Förderplanung im Team für die Sekundarstufe (FiT-S) (eBook)

Anleitung für die effiziente Planungssitzung
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
120 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61243-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Förderplanung im Team für die Sekundarstufe (FiT-S) -  Karsten Krauskopf,  Franziska Rogge,  Karin Salzberg-Ludwig,  Michel Knigge
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Was nützt ein toller Förderplan im Aktenordner des Sonderpädagogen? Die gezielte Förderung einzelner SchülerInnen sollte möglichst von allen beteiligten Lehrkräften und auch von SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen etc. geplant und mitgetragen werden. FiT-S ist ein Konzept für einen strukturierten und effizienten Förderplanprozess im Team. Ohne lange Vorbereitung verständigen sich die Beteiligten mithilfe von Analysekarten über Stärken und Schwächen des Schülers/der Schülerin. Es werden fachbezogene und fächerübergreifende Kompetenzen einbezogen, auch Motivation, Handlungssteuerung und soziale Beziehungen. Innerhalb kurzer Zeit (90 Min.; Kurzversion: 45 Min.) werden Förderziele definiert, priorisiert und dokumentiert. Vorschläge für erste Maßnahmen liefert die Ideenbörse im Buch!

Karsten Krauskopf, Dr. rer. nat., Dipl. Psych., Psychodrama-Therapeut (DAGG, DFP, FEPTO), wiss. Mitarbeiter. Franziska Rogge, M. A. Erziehungswissenschaft, B. A. Soziologie, wiss. Mitarbeiterin. Karin Salzberg-Ludwig, apl. Prof., Dr. habil., Dr. phil., Sonderpädagogin. Michel Knigge, Prof., Dr. phil., Dipl. Psych. Die AutorInnen lehren und forschen am Lehrstuhl Inklusion und Organisationsentwicklung an der Universität Potsdam.

Karsten Krauskopf, Dr. rer. nat., Dipl. Psych., Psychodrama-Therapeut (DAGG, DFP, FEPTO), wiss. Mitarbeiter. Franziska Rogge, M. A. Erziehungswissenschaft, B. A. Soziologie, wiss. Mitarbeiterin. Karin Salzberg-Ludwig, apl. Prof., Dr. habil., Dr. phil., Sonderpädagogin. Michel Knigge, Prof., Dr. phil., Dipl. Psych. Die AutorInnen lehren und forschen am Lehrstuhl Inklusion und Organisationsentwicklung an der Universität Potsdam.

2      Wie kann Lernen in der Schule gelingen?

In der Auseinandersetzung mit der Frage, wie Lernen in der Schule gelingen kann, ist es unumgänglich, Prozesse des Lernens im Allgemeinen und im Besonderen kurz zu umreißen. Von der etymologischen Grundbedeutung des Wortes „Lernen – wissend werden“ausgehend, steht zwar der Wissenserwerb im Zentrum der Lernhandlungen, dieser wird jedoch von zahlreichen internalen sowie externalen Faktoren beeinflusst.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, wie der Philosophie, Psychologie, Biologie, Kognitionswissenschaft und natürlich der Pädagogik, setzen sich mit diesen Faktoren in unterschiedlichen Zugängen näher auseinander. Die individuellen Erfolge jedes Lernenden im Rahmen institutionalisierter Bildung, wie der Schule, beeinflussen maßgeblich deren Lebensweg. Eine am Lernenden und seiner Entwicklung orientierte Pädagogik stellt den Versuch dar, dem Anspruch einer guten Schule zu genügen:

„Nur eine Pädagogik, die das Potential jedes Kindes gut auszuschöpfen vermag, verhilft den Kindern dazu, jene eigenständigen, kreativen und lernbereiten Individuen zu werden, die sich in dieser zunehmend vielseitigen, dynamischen und anforderungsreichen Gesellschaft der Zukunft erfolgreich behaupten können“ (Largo 2014, 26).

Wir gehen davon aus, dass Lernen einen schöpferischen Akt darstellt, der durch pädagogische Begleitung unterstützt werden kann. Die Auseinandersetzung damit, wie Lernprozesse noch verstanden werden können, wird im Folgenden auf der Grundlage theoretischer Erklärungsansätze skizziert.

2.1    Lerntheorien - interdisziplinär betrachtet

behavioristische Lerntheorien

Die Grundannahme der behavioristischen Lerntheorien besteht darin, dass bestimmte Reize, auch Stimuli genannt, auf den Menschen einwirken und spezifische Reaktionen hervorrufen. Lernen ist in diesem Verständnis eine überdauernde Verhaltensänderung, die durch äußere Einflüsse (Belohnung, Bestrafung) und durch Übung entsteht (Eckhardt 2013; Göhlich/Zirfas 2007; Hannover et al. 2014; Machowiak et al. 2008). Ein pädagogisch bedeutsames Prinzip ist das Lernen durch Verstärkung erwünschten Verhaltens, das auch als instrumentelles Lernen oder operante Konditionierung bezeichnet wird. Dieser Ansatz ist im Jahr 2019 durchaus noch populär und spiegelt sich in der Vergabe von Belohnungen (Tokens) im Rahmen von Verstärkersystemen wider. Für sich genommen erklärt dieser Ansatz jedoch nicht alles:

„Als größter Nachteil muss zweifellos gelten, dass der behavioristische Zugang große Schwierigkeit hat, unerwartetes Verhalten zu erklären“ (Göhlich/Zirfas 2007, 23).

kognitive Lerntheorien

Die Entwicklung kognitiver Lerntheorien geht mit der sogenannten kognitiven Wende der 1970er Jahre einher. Der Lernende wird in diesem Verständnis als Individuum begriffen, das äußere Reize aktiv und selbstständig verarbeitet. Wahrnehmen, Erkennen und Lernen sind individuelle und aktive Prozesse der Informationsverarbeitung, um sich an die Umwelt anzupassen. Aus pädagogischer Perspektive besteht in diesem Prozess eine Wechselwirkung zwischen einem externen Angebot durch den Lehrenden und der internen Verarbeitung durch die Lernenden (Göhlich/Zirfas 2007; Machowiak et al. 2008).

konstruktivistische Lerntheorien

Aus konstruktivistischer Perspektive werden Wahrnehmen, Erkennen und Lernen im Gegensatz zu kognitiven Lerntheorien als Konstruktionsprozess des Individuums verstanden, der durch kognitive Voraussetzungen und soziale Rahmenbedingungen maßgeblich beeinflusst wird (Göhlich/Zirfas 2007). Lernende bauen Wissenssysteme und -strukturen auf. Die Konstruktionsprozesse verlaufen bei jedem Lernenden unterschiedlich, da die darunterliegenden Prozesse individuell reguliert werden. Dies bedingt zwangsläufig Diskrepanzen zwischen Lernangeboten der Lehrenden und den individuellen Voraussetzungen der Lernenden. Nach diesem Paradigma tragen offene Lernarrangements zu einer Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Problemstellungen bei. Gleichzeitig bietet dieses Arrangement die Möglichkeit, mehr Wissen sowie ein tieferes Verständnis zu erlangen als die einfache Weitergabe von Wissen mit übenden Verfahren. Lerninhalte und Vorwissen werden hier besser miteinander verknüpft (Wisniewski 2016).

Tätigkeitstheorie

In der Tätigkeitstheorie werden Lern- und Denkprozesse als Wechselwirkung zwischen Lernendem und der Umwelt verstanden. Der Lernende verändert sich dabei sowohl selbst als auch die Umwelt (Giest/Lompscher 2006). Lernen bedeutet also, sich Kenntnisse und Fähigkeiten durch aktive Handlungen mit dem Lerngegenstand anzueignen. Die Lernhandlung wird somit im schulischen Kontext zu einer dominierenden Tätigkeit. Sie bestimmt die Stellung der Lernenden zur eigenen Umwelt und fördert in besonderer Weise die psychische Entwicklung (Matthes 2009; Nitsch 2015). Wygotskis Theorie zufolge sollte Unterricht, ausgehend von der aktuellen Leistung, die Zone der nächsten Entwicklung bei den Lernenden ansprechen, die dann handelnd erreicht wird (Wygotski 1993). Das ist jener Bereich, den der Lernende unter Anleitung und in Zusammenarbeit mit anderen erreichen kann. Lernfortschritte ergeben sich, wenn die Lernenden über ihr aktuelles Leistungsniveau hinausgehen und zu einer neuen Kompetenzstufe gelangen. Die Unterstützung der sozialen Umgebung sowie die individuelle Zuversicht und Hoffnung auf Erfolg unterstützen dabei den Lernprozess (Matthes 2018).

biologisch orientierte Theorien

Aus neurobiologischer und -psychologischer Perspektive werden Zusammenhänge zwischen bewussten, unbewussten, affektiven, kognitiven, sozialen und motorischen Aspekten des Lernens mit Vorgängen im Gehirn verbunden. Es wird betont, dass auch die Persönlichkeitsentwicklung eng mit Eigenschaften des Gehirns zusammenhängt. Dieses ist allerdings nicht starr und unveränderbar, sondern wird in seiner Struktur und seiner Aktivität stark von Umweltfaktoren und Erfahrungen geprägt (Roth 2011). Zahlreiche Autorinnen und Autoren (Hüther 2010; Hüther/Hauser 2013; Roth 2010, 2011; Spitzer 2010; Stern 2010; Vester 1994) plädieren dafür, neurobiologische, psychologische und pädagogische Sichtweisen auf das Lernen miteinander zu verknüpfen, um Lehren und Lernen auch im schulischen Alltag den veränderten Ansprüchen anzupassen.

Bildung hat zum Ziel,

Aufgaben von Bildung

„(1) dem Lernenden zu helfen, sich zu einer psychisch gesunden Persönlichkeit zu entwickeln; (2) ihm Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, die ihn auf ganz unterschiedliche spätere Lebenstätigkeiten vorbereiten, und ihn in die Lage versetzen, eigenständig und kritisch mit diesem Wissen umzugehen; und (3) soziale Kompetenzen zu entwickeln, die es ihm erlauben, seine eigenen Interessen unter Anerkennung und Berücksichtigung der Interessen Anderer zu verfolgen […]“ (Roth 2011, 285).

Für FiT-S gilt:

! Lernen kann als ein aktiver und komplexer Prozess verstanden werden, der von inneren und äußeren Faktoren beeinflusst wird. Er zielt darauf ab, Wissens- und Könnenssysteme aufzubauen, die Lernende in zunehmendem Maße befähigen, sich in der Welt zu orientieren und sich zu einer kompetenten und gesunden Persönlichkeit zu entwickeln.

2.2    Spezifika des Lernens in der Sekundarstufe

Zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr kommt es zu umfassenden Entwicklungsveränderungen (Konrad/König 2018; Lindberg/Hasselhorn 2018). Im Kontext des Lernens betrifft dies die Effizienz des Arbeitsgedächtnisses, motivationale Voraussetzungen, metakognitive Fähigkeiten sowie die Stabilisierung des Leistungsmotivsystems.

Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses

Im Bereich des Arbeitsgedächtnisses verbessert sich vor allem die Verarbeitung sprachlicher und akustischer Informationen. Die Schüler können also in der Regel größere Informationseinheiten verarbeiten und die Funktion des inneren Nachsprechens automatisieren. Die stärkere Automatisierung grundlegender kognitiver Prozesse, die Vertrautheit mit vielen Lerninhalten, eine größere Kapazität des Arbeitsgedächtnisses sowie effektivere Strategien zur Wissensaneignung sind dafür verantwortlich. Durch stetes Üben vernetzen sich die neuronalen Strukturen, sodass die koordinative Qualität steigt. Dadurch kommt es zugleich zu einer Leistungssteigerung von Sprache, räumlichem Denken, sozialer Intelligenz und Kreativität sowie in spezi-fischen Wissensbereichen. Die Jugendlichen werden in ihrem Denken insgesamt abstrakter, mehrdimensionaler, relativer und zunehmend selbstreflexiver (Konrad/König 2018; Lindberg/Hasselhorn 2018).

Motivation und Steuerung

Motivationale Veränderungen zeigen sich unter anderem darin, dass ein kindlicher Optimismus und die Ausrichtung des Lernens durch Nachahmung (Mimesis) in sozialen Kontexten (Bandura 1969) sich verschieben. Soziale Vergleiche sind nun für die Selbstwahrnehmung und -bewertung von noch größerer Bedeutung (Helmke 1998). Metakognitiven Fähigkeiten, das Monitoring und die Kontrolle der eigenen Handlungsausführungen...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte Förderpädagogik • Förderplan • Förderpläne • Förderplanung • Förderprogramm • Sonderpädagogik • Teamarbeit
ISBN-10 3-497-61243-X / 349761243X
ISBN-13 978-3-497-61243-7 / 9783497612437
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