Teilhabe ermöglichen - Kompass für die Soziale Arbeit -  Anja Teubert,  Martin Rösner

Teilhabe ermöglichen - Kompass für die Soziale Arbeit (eBook)

Personenzentriert und wirkungsorientiert handeln
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
194 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-039256-4 (ISBN)
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Ziel des Bundesteilhabegesetzes ist die Teilhabe aller in Bildung, Beruf und Gesellschaft & ein Anspruch, dem auch die Soziale Arbeit verpflichtet ist, z. B. in Einrichtungen der Jugend- oder Behindertenhilfe. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat 'Leben mit Behinderung Hamburg' ein Handlungskonzept entwickelt, das die personenzentrierte Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung unterstützt. Die Stärke des Konzepts (methodisch angelehnt an die Sozialraumorientierung nach Hinte) liegt darin, durch Wirkungsdialoge eine partizipative Zusammenarbeit zu entfalten. Hierzu werden & im Sinne eines Kompasses & die Bedingungen für personenzentriertes Arbeiten auf operativer, normativ-strategischer und politischer Ebene anschaulich beschrieben. Das Buch nutzt hierfür Fallbeispiele und erklärt so den Prozess dieses neuen personenzentrierten Arbeitens. Auf diese Weise werden die Leserinnen und Leser dazu befähigt, das Handlungskonzept auch in ihrer Einrichtung zu etablieren bzw. im Alltag personenzentriert zu arbeiten.

Prof. Dr. Anja Teubert leitet den Studiengang Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Martin Rösner leitete den Bereich Unterstütztes Wohnen bei 'Leben mit Behinderung Hamburg'.

3 Das Handlungskonzept Mein Kompass


Mit Mein Kompass wurde die Entscheidung konkretisiert, ein Konzept für die Planung und Vereinbarung von Unterstützungsleistungen zu entwickeln, mit dem es den Menschen und den sie unterstützenden Mitarbeitenden erleichtert werden soll, den Weg zu finden, den sie jeweils zum Zeitpunkt der Zusammenarbeit gehen wollen. Neben der Selbstbestimmung geht es auch darum, ins Gespräch zu kommen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu entwickeln und Maßnahmen zu verabreden, die dazu führen, dass zuvor vereinbarte Ziele erreicht werden.

Wir sprechen von Mein Kompass als Handlungskonzept, weil es Prozesse, Instrumente und Methoden beschreibt, die sowohl ein einheitliches Vorgehen für Planung, Umsetzung, Dokumentation und Evaluation von (individuellen) Unterstützungsleistungen festlegt als auch einen Strauß von Methoden und Instrumenten bereithält, aus dem personenbezogen gewählt werden kann.

Das Konzept enthält eine Einführung und eine Beschreibung des gesamten Planungsprozesses. Ein Handbuch mit dem Titel »Mein Kompass – So geht's« unterstützt die Nachvollziehbarkeit des Prozessablaufs und die Umsetzung in der praktischen Arbeit. Fachliche Überlegungen werden vertieft und durch Fachliteratur ergänzt, Prozessschritte differenzierter dargestellt und es werden weiterführende methodische Hinweise für die praktische Arbeit gegeben.

Darüber hinaus hat das Projektteam eine Materialkiste entwickelt, die die Kommunikation mit den Menschen unterstützt. Sie enthält eine große Anzahl von Methoden, inklusive Anleitungen für eine personenzentrierte Gesprächsführung und Dokumentation. Konzept und Handbuch werden in einer Print-Version in jede Einrichtung und jeden Dienst versandt und sind auch in Leichter Sprache im Intranet von LMBHH veröffentlicht und damit allen Mitarbeitenden und Nutzer:innen digital zugänglich. Jede Einrichtung und jeder Dienst verfügt über eine Materialkiste.

Es handelt sich hier um ein in hohem Maße entwicklungsoffenes Konzept, weil alle Dokumente kontinuierlich angepasst und weiterentwickelt werden. Damit sollen Ideen und Erfahrungen der Mitarbeitenden und Nutzer:innen selbst aufgenommen werden können. Gleichwohl ist den Verantwortlichen klar, dass die Sprache eines fachlichen Konzepts eine Hürde darstellt. Auch das soll weiterentwickelt werden.

3.1 Handlungsleitende Prinzipien


Handlungsleitende Prinzipien (▸ Kap. 4.2.2) stellen einen wichtigen Bestandteil von Mein Kompass und der Arbeit bei LMBHH insgesamt dar. In die Formulierungen fließen Elemente der persönlichen Zukunftsplanung (NWP 2023), der ›Leitfaden Personenzentrierung‹ LMBHH (2023c) und der in Hamburg zwischen den Budgetträgern vereinbarten Leitplanken in der sozialraumorientierten Eingliederungshilfe (Sozialkontor et al. 2019).

Die handlungsleitenden Prinzipien stehen ganz am Anfang des Handlungskonzepts (LMBHH 2023d). Sie stellen die für die Unterstützungsplanung notwendige Arbeitshaltung dar. Im Konzept werden zusätzlich zu den in der Sprache der Organisation formulierten Prinzipien beispielhaft Wege zu ihrer Berücksichtigung aufgezeigt und teilweise mit praktikablen Handlungsmöglichkeiten für Mitarbeitende im Mein Kompass-Prozess und mit betrieblichen sowie bereichs-/trägerübergreifenden Prozessen (z. B. Peer Evaluation) ergänzt. Bei der Formulierung der Prinzipien hat LMBHH darauf geachtet, diese kurz und knapp zu fassen.

Wege finden – genau hinhören

Die immer wieder vorzunehmende Erkundung und Formulierung des Willens des Menschen ist Grundlage und Ausgangspunkt unserer Dienstleistung. Der:die Adressat:in ist dabei die handelnde Person.

Dies wird umgesetzt durch eine personenzentrierte Unterstützungsplanung und barrierefreie Kommunikation.

Kommentar

Die Erkundung und Formulierung des Willens bedarf ausreichend Zeit und einer individuell angepassten und damit barrierefreien Kommunikation.

Die Betonung, dass der Mensch, um den es geht, handelt, nicht die Fachkraft oder Assistenz, hängt auch mit dem handlungsleitenden Prinzip der Unterstützung der Eigeninitiative zusammen. Hier ist zu beachten, dass reflektiert werden muss, wie eine Person ins Handeln kommen kann, welche Voraussetzungen dafür jeweils nötig sind.

Nicht ohne uns über uns

Nutzer:innen werden als Expert:innen ihrer Lebenssituation ernst und wahrgenommen. Wir versetzen sie durch personenzentrierte Kommunikation in die Lage, Entscheidungen zu treffen.

Die Entscheidungsfindung wird durch die Methoden der personenzentrierten Zukunftsplanung unterstützt. Die Evaluation der Dienstleistungen von LMBHH erfolgt durch Peers auf der Grundlage des NUEVA-Konzepts.7 Klientinnen und Klienten werden aktiv darin unterstützt, ihre Aufgaben als Interessensvertretung wahrzunehmen.

Kommentar

Der erste Satz dieses Prinzips hat es in sich. Er führt neben der Reflexion der eigenen Sichtweise oder Haltung bezüglich der Person, mit der aktuell gearbeitet wird, zur Frage, ob Ziele und Maßnahmen, die fachlich geboten scheinen, gute Maßnahmen sind, auch wenn sie von Nutzer:innen nicht akzeptiert werden. Die Frage wird hier insofern eindeutig beantwortet, als dass Menschen als Expert:innen ihres eigenen Lebens benannt werden und in die Lage versetzt werden müssen, zu verstehen, welche Ziele und Maßnahmen für ihr Leben eine Rolle spielen. Entscheidungen gegen ihren Willen werden damit grundsätzlich ausgeschlossen, solange die Menschen sich oder anderen nicht in erheblichem Maße schaden.

Die Befähigung von Nutzer:innen ist so zu verstehen, dass es die Aufgabe der Institution und ihrer Mitarbeitenden ist, Informationen aufzubereiten und Optionen verständlich zu kommunizieren. Es geht also darum, Nutzer:innen zu ermöglichen, eigene, abgewogene Entscheidungen bezogen auf ihre Ziele und die für die Zielerreichung hilfreichen Maßnahmen zu treffen.

Die hier benannten Arbeitsmittel zur Umsetzung dieses Prinzips gehen daher über die individuelle Unterstützungsplanung hinaus. Eine Persönliche Zukunftsplanung oder Biografiearbeit (Wiemann & Lattschar 2019; Nemetschek 2011) kann beispielsweise genutzt werden, um in einer Lebenssituation des Übergangs Bilanz zu ziehen und sich neu auszurichten (▸ Kap. 4.2.2, viertes handlungsleitendes Prinzip).

Die Ergebnisse der Peer-Evaluation NUEVA werden auf Einrichtungs- und Organisationsebene unter Beteiligung von Nutzer:innen umgesetzt. Dazu gibt es klare Prioritäten und Prozesse. Die Stärkung der Interessenvertretung beinhaltet die Bereitstellung unterstützender Ressourcen für gewählte Vertreter:innen (Assistenz, Transport, Kommunikationsmittel). Hier wird das grundlegende Prinzip der Partizipation verdeutlicht und ebenfalls die Kommunikation als notwendige Voraussetzung dafür. Außerdem werden fachlich-konzeptionelle Grundlagen definiert, die die Qualität der Arbeit mit den Menschen sichern und willkürliches Handeln verhindern sollen.

Mut machen – den Menschen stark machen

Wir machen Menschen Mut, ihre eigenen Ressourcen zu nutzen und Unabhängigkeit von professioneller Hilfe zu erlangen.

Die Erwachsenenbildung von LMBHH und Bildungsnetz Hamburg bietet dazu eine große Palette von Lernfeldern. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, zu verstehen, dass die Unabhängigkeit vom Unterstützungssystem möglich und sinnvoll sein kann. Über unterschiedlichste Bildungsangebote sollen die Menschen mit diversen Bedarfen an Bildung auch unabhängig von professionellen Unterstützern die Möglichkeit bekommen, sich besser kennenzulernen und weiterzuentwickeln.

Kommentar

Mut zu machen, kennzeichnet sehr eindeutig den Ansatz des Empowerments und ist damit eine grundlegende Haltung, die nicht nur im Zusammenhang mit der Umsetzung des Handlungskonzepts von Bedeutung ist. Mit diesem Prinzip wird die Hilfe zur Selbsthilfe und damit Selbständigkeit noch stärker betont. Fachkräfte brauchen neben einem Blick für und Kenntnisse über Ressourcen die Überzeugung, dass Menschen auch ohne oder mit weniger professioneller Unterstützung leben könnten. Sie werden durch dieses Prinzip darin bestärkt, kreativ nach Ressourcen und Lösungswegen zu suchen. Das Herausarbeiten von Ressourcen und Stärken der Menschen setzt voraus, dass die Fachkräfte in der Lage sind, diese wahrzunehmen, danach zu suchen und inaktive Ressourcen angemessen zu aktivieren.

Wenn Mitarbeitende wollen und aushalten können, dass Menschen ihren eigenen Weg mit ihren eigenen Ressourcen gehen, kann dieses Prinzip seine Wirkung entfalten. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, auf Menschen zu treffen, die nicht bereit sind, ihren eigenen Weg zu gehen. Auch das ist zu berücksichtigen (▸ Kap. 4.1, Exkurs: Das Trilemma der Inklusion, ▸ Kap. 4.2.2, zweites handlungsleitendes Prinzip).

Verbündete finden – Orte entdecken

Wir erkennen und aktivieren personelle und sozialräumliche Ressourcen und bauen diese mit potentiellen Verbündeten auf und...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-17-039256-5 / 3170392565
ISBN-13 978-3-17-039256-4 / 9783170392564
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