Denkanstöße 2018 (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein Lesebuch aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft

Isabella Nelte (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
224 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97786-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Denkanstöße 2018 -
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Wie beeinflussten die Jesuiten die europäische Moderne? Erkennen wir die größten Bedrohungen für unsere offene Gesellschaft und wie schützen wir die Idee der Toleranz? Warum lässt uns die Vergangenheit auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht ruhen - und warum ist das gut so? Denkanstöße 2018 präsentiert neue Erkenntnisse aus Politik, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften von namhaften Autoren wie Markus Friedrich, Matthias Thöns, Alexandra Senfft oder Michael Schmidt-Salomon. Übersichtlich nach Themen gegliedert, bringen die Texte Wichtiges und Wissenswertes zur Sprache. Ein Jahrbuch zum Mitdenken, Mitreden und Weiterdenken.

Isabella Nelte studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte, bevor sie sich mit einer antiquarischen Buchhandlung einen Lebenstraum erfüllte. Sie lebt mit ihrer Familie in einer alten Mühle im Taunus.

Isabella Nelte studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte, bevor sie sich mit einer antiquarischen Buchhandlung einen Lebenstraum erfüllte. Sie lebt mit ihrer Familie in einer alten Mühle im Taunus.

Lothar Gall


Hardenberg. Reformer und Staatsmann


Das Spezifische, Individuelle im Leben Hardenbergs, in dem sich zugleich das Übergeordnete, eine allgemeine Tendenz unmittelbar widerspiegelte, lag in dem unbedingten Vorrang, den der Gedanke des modernen Staates und der vorbehaltlos auf ihn verpflichteten Bürokratie für ihn hatte. In dessen Durchsetzung sah er nach dem Vorbild eines Mannes wie Richelieu, des eigentlichen Schöpfers des modernen französischen Staates, aber insgeheim auch eines Herrschers wie Napoleon seine eigentliche politische Lebensaufgabe, eine Aufgabe, die sich ihm nach dem völligen inneren und äußeren Zusammenbruch des alten Preußens nach 1806 unmittelbar und ganz konkret stellte. In ihrem Zeichen stand letzten Endes alles, was er außen- und innenpolitisch unternahm, wobei beide Bereiche für ihn untrennbar zusammenhingen.

Der Staat aber war für ihn der monarchisch verfasste, bürokratisch geleitete Anstaltsstaat, wobei, so nachdrücklich Hardenberg stets den unbegrenzten Machtanspruch des regierenden Monarchen betont hat, der Monarch als solcher für ihn insgeheim nur den Punkt auf dem i bildete, wie es Hegel später formulieren sollte. Auch in dieser Hinsicht folgte Hardenberg ganz dem Vorbild Richelieus, der nach außen immer den absoluten Machtanspruch seines Königs unterstrichen hatte, in dessen Schatten er nahezu unumschränkt wirkte.

Von hier aus lässt sich letztlich auch der zentrale Unterschied zwischen Hardenberg und dem Mann markieren, mit dem er zeitweise auf das Engste zusammenarbeitete und der stets mit ihm in einem Atemzug genannt wird: Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein. Stein propagierte die Monarchie auf ständischer Grundlage und unter entscheidender Mitwirkung der ständisch verfassten Gesellschaft, während für Hardenberg die Gesellschaft als solche im Wesentlichen nur ein Objekt der Politik war, nicht aber ein Subjekt, dessen Wille letztendlich bestimmend sein müsse. Allerdings hob er gleichzeitig hervor, wie wichtig, unbeschadet der bürokratischen Leitung und Organisation des Gemeinwesens durch den etablierten Anstaltsstaat, die Mitwirkung freier gesellschaftlicher Kräfte an diesem Staat sei. Worin diese Mitwirkung genau bestehen solle, das ließ er weitgehend offen, und seine politischen Gegner, die sich vom Prinzip eines von gesellschaftlicher Mitwirkung gänzlich freien monarchisch-bürokratischen Absolutismus leiten ließen, trugen am Ende den Sieg davon.

Formal blieb Hardenberg bis zu seinem Tod an der bürokratischen Spitze des preußischen Staates, wiewohl er am Ende seine politische Machtstellung weitgehend eingebüßt hatte. Bis dahin aber hatte er die Macht des Staates in moderner Form entscheidend vorangebracht. Insofern gehört er, obwohl er hinsichtlich der meisten der von ihm ursprünglich verfolgten Ziele politisch gescheitert ist, zu den prägenden und bestimmenden Gestalten der preußischen und damit auch der deutschen Geschichte insgesamt.

Hardenberg war schon sechzig Jahre alt, als er 1810 als »Staatskanzler« an die Spitze des preußischen Staates gelangte – eines Staates, der, in der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 vernichtend geschlagen und zur Abtretung eines erheblichen Teils seines Territoriums sowie zu einer gewaltigen Kriegskontribution gezwungen, praktisch in einem Satellitenverhältnis zum napoleonischen Frankreich stand. Preußen Schritt für Schritt aus diesem Satellitenverhältnis zu lösen und es zu seiner alten militärischen und territorialen Großmachtstellung zurückzuführen war das erste und vornehmste außenpolitische Ziel des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg.

Innenpolitisch verfolgte er die Absicht, die von Stein eingeleitete und vorangetriebene grundlegende innere Reform des preußischen Staates weiterzuführen und auf immer neue Gebiete auszudehnen. Beide Ziele hat er, begünstigt durch die äußeren Umstände, binnen weniger Jahre im Großen und Ganzen erreicht. Dann aber wurde er, wenn man so will, zum Opfer seiner eigenen Erfolge, indem die neue Ordnung Kräfte begünstigte, die sich von eben dieser neuen Ordnung bedroht fühlten und sich gegen den Mann wandten, der sie wesentlich mit herbeigeführt hatte. Der Kampf gegen die »Revolution von oben« und für die Wiederherstellung zumindest eines Teils der alten Verhältnisse, die »Restauration«, wie es der Schweizer Staatstheoretiker und Politiker Carl Ludwig von Haller in seinem 1816 erschienenen Hauptwerk Die Restauration der Staatswissenschaften nannte, gab der nachfolgenden Epoche den Namen.

Zunächst hatte vergleichsweise wenig darauf hingedeutet, dass Karl August von Hardenberg als »Staatskanzler« an die Spitze des preußischen Staates aufsteigen würde. Sicher, aus einer altadligen Familie stammend, hatte er wie viele ihrer Vertreter von Anfang an das Ziel, in den, wie es in der Sprache der Zeit hieß, »Dienst« eines territorialen Landesherrn zu treten – in seinem Fall war das der Landesherr des Ende des 17. Jahrhunderts zum Kurfürstentum aufgestiegenen Herzogtums Hannover, der seit 1714 in Personalunion zugleich König von England war – und als »Staatsdiener« in möglichst raschen Schritten in eine hohe Position aufzusteigen.

Reguläre, an mehr oder weniger objektiv feststellbare Kriterien gebundene Stationen einer Beamtenlaufbahn gab es zu dieser Zeit nur sehr begrenzt. Entscheidend waren vielmehr der Einfluss und die Stellung – und nicht zuletzt die Gunst – des jeweiligen Amtsvorgesetzten. Und dieser suchte seine Position dadurch zu festigen, dass er sich mit einem Kreis nicht in erster Linie besonders befähigter, sondern ihm persönlich ergebener Männer umgab. Mit anderen Worten: Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere als Staatsdiener waren die Erwartungen des Vorgesetzten, ob sich der Betreffende dessen Ziele zu eigen machen und in dessen Sinne wirken werde. Die Staatsdienerschaft bildete so eine Art Lehensverband, in den einzudringen und in dem aufzusteigen von vielen ganz persönlichen Verbindungen und Faktoren abhing, unter denen die individuelle Befähigung und Leistungsfähigkeit nur einer von vielen war. Hardenberg musste diese Erfahrung schon ganz am Anfang seiner Karriere machen.

Hoher Beamter im Staatsdienst zu werden, das hatte Tradition in der Familie Hardenberg. Die Hardenbergs gehörten zum landbesitzenden, mit ständischen Rechten ausgestatteten Adel, der in der einen oder anderen Form auch landesherrliche Funktionen wahrnahm, sei es in der Armee oder in der Verwaltung. Hardenbergs Onkel Friedrich Karl, der Erbherr der beiden hardenbergischen »Gerichte«, war Geheimer Kammerrat und Kriegspräsident und wurde mit diplomatischen Aufträgen betraut, so gegenüber Frankreich, das während des Österreichischen Erbfolgekriegs Hannover bedrohte.33 Und dessen jüngerer Bruder Christian Ludwig, Hardenbergs Vater, war Soldat in der hannoverschen Armee; er zog als Generalmajor an der Seite des verbündeten Preußens in den Siebenjährigen Krieg und beendete seine Laufbahn als Generalfeldmarschall.

Der kinderlose Onkel hatte 1752, als Hardenberg zwei Jahre alt war, die Familiengüter seinem jüngeren Bruder vermacht und gleichzeitig bestimmt, dass sein Neffe, der künftige »Erbherr« seiner Länder, eines Tages sein gesamtes Privatvermögen erben solle. Überhaupt hatte er sich um seinen Neffen von früh an sehr intensiv gekümmert, vor allem, nachdem seine Schwägerin Anna Sophie, während ihr Mann im Krieg war, mit den Kindern nach Hannover gezogen war. Er hat ihn wie einen eigenen Sohn behandelt und insbesondere auch seine schulische Ausbildung mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Sein Ziel war, dass diese nach den modernsten Regeln der Zeit erfolgte und sich an modern-aufklärerischen Idealen orientierte.

Zuerst lag der Unterricht bei einem Hauslehrer. Im Oktober 1760 dann schickte der Onkel seinen Neffen auf eine öffentliche Schule, wo dieser mit den Söhnen aus der zumeist bürgerlichen Beamten- und Bildungsschicht in enge Berührung kam; darauf gründeten sich persönliche Verbindungen, die Hardenberg sein ganzes weiteres Leben begleiteten. Insbesondere nahm er hier, unter der Aufsicht und mit sehr direkten Impulsen des Onkels und seines Hauslehrers, der ihn nach wie vor begleitete, neben speziellen Kenntnissen in breitem Maße das in sich auf, was man das allgemeine Wissen eines »gebildeten« Zeitgenossen nannte: Grundkenntnisse in der Philosophie, der Literatur, der Kunst und Kunstgeschichte, hinsichtlich der Entwicklung des Bildungswesens und allgemein der Pädagogik in den verschiedenen Bereichen, aber auch der verschiedenartigen Staatsformen und Religionen. Insgesamt umfasste das ein gewaltiges Pensum und übertraf das, was ein gewöhnlicher Angehöriger des landsässigen Adels zu können und zu leisten hatte, um ein Mehrfaches.

Hardenberg war von früher Jugend an allen Bereichen des Wissens gegenüber aufgeschlossen, das betraf sowohl die fachlichen Anforderungen als auch die Gebiete, die man zu den nicht unmittelbar praktisch anwendbaren, für den Beruf eines künftigen Staatsdieners hingegen unbedingt erforderlichen zählte. So hat er sich schon sehr früh für Literatur, Musik und die schönen Künste interessiert. Er lernte Geige spielen und vertiefte sich neben der modernen insbesondere in die antike Literatur, wobei er sich vor allem mit Horaz beschäftigte, den er bis ins höhere Alter immer wieder las und von dessen Werken er vieles auswendig konnte.

Als er 1766, im Alter von sechzehn Jahren, an seiner heimischen Universität Göttingen immatrikuliert wurde, begann er das Studium der Jurisprudenz, bezog aber von Anfang an auch andere Fächer mit ein. Die Göttinger Universität...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2017
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Geisteswissenschaften
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Anthologie • Beiträge • Bestseller • Buch • Bücher • Denken • denkimpulse • Erkenntnisse • etwas lernen • Jahrbuch • Kultur • namhafte Autoren • Naturwissenschaft • Philosophie • Rückblick • wichtige Gedanken • Wissen • Wissenschaft
ISBN-10 3-492-97786-3 / 3492977863
ISBN-13 978-3-492-97786-9 / 9783492977869
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