Marina (eBook)
254 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7584-6685-4 (ISBN)
Meine Biografie ist recht unspektakulär. Ich besuchte die Realschule und anschließend ein Gymnasium. Anschließend an das Gymnasium startete ich meine erste Berufsausbildung im öffentlichen Dienst. Gezeichnet durch das Leben, das bei mir einige Verluste und viel Kummer mit sich brachte, beschloss ich, mein erstes Buch zu schreiben. So konnte ich alle meine Erfahrungen, die im Stillen geschahen, verarbeiten und sie nun mit anderen teilen.
Meine Biografie ist recht unspektakulär. Ich besuchte die Realschule und anschließend ein Gymnasium. Anschließend an das Gymnasium startete ich meine erste Berufsausbildung im öffentlichen Dienst. Gezeichnet durch das Leben, das bei mir einige Verluste und viel Kummer mit sich brachte, beschloss ich, mein erstes Buch zu schreiben. So konnte ich alle meine Erfahrungen, die im Stillen geschahen, verarbeiten und sie nun mit anderen teilen.
Erstes Kapitel
‚,Ich bin schon vor der Tür!‘‘, rief Olivia. Ihre warme Stimme schallte durch die Glastür und ließ mich aus meinen Tagträumen aufwachen. Wie immer war sie mit ihrem Motorroller gekommen, um mich zur Schule abzuholen. ‚,Ich bin gleich da!“, kreischte ich, sodass Lex, mein kleiner, schwarz getupfter Kater, seine entsetzten Bernsteinaugen vorwurfsvoll auf mich richtete und mit einer anmutigen Leichtigkeit vom Stuhl hinter der anderen Seite des Tisches sprang und sich auf und davon machte. Schnell warf ich meine überfüllte Wasserflasche in meine Tasche und eilte zur Haustür, damit Olivia nicht ewig warten musste.
,,Guten Morgen Spargel!‘‘, lachte ich Olivia an, bevor ich ihr um den Hals fiel. Olivia gab mir daraufhin einen kleinen Stoß und fragte spielerisch beleidigt, was ihre Karotte so lange getrieben habe.
Das war jedes Mal amüsant aufs Neue. Olivia, die wirklich fast ihre eins achtzig erreicht hatte, war genau deswegen der Spargel, so wie ich immer nur Karotte oder zur Abwechslung auch hin und wieder mal Möhre genannt wurde, da meine blonden Haare leicht rötliche Nuancen hatten. Olivia gab mir einen Helm und kurz darauf fuhren wir die Serpentinen herunter nach Bachdorf, wo unsere Schule war. Wir beide waren seit heute Schülerinnen der zehnten Klasse der Marienschule und in diesem Jahr stand uns der Realschulabschluss bevor.
Aber vorher mussten wir uns erst einmal wieder ins Schulleben einfinden: die Jungen, die der Lehrerin die Kreide klauten und sie im Waschbecken so lange wuschen, bis sie ganz aufgeweicht war, die Mädchen, die es im Unterricht bevorzugten, sich zu schminken und die Haare zu flechten, und das gesamte Chaos an plausiblen Informationen und abstrakten Vorgaben des Curriculums, das wir im Kopf zu einer klar differenzierten Wissensmasse zusammenbasteln mussten. Wie jedes Jahr freute ich mich auf die Schule, denn ich wollte seit Anbeginn meines Daseins ins Leben gehen und im Gegensatz zu einigen anderen Schülern freute ich mich, mein Gehirn mit Wissenswertem füllen zu lassen.
Olivia fuhr lauernd hinter dem langsam daher kriechenden Kleinwagen her, der von einem alten Mann gefahren wurde, welcher mit starrem Blick der viel zu lauten Schlagermusik lauschte. Langsam schlenkerte sie nach links und kontrollierte, ob auch wirklich niemand auf der anderen Seite uns entgegenkam. Als sie sich versichert hatte, zog sie heraus und wir ließen den älteren Herrn in der silber-grauen Schlagerdisco in Sekundenschnelle hinter uns.
Ich liebte diese Schnelligkeit. Vor allem, wenn Olivias langes, schwarzes Haar, das sie mal wieder vergessen hatte, zu einem Zopf zu binden, mir ins Gesicht schlug und mir derart an der Nase herumkribbelte, dass ich Angst hatte, durch ein herzliches Niesen einen Unfall zu verursachen. Zudem freute ich mich auf Olivia, die nachher in der Pause wieder daran verzweifeln würde, sich ihre Haare zu entknoten, und deren leise Schimpfereien ich dann durch die Toilettentür vernehmen würde.
Schon seit einem Jahr nahm Olivia mich auf ihrem Motorroller mit. Den hatte sie im letzten Schuljahr bekommen, samt Fahrschulunterricht.
Sie brauchte ihn, um dem chronisch von lauten und drängelnden Schulkindern überladenen Bus zu entkommen. Wir beide wohnten nämlich sehr abgeschieden: ich wohnte in einem kleinen Haus etwas abgelegen von Bachdorf. Dort lebten meine Eltern, bis vor Kurzem meine Großmutter und mein siebenjähriger Bruder Constantin zusammen. Unser Haus war von außen sehr ansehnlich, aber innen herrschte ständig Chaos.
Meine Mutter Corinna, eine wahrlich sehr begabte Künstlerin, saute das gemeinsame Wohnzimmer immer mit ihren kunterbunten Farben zu, wenn sie ihre Bilder malte. Meist malte sie ihr bekannte Landschaften, die sie zuvor bei Spaziergängen und Wanderungen willkürlich fotografiert hatte und anschließend mit viel Eifer und Hingabe auf der Leinwand in ein mystisch-bezauberndes, unbewegtes Naturerlebnis verwandelte, das oftmals kaum vom Foto zu unterscheiden war, abgesehen von frischeren Farben und unauffälligen Details.
Meine Mutter war nämlich auch eine hervorragende Fotografin, die das Lebensgefühl eines erholsamen Spaziergangs mit einem kurzen Click auf den Auslöser verewigen und mit ins stille Heim bringen konnte.
Das hatte sie sich während ihrer Ausbildung zur Fotografin angeeignet, aber als sie dann wenige Jahre später durch einfaches Ausprobieren festgestellt hatte, dass ihr das künstlerische Dasein in beflecktem Schutzkittel und mit Farbklecksen auf der blassen Haut deutlich mehr versprach, gab sie ihre hochauflösende Kamera auf und widmete sich mit all ihrer Liebe und ihrem Gespür für feine Details der Malerei und dem künstlerischen Gestalten.
Seitdem erlebte auch unser Heim einige grundlegende Veränderungen. Was vorher zum Großteil weiß und grau gehalten war, erhielt nun einen lebenserfrischenden Schwung, wie Mutti es seinerzeit nannte. Weiß und Grau seien zwar beruhigend und hübsch anzusehen, aber ihnen mangle es an Buntheit und einer lebensfrohen Wirkung, es seien ja nicht einmal mehr echte Farben, sondern wohl eher Schatten der eigentlichen Farben, sagte sie damals immer. Und mit diesem Motiv verinnerlicht begab sie sich daran, einige Räume zu renovieren.
Nun hatte die Küche einen satten Gelbton, der uns beim Frühstück die zur morgendlichen Begrüßung lachende Sonne vorgaukelte, das Badezimmer erfreute sich eines sanften Blautons, der einen angeblich beruhigenden Effekt hatte, und das Wohnzimmer strahlte in einem warmen Orangeton.
Mein Zimmer wurde zwangsvergrünert. Leider peitschte dieses lebendig-freche Grün jeden Tag meine schlechte Laune auf, denn im Kontext Raumgestaltung wirkte es mir zu giftig.
Definitiv hatte mir diese Farbe, die mein Zimmer erscheinen ließ, als wäre ich Fan von grünen Peitschennattern, nichts Gutes gebracht und ich ersehnte mir seit Anbeginn an meinen langweiligen Grauton zurück. Aber dennoch war ich meiner Mutter für ihren guten Willen und die viele Mühe dankbar. Generell hatte ich sehr liebe Eltern, mein Vater Gerhard war Anwalt und von Grund auf immer ruhig und gelassen. Vor allem bei Rechtsfragen konnte er mir immer helfen, zum Beispiel ob es Kindesmisshandlung sei, den eigentlichen Entfaltungsraum des Sprösslings derart zwangszuvergrünern, dass einem der qietschgrüne Farbton schon durch die Türschwelle wie Gift entgegenspritzt.
Mein Vater lachte dann nur und sagte, dass es nur solche Probleme auf der Welt geben solle, denn dann wäre ja alles viel besser und einfacher. Aber die unbeschwerte Kindheit vergeht wie jeder Frühling. Und so muss man halt auch akzeptieren, dass es auf dieser Welt Unfrieden, Gewalt und Mord gibt.
Unter diesen Aspekten genoss ich jeden ruhigen Tag im Schoß meiner lieben Familie.
Nicht so gut hatte es dagegen Olivia. Sie lebte auf einem kleinen Bauernhof, zusammen mit ihrem Vater Wolfgang, der sich aber nicht wie ein guter Vater verhielt, sondern eher wie ein permanent schlechtgelaunter Spießer, dessen eintönige Wortwahl den wortkargsten Menschen zur Verzweiflung bringen konnte.
Wenn es nicht sein musste, schaffte er es auch, mit bestem Gewissen einmal kein einziges Wort hervorzubringen. Wobei sein Gesicht dann schon alles sagte, was man wissen musste. Aber Olivia nahm das scheinbar hin.
Ohne groß zu jammern oder sich auch nur ein bisschen Missmut anmerken zu lassen, lud sie mich immer zu sich ein, ohne sich für diesen stur und latent böse blickenden Mann, der sich Vater nannte, zu schämen. Wahrscheinlich sah sie ihm dieses schlechte Betragen nach. Er hatte nämlich seine Frau vor einigen Jahren verloren. Sie hatte einen Autounfall, bei dem sie von einem Unbekannten angefahren wurde. Ob das versehentlich geschah, oder ob eine böse Absicht dahinter stand, blieb ungeklärt, man ging aber von einem Unfall aus. Der Fahrer hatte sich aus dem Staub gemacht, bevor man ihn erkennen konnte. Zu allem Unglück geschah das mitten in der Nacht und dann auch noch auf der B55, die mitten durch den Wald führte. Natürlich waren dann keine potenziellen Zeugen in der Nähe, die sich das Nummernschild hätten einprägen können. Und natürlich konnte auch niemand einschätzen, ob jemand mit boshaftem Vorhaben beschleunigte, nachdem er Olivias Mutter (sie hieß übrigens Annabelle) gesehen hatte, oder ob das nur geschah, weil der Fahrer oder die Fahrerin sie eben gerade nicht wahrnahm. Jedenfalls fand man sie damals tot bei der Straße und wusste direkt, dass es sich hierbei um die Leiche der Annabelle Nowak handelte.
Es legte sich daraufhin ein Schatten, geschwängert von düsterem Schweigen, auf die Familie Nowak und deren Bekanntschaft. Denn Annabelle war überall sehr beliebt gewesen. Nicht nur wegen ihrer Schönheit, die eine wilde, schwarze Lockenmähne, die sie Olivia vererbte, und zwei wasserblaue Augen kennzeichneten, sondern auch ihrer liebenswerten Art.
Überall, wo sie war, vernahm man ein warmes, offenes Lachen und ihre wasserblauen Augen strahlten immer viel Liebe aus, wodurch sich jeder direkt wohl und geborgen fühlte. Auch für mich war sie immer ein bisschen wie eine Mutter.
Und auch in der Gesellschaft hatte sie oft Aufgaben übernommen. Gerade auf den...
Erscheint lt. Verlag | 31.1.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | erste große Liebe • Familienintrigen • Fantasie • Hellsichtigkeit • Jugend • Kindheit & • Kindheit & • Schicksalsschläge • Selbstintegrität |
ISBN-10 | 3-7584-6685-7 / 3758466857 |
ISBN-13 | 978-3-7584-6685-4 / 9783758466854 |
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Größe: 303 KB
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