Rosmersholm -  Henrik Ibsen

Rosmersholm (eBook)

Schauspiel in vier Aufzügen

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
182 Seiten
Good Press (Verlag)
978-4-06-611675-2 (ISBN)
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Henrik Ibsens Roman 'Rosmersholm' ist ein Meisterwerk des modernen Realismus, das die komplexen sozialen und psychologischen Dynamiken des norwegischen Bürgertums des 19. Jahrhunderts einfängt. Der Roman folgt den Charakteren von Rebecca West und Johannes Rosmer, die sich in einem Labyrinth aus Intrigen, Schuldgefühlen und politischer Umwälzung wiederfinden. Ibsens präzises und kraftvolles Schreiben hebt die Spannungen zwischen Tradition und Modernität hervor, während er die Dualität von Liebe und Verrat erforscht. Mit subtiler Ironie und tiefem psychologischem Einblick entfaltet Ibsen eine Geschichte, die bis heute relevant und fesselnd ist. Henrik Ibsen, einer der einflussreichsten Dramatiker seiner Zeit, nutzte seine profunde Kenntnis der menschlichen Natur und der sozialen Konventionen, um die tiefsten Ängste und Wünsche seiner Figuren zu offenbaren. Seine Fähigkeit, komplexe Charaktere zu erschaffen, die moralische Dilemmata durchleben, macht ihn zu einem zeitlosen Schriftsteller, dessen Werke auch heute noch Leser faszinieren. 'Rosmersholm' ist ein literarisches Juwel, das jeden Leser herausfordert, über die Grenzen von Moral und Loyalität nachzudenken und bietet eine eindringliche Erfahrung der menschlichen Seele.

(Sie geht rechts hinaus.)

ROSMER (hält ihn zurück). Sagen Sie mal, kann ich sonst nichts für Sie tun?

BRENDEL. Ich weiß wahrhaftig nicht was. Donnerwetter – ja da fällts mir ein–! Johannes, – hast du zufällig acht Kronen in der Tasche?

ROSMER. Wollen mal sehn. (Öffnet das Portemonnaie.) Hier sind zwei Zehnkronenscheine.

BRENDEL. Ja ja, das macht nichts. Ich nehm sie. Kriege sie in der Stadt schon gewechselt. Vorläufig meinen Dank. Vergiß nicht, es waren zwei Zehner, die du mir geliehen hast. Gute Nacht, mein einziger lieber Junge! Gute Nacht, hochedler Herr!

(Er geht nach rechts, wo ROSMER Abschied von ihm nimmt und die Tür hinter ihm schliesst.)

KROLL. Barmherziger Gott, – das also war jener Ulrich Brendel, von dem einst die Leute glaubten, er würde noch mal ein großer Mann!

ROSMER (ruhig). Jedenfalls hat er den Mut gehabt, das Leben nach seinem eignen Sinn zu leben. Mir scheint, das ist nicht wenig.

KROLL. Was! Solch ein Leben wie dieses! Ich glaube fast, er wäre fähig, dir noch mal den Kopf zu verdrehen.

ROSMER. Ach nein. Jetzt bin ich in jeder Beziehung mit mir im reinen.

KROLL. Gott geb es, lieber Rosmer. Denn du bist so außerordentlich empfänglich für fremde Eindrücke.

ROSMER. Setzen wir uns. Ich hab mit dir zu reden.

KROLL. Ja, setzen wir uns. (Sie setzen sich aufs Sofa.)

ROSMER (nach kurzem Schweigen). Findest du nicht, daß wir hier ein angenehmes behagliches Leben führen?

KROLL. Ja, hier ist es jetzt angenehm und behaglich – und friedlich. Du, Rosmer, hast dir eine Häuslichkeit geschaffen. Und ich hab die meine verloren.

ROSMER. Wie kannst du nur so reden, lieber Kroll? Die Wunde wird schon wieder heilen.

KROLL. Nie. Niemals. Der Stachel bleibt. Wie es war, kann es nie wieder werden.

ROSMER. Hör mich an, Kroll. Durch viele, viele Jahre haben wir beiden uns nahe gestanden. Hältst du es für denkbar, daß unsre Freundschaft mal Schiffbruch leiden könnte?

KROLL. Auf der ganzen Gotteswelt wüßt ich nichts, was uns entfremden könnte. Wie kommst du darauf?

ROSMER. Weil du auf die Übereinstimmung in Meinungen und Ansichten ein so entscheidendes Gewicht legst.

KROLL. Nun ja. Aber wir beiden sind ja so ungefähr einig. Jedenfalls in den großen Haupt- und Kernfragen.

ROSMER (leise). Nein. Jetzt nicht mehr.

KROLL (will aufspringen). Was heißt das!

ROSMER (hält ihn zurück). Nein, bleib ruhig sitzen. Ich bitte dich, Kroll.

KROLL. Was bedeutet das? Ich versteh dich nicht. Sprich deutlich!

ROSMER. Ein neuer Sommer hat mein Geistesleben befruchtet. Ich sehe wieder mit den Augen der Jugend. Und darum steh ich jetzt dort–

KROLL. Wo, – wo stehst du?

ROSMER. Dort, wo deine Kinder stehn.

KROLL. Du? Du! Das ist ja unmöglich! Wo behauptest du zu stehn?

ROSMER. Auf derselben Seite, wo Lorenz und Hilda stehn.

KROLL (lässt den Kopf sinken). Abtrünnig. Johannes Rosmer abtrünnig.

ROSMER. Ich wäre so froh, so von Herzen glücklich gewesen über das, was du meine Abtrünnigkeit nennst. Aber ich litt furchtbar darunter. Denn ich wußte, es würde dir bittres Leid verursachen.

KROLL. Rosmer, – Rosmer! Das verwind ich niemals. (Sieht ihn traurig an.) O, daß auch du mitwirken, mit Hand anlegen kannst bei dem Werke der Zerstörung und Vernichtung in diesem unglücklichen Lande!

ROSMER. Es ist das Werk der Befreiung, an dem ich mitwirken will.

KROLL. Ach ja, ich weiß. So nennen es die Verführer und die Verführten. Aber glaubst du denn, von dem Geiste, der jetzt unser ganzes soziales Leben vergiftet, sei irgend welche Befreiung zu erwarten?

ROSMER. Ich schließe mich weder dem jetzt herrschenden Zeitgeist, noch einer der streitenden Parteien an. Ich will versuchen, von allen Seiten Menschen zu sammeln. Soviel wie möglich; und sie so fest vereinen, als ich vermag. Ich will leben und all meine Lebenskräfte dem einen Zwecke weihen, eine wahre Demokratie hier im Lande zu schaffen.

KROLL. Du bist also der Ansicht, wir hätten noch nicht Demokratie genug! Ich für meine Person finde vielmehr, wir alle miteinander sind auf dem besten Wege in den Schmutz zu geraten, worin sonst nur der Pöbel sich wohl fühlt.

ROSMER. Eben deshalb kämpf ich für die wahre Aufgabe der Demokratie.

KROLL. Und diese Aufgabe wäre?

ROSMER. Alle Menschen hier im Lande zu Adelsmenschen zu machen.

KROLL. Alle–!

ROSMER. Jedenfalls so viele wie möglich.

KROLL. Durch welche Mittel?

ROSMER. Dadurch, daß die Geister befreit und die Triebe der Menschen geläutert werden.

KROLL. Rosmer, du bist ein Träumer. Willst du die Geister befreien? Willst du die menschlichen Triebe läutern?

ROSMER. Nein, mein Lieber, – ich will nur versuchen, die Menschen aufzurütteln. Handeln, ihre Aufgabe erfüllen, – das müssen sie selber.

KROLL. Und du glaubst, das könnten sie?

ROSMER. Ja.

KROLL. Also durch eigne Kraft?

ROSMER. Ja, nur durch eigne Kraft. Eine andre gibt es nicht.

KROLL (steht auf). Ist das die Sprache eines Priesters!

ROSMER. Ich bin nicht mehr Geistlicher.

KROLL. Ja, aber – der Glaube deiner Kindheit–?

ROSMER. Den hab ich nicht mehr.

KROLL. Hast du nicht mehr–!

ROSMER (steht auf). Den hab ich aufgegeben. Kroll, ich mußte ihn aufgeben.

KROLL (erschüttert, beherrscht sich aber). Ja so. – Ja ja ja. Das eine ist die notwendige Folge des andern. – War das vielleicht der Grund, daß du den Kirchendienst verließest?

ROSMER. Ja. Als ich mir über mich selbst klar geworden, – als ich die volle Gewißheit erlangt hatte, daß es keine bloß vorübergehende Anfechtung war, sondern etwas, wovon ich mich niemals mehr befreien konnte noch wollte, – da ging ich.

KROLL. So lange also hat es in dir gegärt. Und wir, – deine Freunde erfuhren nichts davon. Rosmer, Rosmer, – wie konntest du uns diese traurige Wahrheit verheimlichen!

ROSMER. Weil es, meiner Ansicht nach, eine Sache war, die nur mich selbst anging. Auch wollt ich dir und den andern Freunden keinen unnötigen Schmerz bereiten. Ich glaubte, ich könnte mein altes Leben hier weiter leben: still, heiter und glücklich. Ich wollte studieren und lesen, mich in all die Werke vertiefen, die mir bisher versiegelte Bücher gewesen. Wollte mich mit meinem ganzen Wesen hineinversenken in die große Welt der Wahrheit und Freiheit, die mir offenbart worden.

KROLL. Abtrünnig. Jedes Wort bezeugt es. Aber warum trotzdem dies Bekenntnis deines heimlichen Abfalls? Und warum grade jetzt?

ROSMER. Du selber, Kroll, hast mich dazu gezwungen.

KROLL. Ich? Ich hätte dich dazu gezwungen–!

ROSMER. Als ich von deinem heftigen Auftreten in den Versammlungen hörte, – als ich von all den lieblosen Reden erfuhr, die du dort hieltest, – von all deinen haßgeschwollnen Ausfällen gegen alle, die auf der andern Seite stehn, – von deinem höhnischen Verdammungsurteil über die Gegner–. O, Kroll, daß du, du so werden konntest! Da war mir meine Pflicht unabweisbar vorgeschrieben. Die Menschen werden schlecht in diesem Kampfe. Fried und Freud und Versöhnung müssen wieder in die Gemüter einkehren. Darum tret ich jetzt hervor und bekenne offen, wer und was ich bin. Und dann will auch ich meine Kräfte erproben. Könntest du, Kroll – deinerseits – dich uns nicht anschließen?

KROLL. Nie und nimmer paktiere ich mit den zerstörenden Mächten unsrer Gesellschaft.

ROSMER. So laß uns wenigstens mit ritterlichen Waffen kämpfen, – wenn denn unbedingt gekämpft werden muß.

KROLL. Wer in den entscheidenden Lebensfragen nicht mit mir ist, den kenn ich nicht. Dem schuld ich keine Rücksicht.

ROSMER. Gilt das auch mir?

KROLL. Du selber, Rosmer, hast mit mir gebrochen.

ROSMER. Bedeutet denn dies einen Bruch!

KROLL. Du fragst noch! Es ist ein Bruch mit allen, die dir bisher nahe standen. Jetzt mußt du die Folgen tragen.

(REBEKKA kommt durch die Tür rechts, die sie weit öffnet.)

REBEKKA. So; nun ist er unterwegs zu seinem großen Opferfest. Und jetzt können wir zu Tisch gehn. Haben Sie die Güte, Herr Rektor.

KROLL (nimmt seinen Hut). Gute Nacht, Fräulein West. Hier hab ich nichts mehr zu suchen.

REBEKKA (gespannt). Was bedeutet das? (Schliesst die Tür und kommt näher.) Haben Sie gesprochen–?

ROSMER. Nun weiß er es.

KROLL. Wir lassen dich nicht aus den Fingern, Rosmer. Wir werden dich zwingen, zu uns zurückzukehren.

ROSMER. Ich kehre nie zurück.

KROLL. Das wollen wir sehn. Du gehörst nicht zu denen, die es ertragen, einsam für sich zu stehen.

ROSMER. So ganz vereinsamt bin ich nicht ... Wir sind unser zwei, um die Einsamkeit zu ertragen.

KROLL. Ah–! (Ein Verdacht zuckt in ihm auf.) Auch das! Beatens Worte–!

ROSMER. Beatens Worte–?

KROLL (weist den Gedanken ab). Nein, nein, – das war gemein–. Verzeihe.

ROSMER. Was?... Was denn?

KROLL. Nichts mehr davon. Pfui! Verzeih mir. Leb wohl! (Er geht nach der Vorzimmertür.)

ROSMER (folgt ihm). Kroll! So dürfen wir nicht auseinandergehn. Morgen komm ich zu dir.

KROLL (im Vorzimmer, wendet sich um). In mein Haus setzest du keinen Fuß mehr!

(Er nimmt seinen Stock und geht.)

(ROSMER bleibt eine Weile in der offnen Tür stehen; dann schliesst er sie und tritt an den Tisch.)

ROSMER. Das hat nichts zu bedeuten, Rebekka. Wir werden es schon aushalten. Wir beiden...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2021
Übersetzer Wilhelm Lange
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 4-06-611675-2 / 4066116752
ISBN-13 978-4-06-611675-2 / 9784066116752
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