1931 (eBook)

Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg
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2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Theiss in der Verlag Herder GmbH
978-3-8062-4075-7 (ISBN)
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Im Sommer 1931 ereignete sich in Deutschland eine der größten Finanzkrisen der modernen Zeit, die zum Fanal für den Untergang der Weimarer Republik wurde. Zuerst erklärte die deutsche Regierung das Reich für zahlungsunfähig, daraufhin brach das Bankensystem zusammen, und schliesslich konnte die Stabilität der Reichsmark nur noch durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen gesichert werden. Dies wiederum löste eine weltweite Panik aus, die das globale Finanzsystem in seinen Grundfesten erschütterte und die Weltwirtschaft in eine tiefe Depression riss. Zu den triumphierenden Profiteuren der Krise zählte Adolf Hitler, der 1932 mit seiner NSDAP die stärkste politische Kraft in der Weimarer Republik wurde. Tobias Straumann beschreibt in seinem packenden Buch, warum Bankiers, Diplomaten und Politiker dabei scheiterten, diese Katastrophe zu verhindern, und damit entscheidend zum Aufstieg Hitlers beitrugen. Es ist die Geschichte einer Krise, die als eindrückliches Lehrstück für die Gegenwart dienen kann.

Tobias Straumann ist Wirtschaftshistoriker mit Schwerpunkt auf der Geschichte der europäischen Geld- und Währungspolitik. Er lehrt als Titularprofessor an der Philosophischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Studium in Bielefeld, Paris und Zürich sowie Aufenthalte an der University of California in Berkeley,der Chinese University of Hong Kong und an der Universität Oxford. Wirtschaftskolumnist bei der NZZ am Sonntag.

Tobias Straumann ist Wirtschaftshistoriker mit Schwerpunkt auf der Geschichte der europäischen Geld- und Währungspolitik. Er lehrt als Titularprofessor an der Philosophischen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Studium in Bielefeld, Paris und Zürich sowie Aufenthalte an der University of California in Berkeley,der Chinese University of Hong Kong und an der Universität Oxford. Wirtschaftskolumnist bei der NZZ am Sonntag.

Vorwort zur deutschen Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11
Teil I Zuversicht
Kapitel 1 Der verspottete Rabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19
Kapitel 2 Triumph der Diplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Kapitel 3 „Gute Karten in der Hand“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Teil II Stillstand
Kapitel 4 Hitlers Sieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Kapitel 5 Am Abgrund vorbei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Kapitel 6 „Der erste echte Kanzler seit Bismarck“ . . . . . .116
Teil III Verzweiflung
Kapitel 7 Die Quadratur des Kreises . . . . . . . . . . . . . . .139
Kapitel 8 Hilfe aus Washington . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Kapitel 9 Endspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Kapitel 10 Der Aufstieg Hitlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .213
Anhang
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .221
Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .245
Kartenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253
Diagrammverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254
Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .255
Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

»Ein lesenswertes Buch« Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Wenn John Kenneth Galbraith mit seinem Klassiker aus dem Jahr 1955 den Börsencrash von 1929 für immer ins historische Gedächtnis einbrannte, so liefert uns Straumann die Geschichte von 1931, die jeder Entscheidungsträger in Europa lesen sollte. Man kann es nur bedauern, dass seine Darstellung vor 10 Jahren noch nicht verfügbar war.« Adam Tooze, Financial Times

»Es ist Straumann gelungen, auf knappem Platz und auf äusserst kurzweilige Weise eine Wirtschaftskrise zu sezieren, die mit zur grössten Katastrophe des 20. Jahrhunderts beigetragen hat.« Christoph Eisenring, NZZ

»Straumann erzählt komplexe Ereignisse mit bemerkenswerter Klarheit, verzichtet dabei auf Fachjargon und zeigt eine beachtliche Ausdrucksstärke.« Roger Moorhouse, BBC History Magazine

Kapitel 1


Der verspottete Rabe


Im Januar 1930 reiste der Wiener Ökonom Felix Somary nach Heidelberg, um an der dortigen Universität einen Vortrag über die Aussichten für die Weltwirtschaft zu halten. Somary war einer der angesehensten Analysten seiner Zeit. Wann immer eine Krise drohte, suchten Minister, Zentralbankdirektoren und Wirtschaftsführer – von der Wiener Familie Rothschild bis zu Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht und dem sozialdemokratischen Finanzminister Rudolf Hilferding – seinen Rat. Er nannte sich einen „politischen Meteorologen“ und arbeitete als Partner in der kleinen Privatbank Blankart & Cie. in Zürich. Seine finanzielle Unabhängigkeit erlaubte es ihm, offen seine Meinung über die Lage der Dinge zu äußern.1

Seine Freunde in Heidelberg wollten wissen, ob der aktuelle Börsenkrach an der Wall Street der Beginn einer ernsthaften Rezession in Europa sei. Somary hatte den Schwarzen Donnerstag (24. Oktober 1929) in New York erlebt, als der Markt an einem Tag 10 Prozent seines Werts verlor. Er war von dem Zusammenbruch des Vertrauens alarmiert gewesen und hatte seinen Partnern in Zürich sofort telegrafiert: „Haltet Klienten vom Markt fern. Krise ist erst im Beginn.“ Noch schockierter war er von den Vorgängen in Europa einen Monat später. Binnen weniger Wochen wurde die Bodencreditanstalt, Österreichs zweitgrößte Bank, insolvent, und die Banque de Bruxelles, die zweitgrößte belgische Bank, musste wegen des Börsenkrachs einen großen Teil ihrer Aktivposten abschreiben.2

Somarys Botschaft in Heidelberg war düster: „Ich bin … der Ansicht, daß die Novemberereignisse die Einleitung zur schwersten seit einem Jahrhundert erlebten Krise bedeuten, die Einleitung nur, den ersten Akt und daß wir nicht in Wochen, auch nicht in Monaten, sondern erst in Jahren daraus herauskommen werden; der Zusammenbruch der Österreichischen Bodenkreditanstalt, die Sanierung der Banque de Bruxelles waren Wetterleuchten; Zusammenbrüche ungleich größeren Ausmaßes haben wir noch vor uns.“

Warum war er so pessimistisch? Für ihn waren diese beiden Bankenpleiten keine isolierten Ereignisse, sondern Symptome grundsätzlicher internationaler Ungleichgewichte, die kurz davor waren, sich auf chaotische Art aufzulösen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Alliierten beschlossen, die Kriegsschuldforderungen untereinander aufrechtzuerhalten und Deutschland durch hohe Reparationen zu bestrafen. Für Somary war durch diese Übereinkunft eine Katastrophe vorprogrammiert: „Was treibt uns in die Krise hinein? Das ungeheure Maß an unerfüllten Forderungen. Die europäischen Staaten sollen Schulden an Amerika abzahlen, und da niemand weiß, wie dies auf die Dauer möglich sein soll, hat man den ganzen Betrag Deutschland als Reparationsverpflichtung angelastet.“

Der Grund dafür, dass dieser Schuldenberg noch nicht zusammengebrochen war, lag darin, dass er durch kurzfristige private Kapitalflüsse nach Deutschland stabilisiert worden war. Laut Somary machten diese zusätzlichen Kredite aber alles noch schlimmer: „Die Unmöglichkeit der Forderung wird durch ein System kurzfristiger Kredite verhüllt, die in einem Umfang gewährt werden, der durch finanzielle Erwägung nicht zu rechtfertigen ist. Um diese Kredite zu erlangen, müssen Landwirtschaft und Industrie der Schuldnerländer Zinsen bewilligen, die sie nie verdienen können. An dieser schwächsten Stelle wird und muß der Zusammenbruch erfolgen.“ Im Kreditgeschäft engagierte Banken würden dem Sturm nicht widerstehen können. „Die Kredit- und Hypothekenbanken arbeiten mit der Fiktion der Solvenz ihrer Schuldner und die Banken der Gläubigerländer mit der der Solvenz der Schuldnerbanken.“ Für Somary war in beiden Fällen die Zahlungsfähigkeit eine Fiktion, und das internationale Bankensystem glich einem Kartenhaus.

Um den völligen Zusammenbruch abzuwenden, bleibe nur wenig Zeit, warnte Somary. „Die Gefahr des Reißens der Kette im nationalen wie im internationalen Verkehr ist näher als man glauben will. Vielleicht verschwinden dann in dem Strudel Reparationen und internationale politische Schulden …; aber sehr wahrscheinlich wird auch der private Kreditverkehr von Land zu Land in einem Umfang getroffen werden, wie dies seit Generationen nicht gesehen wurde.“ Sobald die Abwärtsspirale beginne, werde Deutschland in einer besonders gefährlichen Lage sein, „denn je mehr die Krise vorrückt, um so schwieriger wird die Möglichkeit der Konsolidierung der kurzfristigen Schulden, um so größer die Gefahr der Rückziehung und damit der internationalen Insolvenz.“

Es gebe nur noch eine Strategie, die das System wieder ins Gleichgewicht bringen könne, schloss Somary, nämlich eine französisch-deutsche Zusammenarbeit, „denn Frankreich allein ist kräftig genug, die kurzfristigen Schulden Deutschlands zu konsolidieren. Gelingt dieses Werk nicht, dann werden wir noch in dieser Krise den ganzen furchtbaren Apparat von Devisenzwangswirtschaft und Aus- und Einfuhrverboten erleben und am Ende wird vielleicht nicht wieder die Inflation, aber etwas stehen, das das Gefüge der Wirtschaft noch tiefer zerreißt: Der Niederbruch der Banken und der staatlichen Finanzwirtschaft.“3

Wie wir wissen, fand diese Kooperation nicht statt, und die Einschätzung Somarys (Abb. 1) erwies sich als völlig richtig. Der Börsencrash an der Wall Street und die Bankenprobleme in Österreich und Belgien waren keine vorübergehenden Störungen, sondern der Beginn der schlimmsten Wirtschaftskrise der modernen Epoche. Von 1929 bis 1932 ging die weltweite Industrieproduktion um 36 Prozent zurück und erreichte erst 1937 wieder das Niveau von 1929. Die Arbeitslosigkeit wuchs zu zweistelligen Werten an, während die Preise für Rohstoffe und Industriegüter um 56 bzw. 36 Prozent fielen. Der Welthandel ging effektiv um zwei Drittel zurück. Ganz zu Recht identifizierte Somary auch Deutschland als das schwächste Glied, dessen finanzieller Zusammenbruch einen dramatischen Absturz der Weltwirtschaft beschleunigen würde. Zwischen 1929 und 1932 fiel die deutsche Industrieproduktion um fast 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit stieg auf über 20 Prozent und im industriellen Sektor sogar auf über 30 Prozent. Das reale Bruttoinlandsprodukt sank um etwa 25 Prozent, was pro Kopf einem Rückgang um 17 Prozent entsprach. Und wie Somary vorhergesehen hatte, wurden mit der Verschärfung der Krise die Reparationen und Kriegsschulden schließlich gekürzt oder gestrichen und Deutschlands Schulden bei ausländischen Banken eingefroren. Die Weltwirtschaft zerbrach in mehrere Währungs- und Handelsblöcke, womit ein Zeitalter der Globalisierung endete.4

Warum konnte Somary den wirtschaftlichen Kollaps mit solcher Genauigkeit vorhersagen? Gewiss kam ihm sein beruflicher Hintergrund zustatten: Er war ein gut ausgebildeter Ökonom mit reicher praktischer Erfahrung als Bankier und politischer Berater. Er hatte an der Universität Wien studiert und war Assistent von Carl Menger gewesen, einem führenden Wirtschaftswissenschaftler seiner Zeit. 1905 war Somary mit 25 Jahren in die Anglo-Österreichische Bank eingetreten, die in Wien von prominenten Londoner Bankiers gegründet worden war, darunter Sir Ernest Cassel. Somary war als Assistent des geschäftsführenden Direktors an fast allen wichtigen Transaktionen beteiligt. Die „Anglobank“ war in der Unternehmensfinanzierung in Osteuropa und auf dem Balkan aktiv, wodurch Somary tiefen Einblick in die politischen und sozialen Umstände dieser besonders turbulenten Ecke Europas gewann. 1909 ging er als unabhängiger Vortragsredner, Bankier und Berater nach Berlin und sammelte weitere Einblicke in die Funktionsweise der europäischen Politik und Diplomatie. Während des Ersten Weltkriegs entwarf er mit dem berühmten Soziologen Max Weber ein Memorandum für Kaiser Wilhelm II., das von der Ausweitung des U-Boot-Kriegs abriet.5 Nach dem Ersten Weltkrieg rettete er das Vermögen der Wiener Rothschilds zur kleinen Privatbank Blankart & Cie. in Zürich. Wenig später wurde er dort zum Partner gemacht.

Abb. 1 Felix Somary, Aufnahme aus den späten 1930er-Jahren

Ein weiterer Grund, warum Somary so präzise Vorhersagen treffen konnte, war sein sechster Sinn für drohende Katastrophen. Einer seiner Freunde, der Schweizer Diplomat Carl Jacob Burckhardt, bemerkte in einem Brief an den österreichischen Dichter Hugo von Hofmannsthal: „Da ist ein sehr merkwürdiger Mann, den Sie auch kennen, dieser Somary. … Er gehört zu dem Typus, der die Krisen voraussieht; auch auf politischem Gebiet ist er äußerst hellsichtig. Alle Voraussagen, die ich ihn machen hörte, sind eingetroffen, einige in ganz erstaunlicher Weise.“ Somary sagte einmal zu seinem Sohn: „Ich spüre das Kommende in meinem Knochen; es hat nicht allein mit Wissen zu tun. Es meldet sich nicht im Kopf, sondern im Knochenmark.“6

Trotz all seines Talents besaß Somary kein „Geheimwissen“. Er dachte einfach die Sache...

Erscheint lt. Verlag 19.2.2020
Übersetzer Martin Richter
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Arbeitslosigkeit • Aristide Briand • Aufstieg Hitlers • Bankenkrise • Börsencrash • Börsen-Crash • DANAT-Bank • Darmstädter- und Nationalbank • Diplomatie • Dresdner Bank • Felix Somary • Finanzkrise • Heinrich Brüning • Herbert Hoover • Hitler • Hoover-Moratorium • Kabinett Brüning • Krise • Kurt von Schleicher • Massenarbeitslosigkeit • Nationalsozialismus • NSDAP • Paul von Hindenburg • Rezession • Schuldenkrise • Währungskrise • Weimarer Republik • Weltwirtschaftskrise • Wirtschaftsgeschichte • Wirtschaftskrise • Young-Plan
ISBN-10 3-8062-4075-2 / 3806240752
ISBN-13 978-3-8062-4075-7 / 9783806240757
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