Weltenbrand (eBook)

Der große imperiale Krieg, 1931 - 1945 | 'Ein Meisterwerk. Dieses Buch stellt sämtliche früheren Werke über den Zweiten Weltkrieg in den Schatten.' The Times
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
1520 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01276-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Weltenbrand -  Richard Overy
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Richard Overy zeichnet ein umfassendes, neues Bild des Zweiten Weltkriegs - als das letzte Aufbäumen des Imperialismus. Er zeigt ihn als den alles Vorangegangene übertreffenden imperialistischen Krieg - in dem Achsenmächte ebenso wie Alliierte danach strebten, Imperien zu festigen, zu verteidigen, zu erweitern oder auch erst zu schaffen. Ein weltumspannendes, zeitlich weit ausgreifendes Geschehen und eine Perspektive, in der etwa der Krieg im Pazifik stärker als bisher üblich in den Blick gerät; beginnend bereits 1931 mit dem Einfall des Japanischen Kaiserreichs in die Mandschurei, der die Richtung vorgab für das exzessive Expansionsstreben Italiens und Nazideutschlands. Overy schildert die Ereignisse, die in die Katastrophe führten, ebenso wie die Folgen für die neue Weltordnung nach 1945; er zeigt die geopolitisch-strategische wie die menschliche Dimension dieses Krieges, mit dem das imperialistische Zeitalter sein Ende finden sollte. Das Opus magnum eines der bedeutendsten Historiker des Zweiten Weltkriegs, das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung - und eine Neubewertung dieses zerstörerischsten aller Kriege, die uns auch unsere Gegenwart mit anderen Augen sehen lässt.

Richard Overy, geboren 1947 in London, lehrt Geschichte an der University of Exeter. Mehrere seiner Bücher, darunter «Russlands Krieg» und «Die Diktatoren», gelten als Standardwerke. «Weltenbrand» (2023), Overys große Geschichte des Zweiten Weltkriegs, wurde zum «New York Times»-Bestseller; das Buch stand auf der Shortlist des Gilder Lehrman Prize und wurde mit der Duke of Wellington Medal for Military History ausgezeichnet. Joachim Käppner schrieb in der «Süddeutschen Zeitung»: «Eine meisterliche, monumentale ... Erzählung über den schrecklichsten Krieg der Geschichte.» Und der «Economist» meinte: «Ein herausragendes Buch, das die tiefe Gelehrsamkeit und das reife Urteil eines exzeptionellen Historikers spiegelt.»

Richard Overy, geboren 1947 in London, zählt zu den bedeutendsten Zeithistorikern unserer Tage. Er lehrt Geschichte an der University of Exeter und lebt in London. Mehrere seiner Bücher, darunter «Russlands Krieg» (2003) und «Die Diktatoren» (2005), gelten als Standardwerke. «Weltenbrand», Overys große Geschichte des Zweiten Weltkriegs, wurde zum «New York Times»-Bestseller; das Buch stand auf der Shortlist des Gilder Lehrman Prize und wurde mit der Duke of Wellington Medal for Military History ausgezeichnet.

Prolog «Blut und Zerstörung» – Das Zeitalter der imperialen Kriege


Der aus dem 19. Jahrhundert bekannte Imperialismus ist nicht mehr möglich, und die Frage lautet nur, ob er friedlich zu Grabe getragen wird oder mit Blut und Zerstörung.

 

Leonard Woolf, 1928[1]

Das voranstehende Zitat stammt aus Imperialism and Civilization, einem Buch des britischen Nationalökonomen und Verlegers Leonard Woolf, geschrieben mit dem Ziel, die große Bedeutung des modernen Imperialismus für Analyse und Darstellung der modernen Zivilisation im frühen 20. Jahrhundert aufzuzeigen. Woolfs These lautet, die westliche Welt habe in den hundert Jahren bis zu den 1920ern eine außergewöhnliche Revolution durchlaufen; Industrialisierung, Massenpolitik und der Niedergang des Adels habe die Gesellschaft grundlegend verändert. Diese Transformation habe den Nationalstaat im modernen Sinne hervorgebracht, allerdings auch zu einer bemerkenswerten Welle imperialer Eroberungen geführt, die zur Zeit der Niederschrift des Buches noch nicht an ihr Ende gelangt sei. Woolf betrachtete diese neue Zivilisation als eine «kriegerische, kreuzzugsaffine, eroberungssüchtige, ausbeuterische und missionierende» Kultur. Große Teile der Geschichtsschreibung über den Imperialismus hätten dieses Urteil bestätigt. Die Beherrschung der Welt durch eine Handvoll Kolonialmächte sei ein einzigartiger Moment in der Weltgeschichte.[2] Für Woolf war die imperiale Expansion eine gefährliche explosive Kraft, deren Zusammenbruch, wenn es so weit komme, wahrscheinlich mit großer Gewalt verbunden sein werde. Dies war der Kontext, der zum Ersten Weltkrieg führte – und zwei Jahrzehnte später zu einem weiteren, der sogar noch weltumspannender und zerstörerischer war.

Woolf hatte auf jeden Fall recht mit seinem Argument, dass die tiefen Wurzeln jener globalen Gewalt, die in den 1940er und 1950er Jahren mit dem Zusammenbruch der Territorialimperien an ihr Ende kam, bis in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zurückreichten – also in eine Zeit, in der sich das Tempo der ökonomischen und politischen Erneuerung in der ganzen sich entwickelnden Welt beschleunigte. Die umfassende Industrialisierung und Urbanisierung in Europa, Nordamerika und Japan fiel mit einem gesteigerten Nationalbewusstsein zusammen, das dadurch noch weiter beflügelt wurde. Zwei dieser sich modernisierenden Staaten, Italien und Deutschland, waren als Nationalstaaten noch vergleichsweise jung; Italien erreichte seine nationale Einheit 1861, Deutschland erst zehn Jahre später. Auch Japan, der einzige Staat in Asien, der einen Modernisierungskurs nach europäischer Vorstellung einschlug, war in einem ganz realen Sinn eine «neue» Nation – begründet durch die Meiji-Restauration von 1868, als unter Tennō Meiji das traditionelle Tokugawa-Shogunat zugunsten einer neuen Elite aus ökonomischen und militärischen Reformern abgesetzt wurde. Wirtschaftliche Modernisierung in Verbindung mit erhöhter Bildung, rapider sozialer Mobilität und der Herausbildung eines zentralstaatlichen Apparats waren die Mittel, die Bindekraft der Nation zu vergrößern.

Diese Prozesse schufen auch in wesentlich älteren Nationen ein neues Gefühl nationaler Identität und ein Gespür für genuin nationale Politik. Sozialer Wandel brachte politische Massenorganisationen und die Forderung nach liberalen Reformen und stärkerer politischer Vertretung des Volkes hervor. Mit Ausnahme des russischen Zarenreichs erhielten alle sich modernisierenden Staaten bis 1900 ein Parlament (allerdings mit beschränktem Wahlrecht); für alle als Staatsbürger Klassifizierten galt die Herrschaft des Rechts. Für die etablierten politischen und wirtschaftlichen Eliten war dieser Prozess gleichbedeutend mit einer Unterminierung der traditionellen gesellschaftlichen Machtverteilung und deren politischen Autorität. In diesem Umfeld schnellen und unberechenbaren Wandels stürzten sich die in Entwicklung begriffenen Industriemächte in eine neue Welle des Territorialimperialismus, um jene Teile der Welt unter sich aufzuteilen und zu beherrschen, die noch außerhalb des Netzes vorhandener Kolonialreiche lagen. Im Lichte dieser finalen Dynamik zur Gründung von Imperien lassen sich die langzeitlichen Ursprünge des Zweiten Weltkriegs wohl am besten verstehen.

Was Woolf als den «neuen Imperialismus» der vier Jahrzehnte vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 ansah, war in mancherlei Hinsicht nur eine Ausdehnung vorhandener imperialer Strukturen. Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal und die Niederlande besaßen schon lange vor dem «neuen Imperialismus» ein Sammelsurium von Territorien auf der ganzen Welt: Kolonien, Protektorate, Einflusssphären, Umschlaghäfen, privilegierte Handelszonen. Gleichwohl war diese neue imperialistische Welle von anderer Natur als frühere Eroberungen, denn sie rührte von einem wachsenden Gefühl der Konkurrenz zwischen den sich modernisierenden Nationalstaaten – zum Teil, weil diese nach neuen Material- und Nahrungsmittelressourcen und nach neuen Absatzmärkten suchten; zum Teil, weil ein Imperium im späten 19. Jahrhundert als Profilierungsmittel galt, um die Identität des eigenen Nationalstaats als fortschrittliche Kraft der «Zivilisierung» im Rest der Welt zu forcieren. Zum Teil spielte auch nationales Prestige eine Rolle. Letzteres war besonders bei den neuen Nationen der Fall, deren Identität noch fragil war, weil alte regionale Loyalitäten und soziale Konflikte zu Spannungen und Spaltungen führten.

Im Dezember 1894 verkündete der neue deutsche Reichskanzler Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst: «Die Aufrechterhaltung unseres Kolonialbesitzes ist ein Gebot der nationalen Ehre und ein Zeichen unseres nationalen Ansehens.»[3] In Italien ließ 1885 das Außenministerium verlauten, im «veritablen Wettrennen um Kolonialbesitz in allen Teilen der Welt» müsse Italien seine «Bestimmung als Großmacht» finden, indem es eigene Kolonien erwerbe.[4] Für die japanischen Reformer an der Spitze des neuen Meiji-Staates galt irgendeine Form von Imperialismus als essenzielle Demonstration des neuen «nationalen Weges» (kokutai). Die Besetzung der Kurilen, der Ryūkyū- und Bonin-Inseln in den 1870er Jahren war der erste Schritt zur Errichtung des sogenannten Großjapanischen Kaiserreichs (Dai Nippon Teikoku).[5] Im folgenden halben Jahrhundert waren es diese drei Staaten, deren Bestreben, Großreiche zu errichten, in den Weltkrieg der 1940er Jahre führte.

Die Verbindung zwischen dem Aufbau einer modernen nationalen Identität und Erwerb oder Ausweitung eines kolonialen Imperiums wurde in den Jahren vor 1914 zur Normalität, selbst für die traditionellen dynastischen Reiche in Osteuropa – für die Romanows in Russland ebenso wie für die Habsburger, deren imperiale Ambitionen auf dem Balkan letztlich zum Ersten Weltkrieg führten. Bei allen Nationen, die bestrebt waren, ein überseeisches Kolonialreich zu konsolidieren oder zu errichten, war das Zusammenspiel von nationalstaatlicher Festigung und imperialistischer Expansion offenkundig. Die Verwendung des Begriffs «Nationalimperium» anstelle von «Nation» kennzeichnet jene Staaten, die am territorialen Gerangel beteiligt waren. Die «Nationalisierung des Imperialismus» blieb bis in die 1930er Jahre von entscheidender Bedeutung, bevor dann eine letzte Welle gewaltsamer Territorialeroberungen einsetzte.[6]

Imperiale Gesichtspunkte spielten auch bei der Definition der zentralen Macht eine wichtige Rolle, ging es doch um die angeblichen Kontraste zwischen Bürgern und Untertanen, Zivilisierten und Primitiven, Modernem und Archaischem – Polaritäten, die in imperialen Staaten das Denken über die Völker und Territorien unter ihrer Kontrolle bis in die 1940er Jahre bestimmten. Diese Weltsicht, die auf einer fast vollständigen Missachtung vorhandener Kulturen und Werte in den besetzten Gebieten basierte, war allen imperialen Mächten gemein.

Meistens waren die Hoffnungen auf die segensreichen Wirkungen des Imperiums, etwa was neue Abnehmer von Waren oder religiöse Bekehrungen anging, übertrieben. Was die Historikerin Birthe Kundrus «imperiale Phantasien» nannte, spielte als Wettbewerbsanreiz zwischen den Staaten eine große Rolle, selbst wenn offensichtlich war, dass die Kosten des Imperiums den oft begrenzten Nutzen des Kolonialbesitzes überstiegen.[7] Es handelte sich um mächtige Phantasien – von der Besiedlung wilder Grenzgebiete, von der Aussicht auf den sagenhaften Reichtum eines Eldorados, von einer übersteigerten «Zivilisierungsmission» oder von der Erfüllung eines vorherbestimmten Schicksals zur Wiederbelebung der Nation. All diese Ideen bestimmten die Perspektive, mit der man das Imperium, das Großreich, in den folgenden fünf Jahrzehnten betrachtete.

Die Phantasien, die der neuen Welle des Imperialismus zugrunde lagen, entstanden nicht im luftleeren Raum. Sie entstammten intellektueller und wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Imperium, der sie ihrerseits neue Impulse lieferten – einer Art Gemeingut der vielen imperialen Staaten. Die Vorstellung vom Wettbewerb der Nationen verdankte viel dem darwinistischen Paradigma vom Überleben des Stärkeren und war von der Ansicht geprägt, dass die Konkurrenz zwischen modernen Staaten naturgegeben sei. Vor 1914 wurden solche Argumente weithin und lebhaft diskutiert. Hinzu kam eine herrschende Denkweise, die mit einigen von Darwins bedeutendsten Nachfolgern...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2023
Übersetzer Henning Thies, Werner Roller
Zusatzinfo Mit Abbildungen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Schlagworte Achsenmächte • Adolf Hitler • Alliierte • Expansion • Genozid • Hiroshima • Holocaust • Imperialismus • Japanisches Kaiserreich • Josef Stalin • Judenmord • Konzentrationslager • Mandschurei • Nagasaki • Nationalsozialismus • Nazi-Deutschland • Nordafrika • Pazifikkrieg • Sowjetunion • Stalingrad • Totaler Krieg • Winston Churchill • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-644-01276-8 / 3644012768
ISBN-13 978-3-644-01276-9 / 9783644012769
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