielen und, wie in Lakedaimonien, ohne selbst gesehen zu werden, das Glück zu erfassen, die Krone zu erringen.

Als er bei der Vicomtesse wieder eintrat, fand er sie voll der anmutigen Güte, in der sie sich ihm sonst stets gezeigt hatte. Sie begaben sich miteinander in einen Speisesaal, wo der Vicomte seine Frau erwartete und wo die Tafel in fabelhafter Pracht erstrahlte – einem Prunk, der, wie bekannt, zur Zeit der Restauration seinen Gipfelpunkt erreichte. Monsieur de Beauséant hatte gleich andern blasierten Leuten nur noch an Tafelfreuden sein Gefallen. Er stammte als Feinschmecker aus der Schule Louis’ XVIII. und des Duc d’Escars. Sein Tisch bot also einen doppelten Reichtum: an Geschirr wie an Gerichten. Niemals hatte Eugène eine ähnliche Pracht erblickt, speiste er doch zum erstenmal in einem der Häuser, in denen die gesellschaftliche Machtstellung erblich ist. Die Soupers, mit denen man unterm Kaiserreich einen Ball zu beschließen pflegte – Soupers, zu denen die Offiziere sich Kräfte sammeln mußten, als gälte es eine Schlacht zu schlagen –, waren aus der Mode gekommen; Eugène hatte bisher nur an Bällen teilgenommen. Die Sicherheit, die ihn später so hervorragend auszeichnete, und die er sich schon jetzt anzueignen begann, verhinderte ihn, seiner Bewunderung Ausdruck zu verleihen. Doch der Anblick des kostbaren Silbers, der tausend Geräte einer verschwenderisch gedeckten Tafel, der gut geschulten Dienerschaft machte es einem jungen Manne mit feuriger Phantasie schwer, dieses gleichmäßig vornehme Leben nicht einem Leben voll Entbehrungen, wie er es sich heute morgen vorgenommen hatte, vorzuziehen. Seine Gedanken trugen ihn in seine Pension zurück, und er empfand dabei ein so tiefes Entsetzen, daß er sich schwor, sie im Januar zu verlassen, sowohl um sich in ein reinliches Haus zu begeben, als auch um Vautrin zu entfliehen, dessen breite Hand er auf seiner Schulter zu fühlen meinte. Wenn man über die tausend Formen nachdenkt, die in Paris die Korruption, sei sie nun laut oder stumm, annimmt, so fragt man sich wohl, durch welche Verirrung der Staat hier Schulen errichtet, hier einen Sammelplatz für junge Leute schafft; fragt sich, wie es möglich ist, daß hübsche Frauen hier geachtet werden, und daß das Gold, das in den Wechselstuben in Kübeln angehäuft ist, nicht wie durch ein Wunder beschwingt enteilt. Und bedenkt man andererseits die geringe Zahl von Verbrechen, ja selbst nur von Verfehlungen, die von jungen Leuten begangen werden: welche Hochachtung muß man vor den geduldigen Tantalussöhnen bekommen, die sich selbst bekämpfen und fast immer siegreich sind! Verstände man es, den armen, mit Paris in ewigem Kampfe liegenden Studenten gut zu zeichnen, er würde eine der dramatischsten Gestalten unseres modernen Lebens bilden.

Madame de Beauséant blickte vergeblich auf Eugène, um ihn zum Sprechen zu veranlassen, er wollte in Gegenwart des Vicomte nicht reden.

»Begleiten Sie mich heute abend ins ›Théâtre-Italien‹?« fragte die Vicomtesse ihren Gatten.

»Sie können versichert sein, daß ich Ihrer Aufforderung gern gehorchen würde«, erwiderte er mit etwas spöttischer Galanterie, die der Student aber für echt nahm, »wenn ich nicht eine Verabredung fürs ›Théâtre des Variétés‹ hätte.«

›Seine Mätresse‹, sagte sie sich.

»Haben Sie denn heute abend nicht d’Ajuda bei sich?« fragte der Vicomte zurück.

»Nein«, entgegnete sie erregt.

»Nun denn, wenn Sie durchaus eines Armes bedürfen, so nehmen Sie den von Monsieur de Rastignac.«

Die Vicomtesse blickte Eugène lächelnd an.

»Das kann kompromittierend für Sie werden«, sagte sie.

»Der Franzose liebt die Gefahr, weil sie ihm Ruhm bringt, sagt Chateaubriand«, entgegnete Rastignac, sich verneigend.

Einige Minuten später trug ihn ein schnelles Coupé an der Seite von Madame de Beauséant zum beliebtesten Theater von Paris; und er glaubte an irgendein Feenmärchen, als er in eine Vorderloge trat und sich mit der Vicomtesse abwechselnd als das Ziel aller Augen und Lorgnetten sah. Er schritt von Zauber zu Zauber.

»Sie haben mir etwas zu sagen«, ermunterte ihn Madame de Beauséant. »Ah, sieh da, in der dritten Loge von uns befindet sich Madame de Nucingen. Ihre Schwester und Monsieur de Trailles sind auf der andern Seite.«

Während sie dies sagte, prüfte die Vicomtesse die Loge, in der Mademoiselle de Rochefide sich befinden mußte, und da sie dort Monsieur d’Ajuda nicht sah, strahlte ihr Gesicht in Freude auf.

»Sie ist entzückend«, sagte Eugène, nachdem er Madame de Nucingen betrachtet hatte.

»Sie hat helle Wimpern«, sagte die Vicomtesse.

»Ja, aber welch hübsche, zierliche Gestalt!«

»Sie hat plumpe Hände.«

»Die schönen Augen!«

»Sie hat ein langgezogenes Gesicht.«

»Aber die ovale Form hat etwas Vornehmes.«

»Da kann sie von Glück sagen. Sehen Sie, wie ungeschickt sie ihre Lorgnette ergreift! Die Goriot zeigt sich in all ihren Bewegungen«, sagte die Vicomtesse zum großen Erstaunen Eugènes.

In der Tat, Madame de Beauséant blickte in den Saal und schien Madame de Nucingen nicht zu beobachten, bemerkte jedoch jede ihrer Gesten. Die versammelte Gesellschaft war glänzend. Delphine de Nucingen fühlte sich nicht wenig geschmeichelt, den jungen, schönen, eleganten Cousin von Madame de Beauséant so ausschließlich zu fesseln; er hatte nur für sie Augen.

»Wenn Sie sie weiter so mit Blicken verschlingen, werden Sie einen Skandal erregen, Monsieur de Rastignac. Sie erreichen nie etwas, wenn Sie sich den Leuten so an den Hals werfen.«

»Meine liebe Cousine«, sagte Eugène, »Sie haben mir schon manche große Hilfe erwiesen; wenn Sie Ihr Werk vollenden wollen, so bitte ich Sie nur noch um einen Dienst, der Ihnen wenig Mühe und mir große Freude machen wird. Ich bin verliebt.«

»Schon?«

»Ja.«

»Und in diese Frau?«

»Würden meine Ansprüche anderswo Gehör gefunden haben?« sagte er, seiner Cousine einen durchdringenden Blick zuwerfend. »Die Duchesse de Carigliano ist mit der Duchesse de Berry befreundet«, fuhr er nach einer Pause fort; »Sie werden sie sehen, haben Sie die Güte, mich ihr vorzustellen und mich auf ihren Ball zu führen, der am Montag stattfindet. Ich werde dort Madame de Nucingen treffen, und ich werde mein erstes Scharmützel bestehen.«

»Gern«, sagte sie; »wenn Sie bereits Gefallen an ihr finden, so geht es mit Ihren Herzensangelegenheiten gut voran. Sehen Sie dort Monsieur de Marsay...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2011
Reihe/Serie Fischer Klassik Plus
Übersetzer Gisela Etzel
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Arme Teufel • Aufopferung • Bankrott • Comédie • Comédie Humaine • Einsamkeit • Familie • Frankreich • Geld • HUMAINE • Jesus • Kapitalismus • neunzehntes • Paris • Rastignac • Realismus • Restauration • Roman • Vater-Tochter-Beziehung • Vautrin • vie privée
ISBN-10 3-10-401253-9 / 3104012539
ISBN-13 978-3-10-401253-7 / 9783104012537
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