Stricken verboten! -  Rainer Glaap

Stricken verboten! (eBook)

Die Theatergesetze für Bremen (1820) und Leipzig (1841)

(Autor)

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2024 | 6. Auflage
159 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7584-7991-5 (ISBN)
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Das Buch gibt die vollständigen Theatergesetze für das Theater Bremen von 1820 und das Theater in Leipzig von 1841 wieder. Mit einer Einführung zur Einordnung dieser Theatergesetze, die man heute eher als Hausordnung oder Vertragsbestandteile in Arbeitsverträgen sehen würde (z.B. dem Normalvertrag Bühne). Beschrieben werden die Aufgaben von Intendanz, Regie, Mitwirkenden, Friseur, Garderobiere, Theaterdiener etc. pp. inklusive der Zahlungen, die bei Nichtbeachtung der Vorschriften anfallen. Besonders interessant: Es gibt eigene Absätze zum Schutze von Frauen auf der Bühne. So ist Küssen nur erlaubt, wenn es in der Rolle ausdrücklich angegeben ist. Und: Stricken auf den Proben ist für Schauspielerinnen verboten!

Studium der Theaterwissenschaften in Köln u. Houston/Tx. Mitarbeit beim ersten 'Theater der Welt '81' in Köln, Freelancer in der Werbung. 1984 Wechsel in die IT-Branche, dort in div. Firmen und Funktionen unterwegs. Von 2005 bis 2019 bei CTS Eventim im Bereich Klassik, Theater und Oper unterwegs (Produktmarketing, Ltg. Consulting, Support). Seit dem 1.1.2020 im (Un)ruhestand. Während der Pandemie mit einem Blog zum Kulturstreaming aktiv, seit 2022 mit dem Blog PUBLIKUMSSCHWUND auf der Suche nach dem teils verlorengegangenen Publikum in Theater, Oper und Konzert. Aus dem Blog ist das Buch 'Publikumsschwund? - Ein Blick in die Theaterstatistiken seit 1949' hervorgegangen, das im Frühjahr 2024 bei Springer erscheint (Link im Blog).

Gesetze für das Bremer Theater (1820) unter der Direction von August Pichler.


(Gedruckt bei Johann Georg Hense)

(Der Text richtet sich nach einer Ausgabe, die von Google eingescannt wurde)22

Die Direction glaubt bey dem gesammten Personal des hiesigen Theaters die Ueberzeugung voraussetzen zu dürfen, das strenge Beobachtung der Geschäfts-Ordnung, anständiges Benehmen gegen Vorstände und Mitglieder, Einigkeit und Ruhe zu den wesentlichsten Bedingungen eines ehrenvollen dramatischen Vereins gehören. Dieselbe sieht sich in dieser Rücksicht veranlaßt, nachfolgende Theater-Gesetze, mit möglichster Bestimmtheit, als unerläßliche Norm der zweckmäßigsten und würdigen Leitung der Bühne zu bestimmen.

Erster Artikel.


1. Jede Anordnung eines Geschäfts-Vorstandes, vorzüglich des Regiesseurs und Inspicienten, wird bey der hiesigen Bühne als unverletzbar betrachtet. Jeder wider eine solche handelnde, wird nach den angenommenen Grundsätzen gestraft, und der offenbar Wiedersetzliche als Feind der Ordnung behandelt.

2. Bey absichtlicher Nichtachtung des, der Ordnung halber nothwendig aufrecht zu erhaltenden Verhältnisses zu diesem Vorstande, Abzug einer Wochen- bis zu einer Monats-Gage. Bey wiederkehrenden Fällen die höchste Strafe, und sofortige Entlassung,

3. Wer sich den Anordnungen des Regisseurs auf eine ungeziemende Art wiedersetzt, bezahlt in dem geringsten Falle einen Thaler Strafe. Wer dagegen eine begründete Beschwerde über das Benehmen dieser Vorstände zu haben glaubt, hat zwar für den Augenblick zu Vermeidung aller Störungen den Anordnungen desselben in jeder Hinsicht Folge zu leisten; es steht ihm indeß frey, seine Beschwerde bey der Direction anzubringen, die sie gehörig prüfen, und ganz unpartheiisch darüber entscheiden wird.

4. Zum Einstudiren der Rollen wird folgende Zeit festgesetzt:

Zu einer Rolle
von 9 bis 10 Bogen      12 Tage
von 7 bis 8 Bogen      9 Tage
von 4 bis 6            7 Tage
von 3 Bogen            4 Tage
von 1 bis 2 Bogen       1 Tag

Zum Einstudiren einer neuen Oper wird im Verhältniß zu deren Schwierigkeit, die Zeit des Einstudirens bestimmt; doch muß die schwerste Oper binnen 3 Wochen geliefert werden.

5. Bey der letzten Probe von einem neuen Stücke oder einer neuen Oper muß jedes Mitglied seine Rolle völlig memorirt haben. Sollte indes dieses der Fall nicht seyn, so zahlt ein solches Mitglied einen Thaler Strafe. Hat aber ein Mitglied aus Gefälligkeit für die Direction eine Rolle schnell übernommen, so findet keine Strafe statt.

6. Die aufzuführende Stücke und Opern werden der Gesellschaft durch ein Repertoir, welches zur Abschrift immer auf 14 Tage zirkulirt, schriftlich bekannt gemacht. Etwaigen Veränderungen darin wird man der Gesellschaft bey Zeiten wissen lassen.

7. Noch an demselben Tage an welchem das Repertoir zirkulirt, ist jedes Mitglied, welches dagegen begründete Einwendungen zu machen hätte, verbunden, diese dem Regisseur bescheiden anzuzeigen.

Während des ersten Akts einer Vorstellung werden die Proben zur folgenden Vorstellung vom Inspicienten auf eine schwarze Tafel angeschrieben, und hat ein jeder sich dieselben genau zu merken. Diejenigen Mitglieder die nicht in jeder Vorstellung zu thun haben, sind verpflichtet, sich um die Probezeit zu bekümmern, zehn Minuten nach dem Schlage der zu einer Probe festgesetzten Stunde, fängt diese ohnfehlbar an. Nachlässigkeiten hierin, werden folgendermaßen bestraft.

a) Wer ohne sich entschuldigt zu haben – (als gültige Entschuldigung sind nur anzusehen: ein Attestat des Arztes wegen Krankheit, oder die Erlaubniß des Regisseurs nicht erscheinen zu dürfen) bey dem Anfang der Probe nicht zugegen ist, zahlt 4 ggr oder 12 Grote Strafe.

b) Wer zehn Minuten nach den Anfang der Probe erscheint, zahlt 8 ggr. oder 24 Grote Strafe, und so einer das doppelte von 10 zu 10 Minuten nach Verhältniß des längern Aussenbleibens.

c) Wer ohne sich entschuldigt zu haben, von einer Probe wegbliebe, so, das dadurch eine allgemeine Störung entstünde, oder die Probe gar aufgehoben werden müßte, zahlt nach Befinden der Umstände im ersten Fall 2 Thaler, im zweyten 5 Thaler.

d) Wer sich zu einer Scene rufen läßt, zahlt 4 ggr. oder 12 Grote. Derselbe Fehler bey der Vorstellung kostet 8 ggr. oder 24 Grote. Eine ganze Scene versäumen kostet bey der Probe 12 ggr. oder 36 Grote bey der Vorstellung aber einen Thaler Strafe; wer aber eine ganze Vorstellung versäumt, zahlt eine ganze Monats-Gage.

e) Wer auf der Probe nicht gehörig markirt, woher er kommt, zahlt 2 ggr. oder 6 Grote, bey der Vorstellung 4 ggr. oder 12 Grote Strafe. Wer auf der Probe durch Geräusch, welcher Art es auch sey, die Ruhe stört; wer außer seiner Scene auf der Bühne umhergeht, oder stehen bleibt, zahlt 2 ggr. oder 6 Grote Strafe.

8. Unhöfliches und unhumanes Betragen eines Mitgliedes der Gesellschaft gegen ein anderes, wird nach Verhältniß des Vergehens bis zu einer Monats-Gage bestraft. Sollte sich ein Mitglied so weit vergessen, und gegen ein anderes handgreiflich werden, so kann solches auf der Stelle entlassen werden.

9. Wer eine Leseprobe versäumt, zahlt einen Thaler Strafe. Hievon macht eine Ausnahme, wenn ein Mitglied durch ärztlich attestirte Unpäßlichkeit zu kommen verhindert wird, oder aus gültigen Gründen von den Regisseur von der Leseprobe dispensirt wird. In diesem Falle wird die Rolle dem Regisseur vor der Probe zugeschickt, der sie entweder selbst liest, ode, dafür sorgt, daß sie von Jemand anders gelesen werde.

10. Wer eine Leseprobe durch irgendeinen Vorfall stört, zahlt 2 ggr. oder 6 Grote, nach Befinden der Umstände das Vierfache. Übrigens wird das Später kommen bey diesen Proben, ohne die als gültig angenommenen Entschuldigungen nach dem vorigen Artikel, wie bey Theaterproben, bestraft.

11. Wer ein Requisit vergißt zahlt 4 ggr. oder 12 Grote. Insofern dasselbe aber einen zu großen und störenden Eindruck auf das Ganze macht 8 auch 12 ggr. oder 24 und 36 Grote Strafe.

12. Da die Proben, wenn solche von Nutzen seyn sollen, immer als halbe Vorstellungen angesehen und ernstlich behandelt werden müssen, indem einzig und allein das vollkommene Gelingen der Vorstellung davon abhängt, so muß bey diesen auf die strengste Ordnung und Genauigkeit gehalten werden. Es sollen deshalb alle sogenannten Klappscenen so lange wiederhohlt probirt werden, bis keine Sylbe mehr fehlt, und das zur Täuschung erforderliche Leben hineingebracht ist; desgleichen alle Gruppirungen, jede rasche Handlung, in welcher die Theilnahme mehrerer mimisch einzugreifen hat und dergleichen mehr. Überhaupt kann nur auf den Proben das lebendige wahre Ensemble eingeübt und erreicht werden, welches die Seele aller dramatischen Darstellungen ist, und wer deshalb die Proben leichtsinnig und lau behandelt, macht sich dadurch nur selbst verächtlich, indem er beweißt, daß ihm seine Kunst keines Ernstes werth ist, und er sie nur als Handwerk für das tägliche Brod treibt.

Extemporiren ist erlaubt, insofern es nur einzelne Ausflüge des Witzes und passender Laune in sich begreift, und dasselbe weder Sitten noch andere geachtete Gegenstände beleidigt. Doch bleibt der Extemporirende für jedes Wort verantwortlich. Anspielungen auf's Publikum, Vorstände, Kollegen oder Privatverhältnisse sind unbedingt verboten. Wer sich diese Vorschriften für die Proben nicht zur Regel macht, und im Geiste derselben bemüht ist, zur Erscheinung vollkommner Kunst-Darstellungen mitzuwirken – wer sich durch scherzhafte Ausdrücke, oder nicht zur Sache gehörige Geberden seine eigene Aufmerksamkeit, oder die der andern Mitglieder stört, oder so nachlässig probirt, daß Niemand wissen kann, wie er bey der Vorstellung spielen wird, der fällt nach Befinden der Umstände in eine Strafe von 8 ggr. oder 24 Grote bis zu zwey Thaler Strafe.

13. Wenn Jemand einen Hund mit auf die Probe bringt, zahlt 8 ggr. oder 24 Grote, bey der Vorstellung einen Thaler.

14. Bey den Proben dürfen weder Arbeiten, noch Strick- und Nähzeuge mit auf die Bühne gebracht werden, wer dagegen fehlt, zahlt 4 ggr. oder 12 Grote Strafe.

15. Eine Stunde vor Anfang des Aktes, worin ein spielendes Mitglied aufzutreten hat, ist solches verpflichtet, zum Ankleiden im Schauspielhause zu seyn. Eine Viertelstunde vor Anfang des Stücks, oder Auftritts, muß jedes Mitglied unbedingt fertig seyn: im entgegengesetzten Fall, zahlt das fehlende einen Thaler Strafe.

16. Von Statisten gänzlich dispensiren kann nur ein darüber besonders vorhandener Contractspunet: doch soll jederzeit darauf Rücksicht genommnen werden, das die mehr beschäftigten Mitglieder so viel als möglich geschont, und wo es anwendbar ist, ein Wechsel stattfinden. Wer als Statist eine Probe versäumt zahlt 12 ggr. oder 36 Grote, bey der Vorstellung einen Thaler Strafe.

17. Straffälle, sowohl bey den Proben, als bey der Vorstellung ist der Soufleur oder die Soufleuse aufzuzeichnen verpflichtet. Würde dieses Vergessen oder fände sonst eine Partheilichkeit statt, so zahlt der Soufleur oder Souffleuse den Straffall doppelt.

18. Der Zwischenakt kann und darf nie willkürlich verlängert werden. Die Länge des Stücks, und der Bedarf der Darstellung entscheiden darüber, doch darf er auch in den außerordentlichsten Fällen, nicht über eine Viertelstunde dauern.

19....

Erscheint lt. Verlag 26.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 3-7584-7991-6 / 3758479916
ISBN-13 978-3-7584-7991-5 / 9783758479915
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