Der Schwierige: Lustspiel in drei Akten -  Hugo Von Hofmannsthal

Der Schwierige: Lustspiel in drei Akten (eBook)

Eine humorvolle Betrachtung von Liebe und Identität in der Wiener Moderne
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2021 | 1. Auflage
84 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-611473-4 (ISBN)
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Hugo von Hofmannsthals Werk 'Der Schwierige: Lustspiel in drei Akten' ist ein Meisterwerk der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Das Stück handelt von einem wohlhabenden Ehepaar, das sich mit verschiedenen Konflikten in ihrer Beziehung auseinandersetzen muss. Hofmannsthal's literarischer Stil zeichnet sich durch seine präzise Charakterisierung und subtile Ironie aus, die das Stück zu einem fesselnden Leseerlebnis machen. Der Autor schafft es, zeitlose Themen wie Liebe, Eifersucht und die Suche nach Identität auf intelligente und unterhaltsame Weise zu behandeln. Das Werk gehört zu den bedeutendsten Komödien der österreichischen Literaturgeschichte und ist ein must-read für Liebhaber anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur.

Elfte Szene


Lukas (kommt eilig). Darf ich fragen — haben Euer Erlaucht Befehl gegeben, daß fremder Besuch vorgelassen wird?

Hans Karl. Aber absolut nicht. Was ist denn das?

Lukas. Da muß der neue Diener eine Konfusion gemacht haben. Eben wird vom Portier herauftelephoniert, daß Herr Baron Neuhoff auf der Treppe ist. Bitte, zu befehlen, was mit ihm geschehen soll.

Stani. Also, im Moment, wo wir von ihm sprechen. Das ist kein Zufall. Onkel Kari, dieser Mensch ist mein Guignon, und ich beschwöre sein Kommen herauf. Vor einer Woche bei der Helen, ich will ihr eben meine Ansicht über den Herrn v. Neuhoff sagen, im Moment steht der Neuhoff auf der Schwelle. Vor drei Tagen, ich geh' von der Antoinette weg — im Vorzimmer steht der Herr v. Neuhoff. Gestern früh bei meiner Mutter, ich wollte dringend etwas mit ihr besprechen, im Vorzimmer find' ich den Herrn v. Neuhoff.

Vinzenz (tritt ein, meldet). Herr Baron Neuhoff sind im Vorzimmer.

Hans Karl. Jetzt muß ich ihn natürlich empfangen.

Lukas (winkt: eintreten lassen).

Vinzenz (öffnet die Flügeltür, läßt eintreten).

Zwölfte Szene


Neuhoff (tritt ein). Guten Abend, Graf Bühl. Ich war so unbescheiden, nachzusehen, ob Sie zu Hause wären.

Hans Karl. Sie kennen meinen Neffen Freudenberg?

Stani. Wir haben uns getroffen. (Sie setzen sich.)

Neuhoff. Ich sollte die Freude haben, Ihnen diesen Abend im Altenwylschen Hause zu begegnen. Gräfin Helene hatte sich ein wenig darauf gefreut, uns zusammenzuführen. Um so schmerzlicher war mein Bedauern, als ich durch Gräfin Helene diesen Nachmittag erfahren mußte, Sie hätten abgesagt.

Hans Karl. Sie kennen meine Cousine seit dem letzten Winter?

Neuhoff. Kennen — wenn man das Wort von einem solchen Wesen brauchen darf. In gewissen Augenblicken gewahrt man erst, wie doppelsinnig das Wort ist: es bezeichnet das Oberflächlichste von der Welt und zugleich das tiefste Geheimnis des Daseins zwischen Mensch und Mensch.

Hans Karl (und Stani wechseln einen Blick).

Neuhoff. Ich habe das Glück, Gräfin Helene nicht selten zu sehen und ihr in Verehrung anzugehören.

(Eine kleine, etwas genierte Pause).

Neuhoff. Heute nachmittag — wir waren zusammen im Atelier von Bohuslawsky — Bohuslawsky macht mein Porträt, das heißt, er quält sich unverhältnismäßig, den Ausdruck meiner Augen festzuhalten: er spricht von einem gewissen Etwas darin, das nur in seltenen Momenten sichtbar wird — und es war seine Bitte, daß die Gräfin Helene einmal dieses Bild ansehen und ihm über diese Augen ihre Kritik geben möchte — da sagt sie mir: Graf Bühl kommt nicht, gehen Sie zu ihm. Besuchen Sie ihn, ganz einfach. Es ist ein Mann, bei dem die Natur, die Wahrheit alles erreicht und die Absicht nichts. Ein wunderbarer Mann in unserer absichtsvollen Welt, war meine Antwort — aber so hab' ich mir ihn gedacht, so hab' ich ihn erraten, bei der ersten Begegnung.

Stani. Sie sind meinem Onkel im Felde begegnet?

Neuhoff. Bei einem Stab.

Hans Karl. Nicht in der sympathischesten Gesellschaft.

Neuhoff. Das merkte man Ihnen an, Sie sprachen unendlich wenig.

Hans Karl (lächelnd). Ich bin kein großer Causeur, nicht wahr, Stani?

Stani. In der Intimität schon!

Neuhoff. Sie sprechen es aus, Graf Freudenberg, Ihr Onkel liebt es, in Gold zu zahlen; er hat sich an das Papiergeld des täglichen Verkehrs nicht gewöhnen wollen. Er kann mit seiner Rede nur seine Intimität vergeben, und die ist unschätzbar.

Hans Karl. Sie sind äußerst freundlich, Baron Neuhoff.

Neuhoff. Sie müßten sich von Bohuslawsky malen lassen, Graf Bühl. Sie würde er in drei Sitzungen treffen. Sie wissen, daß seine Stärke das Kinderporträt ist. Ihr Lächeln ist genau die Andeutung eines Kinderlachens. Mißverstehen Sie mich nicht. Warum ist denn Würde so ganz unnachahmlich? Weil ein Etwas von Kindlichkeit in ihr steckt. Auf dem Umweg über die Kindlichkeit würde Bohuslawsky vermögen, einem Bilde von Ihnen das zu geben, was in unserer Welt das Seltenste ist, und was ihre Erscheinung in hohem Maße auszeichnet: Würde. Denn wir leben in einer würdelosen Welt.

Hans Karl. Ich weiß nicht, von welcher Welt Sie sprechen: uns allen ist draußen soviel Würde entgegengetreten ...

Neuhoff. Deswegen war ein Mann wie Sie draußen so in seinem Element. Was haben Sie geleistet, Graf Bühl! Ich erinnere mich des Unteroffiziers im Spital, der mit Ihnen und den dreißig Schützen verschüttet war.

Hans Karl. Mein braver Zugführer, der Hütter Franz! Meine Cousine hat Ihnen davon erzählt?

Neuhoff. Sie hat mir erlaubt, sie bei diesem Besuch ins Spital zu begleiten. Ich werde nie das Gesicht und die Rede dieses Sterbenden vergessen.

Hans Karl (sagt nichts).

Neuhoff. Er sprach ausschließlich von Ihnen. Und in welchem Ton! Er wußte, daß sie eine Verwandte seines Hauptmanns war, mit der er sprach.

Hans Karl. Der arme Hütter Franz!

Neuhoff. Vielleicht wollte mir die Gräfin Helene eine Idee von Ihrem Wesen geben, wie tausend Begegnungen im Salon sie nicht vermitteln können.

Stani (etwas scharf). Vielleicht hat sie vor allem den Mann selbst sehen und vom Onkel Kari hören wollen.

Neuhoff. In einer solchen Situation wird ein Wesen wie Helene Altenwyl erst ganz sie selbst. Unter dieser vollkommenen Einfachheit, diesem Stolz der guten Rasse verbirgt sich ein Strömen der Liebe, eine alle Poren durchdringende Sympathie: es gibt von ihr zu einem Wesen, das sie sehr liebt und achtet, namenlose Verbindungen, die nichts lösen könnte, und an die nichts rühren darf. Wehe dem Gatten, der nicht verstünde, diese namenlose Verbundenheit bei ihr zu achten, der engherzig genug wäre, alle diese verteilten Sympathien auf sich vereinigen zu wollen.

(Eine kleine Pause).

Hans Karl (raucht).

Neuhoff. Sie ist wie Sie: eines der Wesen, um die man nicht werben kann: die sich einem schenken müssen.

(Abermals eine kleine Pause).

Neuhoff (mit einer großen, vielleicht nicht ganz echten Sicherheit). Ich bin ein Wanderer, meine Neugierde hat mich um die halbe Welt getrieben. Das, was schwierig zu kennen ist, fasziniert mich; was sich verbirgt, zieht mich an. Ich möchte ein stolzes, kostbares Wesen, wie Gräfin Helene, in Ihrer Gesellschaft sehen, Graf Bühl. Sie würde eine andere werden, sie würde aufblühen: denn ich kenne niemanden, der so sensibel ist für menschliche Qualität.

Hans Karl. Das sind wir hier ja alle ein bißchen. Vielleicht ist das gar nichts so Besonderes an meiner Cousine.

Neuhoff. Ich denke mir die Gesellschaft, die ein Wesen wie Helene Altenwyl umgeben müßte, aus Männern Ihrer Art bestehend. Jede Kultur hat ihre Blüten: Gehalt ohne Prätention, Vornehmheit gemildert durch eine unendliche Grazie, so ist die Blüte dieser alten Gesellschaft beschaffen, der es gelungen ist, was die Ruinen von Luxor und die Wälder des Kaukasus nicht vermochten, einen Unstäten, wie mich, in ihrem Bannkreis festzuhalten. Aber, erklären Sie mir eins, Graf Bühl. Gerade die Männer Ihres Schlages, von denen die Gesellschaft ihr eigentliches Gepräge empfängt, begegnet man allzu selten in ihr. Sie scheinen ihr auszuweichen.

Stani. Aber gar nicht, Sie werden den Onkel Kari gleich heute abend bei Altenwyls sehen, und ich fürchte sogar, so gemütlich dieser kleine Plausch hier ist, so müssen wir ihm bald Gelegenheit geben, sich umzuziehen. (Er ist aufgestanden.)

Neuhoff. Müssen wir das, so sage ich Ihnen für jetzt adieu, Graf Bühl. Wenn Sie jemals, sei es in welcher Lage immer, eines fahrenden Ritters bedürfen sollten (schon im Gehen), der dort, wo er das Edle, das Hohe ahnt, ihm unbedingt und ehrfürchtig zu dienen gewillt ist, so rufen Sie mich.

Hans Karl (dahinter Stani, begleiten ihn. Wie sie an der Tür sind, klingelt das Telephon.)

Neuhoff. Bitte, bleiben Sie, der Apparat begehrt nach Ihnen.

Stani. Darf ich Sie bis an die Stiege begleiten?

Hans Karl (an der Tür). Ich danke Ihnen sehr für Ihren guten Besuch, Baron Neuhoff.

Neuhoff (und Stani ab).

Hans Karl (allein mit dem heftig klingelnden Apparat, geht an die Wand und drückt an den Zimmertelegraph, rufend): Lukas, abstellen! Ich mag diese indiskrete Maschine nicht! Lukas! (Das Klingeln hört auf.)

Dreizehnte Szene


Stani (kommt zurück). Nur für eine Sekunde, Onkel Kari, wenn du mir verzeihst. Ich hab' müssen dein Urteil über diesen Herrn hören!

Hans Karl. Das deinige scheint ja fix und fertig zu sein.

Stani. Ah, ich find' ihn einfach unmöglich. Ich verstehe einfach eine solche Figur nicht. Und dabei ist der Mensch ganz gut geboren!

Hans Karl. Und du findest ihn so unannehmbar?

Stani. Aber ich bitte: so viel Taktlosigkeiten als Worte.

Hans Karl. Er will sehr freundlich sein, er will für sich gewinnen.

Stani. Aber man hat doch eine Assurance, man kriecht wildfremden Leuten doch nicht in die Westentasche.

Hans Karl. Und er glaubt allerdings, daß man etwas aus sich...

Erscheint lt. Verlag 19.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 4-06-611473-3 / 4066114733
ISBN-13 978-4-06-611473-4 / 9784066114734
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