Der Hitlerputsch 1923 (eBook)

Reclam - Kriege der Moderne

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
160 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962195-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Hitlerputsch 1923 -  Peter Tauber
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Das Jahr 1923 gilt als das Krisenjahr der Weimarer Republik. Hyperinflation, wirtschaftliche Not und Hunger, die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und der darauffolgende passive Widerstand, Umsturzversuche der Kommunisten in Hamburg, Sachsen und Thüringen sowie der Hitlerputsch im November, Gewalt auf der Straße und fehlende politische Stabilität ließen ein Gefühl von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft entstehen.   Peter Tauber beschreibt die Kämpfe der noch jungen Republik, die erst zur Ruhe kam, als Hitlers erster Griff nach der Macht am 9. November 1923 scheiterte. Doch die Folgen des Krisenjahres wurden nie ganz überwunden.

Peter Tauber, geb. 1974, ist Historiker. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär lehrt an der Universität der Bundeswehr und ist als Autor und Berater tätig. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind die deutsche Turn- und Sportgeschichte sowie militärhistorische Arbeiten.

Peter Tauber, geb. 1974, ist Historiker. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär lehrt an der Universität der Bundeswehr und ist als Autor und Berater tätig. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind die deutsche Turn- und Sportgeschichte sowie militärhistorische Arbeiten.

Die Infanterieschüler

Kriegsende 1918 und doch kein Frieden

Innere Unruhen und die Angst vor dem Bürgerkrieg 1918–1923

Die Reichswehr und paramilitärische Verbände

Bayern als »Ordnungszelle« und der Aufstieg der NSDAP

Das Krisenjahr 1923

München 1923

Hitlers Griff nach der Macht
Die Putschisten und ihre Truppe
Die Putschvorbereitungen
Der Hitlerputsch beginnt
Die Putschisten agieren planlos
Die Reichswehr handelt
Flucht nach vorne: Der Marsch auf die Feldherrnhalle
Nach dem Scheitern

Hitlers Prozess und die Folgen

Die Republik kommt zur Ruhe

Der Putsch in der nationalsozialistischen Erinnerungskultur

Ein Epilog zum Eid

Anhang
Zeittafel
Literaturhinweise
Abbildungsnachweis
Personenregister

[7]Die Infanterieschüler


Oberleutnant a. D. Gerhard Roßbach (Bildmitte mit Schirmmütze, 18931967) überzeugte die Offizieranwärter, sich im November 1923 auf die Seite der Putschisten zu stellen. Hier mit seinen Männern vor dem Eingang des Bürgerbräukellers, 9. November 1923. Gerade für die junge Generation im rechtsextremen Lager war er eine Identifikationsfigur.

Im September 1923 sind die jungen Soldaten aus den verschiedenen Regimentern und Bataillonen der Reichswehr nach München gekommen. An der Infanterieschule in der Blutenburgstraße wollen sie im Kriegshandwerk geschult werden. Die Einrichtung gehört zu den Waffenschulen, an denen die Reichswehr während der Weimarer Republik die Offizieranwärter der Infanterie-, Kraftfahr- und Pioniertruppe ausbildet. Die angehenden Offiziere, die Fähnriche der Infanterie und die bereits im Weltkrieg beförderten jungen Leutnante werden im Hörsaal, im Gelände sowie in der Turn- und Reithalle auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet. Die Ausbildung im Gefechtsdienst erfolgt auf dem Oberwiesenfeld. Daneben bleibt Zeit, sich kennenzulernen und die Stadt zu entdecken. Die Kameraden im Hörsaal sind die Zukunft der Reichswehr. Und das wissen sie.

Es sind unruhige Zeiten. Die jungen Männer sind national gesinnt, sie diskutieren die politischen Fragen der Zeit. In der Armee sehen sie [8]ein Symbol der Einheit der Nation. Viele teilen die Sicht, dass Deutschland die »Schmach« des Versailler Friedensvertrages tilgen müsse, im Zweifel auch durch einen neuen Krieg. Nicht wenige glauben die Lüge, dass man den ungeschlagenen deutschen Truppen im November 1918 einen »Dolchstoß« in den Rücken versetzt habe. In jedem Falle schaue die Politik tatenlos dem Niedergang des Vaterlandes zu, ein materialistischer Geist herrsche allenthalben, beklagen sie. Manche schimpfen auch über die »Judenrepublik« von Weimar.

Viele Infanterieschüler entstammen alten Soldatenfamilien, so auch Wolfdietrich von Xylander. Er hat in München Abitur gemacht und dient jetzt im 19. Bayerischen Infanterieregiment. Er kennt die Stadt, nimmt seine neuen Kameraden immer wieder mit und zeigt ihnen die bayerische Brauhauskultur. Beim Bier kann man über die eigene Zukunft und die des Vaterlandes leichter räsonieren. Die Themen gehen ihnen nicht aus, die Stimmung in der Stadt ist aufgeheizt: Das Jahr 1923 bringt die [9]Ruhrbesetzung durch französische und belgische Soldaten, separatistische Bestrebungen im Rheinland sowie Kommunisten in Sachsen und Thüringen in der Regierung – da scheinen München und die Infanterieschule ein Hort der vaterländischen Gesinnung zu sein. Und es gibt in Bayern eine neue politische Kraft, die Nationalsozialisten, in die viele Menschen ihre Hoffnung setzen. Ihr Parteivorsitzender und »Führer« Adolf Hitler findet immer mehr Anhänger.

Weit verbreitete Verschwörungstheorie: Die Legende, dass ein Dolchstoß in den Rücken des deutschen Heeres zur militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg geführt habe. Illustration zu einem DNVP-Wahlplakat von 1924.

Franz Schraml gehört demselben Regiment wie Xylander an, kommt aber vom II. Bataillon aus Augsburg nach München. Mit Gewehr und Koffer ist er angereist, bezieht die Stube 284 und wird dem Hörsaal E zugeteilt. Fünf bis sechs Mann sind auf einer Stube untergebracht. Der Dienstplan regelt den Tagesablauf, vom Wecken um 6 Uhr morgens bis zum Lichtlöschen um 22.15 Uhr. Sonntags ist dienstfrei. Neben der militärischen Ausbildung wird auch das Fach Bürgerkunde unterrichtet. Dort müssen die Infanterieschüler Aufsätze schreiben wie »Die Aufgabe einer Armee im Staate. Welche ergeben sich hieraus für den Offizier?« Doch die Vermittlung der Weimarer Verfassung und der demokratischen Ordnung scheitert, weil die jungen Männer dem Dozenten, Rechtsprofessor Hans Nawiasky, oft ins Wort fallen, wenn sie seine politischen Sichtweisen nicht teilen. Mit Absicht veranstalten sie bisweilen einen ohrenbetäubenden Lärm. Das wiederholt sich regelmäßig, bis man ihnen jede Form von Beifallsbekundung sowie auch jegliche Missfallensäußerung untersagt. Sie halten sich nicht daran. Schließlich erscheint der Schulkommandeur, Generalmajor Hans Tieschowitz von Tieschowa, und nimmt an einer Unterrichtsstunde teil. Das sorgt für die nötige Disziplin.

Am 26. September 1923 entscheidet die Reichsregierung unter Reichskanzler Gustav Stresemann von der liberalen Deutschen Volkspartei (DVP), den passiven Widerstand im Ruhrgebiet einzustellen. Waren all die Entbehrungen der letzten Monate umsonst? Man spürt dem Unmut und die Enttäuschung vieler Menschen. Hinzu kommen die immer größer werdenden Sorgen angesichts der explodierenden Lebensmittelpreise. An diesem Tag hat Schramls Hörsaal Bereitschaft. Angesichts der angespannten Lage kursieren Gerüchte von einem drohenden Putsch. Die Soldaten müssen »angekleidet und umgeschnallt« auf dem Bett liegen. Doch die Nacht bleibt ruhig.

Gustav Stresemann (18781929) wurde im August 1923 Reichskanzler. Er beendete den passiven Widerstand im Ruhrgebiet und sorgte mit der Einführung der Rentenmark für eine dringend notwendige Währungsreform. Den Revolutionsversuchen von links und rechts trat er entschieden entgegen. Das Bild zeigt ihn im September 1923 mit Pressevertretern.

Bei aller Anspannung genießen die neuen Infanterieschüler die Zeit [10]in München. Drei Tage später geht es gemeinsam in die Berge auf den Wendelstein. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Gerade die Männer aus Preußen sind von der spürbaren nationalen Begeisterung durchaus beeindruckt. Sie singen vaterländische Lieder, darunter auch das Lied der Brigade Ehrhardt, in dem es heißt: »Hakenkreuz am Stahlhelm, schwarz-weiß-rotes Band, die Brigade Ehrhardt werden wir genannt.« Die Brigade Ehrhardt, ein rechtsextremes Freikorps, hat der Münchner Räterepublik ein Ende bereitet und beim Grenzschutz Ost in Oberschlesien gekämpft.

In der dienstfreien Zeit gehen die jungen Soldaten ins Theater oder Kino. In dem kleinen, gepflegten Lokal »Onkel Pfeffer«, nicht weit vom Maximilianeum, gibt es zudem ein ordentliches »Fähnrichsessen«, das deutlich schmackhafter und üppiger ist als die karge Mittagsverpflegung. Die Bierhäuser der Stadt kennen sie bald gut. Als am 27. Oktober im Wurzerhof Adolf Hitler spricht, ist Franz Schraml dabei. Morgens hat er [11]Sold in Höhe von 47,7 Milliarden Mark erhalten. Die Hyperinflation treibt die Preise in die Höhe. Mit dem Geld kann er zumindest heute Getränke und Essen bezahlen. Schraml lauscht gebannt diesem Mann, der von nationaler Ehre spricht. Auch der Pionierschüler Erich Helmdach nimmt an der Versammlung teil. Als er den Saal des Gasthauses betritt, stellt er fest, dass die Anwesenden fast ausschließlich von der Infanterieschule kommen, unter ihnen sind auch Vorgesetzte und Ausbilder. Nicht nur für Helmdach und Schraml ist es das erste Mal, dass sie Hitler sprechen hören. Seine Rede ist ausdrucksstark, einnehmend.

Hitler geißelt das Versagen der Reichsregierung und ermahnt die Soldaten, nicht stumpfsinnig dem Wortlaut ihres Eides zu folgen. Helmdach erinnert sich später, dass Hitler von »sinngemäßem Gehorsam« gesprochen habe. Es könne sein, dass Deutschland sie bald rufe. Ein Offizier, Taktiklehrer an der Infanterieschule, steht nach der Rede auf, geht auf Hitler zu, reicht ihm die Hand und sagt: »Herr Hitler, die [14]Infanterieschule weiß, was sie zu tun hat, wenn Sie uns rufen.« Doch viele nehmen das nicht so ernst. Geredet wird viel in diesen Tagen. Und nach dem ein oder anderen Krug Bier fühlt sich manch einer zu Heldentaten berufen, deren Ausführung am nächsten Morgen ein schwerer Kopf verhindert.

Banknoten aus der Inflationszeit. Die Hyperinflation des Jahres 1923 führte zu massiven Preissteigerungen und sozialen Verwerfungen.

Über die politischen Verhältnisse in München oder gar die Ziele der Nationalsozialisten wissen die jungen Leute wenig bis nichts. Aber wenn dieser Hitler für die Wiedererrichtung des Vaterlandes kämpft, gegen das Diktat von Versailles, sind sie dafür. Und da ja auch einer der mächtigsten Männer des Ersten Weltkriegs, General Erich Ludendorff, den die Soldaten bewundern, offenkundig Sympathien für Hitler hegt, kann dieser so verkehrt nicht sein, denkt manch einer von ihnen. Gerhard Roßbach, ein bekannter ehemaliger Freikorpsführer und Republikgegner, spricht mit ihnen genau darüber. Er kennt einige der norddeutschen Offizieranwärter. Von München aus soll es gelingen, die Republik zu stürzen, davon ist er überzeugt. Deshalb ist er bereit, sich in den Dienst Hitlers zu...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2023
Reihe/Serie Reclam – Kriege der Moderne
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Schlagworte 1923 • Aufstieg der NSDAP • Bayerische Ordnungszelle • Erinnerungskultur • Eugen Ritter von Knilling • Gustav Ritter von Kahr • Gustav Stresemann • Hans von Seißer • Hitlerputsch • Hitlers Griff nach der Macht • Hitlers Prozess • Infanterieschüler • Kriegsende 1918 • Nationalsozialismus • NSDAP • Otto Geßler • Otto von Lossow • Paramilitär • Paramilitärische Verbände • Putsch • Reichspräsident Friedrich Ebert • Reichswehr • Vaterländische Verbände • Weimarer Republik • Wirtschaftskrise
ISBN-10 3-15-962195-2 / 3159621952
ISBN-13 978-3-15-962195-1 / 9783159621951
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