Faust -  Woldemar Nürnberger

Faust (eBook)

Gedicht
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
170 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-610933-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
1,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Woldemar Nürnbergers 'Faust' ist eine bahnbrechende Interpretation des klassischen Stoffes von Goethes 'Faust'. Mit einem tiefen Verständnis für die menschliche Natur und die Konflikte zwischen Gut und Böse, entführt uns Nürnberger in eine Welt voller Intrigen und magischer Versuchungen. Sein literarischer Stil ist gekennzeichnet von einer poetischen Sprache und einer düsteren Atmosphäre, die den Leser in den Bann zieht. Nürnberger verwebt geschickt Elemente des Originals mit eigenen Ideen, was zu einem faszinierenden und originellen Werk führt, das die Grenzen der Literatur sprengt. Ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das sowohl Fans des Klassikers als auch neue Leser begeistern wird.

Die letzte Manto

Und wieder dämmerts Abend — Faustus ruht
Am Fuße eines Schlosses, eines alten
Und wüsten Baus, der zu nichts mehr gut,
Die tiefste Nacht lugt aus des ungestalten
Gefensters goth’schem Rund — der Abendwind
Spielt mit den ries’gen, dunk’len Spinngeweben
Die vor dasselbe hingesponnen sind,
Als in des Vorhangs heimischen Geweben. —
Wie sich nun drüben fern der Mond entzündet
So einsam auf dem tiefen, dunkeln Blau,
Wie sich in ird’scher Ebene dieser Bau,
Von allem Leben fern schwermüthig ründet;
Beginnt er so: “wie oft hab’ ich geblickt
Empor zu dir, o du allträumend Licht,
In mancher Nacht, die still und unverrückt,
Gestarrt ich in des Leichnams Angesicht
O dann ist seelenvoll, ja! Seelenvoll
Dein Blick: hab’ ich nach dir mich umgewandt
Vom Todten-Aug, das leer und starr und hohl
Benetzte mein Skalpell und meine Hand
O Nacht! Dein Blick ist so gedankenreich
so schwärm’risch, überschwenglich, unermeßlich,
Des Todes Blick, so finster, stier und bleich,
Und für den Laien schauderhaft und gräßlich.
Ich lieb dich Nacht! Dir schlägt das Herz im Busen,
Das prahlrisch auf der Zunge trägt der Tag,
Und voll Entzücken zähl’ ich jeden Schlag!
— Mein Fluch traf noch nicht Alles, und ich kann,
Nach Bildern und Gedanken zahllos greifen,
In diese Brust, und hab’ nie Mangel dran
Und ewig so in ungemessnem Schweifen! —
Er schlummert ein den Kopf zurück gelehnt,
An einer Säule Trümmer-Piedestal. —
Fort schauerte die Nacht, die Brise stöhnt,
Und Sterne jagen wechselnd sich ohn’ Zahl.
Da über ihm erscheint auf dem Balkone,
Ein junges Weib in alter, griech’scher Tracht.
Ein schmales Band von Gold gleich einer Krone,
Durchflicht der düstern Locken wirre Pracht.
In ihren Händen hält sie eine Leuchte
Vom Erz Korinths mit hohem Postament.
Als sie die auf die moosig feuchte
Brüstung gesetzt, zieht sie ein Pergament
Aus ihrem Busen, läßt sich auf die Knie’n,
Schaut auf zum Himmel, und mit kund’gem Styl,
Wie hell die Sterne dort vorüberglüh’n,
Verzeichnet sie das flammende Gewühl;
Und Stern an Stern, Gedanken an Gedanken,
Ein nächt’ges, stummes, unermessnes Spiel! —
Wie ihre schwarzen Augen traurend sanken;
Und drauf in der Erkenntniß Hochgefühl,
Den Sternen droben ähnlich flammend stiegen,
Und Siegesglanz strahlt in der Seherin Zügen. —
Es war so still, im dürren, stäub’gen Blatt,
Der krüppelhaften, trocknen Sycomore,
Raschelt kaum noch der leise Nachthauch matt,
Und tönet zu der schönen Schwärmrin Ohre.
Und Faustus schläft, in seines Traumes Walten
Im Riesenflug der ernstlichsten Gedanken,
Ersteigen lieblich und verführerisch Gestalten
Von Schönen, die auf dieser Erde wanken.
So blinket durch der Nächte Wolkenflug,
Den dumpfen, rauchigen und nebeldüstern,
Des blanken Sterngebilds lasciver Zug,
So reizende Figuren und so lüstern. —
Als drauf in des Gesichts Lebendigkeit,
Die Seherin rhetorisch schwenkt die Hand,
Fällt plötzlich nieder von der Brüstung Rand
Das gelbe Blatt, das sie so hoch erfreut.
Es trifft den Schläfer Faustus ins Gesicht,
Der schaut empor und sieht die bleiche Dirne:
Sie merket den Verlust des Blattes nicht,
Ihr Aug’ steht ruhig auf des Himmels Firne,
Er liest nun in des Pergamentes Zügen,
Die wunderlich und seltsam sich verschlingen
Ein Punkt, ein Kreuz, ein Ineinanderfügen,
Von tausend Kreisen und so vielen Ringen:
Und er steht auf, da wird sie ihn gewahr,
Und sieht das Wunderblatt in seinen Händen:
“O stolzer, übermüthiger Barbar,”
Spricht sie zu ihm: “das willst du mir entwenden!
O gieb mir wieder, was ich schwer errungen
Du hast ein ernstes, sinniges Gesicht:
Ich hab’s den stummen Göttern abgedrungen,
Beraube du des theuren Blatts mich nicht!
Du ehre meinen ernstlichen Beruf! —
Ehr’ blos das Weib in mir, nur mein Geschlecht,
O gieb mir, gieb mir, was ich mir erschuf,
Der Sterne, der Gedanken Sinn Geflecht.
Faust ritterlich, wies nimmer er vergaß,
Wenn auch erstaunt und seltsam aufgeregt,
Springt auf den Marmorfels, auf dem er saß,
Und wie den Arm er um die Brüstung schlägt,
Schwingt er sich auf das Astrologium.
Sie stehn sich beide gegenüber stumm,
Der Schläfer Faust mit dem verworrnen Haar,
Mit dem verschobenen Barett von Sammt
Die Seh’rin mit dem glüh’nden Augenpaar,
Die Wange bleich, als wie dem Tod entstammt.
“Hier hast Du Weib Dein wunderlich Papier!
Beginnet Faust, “ und wohl bekomm’ es Dir!”
“Doch sprich! wer bist du, schön wie eine Braut,
Und angeputzt wie eine Königin,
Schwärmst Du umher in Räumen, wo mir graut,
Und seltne Träume führest du im Sinn?
Weib
Wir sind in Rom, ein wunderbar Geschick
Macht diese Stadt zur ersten Stadt von allen!
Was noch so hoch erhoben hat das Glück
Bis zur Anbetung, hier ist es gefallen!
Hier sanken jene Götter in den Staub,
Die wandelnden in freundlichen Gestalten
O Alles wurde hier der Zeit zum Raub,
Und alle Hoheit wurde hier zerspalten!
So bin auch ich der hochberühmten Frauen,
Von Delphi Sprosse, die ein schleichend Sein
In diesen Trümmern fristet, diesen grauen
— — Umstrahlet mich der alten Größe Schein?
Ich bin die Manto! — — jenem Mittelpunkte
Der Erd’ entsprossen, da des Weltalls Gab’
Im stolzen Tempeln aufgerichtet prunkte,
Die goldnen Becher und der goldne Stab! —
Vier Schwäne, wie vier Adler, die geflogen,[1]
Nach den vier Winden von den Weltenenden,
Zu gleicher Stund’, begegnen sich am Bogen,
Der Tempelhallen, an den heiligen Blenden!
— — In dieser Trümmerstadt, der Stadt des Falls,
Fällt nun das herrliche Geschlecht in mir —
Die Manto fällt, die Königin des Alls,
Der Zukunft geben ihren Schleier wir!
Faust
O hochgelobt sein mir die nächt’gen Stunden,
Da ich Dich wunderbares Weib gefunden,
Ich frage nicht nach Deinem Alter, Namen,
Noch wie Dir diese Trümmern überkamen.
Sei mir gegrüßt in aller Herrlichkeit,
Du schöner Sprosse jener mächt’gen Zeit!
Glücksel’ger du als ich! — du hast erkämpfet,
Der düstern, heiligen Geheimniß eins,
Die droben Er mit stummer Nacht umdämpfet,
Und davon mir, ach — offenbart sich keins!
O du bist glücklich! hochgebenedeiet,
Sei meine Schwester, Herrin, sei mein Weib’.
Dein Sieg! Dein Sieg, der seine Macht entzweiet, —
O rasend tost mein Blut durch meinen Leib.
Nun flammt mein Herz himmelhoch in Entzücken,
Im Busen rauscht ein Quell von Seligkeit!
Noch einmal freu dich Faust der Jugend Sonnenblicken.
Und dann sei wieder deinem Gram geweiht!”
So sprechen mit einander jene Beiden,
Da tanzt noch einmal auf dem Trümmerdach
Die Eul’ von ihren nächt’gen Leiden,
Die Hallen tönen’s schaurig nach,
Die Fledermaus, die in der Rinne
Vom Flug sich ruhet, schnarret auf,
Und stößt sich am Geweb der Spinne,
Die eilt geschäftig nieder, ‘naus,
Und flickt besorgt an den Geweben. —
So regt im alten Wald der neuen Welt,
Wenn kaum die nächt’gen Gipfel beben,
Der Thau vom Blatte träufelnd fällt,
Urplötzlich sich ein wildes Leben,
Den Tapir hetzt der Jaguar;
Er fliehend rüttelt die Bananen,
Auf denen schnarcht die Affenschaar,
Die höhnet, schimpft den unhumanen’
Und weckt der Papageien Chor,
Der wilde Lermen toset hin und wieder,
Dem Wanderer zerreißt’s das Ohr,
Im Hamak wirst er schlaflos seine Glieder. —
———
      Ein grüner Vorhang scheidet in zwei Theile
Den hohen Saal wo jetzo Faustus steht,
Er ist allein in stummer nächt’ger Weile. —
Und wie er sinnend auf und niedergeht,
Und in dem Dämmerschimmer um sich blickt, —
Indessen Manto wie er sie gebeten,
Sich ihm die Zukunft zu enthüll’n beschickt,
Jenseits des Vorhangs stell’nd an den Geräthen:
Spricht er also; O! und sie wagt zu klagen,
Daß sie des hohen Stamm’s verlorne Tochter sei,
Verachtet einsam, deren Ahn’ zu fragen,
Geeilt aus Nord und Süden man herbei;
Glich ich einem lahmen, dummen Ungeheuer
Einem Hunde, einem schrecklichen Scheusal
Gehört ich einem Stamme, der das Feuer
Das heiligste der neid’schan Götter Saal
Dem ihr’gen gleich enttrug! — weh mir! ich habe,
Auch gar nichts übrig als ein wildes Herz
Voll glühn’den Blutes, — Bettler an dem Stabe
Schwank ich dahin und schlepp’ an meinem Schmerz. —
Ich hab’ ihm Schlaf, ihm meine Ruh geschlachtet,
Und mich mich selbst! — o! denk ich nicht daran
Und dieses Hirn und dieses Auge schmachtet,
Noch nach wie vor nach der ersehnten Bahn!”
Faustus also: die bleichen Cariatiden
Die matten, seufzenden an ihrer Last,
Sehn stieren Auges auf den lebensmüden,
Dem alle Welt wie er sich selbst verhaßt.
Ein dumpfes Schattenspiel: entlang den grünen Schleier,
Rauscht’s geisterhaft im kühlen Zug der Nacht,
Da steht Mephisto da, das Ungeheuer
Sieht Fausto in sein trübes Aug’ und lacht!
“Du geh mir jetzt,” spricht Faust, als er ihn...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 4-06-610933-0 / 4066109330
ISBN-13 978-4-06-610933-4 / 9784066109334
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 545 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Schauspiel in sechs Bildern

von Hansjörg Schneider

eBook Download (2021)
Diogenes Verlag AG
7,99