Das Paradies der Enterbten -  Marcel Winkler

Das Paradies der Enterbten (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
152 Seiten
neobooks Self-Publishing (Verlag)
978-3-7565-7108-6 (ISBN)
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Aufgelaufen auf einem Riff finden Olaf Karl Abelsen und seine araukanischen Freunde eine scheinbar verlassene Jacht. Sie nehmen sie in Besitz, aber Nachts ereignen sich seltsame Zwischenfälle... Vierter Teil der Abenteuer abseits des Alltagsweges von Walther Kabel.

47 Jahre alt und ich Schreibe nur Nebenberuflich in meiner Freizeit.

47 Jahre alt und ich Schreibe nur Nebenberuflich in meiner Freizeit.

2. Kapitel.


„Chubur,“ sagte ich zu dem braunen Freunde, der auf dem Sofa der Kajüte sitzt und so schrecklich jämmerlich dreinschaut, „Chubur, wir müssen schlau sei … Der, der uns betäubte, strebt einem bestimmten Ziele zu. Fassen wir ihn ab, so werden wir dieses Ziel nie kennenlernen …“

Er schlürft seinen Tee und kaut ohne Appetit an dem Bratenstück. Die Brigg ist glänzend verproviantiert. Der Trinkwasserbehälter noch halb voll. All das reicht noch für Monate.

„Was tun, El Gento?“

„List gegen List … In der kommenden Nacht müssen die Wachen und der Steuermann, sobald sie das Gas spüren, sobald die Müdigkeit beginnt, langsam umsinken, bevor sie das Bewußtsein verlieren. Dann werden sie ja sehen, wer hier die Possen treibt, aber sich nicht rühren.“

Chubur grinst tückisch: „Ich dabei sein, El Gento …“

„Gut … Um elf Uhr werden wir beide wieder die anderen ablösen.“

Auch der Pudel hat sich erholt. Dennoch – er liegt in der Kajüte und verweigert Speise und Trank und schläft. Ihm ist die Nacht noch schlechter bekommen als uns.

Nun senkt sich neue Dämmerung über den Pazifik. Im Westen glüht der Horizont in feuriger Lohe, die Sonne schwindet, und die grellen Farben am Himmel mildern sich zu tiefem Violett. Die Nacht ist da.

Wir sieben, die wir hier auf dem namenlosen Schiff unbekanntem Ziele entgegensteuern, fühlen den Nervenkitzel des fremdartigen Abenteuers bis in die Fingerspitzen. Meine Araukaner sind aus dem Dämmerdasein ihres Alltags am Gallegos aufgepeitscht und wittern Blut, als ob es in den Pampas zur Pumajagd ginge. Ihre Nüstern vibrieren, sie gehen einher mit zugekniffenen Augen und angespannten Muskeln. –

Diesmal steht Chubur um elf Uhr am Steuer, und ich hocke vorn auf dem Deckel der Großluke und rauche und spüre mit geschärften Gedanken diesen dunklen Dingen nach.

Wolkenfetzen fegen über die Gestirne. Der Mond scheint matt durch ziehendes Gewölk.

Was wird geschehen?!

Wir haben tagsüber den Nordwestkurs beibehalten, nur jetzt steuert Chubur wieder Nordost, um den zu täuschen, der … kommen wird.

Der Wind pfeift unheimlich hohl in der Takelage. Drückende Schwüle treibt Schweiß aus den Poren, beengt die Brust und läßt das Herz hämmern. Wir müssen in diesen drei Tagen recht weit nördlich gelangt sein – wie weit, ist kaum abzuschätzen. In diesen Breiten gibt es jedenfalls keine Schiffsroute. Den ganzen Tag sahen wir auch nicht ein einziges Fahrzeug.

Ich bin allein, nicht einmal der Hund ruht neben mir. Armer Kerl – ihm geht’s in Wahrheit hundeelend.

Im Westen schiebt sich eine schwarze Wolkenwand hoch. Greller Schein leuchtet über sie hinweg, und bald zeigen die Blitze ihre zackige Feuerbahn, tiefes Grollen faucht über die See, und die Finsternis verschluckt alles. Nur die Wogenkämme nahen wie weiße Striche … gleiten vorüber … neue kommen … ein Spiel ohne Unterlaß.

Wir fliehen vor dem Gewitter, das langsam verklingt.

Und da – es mag Mitternacht sein – spüre ich wieder die Nebel vor den Augen …

Also doch!!

Ich rutsche vom Lukendeckel, täusche Anstrengungen vor, mich aufzurichten, wälze mich auf die Seite, halte den Atem an und liege still. Wenn Chubur ebenso gut Komödie spielt, werden wir heute wohl den Burschen zu Gesicht bekommen, der uns das geruchlose Gas irgendwie ins Gesicht bläst. Nur schade, daß diese Finsternis so wenig erkennen läßt … Ich blinzele durch die vorsichtig zugekniffenen Lider und atme behutsam. Ich höre das Gleiten eines Körpers, höre Stimmen …

Und beiße mir auf die Lippen …

Täuschung?! Ein Weib?

„… Erst ihn, Hiruto … Wo hast du die Stricke?“

Oho – – Stricke?! – Das ist gegen das sonstige Programm!

Dieselbe Stimme flüstert:

„Er ist der letzte, Hiruto … Wir haben gewonnenes Spiel …“

Ich begreife sofort: In dieser Nacht soll es uns ernsthaft an den Kragen gehen! Wir müssen also dem Ziele wohl recht nahe sein.

Eine Hand fährt mir den Arm hinab, eine andere will mich auf den Rücken legen …

Wenn ich nicht ein volles Jahr mit Coy Cala die Pampas durchstreift und im schwankenden Boot gegen Sturm und Wogen gekämpft hätte, wären meine Fäuste kaum zu Schmiedehämmern geworden.

Ich schnellte empor, zwei Schreie, zwei blitzschnelle Schläge, der eine gegen ein menschliches Kinn, der andere gegen eine weiche Brust – – noch zwei Hiebe, und zwei Gestalten poltern auf die Planken.

„Chubur!!“

Er kommt herbei …

Er bückt sich … Ich bücke mich, schnüre dem einen die Hände zusammen, schleife meine Beute in die Kajüte …

„Chubur – zurück ans Steuer!!“

Die Brigg schlingert, die Segel knallen, aber sie kommt wieder in Fahrt, und ich hole mir den zweiten Burschen, mache in der Kajüte Licht und mustere die Gefangenen.

Herr Hiruto ist ein kleiner, magerer Japaner im blauen fleckigen Heizeranzug, ein älterer Kerl mit einem von Falten zerkerbten Gesicht. An seinem Kinn rinnt Blut herab, seine Unterlippe ist eine dicke blaue Pflaume geworden, über der ein halb herausgeschlagener Zahn an einem Gaumenfetzen baumelt.

Dann der zweite …

Wenn ich die helle, weiche Stimme nicht gehört hätte, würde mich dieses mit Kohlenruß und Öl beschmierte Gesicht, diese dreckige, fest ins Genick gezogene Kappe und dieser Heizeranzug, der viel zu weit, wohl getäuscht haben, da auch die Hände ebenso schwarz hergerichtet waren.

Ich ziehe ihr die Kappe ab, und blondes Haar quillt hervor, Frauenhaar, natürlich gewellt, kurz geschnitten, ein reizender Bubikopf.

Meine Freunde am Gallegos haben mich El Gento getauft, haben das Wort Gentleman auf ihre Art verstümmelt und mich so geehrt: El Gento!

Ich besinne mich auf Kavalierspflicht auch einer Feindin gegenüber, hebe die Blonde auf das Sofa und empfinde etwas wie Reue, daß ich so derb zugeschlagen habe.

Chubur taucht da in der Tür auf. Die Neugierde hat ihn das Rad festbinden lassen. Er wirft einen Blick über den Japaner und stiert die Blonde erstaunt an. Dann verschwindet er wieder, macht nur eine Handbewegung, die mir andeuten soll, daß er zwei gutsitzende Messerstiche in diesem Falle für das einzig richtige Verfahren hielte.

Chuburs kurzer Besuch erinnerte mich rechtzeitig an die fünf Gefährten im Vorschiff, die doch im Schlaf zuerst betäubt worden waren und die in ihrem immerhin engen Logis das Gas vielleicht zu lange einatmen mußten. Mich packte die Angst. Ich überzeugte mich rasch, ob die Fesseln der beiden in Ordnung und eilte zum Vorschiff, fand, was ich befürchtete, trug sie einzeln nach oben und nahm ihnen die sehr eng geschnürten Stricke ab. Dem Riesen Manik hatte das Gas am wenigsten geschadet, er kam in der frischen Luft sehr bald zu sich, erbrach sich nur einmal und löste Chubur am Steuer ab.

Chubur brachte Wasser, Seife, einen Schwamm und Handtücher herbei. So wurde denn zunächst das Gesicht der bewußtlosen Frau gründlich gesäubert. Was unter der Schicht von Ruß und Fett und Staub zum Vorschein kam, war das liebliche junge Antlitz eines jungen Mädchens …

Ich lehnte am Tische. Ich schaute in diese weichen Züge, und in meinem Herzen wurde das Bild einer anderen lebendig, die mir einst Jugendgespielin gewesen und die mir dann Gefährtin jener abenteuerlichen Fahrt ins Ungewisse wurde, mit der mein Daseinsweg den Ausgangspunkt an der Gallegosbucht fand …

Es war nur eine Ähnlichkeit, und doch rührte sie meine Seele bis ins Tiefste auf.

Das Mädchen öffnete plötzlich die Augen. Ein ratloser Blick rundum, ein schmerzliches Stöhnen und ein leiser, leiser Schrei des Schrecks, als ihr klar wurde, daß das Spiel für sie verloren.

„Wer sind Sie?“ fragte ich in englischer Sprache, die auch sie dem Jap gegenüber benutzt hatte. Meine Stimme mochte Chubur wohl zu nachsichtig geklungen haben.

Er lachte hart. In seiner braunen Faust blinkte das breite Jagdmesser.

„He – wer sein?!“ rief er drohend. „Reden – – sonst!!“

Seine grimmen Züge ließen die Blonde noch tiefer erbleichen. Ein Beben ging über ihre Gestalt hin. Ihr Blick suchte den meinen. Ich lächelte ein wenig, und sie flüsterte mit langem Aufatmen:

„Oh, fragen Sie nichts, mein Herr …! Wir waren in einer Notlage …“

Ein schmerzliches Zucken lief über das feine Gesichtchen.

„Haben Sie Schmerzen?“ – ich beugte mich über sie, – hinter mir stampfte Chubur wütend mit dem Fuße auf.

„Ja … Schmerzen …“ hauchte sie …

„Wo?“

Sie errötete und schloß die Augen.

Unter dem blauen Heizerkittel wölbte sich die junge Brust, … und ich wußte, wo ich leider getroffen hatte.

„Verzeihen Sie …“ sagte ich. Ich konnte nicht anders. Diese wundervollen Augen waren für mich erneute Qual der Erinnerung.

„Verzeihen Sie mir …“ und ich knotete ihr die Fesseln auf und richtete sie sanft empor.

Hinter mir stampfte Chubur zur Tür hinaus und warf sie ins Schloß.

Das Mädchen tastete nach meinen Händen … Ihr Atem traf mein Gesicht, und der Duft ihres Haares war wie eine feine Wolke der Sehnsucht um mich und meine Gedanken an die andere.

Sie schaute mich groß an, ihre Augen umkrampften die meinen, und ihre Stimme bat in rührendem Schluchzen:

„Fragen Sie nichts … Wir mußten so handeln … Wir … wir …

Sie schwieg, und ihr Blick glitt zu dem Japaner hin, der mit einem Male emporgeschnellt war.

„Hiruto …!“ rief sie befehlend …

Der kalte Haß in den Augen des kleinen sehnigen Jap erlosch, seine zusammengeknickte,...

Erscheint lt. Verlag 8.2.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuerroman • eBook • Roman
ISBN-10 3-7565-7108-4 / 3756571084
ISBN-13 978-3-7565-7108-6 / 9783756571086
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