Verstand schafft Leiden: Schauspiel in vier Akten -  Aleksandr Sergeyevich Griboyedov

Verstand schafft Leiden: Schauspiel in vier Akten (eBook)

Die unvergängliche Tragik der menschlichen Vernunft
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
81 Seiten
Good Press (Verlag)
978-65--4764547-8 (ISBN)
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Aleksandr Sergeyevich Griboyedov's 'Verstand schafft Leiden: Schauspiel in vier Akten' ist ein bemerkenswertes Stück Literatur, das sich in den Wirren des frühen 19. Jahrhunderts Russlands abspielt. Das Drama handelt von Liebe, Leidenschaft und gesellschaftlichen Konventionen und verwebt geschickt humorvolle Dialoge mit tiefgreifenden emotionalen Konflikten. Griboyedovs literarischer Stil zeugt von seiner feinen Beobachtungsgabe und seinem scharfen Verstand, während er die Folgen menschlichen Handelns auf eindrucksvolle Weise darstellt. 'Verstand schafft Leiden' ist ein Meisterwerk der russischen Literatur, das mit seiner intelligenten Handlung und seinem sprachlichen Reichtum jeden Leser fesseln wird.

Ja — Kinderei’n!

Tschatzki.

Ja, Zeiten die da waren!

Sie wuchsen auf! — Mit siebzehn Jahren

Sind Sie jetzt unvergleichlich schön,

Und wissen es, das müssen Sie gestehn,

Und darum schau’n Sie sittsam Niemand an.

Sind Sie verliebt? Und wär’s mein Tod,

O, sagen Sie es schnell! Sie werden roth?!

Sophie.

Wer würde nicht verlegen werden

Bei solchen Fragen und Geberden?

Tschatzki.

So bitt’ ich Sie, mir doch zu sagen:

Wonach sollt’ ich in Moskau sonst wohl fragen?

Es herrscht doch stets das alte Einerlei;

Ein Ball ist heute, morgen zwei.

Der feiert Hochzeit, einem ist’s gelungen —

Ein andrer hat sich einen Korb errungen.

Die alte, ewige Geschichte,

Und in den Stammbüchern die nämlichen Gedichte! —

Sophie.

Das arme Moskau! Ja, das kommt vom Reisen her!

Wo ist das Wunderland, wo es denn besser wär?

Tschatzki.

Wo wir nicht sind! — Ach sagen Sie mir doch:

Was macht Ihr Vater? Ist er noch

Dem Clubb, dem Englischen nach hies’gem Brauch

Stets treu ergeben bis zum letzten Hauch?

Und dann Ihr Ohm, sieht man ihn stets auf Bällen schweben?

Wie? Oder hat er endlich ausgetanzt?

Und Jener, nun, mit dem Zigeunerteint?

Ein Türke oder Griech’ — Sie wissen, wen ich meine —

Er hatte wie ein Storch, so schrecklich lange Beine —

Er war allüberall zu sehen

Auf Bällen und auf Assemblee’n,

Und ganz besonders immer

In jedem Speisezimmer? —

Und dann die drei Lion’s vom Boulevard?

Die jungen Herrn seit funfzig Jahr!

Die Ueberreichen — an Verwandten;

Ich glaube sicherlich,

Daß an der Million nur wen’ge fehlten,

Da sie, durch ihrer Schwestern Hülfe, sich

Verwandt mit ganz Europa zählten. —

Nun dann — und unsere Theatersonne!

Der edle Mann, der keine höhere Wonne

Als Maskarad’ und Schauspiel hat!

Die Worte standen stets auf seiner Stirn geschrieben;

Wo ist der Treffliche geblieben?

Sein Haus war grün gemalt, wie ein Zigeunerlager,

Er war der größte Fettwanst in der Stadt,

Doch seine Künstler waren — mager!

Auf einem Ball bei ihm, da stand,

Erinnern Sie’s? verborgen hinter einer Wand

Ein Kerl dem er befohlen

Zu trillern und zu johlen

Wie eine Nachtigall;

Er sollt’ uns von dem Ball

Wohl in den Lenz versetzen;

Ein herrliches Ergötzen!

Die Nachtigall, die Sängerin der Haine,

Auf einem Ball beim Lampenscheine!

Und Ihr schwindsücht’ger Vetter da, der Bücherfeind,

Der einst in dem gelehrten Comité erscheint

Und mit Geschrei und Eidschwur wollte,

Daß niemand lesen oder schreiben lernen sollte.

Die Alle soll ich wiedersehn!!

Die Plage ist kaum auszustehn. —

Doch Fehl und Flecken

Kann man bei jedem wohl entdecken,

Und wer nach Hause kehret, dem

Ist auch

Der Rauch

Der Heimath süß und angenehm.

Sophie.

Ich säh’ Sie einmal gern mit meiner Tante

Um durchzuhecheln sämmtliche Bekannte.

Tschatzki.

Das Hoffräulein, noch aus Cathrina’s Zeit,

Die ganz Minerva’s Dienste sich geweiht!

Ich glaub’ sie war in ihrem ganzen Leben

Von kleinen Mädchen nur und Möpsen rings umgeben.

Doch à propos! Wie ist denn jetzt die Lehrmethode?

Ist es noch immer Mode

Ein Regiment von Lehrern aufzuweisen,

An Zahl vollauf, doch billigst in den Preisen?

Und nicht, als ob sie viel grad’ brauchten zu versteh’n:

Befohlen ist’s — bei hohen Strafen

Historiker und Geographen

In jedem hergelauf’nen Wicht zu sehn.

Erinnern Sie sich jenes Alten

Der unser Mentor war? Er pflegte so zu halten

Den Zeigefinger ausgereckt —

Fast einem Wegeweiser zu vergleichen,

und Rock und Käppchen der Gelahrtheit Zeichen!

Wie oft hat er als Kinder uns erschreckt!

Wie haben wir das oft vernommen,

Nur von dem Ausland könnt’ das Heil uns kommen.

Wie sind wir überzeugt, wir armen Thoren,

Daß ohne Deutsche wir ganz rettungslos verloren!

Und der Franzose Guillaumé

Ganz Luft und Wind,

Knüpft er noch nicht das Band der Eh’

Mit irgend einem schönen Kind?

Sophie.

Mit wem?

Tschatzki.

Nun jede Fürstin, zum Exempel

Die gute Fürstin Julia

Ging’ gern mit ihm in Hymens Tempel.

Sophie.

Tanzmeister ist er ja!

Tschatzki.

Und Ritter! Ja! — Von uns verlangt die Welt

Geburt, Erziehung, Rang und Geld —

Doch Guillaumé ........

Wie ist der Ton denn heut zu Tage?

Herrscht noch das Sprachgewirr, die alte Ohrenplage?

Wird noch — selbst auf der kleinsten Assemblee

Und von den Gästen

Bei Kirchweih-Festen

Französisch stets in Brocken aufgetischt?

Sophie (zerstreut).

Ein Sprachgewirr?

Tschatzki.

Zwei werden wenigstens gemischt.

Lisette.

Nun, nun, es wär’ doch schwer

Aus allen beiden Sprachen

Etwas zu machen,

Was Ihrer Sprache ähnlich wär’.

Tschatzki.

Ei, schwülstig spreche ich doch nie? —

Da haben wir’s — da sehen Sie,

Ich nutze die Minuten!

Durch Ihren Anblick ganz in Gluthen

Kam ich in’s tausendste hinein,

Und gleich läßt man mich schwatzhaft sein.

Doch weiß ich, daß es Zeiten gab

Wo ich verschlossen wie ein Grab,

Wo ich noch ärmer schien an Geist,

Als Ihres Vaters Secretair,

Moltschálin — oder wie er heißt —

Das stille Männchen da aus Twer,

Der stets so artig und geschniegelt!

Hat er sein Schweigen endlich jetzt entsiegelt?

Wo er ein Heft mit neuen Liedchen fand,

War er gleich höflich bei der Hand —

Bat um Erlaubniß sie sich abzuschreiben;

Doch steigen freilich jetzt auch solcherlei Naturen,

Denn heut zu Tage liebt man stumme Creaturen.

Sophie (bei Seite).

O, diese Schlange!

(laut und gereizt) Ach, ich wollt’ Sie fragen:

Ist’s Ihnen wohl passirt, im Ernste oder Scherz

Von Jemand — im Versehn — was Gutes wohl zu sagen?

Wenn auch nicht jetzt, vielleicht in Ihrer Jugend?

Tschatzki.

Was weiß man da von Lastern und von Tugend?

Wozu so weit zurück? Ist es ein schlechter Zug,

Daß ich durch Sturm und Steppen, Tag und Nacht,

Selbst mit Gefahr des Lebens,

Zu Ihnen her den weiten Weg gemacht?

Und Alles, ach, vergebens! —

Wie sind Sie stolz und kalt!

Ich schau’ Sie an seit einer halben Stunde —

Verloren in die liebliche Gestalt —

Und ach, nur stärker blutet meine Wunde!

(Kleine Pause.)

Erlauben Sie mir diese Frage:

Ist wirklich Alles beißend was ich sage?

Und können Sie den Vorwurf auf mich laden,

Als wollt’ ich jemand dadurch schaden?

Wahrhaftig, wenn mein Mund vielleicht auch so gesprochen,

So hat mein Herz doch nichts verbrochen,

Das Wunderliche pfleg’ ich zu belachen,

Doch werd’ ich ein Geschäft daraus mir niemals machen!

Gebieten Sie ins Feuer mir zu gehn

Für Sie, — mit Freuden soll’s geschehn.

Sophie.

Nun gut, — verbrennen Sie!

Doch wenn’s mißlänge? — wie?

Achte Scene.


Die Vorigen. Famussoff.

Famussoff (in der Thür).

Da haben wir’s, da steht der Zweite!

Sophie.

Ach Väterchen, der Traum von heute!

(Geht ab, Lisette folgt.)

Famussoff (bei Seite).

Verdammter Traum!

Neunte Scene.


Famussoff. Tschatzki (sieht Sophien nach).

Famussoff.

Nun sag’, was hast Du denn getrieben?

Wie, in drei Jahren nicht ein Wort geschrieben,

Und plötzlich fällst Du wie vom Himmel nieder!

(Umarmt ihn.)

Nun, sei willkommen Freund, willkommen!

Du alter Junge, Du!

Jetzt haben wir Dich wieder!

Nun, Abentheuer konnten Dir nicht fehlen,

Da setze Dich, und nun mußt Du erzählen.

(Sie setzen sich.)

Tschatzki (nachdenklich).

Wie ist doch Ihre Tochter schön!

Famussoff.

Ihr junges Volk wißt auf nichts anderes zu sehn,

Als darauf, ob die Mädchen schön.

Da hat sie etwas obenhin gesagt,

Was Deiner Eigenliebe gleich behagt;

Doch Hoffnung hat schon oft betrogen!

Tschatzki.

Mich hat sie wahrlich nicht verzogen.

Famussoff.

Der Traum von heute — sagte sie —

Und Du, Du grübelst nach, ich wette,

Was denn Sophie

Geträumt wohl hätte?

Tschatzki.

Ich grüble nicht, es fiel mir niemals ein,

Den Sinn von Träumen auszulegen.

Famussoff.

Freund, traue nicht den Frauen!

Tschatzki.

Nur meinen Augen will ich trauen,

Und das muß offenherzig ich gestehn,

Das Fräulein ist ganz...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2023
Übersetzer Georg Julius Schultz
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 65--4764547-9 / 6547645479
ISBN-13 978-65--4764547-8 / 9786547645478
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