Strategien der Sprachförderung im Kita-Alltag (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 2. Auflage
119 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61381-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Strategien der Sprachförderung im Kita-Alltag -
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In den Kita-Alltag integriert und am Dialog orientiert - dies gilt heute als wirksamste Maxime für die Sprachförderung aller Kinder. Pädagogische Fachkräfte sollen jedes Kind individuell und optimal fördern. Der Kita-Alltag bietet zahlreiche Gelegenheiten dafür. Mit fünf Strategien können Kinder ermuntert und befähigt werden, sich durch Sprache auszudrücken. Die ErzieherInnen stellen gezielt Fragen, nehmen die Aussagen des Kindes auf und erweitern sie. Diese Strategien lassen sich leicht erlernen und anwenden. Sie eignen sich für alle Kinder, auch für solche mit Deutsch als Zweitsprache. Im Fokus dieses Praxisbuchs steht die alltagsintegrierte Sprachförderung - eine sinnvolle und praktikable Alternative zu Sprachförderprogrammen!

Prof. Dr. Cordula Löffler, Sonderschulpäd. und Germanistin, lehrt "Sprachliches Lernen im Fach Deutsch" an der PH Weingarten. Prof. Dr. Franziska Vogt, Primarlehrerin, leitet das Institut Lehr- und Lernforschung an der PH St. Gallen und lehrt dort Pädagogik und Psychologie, insbesondere im internationalen Masterstudiengang "Early Childhood Studies".

Prof. Dr. Cordula Löffler, Sonderschulpäd. und Germanistin, lehrt "Sprachliches Lernen im Fach Deutsch" an der PH Weingarten. Prof. Dr. Franziska Vogt, Primarlehrerin, leitet das Institut Lehr- und Lernforschung an der PH St. Gallen und lehrt dort Pädagogik und Psychologie, insbesondere im internationalen Masterstudiengang "Early Childhood Studies".

2 Kindlicher Spracherwerb

Von Andrea Haid und Cordula Löffler

Für eine gezielte Förderung von Kindern ist die Diagnostik sprachlicher Fähigkeiten und Schwierigkeiten unerlässlich. Fried (2006) kritisiert, dass sprachdiagnostische Instrumente vor allem nur für Experten entwickelt werden. Auch Kany / Schöler (2010) sehen die Notwendigkeit einer frühpädagogischen Sprachdiagnostik im Kindergarten und fordern in diesem Zusammenhang, die diagnostischen Fähigkeiten von frühpädagogischen Fachpersonen gezielt zu schulen. Sie geben einen Überblick sowie eine Bewertung zu vorhandenen diagnostischen Verfahren sowie standardisierten Testverfahren (Kany / Schöler 2010).

Das vorliegende Buch enthält einen Bogen der den ersten wichtigen Schritt der Diagnostik fokussiert: die Beobachtung (Vorlage „Leitfragen zur Beschreibung von Sprachkompetenz“ zum Selbstausfüllen im Online-Material, siehe auch Abb. 1).

Einer Frühpädagogin im Kindergarten wird es kaum möglich sein, eine umfassende Sprachstandsdiagnostik auf allen Ebenen durchzuführen. Der hier verwendete Beobachtungsbogen liefert daher Leitfragen, die eine qualitative Beobachtung und nachfolgend eine Einschätzung der Kompetenzen eines Kindes auf den unterschiedlichen Sprachebenen unterstützen. Dabei orientiert sich der Beobachtungsbogen an den Erwerbsphasen innerhalb der einzelnen Sprachebenen.

2.1 Meilensteine des Spracherwerbs

Um Sprache zu beschreiben, bedient sich die Sprachwissenschaft (Linguistik) einzelner Betrachtungsebenen. Dabei wird das System Sprache wie folgt unterteilt:

Wie ist die Sprache in Bezug auf die Bedeutung der Wörter aufgebaut? (Wortschatz)

Welche grammatischen Regeln gelten in der Sprache? (Grammatik)

Welche Laute und Lautverbindungen gibt es in der Sprache? (Laute)

Was bewirkt Sprache auf kommunikativer Ebene und welche Handlungen löst Sprache aus? (Pragmatik) Was bewirkt zum Beispiel die Aussage „Ich habe Hunger“ bei meinem Gegenüber?

Die Unterscheidung einzelner Betrachtungsebenen hilft dabei, den kindlichen Spracherwerb zu erklären und in weiterer Folge gezielt zu beobachten und zu fördern. Die Ebenen sind jedoch nicht als isolierte Entwicklungsbereiche zu werten. Vielmehr beeinflussen sich die Bereiche während des Spracherwerbs gegenseitig. Zum Beispiel kommt es durch eine Zunahme des Wortschatzes zu längeren Äußerungen des Kindes und folglich zur Festigung der ersten grammatischen Regeln (Tab. 2).

Tab. 2: Linguistische Betrachtungsebenen und deren Fokus

Sprachlicher Teilbereich Linguistische Bezeichnung
Wortschatz semantisch-lexikalische Ebene
Laute phonetisch-phonologische Ebene
Grammatik morphologisch-syntaktische Ebene
Pragmatik pragmatisch-kommunikative Ebene

Die einzelnen sprachwissenschaftlichen Betrachtungsebenen unterscheiden sich zudem in Bezug auf die Fähigkeiten im Sprachverständnis und der Sprachproduktion. Versteht das Kind ein gesagtes Wort? Führt es eine Aufforderung korrekt durch? Kann das Kind unterschiedliche Dinge korrekt benennen oder einen Satz grammatisch korrekt produzieren? Die Fähigkeit des Verstehens (Rezeption) geht dabei der Produktion im Spracherwerb stets voraus. Das Kind versteht mehr, als es selbst produzieren kann.

Die Meilensteine des Spracherwerbs werden im Folgenden anhand der sprachwissenschaftlichen Betrachtungsebenen beschrieben (Tabellarische Übersicht über die „Meilensteine des Spracherwerbs“ im Online-Material).

Semantisch-lexikalische Ebene

Die semantisch-lexikalische Betrachtungsebene umfasst die inhaltliche Bedeutung (Semantik) der sprachlichen Zeichen (d. h. welche Bedeutung hat ein Wort). Zudem wird die Anzahl der gespeicherten Wörter beschrieben, die verstanden und produziert werden (Lexikon).

Die semantische Entwicklung beginnt ab dem Zeitpunkt, zu dem das Kind Lautfolgen im Sprachstrom wiedererkennt (Menyuk 2000). Der Wortschatzerwerb in den ersten Lebensjahren ist ein mehrdimensionaler Prozess. Neben der Fähigkeit der Kognition und der Kommunikation spielen die Persönlichkeit des Kindes sowie das Wortschatzangebot aus der Umgebung eine große Rolle (Szagun et al. 2006). Die ersten Wörter werden vom Kind etwa im Alter zwischen acht bis zehn Monaten verstanden (Hollich et al. 2000). Die anfänglichen kindlichen Wortproduktionen beziehen sich auf Wörter, die meist in einem bestimmten Kontext verwendet und als Protowörter bezeichnet werden (Kauschke 2000), z. B. Wawa für Hund. Die ersten kontextunabhängigen Wörter werden um den ersten Geburtstag herum ausgesprochen (Menyuk 2000; Kauschke 2000; Grimm 2012).

Der anfänglich verfügbare Wortschatz bezieht sich auf Personen, Objekte und Aktivitäten aus der direkten Umgebung des Kindes (Clark 1993) und damit auf alles, was „konkret, hörbar, sichtbar, greifbar und manipulierbar“ ist (Wode 1988, 146). Die Kinder beginnen zu übergeneralisieren, indem sie zum Beispiel alle älteren Männer mit Bart als Opa ansprechen. Auch eine Überdiskriminierung findet statt. So wird ausschließlich der Nachbarshund als Hund bezeichnet. Zudem tendieren die Kinder gerne zu Wortneuschöpfungen. Da wird aus einem Straßenfeger schnell mal der Saubermacher (Rupp 2013).

Der zu Beginn sehr langsam verlaufende Erwerbsprozess wird ab dem Erreichen von 50 aktiv gebrauchten Wörtern schneller. Diesen Meilenstein erreichen Kinder etwa im Alter von 18 Monaten, wobei individuell von starken Schwankungen auszugehen ist. Während der Phase des schnellen Wortschatzwachstums erwerben Kinder innerhalb kurzer Zeit viele neue Wörter, nämlich etwa zehn pro Tag (Kannengieser 2019). Der Verlauf des schnellen Wortschatzzuwachses kann jedoch unterschiedlich ausgeprägt sein. Auf einen rasanten Anstieg neuer Wörter in kurzer Zeit kann ein anschließendes Plateau ohne neue erworbene Wörter folgen. Aber auch ein kontinuierlich zunehmender Wortschatz ist möglich (Rupp 2013).

Mit dem wachsenden Wortschatz erwirbt das Kind Inhaltswörter in Form von Nomen, Verben und Adjektiven sowie Funktionswörter wie Artikel, Präpositionen, Pronomen oder Konjunktionen. Die Funktionswörter sind für den Einstieg in die Grammatik und die weitere grammatische Entwicklung ganz entscheidend.

Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Phasen des Wortartenerwerbs mit Beispielen (modifiziert und erweitert nach Kauschke 2010; Rupp 2013).

Kinder verstehen anfänglich viel mehr Wörter, als sie selbst aktiv produzieren können (Sachse 2005). Die ersten Wörter werden nach acht Monaten verstanden. Im Alter zwischen 12 und 16 Monaten sind es bereits 100 bis 150 Wörter. Dieser passive Wortschatz wächst bis zum 20. Lebensmonat auf 200 Wörter an. 50 davon werden auch aktiv verwendet (Rupp 2013). Bis zum dritten Lebensjahr erreicht der passive Wortschatz ca. 800-1.000 Wörter (Rothweiler / Kauschke 2007). Selbstverständlich schwanken die quantitativen Angaben zum Wortschatz je nach Individuum stark.

Tab. 3: Alterskorrelierte Wortartenverteilung

Phasen Wortschatz Beispiele
I
1;0-1;6 Jahre

personal-soziale Wörter

relationale Wörter

Vorläufer der Verben (Partikel)

Lautmalereien und erste Nomen

hallo, ja, nein, bitte

auf, auch, weg

rein, raus

Wauwau, Ball, Auto,

II
1;7-2;5 Jahre

Zuwachs Nomen, Verben

Anteil der personal-sozialen Wörter und Lautmalereien nimmt ab

Tisch, Ente, essen, trinken, malen
III
2;6-3;0 Jahre

Ausdifferenzierung von Nomen, Verben, Adjektiv

Zunahme von Funktionswörtern (Einstieg in die Grammatik)

Sonne – Mond, schneiden – schälen, gestreift – gepunktet

der / die / das, er / ihr / sein, wenn / weil / dass

IV
ab 3 Jahren

ausgewogene, zielsprachliche Zusammensetzung des Lexikons

 

Phonetisch-phonologische Ebene

Die Phonetik beschäftigt sich mit der Beschreibung der Laute und Lautbildung. Die Phonologie hingegen, wie Laute in einer Sprache verwendet werden. Zum Beispiel haben die Laute / k / und / t / im Deutschen eine bedeutungsunterscheidende Funktion (Tanne vs. Kanne).

In der Entwicklung der Lautbildung durchlaufen Kinder die ersten sieben bis acht Wochen ab der Geburt eine Phase des Schreiens und Gurrens. Danach folgt bis zum siebten Monat die erste Lallphase, an...

Erscheint lt. Verlag 7.9.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte Alltag • Alltagsintegrierte Förderung • Dialog • Frühpädagogik • Kinder • Kita • Pädagogik • Sprachförderung • Sprechen • Strategien • Zweitsprache
ISBN-10 3-497-61381-9 / 3497613819
ISBN-13 978-3-497-61381-6 / 9783497613816
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