Freitag ist Sonntag in Katar (eBook)

Zwischen Tradition und Moderne - unser Alltag im reichsten Land der Welt

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-906-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Freitag ist Sonntag in Katar - Frida Benedikt
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Als Fridas Mann von seiner Firma das Angebot bekommt, nach Katar zu gehen, klingt das erst einmal verlockend. Doch mit zwei kleinen Kindern aus dem Rheinland in den Nahen Osten zu ziehen, ohne ein Wort Arabisch zu sprechen - kann das gutgehen?
Die Familie wagt den Schritt und siedelt nach Doha über, in eine Millionenmetropole der Gegensätze. Zwischen hypermodernen Hochhausfassaden und Kamelställen, eisig klimatisierten Shopping-Malls und Souk-Ständen unter der glutheißen Sonne lernen sie ihr neues Leben zu schätzen. Aus den geplanten zwei Jahren werden fast vier.
Vom Abenteuer, als Expat zu leben und sich als Frau in einer völlig fremden Kultur zu bewegen - Frida Benedikt nimmt uns mit in ein Land zwischen islamisch geprägter Tradition und unfassbarer Wirtschaftskraft und öffnet den Blick für die Menschen, die im Schatten von Dattelpalmen und Wolkenkratzern aufeinandertreffen. Katar live und unverschleiert.



Frida Benedikt arbeitet als Texterin für Firmen und Content-Portale. 2014 zog sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern aus dem Rheinland nach Doha. Ende 2017 verließen sie das Land wieder wegen der Blockade Katars. Um ihre Familie vor den katarischen Behörden zu schützen schreibt sie unter Pseudonym.

DER SPRUNG INS ABENTEUER

An dem Tag, der unser Leben komplett veränderte, blubberte der Kaffee in die Kanne und füllte die winzige Küche unseres Reihenhauses mit verlockendem Duft. Oliver, der Chef meines Mannes, war gerade aus Katar zu Besuch. Wir lehnten zu dritt in der Küche an der Arbeitsplatte und warteten darauf, dass der Kaffee endlich durch die altersschwache Maschine gelaufen war. Auf der kleinen Rasenfläche vor dem Haus spielten Tim und Noah und turnten lautstark auf dem Klettergerüst herum.

Mark drehte und ordnete die drei Becher vor der Maschine nervös. »Sag mal, Frida, könntest du dir vorstellen, nach Katar zu ziehen?«

Oliver sah mich erwartungsvoll an. »Ich habe Mark angeboten, mein Nachfolger als Geschäftsführer der Niederlassung in Doha zu werden.«

Ich zögerte. Mark hatte mich natürlich vorgewarnt, dass Olivers und seine Pläne in diese Richtung gingen. Aber ich hatte es für eine »Ganz eventuell in ein paar Jahren«-Option gehalten. In die Wüste ziehen? Seit einiger Zeit arbeitete mein Mann für zwei Firmen, Tochtergesellschaften eines deutschen Elektrokonzerns. Ein Standort war in Deutschland, der zweite in Katar. Alle paar Wochen pendelte er aus Deutschland in den kleinen Wüstenstaat zum Arbeiten. Mal für ein paar Tage, häufig für zwei bis drei Wochen am Stück. Mark und ich hatten schon bald beschlossen, dass seine Pendelei und mein Leben allein mit zwei kleinen Kindern kein Dauerzustand sein sollten. Dass die Lösung allerdings darin bestehen könnte, uns alle zusammen nach Katar zu schicken, darauf war ich nicht gekommen.

Unsicher schaute ich zum Klettergerüst. Tim war sechs und gerade eingeschult worden, Noah war erst zwei und ganz aufgeregt, dass er jetzt »endlich« in den Kindergarten ging. Wie wäre es für die beiden, wenn sie aus der neuen Schule und dem neuen Kindergarten gerissen würden? Sie hatten beide gute Freunde, hingen an den Großeltern.

»Es wäre eine Entsendung für, sagen wir mal, zweieinhalb Jahre«, meinte Oliver in diesem Moment. »Wenn es euch gefällt, könnt ihr verlängern.« Oliver selbst und die anderen Deutschen in seinem Team hatten schon mehrfach in Katar verlängert, auch die Kollegen mit Kindern. So schlimm konnte es für Kinder in Doha also nicht sein. Meinen Job als freie Texterin würde ich auch nicht aufgeben müssen. Solange ich eine Internetverbindung, mein Notebook und ein Telefon hatte, konnte ich überall arbeiten.

Noch immer brachte ich kein Wort über die Lippen, meine Gedanken kreisten ständig um die gleichen Fragen. Ein Leben als Expat – war ich bereit dazu, mit zwei Kindern unter zehn Jahren? Noch dazu in einem Wüstenstaat, der nach islamischem Scharia-Gesetz funktionierte? »Expat auf Zeit« klang da auf jeden Fall erst mal beruhigend.

»Ich denk drüber nach«, versprach ich, »und bespreche das in Ruhe mit Mark.«

Das erste Mal hatte ich drei Jahre zuvor einen Fuß auf katarischen Boden gesetzt. Ich hatte gerade einen privaten Schicksalsschlag hinter mir. Der Schock und die Trauer saßen noch tief, als Mark das nächste Mal beruflich nach Doha fliegen musste.

»Frida, was hältst du davon, wenn du mitkommst, und Tim auch?«, schlug er eines Morgens vor. »Das würde dir sicherlich guttun und dich ablenken.« Ich hatte Angst vor Katar und wirklich keine Lust: Es war Juli, einer der heißesten Monate im Nahen Osten. Mark würde die ganze Woche arbeiten, und ich säße mit meinem vierjährigen Sohn im Hotel fest. Doch mangels einer besseren Idee kamen wir mit.

Knötterig und depressiv verstimmt stieg ich in Doha aus dem Flieger. »Auch das noch! Es ist sowieso schon so heiß, und jetzt lassen die auch noch die Triebwerke weiterlaufen, während wir daran vorbeimüssen!«, beschwerte ich mich. Die heiße Luft blies mich von der Seite an, als ich grummelnd die Gangway zum Bus hinunterstieg.

Im Zubringerbus regte sich zum ersten Mal seit Wochen meine Neugier: Wir waren nur eine Handvoll Leute, die anhand der Brillen und praktischen Kleidung eindeutig als Deutsche zu identifizieren waren. Uns umringten Menschen in allen Hautfarben dieses Erdballs. Ein Gemisch aus Sprachen, farbenfrohen Saris, schwarzen Abayas, weißen und erdfarbenen Kaftans sowie Kopftüchern in vielen Farben umspülte mich. Ich konnte mich gar nicht sattsehen. Es schaute auch niemand irritiert, wenn das Gespräch zwischen Arabern mal etwas lauter wurde. Das war ich aus Deutschland nicht gewohnt.

Dezent zeigte ich auf eine Person in einem langen weißen Gewand: »Ist das ein Katari?«, raunte ich Mark zu. Denn auch katarische Männer kleiden sich zu Hause in Landestracht. Sie ziehen sich im Flieger um – in Europa tragen zumindest die Männer gern Anzug, die Frauen bleiben der Abaya meist treu.

Mark schüttelte den Kopf. Auch die anderen Männer in Weiß waren angeblich keine Kataris.

»Aber wo sind die denn dann?«

Mark grinste. »Natürlich nicht im Zubringerbus der Economy Class«, raunte er. »Die Leute aus der Business Class werden separat bis in die Immigration-Halle kutschiert.«

Es war ein Uhr morgens, als der Zubringerbus uns am Flughafenterminal ausspuckte. Noch am alten Flughafen, Doha International Airport, wo alles mit Provisorien arbeitete, während man die Eröffnung des riesigen modernen Hamad International Airport, kurz HIA, herbeisehnte.

Beim Aussteigen aus dem Bus blieb ich verwirrt stehen. Kein Flugzeug weit und breit – wie konnte uns dann weiterhin eine Turbine heiß anblasen? Meine wochenlange Lethargie fiel von mir ab, als mir klar wurde: Diese Hitze kam nicht aus einer Maschine, diese Hitze war das Wetter in Katar! Es fühlte sich haargenau so an, als hätte jemand einen gigantischen Föhn direkt auf mich gerichtet. Nicht unangenehm, sondern wie eine exotische Wärmebehandlung in einem teuren Spa. Die Mondsichel stand, für unser deutsches Empfinden, »verkehrt« am Himmel, nämlich um neunzig Grad nach unten gekippt. In der Luft schmeckte ich einen Hauch Meeresbrise.

Direkt nach der Passkontrolle tauchten wir ein in ein Gewühl aus Asiaten, Indern und Arabern. Eine schwarz vermummte Frau mit fünf Kindern und zwei Nannys ließ sich per Mofa einen Stapel Pizzen an den Flughafen liefern. Vermutlich Wegzehrung, vielleicht war das Zuhause noch weit. Türkise Taxis glitten aus der samtigen Dunkelheit und ließen Miami-Vice-Feeling aufkommen.

Ein Erlebnis aus dieser Urlaubswoche ist mir besonders in Erinnerung geblieben: das erste Mal am Pool des Interconti. Um zu der großen Außenpoolanlage zu gelangen, muss man durch den Spa-Fitness-Bereich gehen. Dort weist man sich als Hotelgast aus, bekommt flauschige Handtücher in die Hand gedrückt und darf dann erst zum Pool.

Tim und ich schleppten unsere Pooltasche und die Handtücher, ich drückte die Tür auf. Meine Brille beschlug sofort, und ich sah nichts mehr. Tim hatte auf der Schwelle einen Schlappen verloren, machte einen Schritt barfuß nach vorn und schrie auf. Es war höllenheiß. Schlimmer als in der finnischen Sauna. Ich schob meine Brille nach oben, um wenigstens Umrisse von irgendwas zu sehen. Vor mir lag zu meinem Erstaunen nicht die Damen-Sauna, wie ich wegen der Hitze vermutet hatte, sondern die große Poollandschaft, die ich schon aus dem Hotelfenster bewundert hatte. Aber es war so heiß, dass mir eine Gänsehaut über den Körper lief. Dagegen war der heiße Fön gestern Nacht ein Klacks.

Ich schlüpfte aus einer Badelatsche und stellte testweise einen nackten Fuß auf den Steinboden. Kein Wunder, dass Tim geschrien hat: Er war so heiß, dass ich mir wahrscheinlich Brandblasen holte, wenn ich die paar Meter bis zum Schwimmbecken ohne Schuhe laufen würde.

Einige wenige Erwachsene schwammen in dem großen Becken. Sie trugen Baseballkappen und schütteten sich alle paar Meter damit das gekühlte Poolwasser über den Kopf. Nach ein paar Metern im Pool wusste ich, wieso: Die Sonne brannte derart auf meinen Haaren, dass es sich anfühlte, als würde ich den Kopf auf eine Herdplatte drücken.

Wir versteckten uns vor der sengenden Hitze am Kinderpool. Es war das einzige Becken, das überdacht war. Etwa ein Dutzend Plastikstühle stand im Schatten um das kleine Becken, damit die armen Eltern nur kochten, aber nicht verbrannten, während der Nachwuchs das kühle Wasser genoss. Wir waren die Einzigen hier. Ich saß im Bikini auf dem Stuhl und hatte mir ein Handtuch untergelegt. Nach einer Weile gesellte sich eine Familie zu uns: fünf Kinder, ein stark behaarter Mann in Badeshorts und vier Frauen in weiten schwarzen Gewändern. Man sah nur ihre Augen aus Schlitzen im Gesichtsschleier blicken, alles andere war von schwarzem Stoff verborgen.

Die Frauen setzten sich nebeneinander auf die andere Seite des Beckens, mir gegenüber, der Mann ging mit den Kindern ins Wasser. Er verrenkte sich fast den Hals bei dem Versuch, die fünf Kleinen im Auge zu behalten, ohne dass sein Blick mich streifte. Er bewegte sich immer mit dem Rücken zu mir und haschte blind nach den Kindern, die in meiner Nähe paddelten. Noch wusste ich nicht, wie streng die Regeln für verheiratete Muslime waren, aber dieses Treffen gab mir eine erste Ahnung.

Unter den Blicken der schwarz verhüllten Frauen fühlte ich mich, als sei ich nackt. Mein Gott, wie mein Busen über das Oberteil quoll! War ich nicht der lebende Beweis, dass westliche Frauen von Grund auf verdorben waren? Ganz furchtbar. Wieso hatte ich mich nur dazu hinreißen lassen, ausgerechnet in Katar einen Bikini anzuziehen? Ich hatte zwar ein ganz züchtiges Exemplar an, aber hier und jetzt saß ich mit vor Scham hochrotem Kopf am Pool.

Sosehr ich mich auch schämte – vor allem taten mir die...

Erscheint lt. Verlag 20.4.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte Naher Osten
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Auswandern • auswandern buch • auswandern dubai • auswandern mittlerer osten • auswandern naher osten • Couchsurfing im Iran • Der mit dem Scheich tanzt • Erfahrungsbericht • erfahrungsberichte bücher • erfahrungsberichte reise • Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren • katar wm • Mittlerer Osten • Sachbuch • Zwölf Wochen in Riad
ISBN-10 3-95967-906-8 / 3959679068
ISBN-13 978-3-95967-906-0 / 9783959679060
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