Stein unter Steinen: Schauspiel in vier Akten (eBook)
66 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-643405-4 (ISBN)
Zarncke (voll wärmerer Anteilnahme)
Hm. (Es klopft) Herein.
Neunte Szene
Die Vorigen. Lore (mit einem Teller, worauf Butterbrot)
Lore
Verzeihung, Herr Zarncke, Fräulein Mariechen hat befohlen.
Zarncke
Essen Sie.
Biegler
(gierig nach dem Teller sehend)
Danke! Ich hab' — keinen — Hunger.
Lore (leise, mitleidig)
Essen Sie nur.
Biegler
(blickt sich scheu um, will ein Butterbrot nehmen, sieht Zarncke fragend an)
Zarncke
Ja, ja, Sie dürfen.
Biegler
(dreht sich der Wand zu und schlingt das Butterbrot herunter)
Zarncke
Du, Lore, hol mal das Wasserglas.
Lore
(holt das Wasserglas vom Nähtisch)
Zarncke (Rotwein eingießend)
Bring ihm das. — Übrigens: wie trägt's denn der Vater?
Lore
Gott, Herr Zarncke, er schimpft ... Ja, was ich fragen wollte: darf er den Dienst noch tun, bis ein Nachfolger da ist?
Zarncke
(mit einem Blick nach Biegler hin)
Nachfolger hab' ich schon.
Lore (dem Blick folgend)
Ach so.
Zarncke
Gefällt er dir?
Lore
Ach, is 'n armer Mensch!
Zarncke
Sag's nicht, wie du ihn hier gefunden hast.
Lore
Nein, nein. (Stellt das Glas neben Biegler, ab)
Zehnte Szene
Biegler. Zarncke
Biegler
(würgt eiligst den letzten Bissen hinunter und stellt sich in Positur)
Zarncke
Sie dürfen auch 'n Schluck von dem Wein trinken.
Biegler
Ja. (Äugt zweifelnd nach dem Glase)
Zarncke
Haben Sie keinen Durst?
Biegler
Erst geben Sie mir — Wein zu trinken, und dann nehmen Sie mich doch nich. Hä.
Zarncke
Erst trinken Sie mal.
Biegler
(dreht sich der Wand zu und trinkt zögernd, verstohlen)
Zarncke
Auf den Steinmetzplatz wollen Sie. Aber gewissermaßen im verborgenen. So daß keiner was erfährt, daß Sie keinem Rede zu stehen brauchen — hä?
Biegler
So was Schönes gibt's ja nich.
Zarncke
Vielleicht doch. Wollen Sie Wächter werden bei mir auf'm Platz?
Biegler
(in staunendem Nicht-glauben-wollen)
Herr Zarncke!
Zarncke
Na?
Biegler
Das is doch 'n Vertrauensposten.
Zarncke
Ja, das is es.
Biegler
Da müssen manche sogar Kaution stellen.
Zarncke (bejahend)
Hm ... Und wenn Sie Mittags ausgeschlafen haben, können Sie unter den Arbeitern mithelfen ... da fragt Sie keiner ... Na?
Biegler
Wird ja nicht lange dauern —
Zarncke
Das wird ganz von Ihnen abhängen.
Biegler
Dann kommen die Schutzleute — und recherchieren ... Und dann is aus.
Zarncke
Sie wissen doch, daß solange der Verein die Fürsorge für Sie übernimmt, die Polizei sich mit Ihnen nichts zu schaffen macht.
Biegler (fatalistisch)
Die Schutzleute — kommen doch.
Zarncke
Zu mir nicht ...
Biegler
Die Schutzleute kommen doch.
Zarncke
So hören Sie doch. Hierher kommt kein Schutzmann recherchieren. Das hab' ich mir ein für allemal verbeten. Und daß die Herren vom Verein, wenn die kommen, Sie nicht verraten werden, das können Sie sich doch denken. ... Na?
Biegler
Das wär' ja ein solches Glück, wie man sich gar nich — (Es klopft)
Zarncke
(geht zur Tür und öffnet sie)
Elfte Szene
Die Vorigen. Jenisch
Zarncke (ihm den Eintritt versperrend)
Was gibt's?
Jenisch (vom Hausflur her)
Verzeihung, Herr Zarncke — die Polizei is da — wegen —
Biegler
(zuckt heftig in die Höhe und macht eine unwillkürliche Bewegung, als wolle er sich verstecken)
Zarncke
Is gut. Soll 'n Augenblick warten. Komme gleich. (Schlägt die Türe zu)
Zwölfte Szene
Biegler. Zarncke
Zarncke
Na ruhig, ruhig, ruhig!
Biegler (sich wild umschauend)
Die Schutzleute kommen überall — die —
Zarncke
Unsinn! Diese Nacht is eingebrochen worden bei mir. Deshalb kommen sie. Und eben deshalb sollen Sie auch Nachtwächter werden. Verstanden?
Biegler (würgend)
Herr Zarncke — ich muß — ich — dank' Ihnen auch schön fürs Glas Wein ... ich ... kann nich in Dienst ... ich muß — wieder weg.
Zarncke (schüttelt den Kopf)
Ja, zwingen kann ich Sie nich ... (Nach einem Schweigen) Haben Sie denn andere Arbeit in Aussicht?
Biegler (verneint)
Zarncke
Wer nicht Arbeit hat von euch, wird abgeschoben von der Polizei ... Unbarmherzig ... Wissen Sie das?
Biegler (bejaht)
Zarncke
Na und dann?
Biegler (zuckt die Achseln)
Zarncke
Schließlich zieht der Verein auch noch seine Hand von Ihnen — und was dann?
Biegler (zuckt die Achseln)
Zarncke
(plötzlich seinen Ton ändernd)
Nu komm mal her, min Sähn. Komm, komm, komm, komm. (Zieht ihn nach vorne) Bienchen hast du doch keine?
Biegler (schüttelt den Kopf)
Zarncke
Na dann setz dir mal. (Zieht ihn in einen Stuhl) Du bist nu man büschen verbiestert, min Sähn ... Wat dir da im Kopp spukt, das will ich gar nich wissen ... Is auch ganz egal. Nu laß man schon büschen sorgen für dich. (Strenge) Und jetzt geschieht folgendes: Du kriegst mal zuerst 'n Anzug von mir ...
Biegler
(an sich niedersehend, freudig)
Ja, ja, ja, ja.
Zarncke
Du, du hast ja gar nich mal 'n Hemde an!
Biegler (eifrig, voll Ehrgefühl)
Jawohl — hab' ich. (Reißt, um das Hemde zu zeigen, die Strickweste auf) Da! (Beschämt) Bloß — Kragen hab' ich nich.
Zarncke
Also das kriegste alles auch. Und 'n warmen Mantel. Denn Nachts is noch kalt ... Und dann kriegst du 'ne Pfeife und 'ne Schnarre. Und die Kontrolluhren, die bis zum Abend ankommen, die erklär' ich dir. Wohnen tust du drüben im Sägewerk. Und essen tust du in der Kantine bei der Lore, die dir das Butterbrot gebracht hat. Verstehste?
Biegler (wie vorhin)
Ja, ja, ja, ja.
Zarncke
Und nun kümmerst du dich um Dodt und Deiwel nich mehr. Und so wollen wir langsam wieder 'n Menschen aus dir machen. Hä?
Biegler (nickt willenlos)
Zarncke
Na also.
(Der Vorhang fällt)
Zweiter Akt
Der Werkplatz. Links das Wohnhaus mit vorspringender Veranda und einem Balkon darüber, zu dem aus dem oberen Stockwerk eine Glastür führt. Zu ebener Erde ein Fenster. Rechts die Kantine mit einer Tür in der Seitenwand und einem nach der Rampe zu gerichteten Fenster, vor dem eine Bank steht. Hinter der Kantine, ein wenig vorspringend, das Magazin, mit einer Tür und einer daneben angebrachten Glocke. — Im Hintergrunde rechtwinklig zum Magazin ein offener, von Holzpfeilern getragener Schuppen, der sich mit seiner Hinterwand an die senkrechte Erhöhung lehnt, welche den hinteren Teil des Werkplatzes bildet und zu der in der Mitte des Hintergrundes eine schmale Treppe emporführt. Links von der Treppe mehrere hochaufgestapelte Steinblöcke, welche die Höhe des hinteren Teiles übersteigen. Über einem der Stapel ein Kran. Eine schmale Feldbahn zum Transport der Blöcke führt an den Stapeln, der Treppe und dem Schuppen vorüber quer über die Bühne. Blöcke liegen überall verstreut. An den Wänden des Schuppens und der Häuser stehen und hängen, wo nur ein Platz sich findet, Gipsmodelle: Figuren, Reliefs, Ornamentstücke. Die Veranda ist mit Schlingpflanzen bewachsen, ein Baum neigt sich über ihr Dach. Das Kantinenfenster schmücken Blumentöpfe. Den Prospekt bildet eine großstädtische Häuserreihe, die jenseits der am Werkplatz entlangführenden Straße gedacht ist. Ein Kirchturm ragt aus der Ferne herüber
Erste Szene
(Beim Aufgehen des Vorhangs zeigt der Platz ein überaus reiches Arbeitsleben. Vor den Blöcken arbeiten Steinmetzen oder Bildhauer, die ersteren mit blauer Schürze, die letzteren mit langem, weißgrauem Kittel und Papier- oder sog. Raffaelmütze bekleidet. Der Kran ist im Gange. Niedrige Wagen transportieren Blöcke vorüber. Hilfeleistende Arbeiter in beliebigem Werktagsanzug. Mittagsstimmung)
Vorne rechts Göttlingk in Steinmetzentracht vor einem Blocke — ein Gipsmodell daneben. Der Polier Willig an einem anderen Blocke, messend. Unter den Arbeitern, die sich hinten zu schaffen machen, Lohmann, Sprengel,...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2022 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
ISBN-10 | 4-06-643405-3 / 4066434053 |
ISBN-13 | 978-4-06-643405-4 / 9784066434054 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
![EPUB](/img/icon_epub_big.jpg)
Größe: 693 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich