Gottes Plan und unsere Blindheit -  Thomas Lettner

Gottes Plan und unsere Blindheit (eBook)

Die Macht der Hoffnung, das Geschenk der Freundschaft, der Sinn des Lebens und die Weisheit, Glück im Leid zu erkennen.
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
114 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7768-2 (ISBN)
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Idomir, der kleine Schmetterling, wird mit kaputten Flügeln geboren und kann daher nicht fliegen. Er lernt, mit seinem Schicksal umzugehen, doch eines Tages erlebt er eine schwere Enttäuschung und verliert den Glauben an den Sinn des Lebens. In seiner Verzweiflung verlässt er sein Zuhause und wandert ziellos durch den dunklen Wald, um dort ein Ende zu finden, doch etwas Unerwartetes geschieht. Die Freundschaft mit einem Bewohner des dunklen Waldes nährt die Hoffnung darauf, dass Idomirs Flügel vielleicht geheilt werden können. So beginnt eine abenteuerliche Reise auf der Suche nach Heilung und Glück, an deren Ende die große Erkenntnis wartet, dass Idomirs Leiden nicht umsonst ist. Das Leiden dient einem höheren Zweck.

Thomas Lettner ist von Beruf Molekularbiologe. Als Autor schreibt er Romane und Sachbücher.

Rogo





Idomir marschierte den ganzen Tag lang ziellos durch den dunklen Wald. Sein Blick war auf den Boden vor seinen Füßen gerichtet und er sah kein einziges Mal zurück. Da raschelte es in einem Busch ganz in der Nähe und Idomir blieb erschrocken stehen. Er blickte zu dem Strauch hinüber und sah, wie sich die Blätter bewegten. Dahinter knurrte es. Nur einen Herzschlag später sprang ein großes graues Tier heraus und baute sich vor dem Schmetterling auf. Idomir sah hoch und blickte in ein großes Maul mit langen gefletschten Zähnen. Es war ein Wolf. Er grollte:

»Was … machst du … in meinem Wald?«

Dampfender, stinkender Atem wehte zusammen mit den Worten in Idomirs Gesicht. Er drehte vor lauter Ekel den Kopf zur Seite. Dann starrte er das große Tier an und fragte sich dabei, was wohl als nächstes passieren würde. Zuerst hatte er Angst, doch ein paar Augenblicke vergingen und es geschah nichts. Also lächelte er einfach nur, nickte dem Wolf freundlich zu und ging an ihm vorbei, so als ob ihn dieses große Tier überhaupt nicht kümmern würde. Der Wolf sah Idomir böse hinterher und knurrte. Er konnte nicht glauben, dass dieses kleine Wesen ihn einfach ignorierte. Er fauchte zornig, sprang mit einem großen Satz über den Schmetterling drüber und versperrte ihm wieder den Weg. Er schrie ihn an:

»Ich fragte: Was machst du in meinem Wald?«

Idomir blickte hoch und sah in die dunklen Augen des Wolfs.

»Ist das wirklich dein Wald?«

Der Wolf riss die Augen weit auf und sie fingen an zu glänzen. Er schnaubte wild vor Zorn, weil er nicht glauben konnte, dass diese kleine Kreatur es wagte, eine so unfassbar dreiste Frage zu stellen.

»Ja, das ist mein Wald«, schrie er. »Und wer ungefragt hierherkommt, der wird gefressen.«

Idomir blinzelte nachdenklich, dann zuckte er unbekümmert mit den Schultern.

»Na gut. Wenn du mich fressen willst, dann bitte.«

Er nickte dem Wolf freundlich zu und ging einfach weiter. Der Wolf war sprachlos. Die gespannten Lippen über seinen gefletschten Zähnen fingen plötzlich an zu zittern, und auch in den Hinterbeinen verließen den Wolf mit einem Mal alle Kräfte, so als hätte ihm die Dreistigkeit des kleinen Schmetterlings all seine Stärke geraubt. Die Knie gaben nach, knickten ein und der Wolf plumpste auf sein Hinterteil. So blieb er sitzen und sah diesem Eindringling ratlos hinterher, der es wagte, einfach so an ihm vorbeizugehen. Er schüttelte fassungslos den Kopf und kratzte sich mit dem Hinterbein am Ohr. Er grübelte eine Weile, dann hatte er eine Idee und ein listiges Grinsen formte sich in seinem Gesicht. Er sprang auf und lief dem kleinen Schmetterling hinterher, bis er zu ihm aufgeschlossen hatte, dann stolzierte er gemütlich neben ihm her und sprach mit schelmischem Unterton:

»Ich könnte dir auch deine kleinen Beinchen ausreißen. Was hältst du davon?«

Ohne stehen zu bleiben, antwortete Idomir dem Wolf, der an seiner Seite herging:

»Aber mit deinen großen Pfoten kannst du meine kleinen Beine doch gar nicht anfassen.«

Der Wolf machte kurz Halt, blickte auf seine Pfote und betrachtete abwechselnd die Vorderseite und die Rückseite. Dann sah er verdutzt nach oben in die Baumkronen und kratzte sich wieder hinterm Ohr. Schließlich hatte er eine neue Idee. Er begann wieder zu grinsen und lief weiter neben Idomir her.

»Aber ich könnte dich mit meiner Pfote zerquetschen.«

Da blieb Idomir plötzlich stehen und sah zum Wolf hoch.

»Sag mal, Wolf, warum redest du nur darüber und tust es nicht einfach?«

Der Wolf sah Idomir fassungslos an.

»Hast du denn gar keine Angst vor mir?«

Idomir schüttelte den Kopf.

»Nein. Es ist mir egal, ob du mich frisst oder zerquetscht oder mir die Beine ausreißt. Wenn du es tun willst, dann tue es.«

Sie starrten einander einen Augenblick lang an, dann ging Idomir einfach weiter. Dem Wolf fehlten die Worte. Er ließ Idomir weiterziehen, doch er folgte ihm mit etwas Abstand, um ihn zu beobachten. Er wollte mehr über dieses kleine Wesen erfahren, das keine Angst vor ihm hatte, denn alle Tiere hatten Angst vor ihm und niemand traute sich in seinen Wald. Der kleine Schmetterling hatte ihn neugierig gemacht.


*


Die Nacht brach herein und Idomir wurde müde. Er sah sich um und suchte ein Plätzchen zum Schlafen und vielleicht etwas zu essen. Das Hungergefühl in seinem Bauch war groß, denn er hatte die Lichtung ohne eine Mahlzeit verlassen, doch in diesem dunklen Wald gab es keine Blumen, aus denen er Nektar hätte trinken können. Hier gab es nur Bäume mit brauner Rinde, tote Tannenadeln auf dem Boden und gelegentlich ein Gebüsch.

»Kein Abendessen«, seufzte er und suchte sich ein trockenes Laubblatt, damit lehnte er sich an einen Baumstamm und deckte sich zu. Als er nach oben durch die Baumwipfel blickte, sah er ein paar funkelnde Sterne und er erinnerte sich an den Nachthimmel über der Lichtung. Er war zum ersten Mal von zu Hause fort und beim Gedanken an die Lichtung bekam er Heimweh. Obwohl er erst einen Tag lang unterwegs war, fühlte sich die Erinnerung an die Lichtung an wie eine andere Zeit in einer anderen Welt.

Das Geräusch von knisternden Zweigen holte Idomir aus seinen Gedanken. Es war der Wolf, der durch das Dickicht schlich, Idomir wusste das. Der Wolf war die ganze Zeit über mit etwas Abstand hinter Idomir hergelaufen und hatte ihn beobachtet. Wenn der Wind aus der richtigen Richtung blies, konnte Idomir den faulen Atem des großen Tieres riechen und der Wolf machte sich nicht die Mühe, geräuschlos hinter ihm her zu schleichen. Das große graue Tier erschien zwischen den Bäumen und legte sich in etwas Entfernung neben ein Gebüsch. Ein paar Augenblicke lang sahen sie einander an und Idomir wunderte sich, was der Wolf wohl im Sinn haben mochte. Doch er war zu müde und zu hungrig, um sich weiter Gedanken darüber zu machen, also drehte er sich zur Seite, zog das Laubblatt über den Kopf und schlief ein.


*


Es kam der nächste Morgen. Etwas kitzelte Idomir im Gesicht und er wurde wach. Obwohl er die Augen noch geschlossen hatte, erkannte er eindeutig den üblen Geruch, der um seine Nase wehte. Als er die Augen öffnete, sah er den Wolf vor sich stehen. Er hatte sich über ihn gebeugt und schnupperte an ihm. Idomir verzog vor Übelkeit das Gesicht.

»Igitt! Du solltest dir mal die Zähne putzen. Du hast nämlich ziemlichen Mundgeruch.«

Der Wolf zog seine Schnauze überrascht zurück, entfernte sich ein paar Schritte und legte sich neben einen Baum. Er legte das Kinn auf seine Pfoten und beobachtete Idomir. Der schob das Laubblatt zur Seite, stand auf und gähnte und blickte im Wald umher. Dann sah er zu seinem Begleiter.

»Du, Wolf!?«

Der Wolf hob neugierig den Kopf an und blinzelte überrascht. Idomir rieb sich den Bauch.

»Gibt es hier irgendwo Blumen mit Nektar drin? Ich habe nämlich ziemlichen Hunger.«

Der Wolf verzog missbilligend das Gesicht und legte sein Kinn wieder auf die Pfoten.

»Was kümmert mich dein Hunger?«, sagte er gelangweilt.

Idomir kratzte sich am Kopf und grübelte, dann ging er zu seinem Begleiter hinüber. Als er sich ihm näherte, richtete sich der Wolf auf, so als ob ihn der kleine Schmetterling beunruhigte, und er starrte misstrauisch auf ihn hinab.

»Was willst du?«, fragte er zornig.

Idomir stellte sich vor ihn hin.

»Du könntest mir einen Gefallen tun und mich jetzt gleich fressen. Das geht nämlich schneller, als zu verhungern.«

Der Wolf musterte Idomir kurz, dann legte er sich wieder hin und wandte das Gesicht von Idomir ab.

»Ich glaube, du schmeckst mir nicht.«

Idomir ging ein paar Schritte um den Kopf des Wolfs herum, sodass er ihm wieder in die Augen sehen konnte.

»Aber du hast mich doch noch nicht mal gekostet. Du kannst mich ja wieder ausspucken, wenn ich dir nicht schmecke. Hauptsache, ich bin tot.«

Der Wolf wandte den Kopf auf die andere Seite, um den Schmetterling nicht ansehen zu müssen.

»Lass mich in Ruhe!«

Dann stand er auf, drehte sich um und ging fort. Idomir rief ihm hinterher:

»Wo gehst du denn hin, Wolf?«

Der Wolf blieb stehen und sah zu Idomir zurück.

»Du hast keine Angst vor mir. Das macht keinen Spaß.«

Dann lief er langsam davon und verschwand zwischen den Bäumen.


*


Der Wolf war weg. Es war noch immer früh am Morgen und Idomir machte sich wieder auf den Weg. Vielleicht würde er ja ein anderes Tier finden, das ihn fressen wollte, und er hoffte, es würde nicht mehr allzu lange dauern, denn das Hungergefühl in seinem Bauch war überhaupt nicht schön. Also marschierte er wieder schnurgerade weiter und nach einer Weile sah er ein paar Lichtstrahlen durch die Baumkronen scheinen. Sie leuchteten auf einen kleinen Flecken Waldboden und dort wuchs Gras. Er lief darauf zu und da sah er ein paar Blumen.

»Hoffentlich gibt es dort etwas zu essen!«

Als er die kleine Oase erreicht hatte, kletterte er auf eine Blume und sah in ihren Blütenkelch.

»Sie hat Nektar!«, rief er vor Freude und steckte sogleich seinen Kopf in den Kelch. Und mit jedem Schluck den er trank wurde das Hungergefühl weniger, bis es schließlich verschwunden war. Zufrieden und erleichtert blieb er auf einem großen Blatt in den Sonnenstrahlen sitzen und sah nach oben durch die Öffnung in den Baumkronen hindurch. Über dem dunklen Wald war blauer Himmel, und Idomir erinnerte sich an die Lichtung und an seine Freunde.

»Ob Krix...

Erscheint lt. Verlag 4.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7565-7768-6 / 3756577686
ISBN-13 978-3-7565-7768-2 / 9783756577682
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