Ein verzauberter Sommer (eBook)

Roman

(Autor)

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2012 | 1. Aufl. 2012
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-8387-1553-7 (ISBN)

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Ein verzauberter Sommer - Juliet Hall
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Tess kann es nicht fassen. Warum hat ihre Mutter nie über ihre sizilianische Heimat gesprochen? Warum hat sie nie gesagt, woher sie stammt?

Auch jetzt, wo Tess eine zauberhafte Villa in Cetaria geerbt hat, schweigt Flavia. Tess fühlt sich sofort geborgen, doch sie spürt auch: Es liegt ein Geheimnis über dem Ort, ein Geheimnis, das auch mit ihrer Familiengeschichte zu tun hat ...

Ein sommerlich leichter Roman über eine Villa am Meer, einen geheimnisvollen Schatz und ein lange gehütetes Familiengeheimnis.

2. Kapitel


Tess fuhr am Marktplatz von Pridehaven vorbei, den Holzbänke und Blumenkübel mit roten und weißen Pelargonien zierten und um den sich das Beach and Barnacle Café, der Feinkostladen und das Kunstzentrum gruppierten. Dieser Ort wirkte vielleicht ein wenig schäbig, aber er wurde jeden zweiten Samstag durch den Markt und die Morris-Tänzer zum Leben erweckt. Früher war die Stadt ein Zentrum der Seiler-Industrie gewesen, aber inzwischen waren die meisten der alten Fabriken zu Wohn-und Bürogebäuden umgebaut worden. Und zu Antiquitätenläden, dachte sie, als sie langsamer fuhr und den Antiquitätenladen an der Ampel passierte, vor dem sich eine Kommode aus Kiefernholz, ein Tisch mit ausklappbaren Seitenteilen und ein grün-goldener Lloyd-Loom-Stuhl hoffnungsvoll auf dem Gehsteig ausbreiteten.

Sizilien … Ungläubig und immer noch grinsend, schüttelte sie den Kopf. Die Erste, die sie anrufen sollte, war natürlich ihre Mutter.

Sie bog nach links in die Saviour Street ein, parkte hinter dem Wasserwerk und ging um das Gebäude herum. Vor dem Haupteingang zog sie ihr Handy wieder aus der Handtasche hervor und wählte Robins Nummer. Ihrer Mutter konnte sie das nicht am Telefon sagen. Aber sie musste jetzt einfach jemandem davon erzählen.

»Hallo, du …«

Tess liebte es, wie sich seine Stimme veränderte, wenn er mit ihr sprach. Sie klang dann intim, leise. So, als habe er vor, sie gleich ganz langsam auszuziehen. Sie erschauerte. »Du errätst nie, was passiert ist«, sagte sie.

»Was denn?« Er lachte.

»Ich habe heute Morgen einen Brief bekommen. Von einem Anwalt in London.«

»Wirklich? Gute oder schlechte Nachrichten?«

Tess holte tief Luft. Sie würde Robin nach der Arbeit treffen, weil heute Donnerstag war und Ginny dann spät vom College nach Hause kam. Zweimal pro Woche war Durchschnitt, dreimal gut und viermal noch nie dagewesen. All ihre Begegnungen waren gestohlene Zeit. Wenn sie keine Gleitzeit hätte, dachte Tess manchmal, würden sie und Robin nie Zeit füreinander haben, dann gäbe es keine späten Mittagessen am Montag (wenn sie miteinander schliefen) und auch nicht den frühen Abend am Donnerstag (dito). Was würden sie dann tun? Aber damit mochte sie sich jetzt nicht beschäftigen.

»Gute«, sagte sie. »Glaube ich.«

»Ich mag gute Nachrichten«, sagte er. »Was ist es?« Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie er in seinem schwarzen Terminplaner herumkritzelte, ein Fischgesicht mit Blasen malte. Angefangen hatte er damit, als sie sich für ihren ersten Tauchkurs angemeldet hatte. Es verriet ihr, dass er ein wenig eifersüchtig war, was sie ganz gern mochte.

»Ich habe ein Haus geerbt«, erklärte sie. Jetzt konnte sie es laut aussprechen. Sie wollte es laut aussprechen. Sie setzte sich auf die Mauer neben die Pelargonien. Der Wind hatte eine frische Note, die ihr gefiel – eine Art Weckruf: Hey, es ist Frühling. Etwas muss sich verändern …

»Was?«, fragte er.

»Ich habe ein Haus geerbt«, sagte sie noch einmal. »Auf Sizilien.« Ja, es stimmte wirklich.

»Sizilien?«, wiederholte er.

Sie konnte es ihm nicht verübeln, dass er verblüfft war. Sie konnte es ja selbst noch nicht ganz glauben. Warum sollte Edward Westerman ihr sein Haus vermachen? Sie hatte ihn nicht einmal gekannt. Es war erstaunlich, wirklich erstaunlich. Und was sollte sie mit einer Villa in Sizilien anfangen? Dafür war gar kein Platz in ihrem Leben. Ihr Leben fand in Dorset statt – oder? Bei Ginny, bei Muma und Dad, die ebenfalls in Pridehaven lebten, nur ein paar Straßen entfernt von Tess’ viktorianischem Haus. Und bei Robin – jedenfalls so weit möglich. Ihr Leben hatte sich immer in Dorset abgespielt, abgesehen von Campingurlauben in Frankreich, einem kurzen Intermezzo in London, das sie bald beendet hatte (sie war, wie sie feststellte, keine Großstadtpflanze), und sechs Wochen als Kindermädchen bei einer Familie, die den Sommer auf Mallorca verbrachte.

»Ja«, sagte sie, »eine Villa auf Sizilien.« Die Große Villa. Aber wie groß genau war groß?

»Du nimmst mich auf den Arm, Tess.«

»Nein, das tue ich nicht«, gab sie zurück. »Ich weiß, es klingt komisch, aber jemand hat sie mir in seinem Testament vermacht.«

»Wer in aller Welt …?«, fragte er. »Ein alter Verehrer?«

Robin war zehn Jahre älter als sie. War er auch ein alter Verehrer? Ginny wäre dieser Meinung. Wenn sie davon wüsste.

»Ein Mann, dem ich nie begegnet bin. Edward Westerman.« Sie sprach den Namen fast genießerisch aus. Er klang ziemlich romantisch. Sie erzählte Robin das Wenige, was sie bisher wusste.

»Ja, da will ich doch verdammt sein, Süße«, sagte er.

»Und das ist noch nicht alles.« Tess rutschte auf der Mauer herum und dachte widerwillig an ihren Posteingangskorb. »Es gibt eine Bedingung.« Alles im Leben hatte einen Haken. Man bekam beispielsweise ein Kind von einem Mann, dem man vertraute, und prompt verließ er einen und wanderte nach Australien aus. Oder man begegnete einem Mann, der hinreißend, sexy und witzig war, und verliebte sich in ihn, und er war verheiratet – mit einer anderen.

»Und die wäre?« Robin klang immer noch genauso verwirrt, wie Tess sich fühlte.

»Ich muss hinfahren.«

»Hinfahren?«

»Ich muss das Anwesen besuchen. Bevor ich …« Sie zögerte. Darüber verfügen, so hatte der Anwalt es ausgedrückt. »Bevor ich es verkaufen kann«, erklärte sie. Wie viel würde das einbringen? Was für ein Haus war die Große Villa? Würde der Erlös ausreichen, um ihre Hypothek abzubezahlen? Für einen oder zwei Urlaube? Um ihr Leben zu verändern?, meinte sie eine leise Stimme flüstern zu hören.

»Wer sagt, dass du das musst?«, fragte Robin.

»Edward Westerman, wie es aussieht. Es ist eine Testamentsklausel. Ich muss das tun.« Muss. Und doch, Sizilien. Es schien beinahe nach ihr zu rufen. Für jemand anderen wäre das vielleicht nichts Besonderes gewesen, aber sie war von einer sizilianischen Mutter großgezogen worden, die kaum von ihrem Heimatland sprach und deren Augen sich vor Schmerz oder Zorn oder beidem verdunkelten, wenn man sie nach ihrer Kindheit, ihren Eltern, ihrem Leben dort fragte. Bis man es schließlich akzeptierte. Sizilien war tabu. Das Problem war nur: Tess hatte sich nie damit abgefunden. Und plötzlich stieg ein Gedanke, eine Hoffnung, eine Idee in ihr auf. Sie spürte die Welle der Nervosität zurückkehren, die mottenflügelschlagende Aufregung, den Erregungsschauer.

»Herrgott!«, sagte Robin.

Tess beobachtete eine Biene. Zielgerichtet flog sie auf die gelben Schlüsselblumen zu, die vor den Pelargonien wuchsen, und stürzte sich Hals über Kopf hinein. Sie wusste, wie das Tier sich fühlte. »Ich weiß«, sagte sie. Es war überwältigend, fast unglaublich. Aber andererseits war es wahrscheinlich auch nicht eigenartiger, als einem Katzenasyl oder etwas Ähnlichem Geld zu vermachen. Da war allerdings dieser geheimnisvolle Unterton. Die Klausel. Sie musste die Villa aufsuchen, bevor sie ihr wirklich gehörte.

»Dann fliegst du nach Sizilien?«

»Hmmm.« Eigentlich gab es nichts, was sie davon abhalten konnte – abgesehen von dem, was Muma sagen würde natürlich. Sie hatte noch Urlaub, und Ginny … Nun ja, Ginny würde sich wahrscheinlich darüber freuen, das Haus eine Woche lang für sich zu haben. Kurz stellte sie sich das Bild vor: Ginnys Musik voll aufgedreht, Ginnys Freunde, wie sie in das Haus einfielen, und Ginny, die ausging, wann und so lange sie wollte, obwohl sie eigentlich lernen sollte. Aber Lisa würde sie im Auge behalten. Wenn Lisa und ihre Eltern in der Nähe waren, konnte doch nichts allzu Dramatisches passieren, oder? Eines Tages, dachte sie, würde sie sich vielleicht keine Sorgen mehr um ihre Tochter machen müssen; Ginny würde glücklich und ausgeglichen und erwachsen sein. Aber im Moment fiel es ihr schwer, sich das vorzustellen.

»Bald?« Robins Stimme klang plötzlich anders, so, als nähme er sie plötzlich ernster.

Sie fragte sich, was ihm gerade durch den Kopf ging. Robin konnte romantisch sein. Manchmal machte er ihr wunderhübsche Geschenke: eine antike Buntglaslampe, die wie ein präraffaelisches Gemälde leuchtete, wenn das Licht hindurchschien, einen Ring mit einem blitzenden quadratisch geschliffenen Saphir, den sie am Mittelfinger trug, oder eine herzförmige Wärmflasche für die Nächte, in denen er nicht bei ihr war, also alle. Sie war sich sicher, dass hinter jeder romantischen Geste ein Hintergedanke steckte, aber sie liebte ihn deshalb nicht weniger.

»Ja, das nehme ich an.« Einige Raucher waren aus dem Eingang des Gebäudes getreten und zündeten ihre Zigaretten an.

Tess warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatte keine Lust, zurück zur Arbeit zu gehen. Und dieser neue Ernst bei ihm machte sie leichtsinnig. »Könntest du dir vorstellen …?« Sie ließ den Satz unvollendet. Wenn der Geliebte verheiratet ist, kann er niemals mit einem wegfahren, jedenfalls nicht ohne Planung und Lügen. Das wusste sie. Wenn man einen verheirateten Geliebten hatte, konnte man sein Leben nicht mit ihm teilen. Er teilte es bereits, und zwar mit einer anderen. Er gehörte einem nie allein, nicht einmal in diesen kurzen, erregenden Momenten, wenn man daran glaubte. Wer etwas anderes behauptete, hielt sich nur selbst zum Narren. Das machte sie doch auch, oder?

»Vielleicht«, sagte Robin. »Vielleicht kann ich ja mitkommen.«

Tess’ Herz tat einen Sprung. »Das wäre großartig«, meinte sie. Sie konnte die Aufregung nicht aus ihrer Stimme verbannen, und einer der Raucher warf ihr einen neugierigen Blick zu....

Erscheint lt. Verlag 17.8.2012
Reihe/Serie Die schönsten Sehnsuchtsromane von Juliet Hall
Übersetzer Barbara Röhl
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel The Mermaid's Villa
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Dolce Vita • Drama • England • England / Großbritannien • Familie • Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Familienleben • Familienroman • Familiensaga • Ferienlektüre • Frauen Bücher • Frauen Bücher Bestseller • Frauenroman • Frauenroman Bestseller • Gefühl • Gefühle • Gegenwart • Geheimnis • Höhle • Identität • landschaftsroman • Landschaftsromane • Landschaftsromane; 20. - 21. Jahrhundert; England / Großbritannien; Sizilien; Roman über Familienleben; Liebesroman (modern); Liebe / Beziehung • Leidenschaft • Liebe • Liebe / Beziehung • Liebesgeschichte • Liebesleben • Liebesroman • Liebesromane • Liebesromane für Frauen • Liebesroman (modern) • London • Reise zu sich selbst • Romane für Frauen • Romantik • romantisch • Romantische • Roman über Familienleben • Rosanna Ley • Schicksal • Sizilien • Sommer • Sommerfrische • Sommerroman • Tante Poldi • Tragik • Unterhaltung • Unterhaltungsliteratur • Urlaub • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-8387-1553-5 / 3838715535
ISBN-13 978-3-8387-1553-7 / 9783838715537
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