Gerhart Hauptmann - Gesammelte Werke -  Gerhart Hauptmann

Gerhart Hauptmann - Gesammelte Werke (eBook)

Romane, Dramen, Gedichte, Aufsätze, Autobiographische Werke und Biographie
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2024 | 1. Auflage
6171 Seiten
e-artnow (Verlag)
9786339591563 (ISBN)
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Unsere Sammlung bietet eine umfassende Erkundung eines der einflussreichsten deutschen Dramatiker und Romanciers des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Hauptmann, Nobelpreisträger für Literatur, ist bekannt für seine kraftvollen Darstellungen von sozialen Problemen und menschlichen Kämpfen vor dem Hintergrund sich rasch verändernder Zeiten. Diese Sammlung präsentiert Lesern eine vielfältige Auswahl seiner wichtigsten Werke, darunter 'Die Weber', ein wegweisendes Theaterstück, das das Elend der Arbeiterklasse während der Industriellen Revolution einfängt, und 'Vor Sonnenaufgang', eine ergreifende Erkundung von Liebe, Sehnsucht und Existentialismus. Durch Hauptmanns meisterhafte Erzählkunst und scharfe Beobachtung der menschlichen Natur werden Leser in verschiedene Welten und Epochen versetzt, während sie dennoch Resonanz mit zeitgenössischen Themen finden. Inhalt: Romane: Der Narr in Christo Emanuel Quint Atlantis Die Insel der großen Mutter Wanda Buch der Leidenschaft Im Wirbel der Berufung Erzählungen Bahnwärter Thiel Der Apostel Der Ketzer von Soana Dramen: Vor Sonnenaufgang Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe Einsame Menschen Kollege Crampton Die Weber Der Biberpelz Florian Geyer Fuhrmann Henschel Michael Kramer Der rote Hahn Rose Bernd Elga Und Pippa tanzt! Die Jungfern vom Bischofsberg Die Ratten: Berliner Tragikomödie Gabriel Schillings Flucht Peter Brauer Dorothea Angermann Hexenritt Die goldene Harfe Griselda Magnus Garbe Germanen und Römer Hanneles Himmelfahrt Der arme Heinrich Kaiser Karls Geisel Festspiel in deutschen Reimen Der Bogen des Odysseus Winterballade Der weiße Heiland Indipohdi Veland Festaktus zur Eröffnung des Deutschen Museums in Münchenam 7. Mai 1925 Shakespeares tragische Geschichte von Hamlet Prinzen von Dänemark Hamlet in Wittenberg Die Tochter der Kathedrale Ulrich von Lichtenstein Die Atriden-Tetralogie Gedichte: Anna (Ein ländliches Liebesgedicht) Die blaue Blume Mary Der große Traum Das bunte Buch Ährenlese Essays: Tintoretto Marginalien Ansprachen und Aphorismen Um Volk und Geist Einsichten und Ausblicke Autobiographische Werke: Das Abenteuer meiner Jugend Griechischer Frühling Sonnen (Meditationen) Biographie: Gerhart Hauptmann: Der Mann und das Werk

Gerhart Hauptmann (1862 - 1946) war ein herausragender deutscher Schriftsteller des naturalistischen Zeitalters. Sein Werk, darunter das berühmte Drama 'Die Weber', reflektierte die sozialen und politischen Realitäten seiner Zeit und hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die deutsche Literatur und das Theater des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Hauptmann wurde 1912 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, was seine Bedeutung als einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Ära unterstreicht. Sein Erbe als Pionier des naturalistischen Stils und als Stimme für die unterdrückten Klassen seiner Zeit ist in der Weltliteratur unbestreitbar.

Zweites Kapitel


Das innere Feuer, das Emanuel zu seiner ersten Zeugnisablegung getrieben hatte und das er für das Feuer des Heiligen Geistes nahm, brannte fort, auch nachdem er die Brüder Scharf verlassen hatte. Er zweifelte nicht daran, daß der Heiland in ihm war, durch ihn mit der Kraft des Wunders gewirkt und seinen Apostelberuf auf diese Weise bestätigt hatte.

Er war von den Brüdern weg in die Wälder gegangen, wie jemand, der seine Seligkeiten verbergen muß. Während der Morgen graute, der Himmel sich immer heller färbte, die Vögel immer lauter zu singen anhuben, zog es ihn immer tiefer und höher in Wälder und Berge hinein. Denn dieser irdische Frühlingsmorgen, dem alles entgegensah und dessen innere Wollust, vor ihm herwebend, alle Kreaturen bereits erfüllte, hatte für ihn einen himmlischen Sinn. Der innere Antrieb, der diesen Schwarmgeist mit seinem in Liebe überfließenden Herzen aufwärtstrieb, war nicht nur darauf gerichtet, so bald wie möglich die Schöpferin dieser irdischen Wonnen, die Sonne, zu sehen, sondern er fühlte Gott selber in ihrem Lichte heraufkommen und wollte in seiner Glorie stehen, und sei es auch nur, um darin zu schmelzen.

Emanuel atmete Morgenluft. Aber es schien ihm der Morgen jenes ewigen Tages zu sein, aus dem die Finsternis immerdar verbannt ist und wo wir, nach den Verheißungen der Bibel, im Angesichte und Frieden Gottes, von allen Übeln erlöst, wandeln werden, teilhaftig der ewigen Seligkeit. Und deshalb steigerte sich seine Wonne zu Trunkenheit. Die Wogen der inneren Schauer gingen so hoch, daß er, fast gegen seinen Willen, vor Freude zu schreien begann, zu singen und Gott mit lauten Jubelrufen zu loben, nur um in dem ganz unfaßlichen Übermaße der Wonnen nicht zu vergehn.

So war er bis auf den Gipfel der Hohen Eule gelangt, der höchsten Erhebung in jener Gegend, und wer den armen Handwerksgesellen beobachtet hätte, wie er, die Hände gen Himmel werfend, abwechselnd murmelnd und rufend umherlief oder starr aus heißen, verweinten Augen gen Osten sah, das Tagesgestirn voll krankhafter Spannung erwartend, der hätte in ihm einen Irren gesehn.

Und wie nun die Sonne mit dunkel purpurnem Lichte, goldfeurig warm, in weiter Glorie spielend, ins Irdische brach und die Räume gleichsam mit einem urgewaltigen Gottesgetümmel erfüllte – dieweil es von Becken, Pauken, Posaunen und Harfen vor den Ohren des armen Apostels toste und klang –, so konnte Emanuel sich nur noch einen Augenblick lang hoch aufrichten, einen Augenblick fest in die brünstige Lohe sehn, um dann, von einem brennenden Schmerz im innersten Herzen gleichsam versehrt, in die Knie zu sinken – einem Schmerz, der ebenso süß als brennend war – und stammelnd für alle um Gnade zu flehn.

 

Als Quint aus einem schweren, totenähnlichen Schlaf wieder erwachte, war der Mittag herangekommen. Ob er geträumt und was er in diesem Schlafe geträumt hatte, wußte er nicht, aber er war erfrischt und empfand eine tiefe Beseligung. Nachdem er dann Gesicht und Hände an einem nahen Waldbach gewaschen und überdies sich durch einen Trunk erquickt hatte, stieg er, scheinbar ziellos, zu Tal hinab und gelangte nach einiger Zeit an die erste, dicht am Waldrand stehende Hütte, an deren Tür er Almosen heischend anklopfte. Es wurde ihm Brot herausgereicht.

Nun wanderte der Narr, die Ansiedlungen der Menschen vermeidend, über versteckte und verlassene Fußsteige in die Ebene hinab und weiter auf dieser Ebene hin, bald auf Rainen zwischen Feldern, auch wohl in der Furche eines blühenden Kartoffelackers oder an den Rändern kleiner Flüsse, deren Lauf Weiden- und Erlenbüsche verrieten. Es war bereits dunkel, als er ein Dörfchen von Ackerbauern erreicht hatte, das in einer Bodenfalte gelagert war, über die es mit Giebeln und Schornsteinen und der Spitze eines verwitterten Heidenturmes und auch mit dem dunklen Gewölk seiner Eichen-, Rüstern- und Lindenbäume hinausblickte. Man kannte den Narren hier nicht, und außerdem machte die Dunkelheit, daß er, ohne aufzufallen, gemeinsam mit einigen alten Männern und Weibern, das Schulhaus erreichen konnte, wo er bereits, in einem der Schulzimmer, eine kleine Gemeinde, auf ihren Prediger wartend, versammelt fand.

Kaum hatte sich Quint auf ein leeres Plätzchen der letzten Schulbank gesetzt, als die Tür wieder geöffnet wurde und ein weibisch aussehender junger Mann, der Lehrer des Ortes, einen anderen hereinführte, der breit, mit niedriger Stirn und kurzem Nacken, durchaus keineswegs wie ein Bote des Friedens geartet schien.

Nachdem dieser Mann das kleine Katheder der Stube betreten und in einer zwischen zwei brennenden Kerzen aufgeschlagenen Bibel, wie um die düstere Glut seiner Augen darin zu verbergen, forschend geblättert hatte, musterte er die Schar der Versammelten, hauptsächlich ältere Weiber und Tagelöhner, mit einem drohenden und durchdringenden Blick.

Es war ein Blick, der den armen Emanuel Quint erzittern machte. Er kam sich auf einmal mit Schuld beladen und wie ein des Todes würdiger Sünder vor. Noch während bereits die ersten Worte des Predigers den dunstigen Raum durchdröhnten, wie das beginnende Grollen eines großen Gewitters, fand im Innern des Narren ein verzweifeltes Ringen statt. Es fehlte nicht viel, er wäre aufgesprungen und, wie von höllischen Geistern gepeitscht, davongerannt; denn es fiel ihm auf einmal mit Zentnerlasten aufs Herz, was er in diesen letzten Wochen getan und sich angemaßt hatte. Wie unter einem alles durchleuchtenden, jähen Blitz erkannte er seine geheimsten Gedanken und ihre noch geheimere Eitelkeit; dazu hörte er nun die furchtbaren Worte: »Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringet, der wird abgehauen und ins Feuer geworfen.«

Der arme rothaarige, bleiche Mensch riß die Augen weit auf, und von einer namenlosen Bestürzung betroffen, ließ er den Mund mit dem falben Bärtchen weit offenstehen. In Gedanken schlug er an seine Brust, beugte sich zehnmal so tief zur Erde, daß seine schweißbedeckte Stirne den Boden berührte, und war bereit, jeder furchtbaren Strafe und Züchtigung Gottes voll tiefer Zerknirschung sich auszuliefern.

 

Bruder Nathanael predigte nicht wie die Schriftgelehrten. Wie der Täufer Johannes gleichsam Donner, Blitz und feurige Ruten geredet hatte, so ging auch von ihm eine strafgewaltige Stimme aus, die jeden Hörer erbeben machte. Aber er setzte nicht nur die Mission des ersten Johannes, des Täufers, fort, sondern er hatte auch die schrecklichen und verwirrenden Bilder des andern Johannes in sich gesogen, jene gräßlichen und entsetzlichen Phantasien, die in dem Buche der Offenbarung beschlossen sind.

Nachdem er die Blindheit und Verruchtheit der Welt gegeißelt hatte – die Kaufleute, welche Fürsten seien, die Könige und Gewaltigen, die nur darauf ausgingen, immer neue Werkzeuge zu ersinnen für Krieg und Mord! –, rief er aus: »Ich bin die Stimme eines Predigers in der Wüste. Aber ich sage euch: ich und schon mancher versiegelte Christ außer mir, wir haben zuweilen des Nachts schon eine andere Stimme unter den Sternen rufen gehört: Sie ist gefallen! sie ist gefallen, die große Babel!

Wehe! wehe! wehe!« schrie er, die Lider unter den buschigen Wimpern über die Augen gezogen, wie um die Gesichte nicht sehen zu müssen, die ihm solche Rufe der Angst, der Warnung und Qual entpreßt hatten. »Ich sehe die Engel des Euphrat losgebunden! Ich sehe sie mit den Schwertern der Rache auf die Weltteile niederbrausen! Sie fahren nieder und schlagen Amerika und ertränken das Dritteil aller Bewohner im Blut! Sie fahren hernieder und schlagen die große Asia und morden den dritten Teil alles Lebendigen! Sie fahren nieder und schlagen Europa, Australien, Afrika und würgen und schlachten und zertreten mit glühenden Füßen die Feinde des, der da war, ist und sein wird. Die Sonne verfinstert sich; die Sterne fallen vom Himmel auf die von Mordbrand schauerlich lohende Erde. Das Meer ist Blut. Die Fische und alle Kreaturen im Meer sind erstickt im Blut. Und nun bäumt sich das Meer und speit und speit und speit seine Toten aus. Alle die Opfer speit es nun wieder aus, die es vom Anfang der Zeiten an bis auf diese Stunde des Letzten Gerichtes verschlungen hatte . . .« Und auf diese Art fuhr er geraume Weile das Ende der großen Babel zu schildern fort. Schweflige Flammen durchzuckten das Schulzimmer. Die armen, in sich zusammengekrochenen Leutchen hörten mit schlotternden Kinnladen zu. Ihre mageren, knochigen Runzelgesichter hingen mit gierigen Augen festgesaugt am Munde des Sprechenden. Gleichwie in Wollust und kaltem Entsetzen waren die Münder weit aufgetan. Qualvolles Seufzen und Röcheln ward laut. Sie vernahmen von Kronen und wieder Kronen, womit die sieben Tiere geschmückt waren. Sie rochen den Dampf und Gestank des fressenden Feuers, das aus ihren abgründischen Rachen ging. Unter ihnen erbebte die Erde bei immer erneutem Mord und Posaunenschall. Da war kein Ende; da war nirgend ein Heil; da war für den Sünder nirgend ein Schlupfwinkel.

Und Berge von Leichen häuften sich unter Pest, Brand, Schwert und Stachel. Raben, Geier und Wölfe starben vom Aas. Man fühlte den qualmenden, giftigen Dunst der Verwesung. Aber mitten in aller weit über Menschenbegriffe sintflutartig steigenden Greuel hörte auf einmal Emanuel Quint in seiner Seele etwas, ähnlich einem hellen, silbernen Glöckchen, leise anschlagen, dann etwas erklingen, gleich einem rätselhaft wunderbaren Schalmeienlaut, dem alsogleich sein ganzes Wesen mit einem entzückten Schauer antwortete.

Nun hatte das wilde, buschige Haupt mit den angeschwollenen Stirnadern, das zwischen den Lichtern tobte, keine Gewalt mehr über ihn. Allein auch der Prediger...

Erscheint lt. Verlag 5.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-13 9786339591563 / 9786339591563
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