Cannabiskonsum und psychische Erkrankungen (eBook)
160 Seiten
Psychiatrie-Verlag
978-3-96605-295-5 (ISBN)
Michael Büge (Berlin) ist Psychologischer Psychotherapeut, Gesprächspsychotherapeut, Familientherapeut, Supervisor und seit 1993 als Psychotherapeut tätig, erst im Bereich Kinder- und Jugendpsychotherapie dann in der Suchthilfe.
Grundinformationen zum Cannabiskonsum
Begriffsbestimmung
»Spliff«, »Weed«, »Bong«, »Buffen«, »Stein« … was sich anhört wie eine Kampfszene aus einem Asterix-Comic sind Szenebegriffe rund um den Cannabiskonsum. Im Kontakt mit Cannabiskonsumenten werden wir immer wieder mit Begriffen konfrontiert, die wir nicht kennen oder von denen wir zwar schon einmal gehört haben mögen, sie aber nicht einordnen konnten. Deshalb schon hier einige Worte zur Beruhigung: Das »Drogen-Glossar« bei Wikipedia weist annähernd vierhundert Begriffe aus, viele davon sind Szenebegriffe (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Begriffen_des_Drogenkonsums).
Selbst für Menschen, die sich professionell mit diesem Thema befassen, ist es schwer, die Bedeutung aller dieser Begriffe zu kennen, vor allem weil fast täglich neue hinzukommen. Vor einer Nachfrage beim Klienten braucht man sich daher nicht zu scheuen, diese könnte sogar einen guten Einstieg in ein Gespräch über das Thema bedeuten.
Darüber hinaus gibt es aber natürlich die Möglichkeit, sich über die Bedeutung dieser Begriffe zu informieren, insbesondere wenn Helfende das Gefühl haben, ihre Klientinnen und Klienten würden sie »austesten«, indem sie absichtlich in einer unverständlichen Sprache sprechen. Eine sehr gute und neutrale Informationsquelle bietet hier das Drogenlexikon auf drugcom.de (https://drugcom.de/drogenlexikon).
Es bedarf jedoch insgesamt einer guten Abwägung, inwieweit man im Gespräch mit den Klienten überhaupt (möglicherweise zur Herstellung eines guten Kontaktes) Szenebegriffe benutzt oder aber auf die Fachbegriffe zurückgreift. Die Benutzung von Fachbegriffen kann zum Beispiel hilfreich sein, um die eigene Haltung deutlich zu machen oder auch einer Bagatellisierung eines Problems entgegenzuwirken. Für den Umgang mit einem Klienten ist es jedoch in jedem Fall wichtig, einen grundsätzlichen Überblick über die Fachbegriffe zu haben und diese auch den unterschiedlichen Ebenen zuordnen zu können.
»Cannabis« ist der Oberbegriff für die Substanz. Diese wird aus den weiblichen Pflanzen des Indischen Hanfs (Cannabis sativa) gewonnen. Die Pflanzenteile, die zum Konsum von Cannabis benutzt werden, sind: Marihuana, das aus den getrockneten Blüten und Blättern gewonnen wird, sowie Haschisch, für welches das Harz der Blütenstände verwendet wird. Die für unseren Zusammenhang wichtigsten psychoreaktiven Wirkstoffe im Cannabis sind das Tetrahydrocannabinol (THC) und das Cannabidiol (CBD).
Cannabis kann geraucht, aber auch im Tee getrunken oder als Haschkeks gegessen werden. Beim Rauchen sind die meistverbreiteten Konsumformen der »Joint« und die »Bong« (eine Art Wasserpfeife).
Wirkweise
In Gesprächen mit den Klienten und Klientinnen wird immer wieder deutlich, dass sich die Wirkung von Cannabis mit der Zeit deutlich verändert. Am Anfang hat es häufig eine euphorisierende, aber auch entspannende bzw. beruhigende Wirkung. Meist wird der Konsum in dieser Phase innerhalb einer Gruppe erlebt. Lustige Assoziationen oder auch angeregte Unterhaltungen, die oft als besonders kreativ empfunden werden, machen einen großen Anteil an den als sehr angenehm erlebten Situationen aus. Alltagsprobleme können vollständig ausgeblendet werden, das Erlebte wird häufig als sehr amüsant wahrgenommen (Lachflash).
Nach längerem Konsum sind solche Erlebnisse kaum noch vorhanden. In der Regel wird dann immer öfter allein gekifft, und der Konsum führt in der Folge nicht zu mehr, sondern sogar zu weniger bis gar keinen Sozialkontakten. Aus den Erzählungen unserer Klientinnen und Klienten wissen wir, dass sie sich in der Regel kontinuierlich weiter zurückziehen und dann überwiegend allein konsumieren. Immer weniger steht das anfängliche Erleben im Mittelpunkt, sondern eher das »Abschalten« von Problemen und die Befriedigung der Sucht. Weder wird dann noch die Wirkung des Cannabis als lustig oder gar euphorisierend beschrieben noch kommt es zu sonderlich kreativen, von erweitertem Bewusstsein geprägten Gedanken. Das Kiffen ist schließlich »normal« geworden, man tut es einfach, nicht zuletzt deshalb, weil es einem deutlich schlechter geht, wenn man es nicht tut.
Trotzdem durchsetzt die frühere Wirkung (auch wenn sie inzwischen in dieser Form gar nicht mehr eintritt) die Gedanken der Klienten, die als erwartete Wirkung nicht aufgegeben werden kann. Es ist diese Wirkung, die sich die Betreffenden wünschen und nach der sie sich zurücksehnen, wenn sich nach erreichter Abstinenz Suchtdruck einstellt.
Da Cannabis auf vielen verschiedenen Ebenen wirkt, kann sich die Unterscheidung zwischen erwünschter und erlebter Wirkung auch auf all diesen Ebenen zeigen (Abbildung 1).
Generell sind die Substanzwirkungen (»psychoaktive Wirkungsweise«) abhängig von folgenden Aspekten:
• vom neurobiologischen Potenzial der Substanz,
• von Dosis und Frequenz des Konsums,
• von persönlicher (Vor-)Erfahrung und der damit verbundenen Wirkungserwartung sowie
• vom sozialen Setting, in dem der Konsum stattfindet. Zelle andocken. Wichtig hierbei ist, dass, wie bei einem Schlüssel und einem Schloss, die Rezeptoren immer nur einen spezifischen Neurotransmitter aufnehmen können.
GEHIRN
Alle Drogen wirken dadurch, dass sie in das Verarbeitungssystem des Gehirns eingreifen. Dies geschieht an jenen Stellen, an denen die Nervenzellen miteinander kommunizieren (dem synaptischen Spalt). Um Informationen weiterzuleiten, werden Neurotransmitter (die bekanntesten sind Dopamin, Serotonin und Noradrenalin) von der einen Nervenzelle ausgeschüttet, die dann an sogenannten Rezeptoren der nächsten
ABBILDUNG 1
Erlebtes Wirkungsspektrum beim Cannabiskonsum
(Quelle: Therapieladen e.V.)
Die Wirkung von Cannabis kann sich in verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich bemerkbar machen. Sie kann mehr oder weniger intensiv sein und eher in eine angenehme oder in eine unangenehme Richtung gehen. Dabei kann es sein, dass eine Person etwas als angenehm empfindet, eine andere es aber eher als unangenehm erlebt. |
Eher angenehme, erwünschte Wirkungen |
| Eher unangenehme, unerwünschte Wirkungen |
übliche Denkmuster verblassen, neuartige Ideen und Einsichten, »hinter« die Oberfläche schauen, noch nie Gedachtes denken, kreativ sein | Denken | sich in fixe Ideen reinsteigern, von Gedanken besessen sein, geistige Selbstüberschätzung / »Größenwahn« |
witzige Assoziationen und starke Gedankensprünge | Konzentration | Konzentrationsschwäche und uferloses Durcheinander im Kopf, »Peilung« verlieren, keinen klaren Gedanken fassen und verfolgen können |
sich amüsieren, weil man sich nicht an die vorletzten fünf Minuten bzw. am Ende eines Satzes nicht an seinen Anfang erinnern kann | Gedächtnis | eingeschränkte Merkfähigkeit, Erinnerungslücken, Filmrisse |
die gewohnte Ordnung beim Sehen, Hören, Riechen etc. verändert sich; sonst Nebensächliches wird nun deutlicher wahrgenommen, etwa Lichtreize, Farbspiele; Intensivierung von Musikhören, Berührung (Sex), Schmecken; das Zeitgefühl verändert sich | Wahrnehmung/ Empfindung | wenig von der Umwelt mitbekommen, im eigenen »Film« gefangen sein, sich in Einzelheiten hineinsteigern, Überempfindlichkeit, Überreaktionen bis hin zu Halluzinationen und »Horrortrip« |
Eher angenehme, erwünschte Wirkungen |
| Eher unangenehme, unerwünschte Wirkungen |
Eindruck, als ob man die Gedanken der anderen kennt und teilt, gemeinsame Albernheit, Gemeinschaftserleben | Kommunikation/ Beziehungen | ... |
Erscheint lt. Verlag | 8.7.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie |
ISBN-10 | 3-96605-295-4 / 3966052954 |
ISBN-13 | 978-3-96605-295-5 / 9783966052955 |
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