Das Prachtboot (eBook)

Wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491271-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Prachtboot -  Götz Aly
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Neben Denkmälern und Straßennamen zeugen zauberhafte Museumsobjekte von den einstigen Kolonien - doch wie sind sie zu uns gekommen und woher stammen sie? Götz Aly deckt auf, dass es sich in den allermeisten Fällen um koloniale Raubkunst handelt, und erzählt, wie brutal deutsche Händler, Abenteurer und Ethnologen in der Südsee auf Raubzug gingen. So auch auf der Insel Luf: Dort zerstörten sie Hütten und Boote und rotteten die Bewohner fast vollständig aus. 1902 rissen Hamburger Kaufleute das letzte, von den Überlebenden kunstvoll geschaffene, hochseetüchtige Auslegerboot an sich. Heute ist das weltweit einmalige Prachtstück für das Entree des Berliner Humboldt Forums vorgesehen. Götz Aly dokumentiert die Gewalt, Zerstörungswut und Gier, mit der deutsche »Strafexpeditionen« über die kulturellen Schätze herfielen. Das Publikum sollte und soll sie bestaunen - aber bis heute möglichst wenig vom Leid der ausgeraubten Völker erfahren. Ein wichtiger Beitrag zur Debatte über Raubkunst, Kolonialismus und Rassismus und zugleich ein erschütterndes Stück deutscher Geschichte. »Was für ein Buch! Was für Erkenntnisse!« Bénédicte Savoy

Götz Aly ist Historiker und Journalist. Er arbeitete für die »taz«, die »Berliner Zeitung« und als Gastprofessor. Seine Bücher werden in viele Sprachen übersetzt. 2002 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis, 2003 den Marion-Samuel-Preis, 2012 den Ludwig-Börne-Preis. Bei S. Fischer erschienen von ihm u.a. 2011 »Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933« sowie 2013 »Die Belasteten. ?Euthanasie? 1939-1945. Eine Gesellschaftsgeschichte«. Im Februar 2017 erschien seine große Studie über die europäische Geschichte von Antisemitismus und Holocaust »Europa gegen die Juden 1880-1945«. Für dieses Buch erhielt er 2018 den Geschwister-Scholl-Preis. Literaturpreise: Heinrich-Mann-Preis für Essayistik der Akademie der Künste Berlin 2002 Marion-Samuel-Preis 2003 Bundesverdienstkreuz am Bande 2007 National Jewish Book Award, USA 2007 Ludwig-Börne-Preis 2012 Estrongo Nachama Preis für Zivilcourage und Toleranz 2018 Geschwister-Scholl-Preis 2018

Götz Aly ist Historiker und lebt in Berlin. Für seine Bücher wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Heinrich-Mann- und dem Ludwig-Börne-Preis. 2018 erhielt er für »Europa gegen die Juden 1880–1945« (S. Fischer) den Geschwister-Scholl-Preis. Sein neues Buch handelt von deutschen Kolonialverbrechen – ein ungewohntes Thema, aber ein "echter Aly".

Zuletzt wurde viel über Kunstraub, aber wenig über die viel größeren Kolonialverbrechen gesprochen. Aly zeigt, dass diese beiden Sphären nicht zu trennen sind.

Wie man es vom Autor kennt, verwendet er zugespitzte Formulierungen, nennt die Dinge beim Namen und verzichtet auf akademische Zurückhaltung.

Die Geschichte, die Götz Aly hinter dem Prunkboot aus der Südsee freilegt, ist die Geschichte der Plünderung und Zerstörung einer Kultur.

Es ist ein erschütterndes Buch, in dem man mehr über den brutalen Alltag des Kolonialismus lernt als in jedem Manifest der Postcolonial Studies

Das wichtigste Buch zur Eröffnung des Humboldt-Forums.

Götz Alys Buch über das Luf-Boot erscheint mitten in der Debatte über den Umgang mit geraubter Kunst aus den Kolonialgebieten. Es bereichert diese Diskussion

Wer Aly liest, geht mit anderen Augen ins Museum.

Das Luf-Boot, zeigt Alys ebenso schmissig geschriebene wie umfassend recherchierte Studie, ist keineswegs auf faire und gerechte Weise vom Deutschen Reich erworben worden

Wer künftig das sogenannte Luf-Boot sieht, wird die mörderische Grausamkeit der Deutschen gleich mit vor Augen haben.

Im Original farbige Bildanimation des durch die Meere segelnden Luf-Boots, geschaffen vom kaiserlichen Marinemaler Hans Bohrdt (18571945), hier als Feldpostkarte von 1916. Auf der Rückseite steht: »Das letzte Boot von der Insel Agomes [=Luf], Südsee«, herausgegeben von »Kolonialkriegerdank, eingetrag. Verein zur Unterstützung ehemaliger Kolonialkrieger der Armee, Marine, der Schutz- und Polizeitruppen sowie deren Hinterbliebenen«.

Vorwort zur 3. Auflage


Über unfair getauschte, erschwindelte oder geraubte ethnologische Kulturgüter wird schon länger und heftig debattiert, sofern sie aus Afrika stammen – kaum jedoch, wenn es um die Museumsschätze aus der Südsee geht. Deshalb richtete ich den Blick auf die frühere Kolonie Deutsch-Neuguinea. Das Manuskript schloss ich im April 2020 ab. Jedoch erschien das vorliegende Buch erst ein Jahr später, weil der wichtigste Anlass für meine Recherchen noch immer nicht zu sehen war: die neu konzipierte ethnologische Ausstellung im Berliner Humboldt Forum, deren Eröffnung mehrfach verschoben worden war.

Selbst wenn es gelegentlich so scheint, wollte und will ich nicht gegen Museumskuratoren anschreiben. Nicht wenige von ihnen kritisieren den Kolonialismus und weisen auch im Kontext ihrer Sammlungen auf koloniale Gewalttaten hin. Vor allem aber kommt ihnen das Verdienst zu, die einst gierig angehäuften Kult-, Kunst- und Alltagsgegenstände zu bewahren. Die Kustoden und Kuratoren hüten, konservieren und erforschen das Überkommene. Das ehrt sie. Der damit verbundene Konservatismus, das Zusammenhalten und Erweitern der Sammlungen zählen zu den klassischen Tugenden ihres Berufes.

Nicht dazu gehört das Konzept der seit dem 22. September 2021 endlich zugänglichen ethnologischen Ausstellung im Zentrum Berlins, die zur imperialen Trophäenschau geriet. Sie lässt jede kolonialgeschichtliche Ehrlichkeit und kulturgeschichtliche Einordnung des Gezeigten vermissen. Die jetzige Präsentation bedarf der entschlossenen Revision. Dazu soll dieses Buch beitragen, und zwar, um es politikwissenschaftlich zu formulieren, in antagonistischer Kooperation.

Derzeit werden die zu Objekten reduzierten Fragmente ferner und häufig ganz unverstandener menschlicher Kulturen zum erheblichen Teil als nicht weiter erläuterte, zusammenhanglos angeordnete Stapelware vorgeführt. In teils meterhohe Vitrinen stopften die Museumsmacher jeweils Ähnliches: mal Holzkrokodile, mal Tanzmasken oder menschliche Figuren. Beschönigend bezeichnen sie die jedem Bildungsanspruch abholde Präsentation als »zeitgemäßes Schaumagazin«.

Wie zum Hohn findet all das im Humboldt Forum statt. Dessen Namensgeber Wilhelm und Alexander von Humboldt sahen sich zu ständig gesteigerter Erkenntnis verpflichtet. Nicht so Völkerkundler, Kuriositätensammler, Raubhändler, Abenteurer und Soldaten, die während der um 1880 beginnenden deutschen Kolonialzeit oft mit Kriegsschiffen, zumindest aber gut bewaffnet, in fremde Länder einfielen. In himmelweitem Unterschied dazu forschte der weitreisende und wissbegierige Alexander von Humboldt knapp hundert Jahre früher. Unbewaffnet erkundete er Welten, die den damaligen Europäern noch weithin unbekannt geblieben waren. Begleitet von nur einem Gefährten folgte er dieser Forschungsmaxime: »Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt kommt es an. Auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein.«

Auf die Ethnologie angewandt wäre die Menschenwelt hinzuzufügen. Selbstverständlich befragte Humboldt die Einheimischen immer wieder, protokollierte, was sie ihm über ihren Lebenskreis mitteilten. Von ihnen wollte er lernen. In seinem Buch über Mexiko beschrieb er, wie sich die Kultur der Bewohner in Abhängigkeit von den Bedingungen der natürlichen Umwelt entwickelt hatte; in Peru beschäftigten ihn Sprache und Kultur der Inka.[1] Tief beeindruckt notierte Goethe 1797: »Die Gebrüder von Humboldt waren gegenwärtig, und alles der Natur Angehörige kam philosophisch und wissenschaftlich zur Sprache.«[2]

Der Humboldt’schen Praxis, die auf das Beobachten, Sammeln und Erforschen tieferer Zusammenhänge gerichtet war, begegnen die Berliner Kuratoren des aktuellen ethnologischen Spektakels mit Ignoranz. Nichts kommt bei ihnen philosophisch, wissenschaftlich oder geschichtlich zur Sprache. In der frostigen Betongruft des Humboldt Forums, in der das prächtige Luf-Boot eingesargt wurde, erfährt der Betrachter fast nichts über dessen Funktionsweise, nichts über die technischen Finessen, die Bedeutung der Ornamente, die Herstellung des Kitts zur Abdichtung der Planken, nichts über das Leben und die grandiosen nautischen Fähigkeiten der Erbauer, die mit solchen Booten seit Jahrtausenden Hunderte Meilen über den Pazifik segelten und gegen die Winde kreuzten. Gemessen an diesem Schiff sind die allenfalls mit Treibsegeln ausgerüsteten Rudergefährte der Phönizier, Griechen oder Wikinger plumpe Vorstufen der Seefahrt. Das Luf-Boot gehört zum Weltkulturerbe.

Auch liest der Interessierte in diesem düsteren Gelass nichts über die deutsche Kolonialgewalt, nichts über die räuberischen Praktiken des Hamburger Handelshauses Hernsheim und dessen Mitinhaber Max Thiel. Letzterer beschaffte das Prachtboot; sein Kompagnon Eduard Hernsheim verkaufte es ein Jahr später an das Berliner Museum für Völkerkunde. Man findet dort keinen Hinweis auf die deutschen Kolonialverbrechen. Stattdessen informieren die Kuratoren ihre Besucher beim Betreten des Bootsbunkers sogleich über die Untaten anderer: »194858 führten die USA in [!] den Marschallinseln Atomwaffentest [!] durch«; ferner unterhielt Australien in Papua-Neuguinea ein Lager für Bootsflüchtlinge auf der Insel Manus und unterhält es de facto wohl noch. Die Bildunterschrift: »Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Behandlung der Asylsuchenden als menschenunwürdig.« Auch Manus gehörte zum deutschen Kolonialreich.

Schön sind diese Tatsachen aus der späteren, weiterhin kolonial dominierten Geschichte Ozeaniens nicht. Aber wie kommen heutige Deutsche, vom schludrig-fehlerhaften Sprachgebrauch abgesehen, dazu, sich moralisch über andere Nationen zu erheben und dabei die Raub- und Vernichtungszüge zu verschweigen, die Deutsche sowohl auf der Insel Manus als auch auf den Marshallinseln begangen haben?[3]

Bis zum Erscheinen des vorliegenden Buches behaupteten die Verantwortlichen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), das Luf-Boot sei 1903 auf redliche Weise gekauft worden. Einen Beweis dafür gibt es nicht. Dann änderten sie ihren Wortgebrauch. Jetzt heißt es: Das einzigartige Exemplar vormetallzeitlicher Schiffsbaukunst sei erworben worden. Diesem weniger präzisen Verb begegnet man jetzt im Humboldt Forum auf Schritt und Tritt. Unbedacht übernahmen die Kuratoren damit das Lügendeutsch der Kolonialzeit. So forderte der Hamburger Reeder Adolph Woermann 1883 die »Erwerbung eines Küstenstriches in West-Afrika zur Gründung einer Handelskolonie«. Er meinte das bald vom Deutschen Reich »erworbene« Kamerun. Als die Deutsche Kolonialgesellschaft in Person des extrem gewalttätigen Carl Peters (genannt »Hänge-Peters«) 1888 weitere »Erwerbungen« in Ostafrika betrieb und dafür in Berlin Schutzbriefe begehrte, kommentierte Otto von Bismarck: »Was heißt Erwerbung? Ein Stück Papier mit Negerkreuzen darunter!«[4] Es stimmt: So wie die Kolonien wurden auch die nach Deutschland verbrachten ethnologischen Schätze erworben – sprich: irgendwie angeeignet.

Die für jede Provenienzforschung zentralen Museumsinventare schweigen zu den Erschaffern und Eigentümern des mehr oder weniger zufällig Zusammengesammelten. In aller Regel nennen sie lediglich die in Kolonialgebieten aktiven europäischen Verkäufer und Schenker oder die Hehler: also Auktionshäuser und auf »Kuriositäten der Naturvölker« oder »Tribal Art« spezialisierte Händler. Kaum jemand legte Wert darauf, die Namen und Adressen derer zu notieren, denen all diese Dinge abgeluchst oder mit Gewalt entwunden wurden.

In den Online-Präsentationen des Berliner Ethnologischen Museums werden die europäischen Übereigner unter dem harmlos erscheinenden Begriff Sammler zusammengefasst. Bereits hier verschwinden die Informationen über Schenker und Verkäufer, die in den handschriftlichen Inventaren fast lückenlos aufgeführt sind. Das materielle Interesse der Verkäufer liegt auf der Hand, das der sogenannten Schenker sollte nicht verschwiegen werden: Sie verschafften sich mit ihren Gaben Handelsvorteile, einen guten Ruf, Anerkennung, Eintritt in die höheren Sphären der Gesellschaft, Orden und schöne Titel, wie zum Beispiel den des Konsuls – ein Titel, den sich sowohl Eduard Hernsheim als auch Max Thiel mit Hilfe verschenkter Ethnologica erkauften.

Anders als die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sprach Eduard Hernsheim niemals von einem Kauf, sondern umschrieb den Aneignungsvorgang vieldeutig und nebulös: Das wundervolle Boot »ging später in meine Hände über«. Man bedenke, was im letzten Drittel des 19. und im 20. Jahrhundert alles in andere deutsche Hände überging – sei es unter kolonialistischen, nationalsozialistischen oder sozialistischen Vorzeichen.

Dank einer auf meine Anfrage hin vorzüglich restaurierten Akte aus dem 2009 eingestürzten Kölner...

Erscheint lt. Verlag 10.5.2021
Zusatzinfo 39 s/w-Abbildungen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Berlin • Bismarck-Archipel • Deutsches Kaiserreich • Deutschland • Deutsch-Neuguinea • Ethnologie • Ethnologisches Museum Berlin • Felix von Luschan • Hermit-Inseln • Humboldt Forum • Koloniale Verbrechen • Kolonialgeschichte • Kolonialismus • Kunst • Kunstraub • LuF • Missionare • Museen • Ozeanien • Papua-Neuguinea • Plantagen • Rassismus • Raubkunst • Restitution • Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Südsee • Versklavung • Völkerkunde • Weltkulturen
ISBN-10 3-10-491271-8 / 3104912718
ISBN-13 978-3-10-491271-4 / 9783104912714
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