Der Hofmeister -  Jakob Michael Reinhold Lenz

Der Hofmeister (eBook)

Rebellion gegen Konventionen und Suche nach Freiheit in einem Klassiker des Sturm und Drang
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2020 | 1. Auflage
159 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-610897-9 (ISBN)
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Jakob Michael Reinhold Lenz' Werk 'Der Hofmeister' ist ein bedeutendes Stück der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Das Buch handelt von einem jungen Mann namens Franz Moor, der seine Position als Hauslehrer auf einem adligen Gut ausnutzt, um seine eigenen egoistischen Ziele zu verfolgen. Lenz' literarischer Stil ist geprägt von einer präzisen Beobachtung von Charakteren und gesellschaftlichen Strukturen, die er mit einer starken emotionalen Intensität darstellt. 'Der Hofmeister' wird oft als ein Werk des Sturm und Drang betrachtet, das die Rebellion gegen gesellschaftliche Konventionen und die Suche nach individueller Freiheit thematisiert.

Majorin. Hören Sie ihn nur! Wie er mich anfährt! Bin ich schuld daran? Bist du denn wahnwitzig?

Major. Ja freylich bist Du schuld daran, oder was ist sonst schuld daran? Ich kann's, zerschlag mich der Donner! nicht begreifen. Ich dacht immer, ihr eine der ersten Parthien im Reich auszumachen; denn sie hat auf der ganzen Welt an Schönheit nicht ihres gleichen gehabt und nun sieht sie aus wie eine Kühmagd—Ja freilich bist Du schuld daran mit Deiner Strenge und Deinen Grausamkeiten und Deinem Neid, das hat sie sich zu Gemüth gezogen und das ist ihr nun zum Gesicht herausgeschlagen, aber das ist Deine Freude, gnädige Frau, denn Du bist lang schalu über sie gewesen. Das kannst Du doch nicht leugnen? Solltst Dich in Dein Herz schämen, wahrhaftig! (geht ab)

Majorin.
Aber … aber was sagen Sie dazu, Herr Graf! Haben
Sie in Ihrem Leben eine ärgere Kollektion von Sottisen
gesehen?

Graf.
Kommen Sie; wir wollen Piquet spielen, bis Fräulein
Gustchen angezogen ist..

Siebente Scene.

In Halle. Fritz von Berg. (im Gefängniß) Bollwerk. von Seiffenblase und sein Hofmeister. (stehn um ihn)

Bollwerk. Wenn ich doch den Jungen hier hätte, daß Fell zög' ich ihm über die Ohren. Es ist mit alledem doch infam gehandelt, einen ehrlichen Jungen, wie Berg, ins Karcer zu bringen; da sich keiner sein hat annehmen wollen. Denn das ist ja wahr, kein einziger Landsmann hat den Fuß vor die Thür seinethalben gesetzt. Wenn Berg nicht gut für ihn gesagt hätte, wär' er im Gefängniß verfault. Und in vierzehn Tagen soll das Geld hier seyn und wo er den Berg in Verlegenheit läßt, soll man ihn für einen ausgemachten Schurken halten. O du verdammter Pä Pä Pä Pä Pätus! Wart Du verhenkerter Pätus, wart einmal!—

Hofmeister. Ich kann Ihnen nicht genug beschreiben, lieber Herr von Berg, wie leyd es mir besonders um Ihres Herrn Vaters und der Familie willen thut, Sie in einem solchen Zustande zu sehen und noch dazu ohne Ihre Schuld, aus blosser jugendlicher Unbesonnenheit. Es hat schon einer von den sieben Weisen Griechenlandes gesagt, für Bürgschaften sollst du dich in Acht nehmen und in der That es ist nichts unverschämter, als daß ein junger Durchbringer, der sich durch seine lüderliche Wirthschaft ins Elend gestürzt hat, auch andere mit hineinziehen will, denn vermuthlich hat er das gleich anfangs im Sinne gehabt, als er auf der Akademie Ihre Freundschaft suchte.

Herr von Seiffenblase. Jaja, lieber Bruder Berg! nimm mir nicht übel, da hast Du einen großen Bock gemacht. Du bist selbst schuld daran; dem Kerl hättst Du's doch gleich ansehen können, daß er Dich betrügen würde. Er ist bey mir auch gewesen und hat mich angesprochen: er wär' aufs äusserste getrieben, seine Kreditores wollten ihn wegstecken lassen, wo ihn nicht Sonn noch Mond beschiene. Laß sie dich, dachte ich, es schadt dir nichts. Das ist dafür, daß Du uns sonst kaum über die Achsel ansahst, aber wenn ihr in Noth seyd, da sind die Adelichen zu Kaventen gut genug. Er erzehlte mir Langes und Breites; er hätte seine Pistolen schon geladen, im Fall die Kreditores ihn angriffen—Und nun läßt der lüderliche Hund Dich an seiner Stelle prostituiren. Das ist wahr, wenn mir das geschehen wäre: ich könnte so ruhig nicht dabey seyn: zwischen vier Mauren der Herr von Berg und das um eines lüderlichen Studenten willen.

Fritz. Er war mein Schulkamerad—Laßt ihn zufrieden. Wenn ich mich nicht über ihn beklage, was geht's Euch an? Ich kenn' ihn länger als Ihr; ich weiß, daß er mich nicht mit seinem guten Willen hier sitzen läßt.

Hofmeister.
Aber, Herr von Berg, wir müssen in der Welt mit
Vernunft handeln. Sein Schade ist es gewiß nicht,
daß Sie hier für ihn sitzen und seinethalben können
Sie noch ein Sekulum so sitzen bleiben—

Fritz. Ich hab' ihn von Jugend auf gekannt: wir haben uns noch niemals was abgeschlagen. Er hat mich wie seinen Bruder geliebt, ich ihn wie meinen. Als er nach Halle reißte, weint' er zum erstenmal in seinem Leben, weil er nicht mit mir reisen konnte. Ein ganzes Jahr früher hätt' er schon auf die Akademie gehn können, aber um mit mir zusammen zu reisen, stellt' er sich gegen die Präceptores dummer als er war, und doch wollt es das Schicksal und unsre Väter so, daß wir nicht zusammen reißten und das war sein Unglück. Er hat nie gewußt mit Geld umzugehen und gab jedem was er verlangte. Hätt' ihm ein Bettler das letzte Hemd vom Leibe gezogen und dabey gesagt: mit Ihrer Erlaubnis, lieber Herr Pätus, er hätt's ihm gelassen. Seine Kreditores giengen mit ihm um wie Strasenräuber und sein Vater verdiente nie, einen verlornen Sohn zu haben, der bey all seinem Elend ein so gutes Herz nach Hause brachte.

Hofmeister. O verzeyhn Sie mir, Sie sind jung und sehen alles noch aus dem vortheilhaftesten Gesichtspunkt an: man muß erst eine Weile unter den Menschen gelebt haben um Charaktere beurtheilen zu können. Der Herr Pätus, oder wie er da heißt, hat sich Ihnen bisher immer nur unter der Maske gezeigt; jetzt kommt sein wahres Gesicht erst ans Tageslicht: er muß einer der feinsten und abgefeimtesten Betrüger gewesen seyn, denn die treuherzigen Spitzbuben…

Pätus. (in Reisekleidern fällt Berg um den Hals)
Bruder Berg—

Fritz v. Berg.
Bruder Pätus—

Pätus. Nein—laß—zu Deinen Füßen muß ich liegen—Dich hier—um meinetwillen. (rauft sich das Haar mit beyden Händen und stampft mit den Füßen) O Schicksal! Schicksal! Schicksal!

Fritz.
Nun wie ists? Hast Du Geld mitgebracht? Ist Dein
Vater versöhnt? Was bedeutet Dein Zurückkommen?

Pätus.
Nichts, nichts—Er hat mich nicht vor sich gelassen—
Hundert Meilen umsonst gereißt!—Ihr Diener, Ihr
Herren. Bollwerk wein' nicht, Du erniedrigst mich zu
tief, wenn Du gut für mich denkst—O Himmel, Himmel!

Fritz. So bist Du der ärgste Narr, der auf dem Erdboden wandelt. Warum kommst Du zurück? Bist Du wahnwitzig? Haben alle Deine Sinne Dich verlassen? Willst Du, daß die Kreditores Dich gewahr werden—Fort! Bollwerk, führ ihn fort; sieh daß Du ihn sicher aus der Stadt bringst—Ich höre den Pedell—Pätus, ewig mein Feind, wo Du nicht im Augenblick—

Pätus. (wirft sich ihm zu Füßen)

Fritz.
Ich möchte rasend werden.—

Bollwerk. So sey doch nun kein Narr, da Berg so großmüthig ist und für Dich sitzen bleiben will; sein Vater wird ihn schon auslösen: aber wenn Du einmal sitzest, so ist keine Hofnung mehr für Dich; Du must im Gefängniß verfaulen.

Pätus.
Gebt mir einen Degen her …

Fritz.
Fort!—

Bollwerk.
Fort!—

Pätus.
Ihr thut mir eine Barmherzigkeit, wenn ihr mir einen
Degen—

Seiffenblase.
Da haben Sie meinen…

Bollwerk. (greift ihn in den Arm) Herr—Schurke! Lassen Sie—Stecken Sie nicht ein! Sie sollen nicht umsonst gezogen haben. Erst will ich meinen Freund in Sicherheit und dann erwarten Sie mich hier—Draußen, wohl zu verstehen; also vor der Hand zur Thür hinaus! (wirft ihn zur Thür hinaus)

Hofmeister.
Mein Herr Bollwerk—

Bollwerk.
Kein Wort, Sie—gehen Sie Ihrem Jungen nach und lehren
Sie ihn, kein schlechter Kerl seyn—Sie können mich
haben wo und wie Sie wollen. (der Hofmeister geht ab)

Pätus.
Bollwerk! ich will Dein Sekundant seyn.

Bollwerk. Narr auch! Du thust als—Willst Du mir den Handschuh vielleicht halten, wenn ich vorher eins übern Daumen pisse?—Was brauchts da Sekundanten. Komm nur fort und sekundire Dich zur Stadt hinaus, Hasenfuß.

Pätus.
Aber ihrer sind zwey.

Bollwerk.
Ich wünschte, daß ihrer zehn wären und keine
Seiffenblasen drunter—So komm doch, und mach Dich
nicht selbst unglücklich, närrischer Kerl.

Pätus.
Berg!—(Bollwerk reißt ihn mit sich fort)

Dritter Akt.


Erste Scene.

In Heidelbrunn.

Der Major. (im Nachtwämmschen) Der geheime Rath.

Major. Bruder, ich bin der alte nicht mehr. Mein Herz sieht zehnmal toller aus als mein Gesicht—Es ist sehr gut, daß Du mich besuchst; wer weiß, ob wir uns so lang mehr sehen.

Geh. Rath. Du bist immer ausschweifend, in allen Stücken—Dir ein Nichts so zu Herzen gehen zu lassen!—Wenn Deiner Tochter die Schönheit abgeht, so bleibt sie doch immer noch das gute Mädchen, das sie war; so kann sie hundert andre liebenswürdige Eigenschaften besitzen.

Major. Ihre Schönheit—Hol mich der Teufel, es ist nicht das allein, was ihr abgeht; ich weiß nicht, ich werde noch den Verstand verlieren, wenn ich das Mädchen lang unter Augen behalte. Ihre Gesundheit ist hin, ihre Munterkeit, ihre Lieblichkeit, weiß der Teufel, wie man das Dings all nennen soll; aber obschon ichs nicht nennen kann, so kann ichs doch sehen, so kann ichs doch fühlen und begreifen, und Du weist, daß ich aus dem Mädchen meinen Abgott gemacht habe. Und daß ich sie so sehn muß unter meinen Händen hinsterben, verwesen.—(weint) Bruder geheimer Rath, Du hast keine Tochter; Du weißt nicht, wie einem Vater zu Muth seyn muß, der eine Tochter hat. Ich hab dreyzehn Bataillen beygewohnt und achtzehn Blessuren bekommen, und hab den Tod vor Augen gesehen und bin—O laß mich zufrieden; pack Dich zu meinem Haus hinaus; laß die ganze Welt sich fortpacken. Ich will es anstecken und die Schaufel in die Hand nehmen und Bauer werden.

Geh. Rath.
Und Frau und Kinder—

Major. Du beliebst zu scherzen: ich weiß von keiner Frau und Kindern, ich bin...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 4-06-610897-0 / 4066108970
ISBN-13 978-4-06-610897-9 / 9784066108979
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