Der Landjunker: Lustspiel in fünf Aufzügen -  D. I. Fonvizin

Der Landjunker: Lustspiel in fünf Aufzügen (eBook)

Ein humorvolles Stück russischer Aufklärungsliteratur aus dem 18. Jahrhundert
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2022 | 1. Auflage
64 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-643658-4 (ISBN)
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Das Werk 'Der Landjunker: Lustspiel in fünf Aufzügen' des Autors D. I. Fonvizin ist ein klassisches Stück der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Das Lustspiel beleuchtet die sozialen und politischen Strukturen der damaligen Zeit auf humorvolle Weise. Der Autor verwendet einen leicht satirischen Ton, um die lächerlichen Eigenschaften der feudalen Gesellschaft darzustellen. Fonvizins Werk zeigt seine Meisterschaft in der Charakterisierung und Dialogführung, was zu einem unterhaltsamen und zugleich tiefgründigen Text führt, der bis heute relevant bleibt.

Zweiter Aufzug.


Erster Auftritt.


Prawdin und Milon.

Milon. Wie freut es mich, mein teurer Freund, dich wiederzusehn! Wie kommst du her?

Prawdin. Gern will ich dir den Grund meines Hierseins mitteilen. Ich bin zum Mitgliede der hiesigen Provinzialverwaltung ernannt worden und habe Befehl, den hiesigen Bezirk zu inspizieren. Gleichzeitig unterlass’ ich es nicht aus eignem Herzensantrieb, diejenigen tyrannischen Gutsbesitzer zu studieren, die ihre Vollmacht über ihren Untergebenen unmenschlich mißbrauchen. Du kennst die Denkungsart unsers Gouverneurs. Mit welchem Eifer hilft er der leidenden Menschheit! Mit welcher Hingebung erfüllt er die humanen Absichten der Regierung. Wir haben es bei uns selber gesehen, daß, wenn der Gouverneur derartig ist, wie ihn das Reglement vorzeichnet, der Wohlstand der Bewohner ein gesicherter bleibt. Ich wohne hier schon drei Tage und fand einen ehrlosen Narren von Gutsherrn und dessen Furie von Frau, deren teuflischer Charakter dem ganzen Hause Unheil bringt. Worüber sinnst du, mein Freund? Sage doch, wirst du lange hier bleiben?

Milon. Schon nach einigen Stunden verlass’ ich dies Haus.

Prawdin. Warum so bald? Ruh dich doch erst aus.

Milon. Ich darf nicht: muß ohne Zögern die Soldaten weiterführen ... Außerdem brenn’ ich selber vor Ungeduld, schneller in Moskau zu sein.

Prawdin. Und der Grund hierzu?

Milon. Dich, als meinen Freund, will ich in das Geheimnis meines Herzens einweihen. Ich liebe und bin so glücklich, geliebt zu werden. Schon über ein halbes Jahr bin ich von der getrennt, die mir teurer ist als alles auf der Welt; und was noch betrübender ist: diese ganze Zeit über hab’ ich keinerlei Nachricht von ihr erhalten. Oft schrieb ich ihr Schweigen dem Erkalten zu und zermarterte mein Herz. Da erhielt ich plötzlich eine Mitteilung, die mich höchlich überraschte. Man schreibt mir nämlich, daß sie nach dem Tode ihrer Mutter von entfernten Verwandten zu sich aufs Dorf genommen worden sei – und ich weiß weder von wem, noch wohin. Vielleicht befindet sie sich jetzt in den Händen von Egoisten, bei denen sie, die schutzlose Waise, tyrannisiert wird. Der Gedanke allein macht mich rasen!

Prawdin. Eine derartige Unmenschlichkeit sehe ich in diesem Hause, doch schmeichle ich mir mit der Hoffnung, der Bosheit der Frau und der Narrheit des Mannes eine Grenze zu stecken. Ich habe schon von allem unsern Chef in Kenntnis gesetzt und zweifle nicht, daß man Maßregeln ergreifen wird, diesem saubern Paar Einhalt zu thun.

Milon. Wie glücklich bist du, Freund, daß du das Los Unglücklicher erleichtern kannst! ... Auch ich bin in einer sehr mißlichen Lage und weiß nicht, was ich beginnen soll.

Prawdin. Und darf ich fragen, wie der Name –

Milon (entzückt). O, da ist sie ja selber!

Zweiter Auftritt.


Die Vorigen und Sophie.

Sophie. Milon, bist du’s?

Prawdin. Welches Glück!

Milon. Die ist’s, die mein ganzes Herz beherrscht! ... Teure Sophie, sprich, wie kommt’s, daß ich dich hier treffe?

Sophie. Wieviel hab’ ich gelitten seit dem Tage unsrer Trennung! Meine gewissenlosen Verwandten –

Prawdin. Freund, laß das Fragen! es bereitet ihr nur Schmerz. Von mir wirst du erfahren, welche Roheiten –

Milon. Die Nichtswürdigen!

Sophie. Heute übrigens hat die Frau vom Hause zum erstenmal mir gegenüber einen andern Ton angeschlagen. Als sie erfuhr, daß mich der Onkel zu seiner Erbin eingesetzt, verfiel sie aus Grobheit und Zanksucht in kriechende Liebenswürdigkeit, und ich ersehe aus allen ihren Anspielungen, daß sie mich ihrem Sohne als Braut zugedacht hat.

Milon (ungeduldig). Und du hast ihr nicht alsbald deine vollste Verachtung ausgesprochen?

Sophie. Nein ...

Milon. Hast ihr nicht gesagt, daß dein Herz bindende Pflichten hat, daß –

Sophie. Nein ...

Milon. O, nun seh’ ich mein Verderben! Ich habe einen beglückten Nebenbuhler! ... Nun, ich zweifle ja gar nicht an seinen Vorzügen: er ist gewiß klug, aufgeklärt, liebenswürdig; aber daß er sich mit mir in meiner Liebe messen könnte –

Sophie (lächelnd). Gott, wenn du ihn sähest – du würdest rasen vor Eifersucht!

Milon (grimmig). Ich kann mir alle seine Vorzüge vorstellen!

Sophie. Nein, du kannst sie dir gar nicht alle vorstellen! Er zählt zwar erst sechzehn Jahre, hat jedoch schon die höchste Sprosse der Vollkommenheit erklommen und kann gar nicht mehr höher steigen.

Prawdin. Wie kann er nicht höher steigen, Fräulein? Er hat ja bald die Fibel ausgelernt und wird wohl alsbald zum Psalmbuch übergehen.

Milon. Von solcher Beschaffenheit also ist mein Nebenbuhler?! ... Ach, Sophie, warum quälst du mich, und sei’s auch nur im Scherz! Du weißt, wie einem Liebenden selbst der geringste Verdacht Leiden macht! ... Nun sage mir, was du ihr geantwortet hast. (In diesem Augenblick geht Skotinin nachdenklich über die Bühne, ohne von jemand bemerkt zu werden.)

Sophie. Ich sagte ihr, daß ich vom Willen des Onkels abhänge, daß er bald selber herkommen werde – was ich aus dem Briefe schließe, den (zu Prawdin) Sie dank dem Herrn Skotinin nicht haben zu Ende lesen dürfen.

Milon. Skotinin!

Skotinin. Hier!

Dritter Auftritt.


Die Vorigen und Skotinin.

Prawdin. Sie haben also gelauscht, Herr Skotinin? Das hab’ ich von Ihnen nicht erwartet!

Skotinin. Ich ging zufällig vorbei und antwortete, da man mich anrief. Das ist so meine Art: wer „Skotinin!“ ruft, dem antwort’ ich „Hier!“ Ich habe in der Garde gedient und erhielt als Korporal meinen Abschied: rief man nun auf dem Versammlungsplatz laut: „Taras Skotinin!“ so brüllte ich: „Hier!“

Prawdin. Wir haben Sie nicht angerufen, und Sie können nun gehn, wohin Sie gehen wollten.

Skotinin. Ich wollte nirgendhin gehn, ich schritt nur so in Gedanken auf und ab. Es ist so meine Art: sitzt mir mal ein Gedanke im Kopfe fest, so läßt er sich mit keinem Pflock austreiben – sitzt was drin, so sitzt es fest. Dann denk’ ich nur dieses Etwas und seh’ es im Traum wie in der Wirklichkeit und in der Wirklichkeit wie im Traum.

Prawdin. Und was beschäftigt Sie gegenwärtig?

Skotinin. Ach, bester, teuerster Freund! Wunderdinge passieren mir. Meine Schwester ließ mich schnell – schnell aus meinem Dorfe herkommen – und wenn sie mich ebenso schnell aus ihrem Dorfe heimschickt, so kann ich vor der ganzen Welt mit reinem Gewissen behaupten: leer gekommen, leer zurückgekehrt.

Prawdin. Wie ich Sie bedauere, Herr Skotinin! Ihre Schwester spielt mit Ihnen wie mit einem Ball.

Skotinin. Wie mit einem Ball? Gott schütze vor Unglück! Will ich doch selber sie so weit schleudern, daß das ganze Dorf sie eine ganze Woche lang umsonst suchen soll!

Sophie. Ach, wie Sie zornig sind!

Milon. Was ist Ihnen?

Skotinin. Bitte urteilen Sie selbst – Sie sind ein vernünftiger Mensch. Also, meine Schwester hat mich herkommen lassen, damit ich heirate. Nun zieht sie sich zurück mit dem Vorwand: „Wozu brauchst du, Bruder, eine Frau, wenn du nur ein gutes Schwein hast.“ Nein, Schwester – ich will mir auch eigene Ferkel anschaffen! Auf den Leim geh’ ich nicht!

Prawdin. Auch mir will es scheinen, Herr Skotinin, daß Ihre Schwester eine Heirat im Sinne hat, nur nicht die Ihrige.

Skotinin. Mag sie doch – ich stehe keinem im Wege: heirate jeder seine Braut. Ich werde mich an einer fremden nicht vergreifen, aber auch Fremde sollen sich an der meinigen nicht vergreifen. (Zu Sophie.) Fürchte nichts, mein Schatz: niemand wir dich mir entreißen.

Sophie. Was soll das heißen?

Milon (aufschreiend). Welche Frechheit!

Skotinin (zu Sophie). Nun, worüber bist du denn so erschrocken?

Prawdin (zu Milon). Wie kann man einem Skotinin zürnen!

Sophie (zu Skotinin). So ist es denn beschlossen, daß ich Ihre Frau werde?

Milon. Mit Mühe halt’ ich an mir!

Skotinin. Niemand entgeht seinem Schicksal, mein Herz! Sünde ist’s, daß du wider dein Glück murrst. Das herrlichste Leben wirst du an meiner Seite haben. Zehntausend hast du Revenuen! Welch ein Glück! Eine solche Summe hab’ ich in meinem Leben nicht einmal gesehen! Donnerwetter, für dieses Geld kann ich mir ja alle Schweine auf der Welt kaufen! Ja, jeder Mund soll in die Trompete stoßen: bei Skotinin ist das Paradies der Schweine!

Prawdin. Wenn allein die Schweine bei Ihnen ein paradiesisches Leben führen, so wird Ihre Frau vor Ihnen und selbigen Schweinen wenig Ruhe haben.

Skotinin. Wenig Ruhe? Ei, hab’ ich denn zu wenig Raum in meinem Hause? Sie soll für sich allein das Eckzimmer mit dem...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2022
Übersetzer Friedrich Fiedler
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 4-06-643658-7 / 4066436587
ISBN-13 978-4-06-643658-4 / 9784066436584
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