Zwischenablage (eBook)

Was wäre, wenn ...

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
116 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7584-3627-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwischenablage -  Sam Winkel
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Vier Kurzgeschichten, die das Leben zeichnen. Nicht immer läuft es so wie gedacht. Nicht immer läuft alles nach Wunsch. Aber was wäre, wenn ...? Was, wenn dich die Vergangenheit einholt und plötzlich vor dir steht? Was, wenn du die Zukunft nicht sehen kannst, weil du keine hast oder keine haben möchtest? Was, wenn man dich zurückgelassen hat? Liebe, Beziehungen, Angst, Schatten und der Tod. Vier Geschichten, vier Menschen.

Sam Winkel lebt und wohnt in der Nähe von Hamburg und liebt Geschichten. Sam Winkel ist ein Pseudonym.

Sam Winkel lebt und wohnt in der Nähe von Hamburg und liebt Geschichten. Sam Winkel ist ein Pseudonym.

 

... du nicht mehr zurück kannst?

 

 

Ich hasse dieses Haus. »Glaubst du, Paul wird auch da sein?«, frage ich, während wir die scheinbar endlos lange Auffahrt hochfahren.

»Du meinst Paul, den Mann deiner Schwester?«, antwortet John.

»Kennen wir noch einen anderen Paul?«

»Paul Richter. Aber ich glaube nicht, dass unser Hundesitter eingeladen wurde.«

»Wäre zumindest mal eine Abwechslung. Aber ihn meine ich nicht.«

John guckt mich an.

Natürlich wird der Mann meiner Schwester dort sein. Es ist immerhin sein Haus und seine Party bzw. ihr gemeinsames Haus und ihre gemeinsame Party. So würde Paul es jetzt ausdrücken. Unser und gemeinsam. Wenn er daran mal gedacht hätte, als er mit dieser Büro-Schlampe etwas hatte.

»Fang nicht wieder von deinen Verdächtigungen ihm gegenüber an«, sagt John, als könne er meine Gedanken lesen. Ein angeborenes Talent dafür hat er. Wie er das allerdings macht, konnte ich bisher nicht herausfinden. Irgendwann werde ich noch dahinterkommen und dann bin ich die Gedankenleserin.

Eine Antwort kann ich John nicht geben, denn ich werde nie aufhören, meinen Verdacht zu äußern. Niemals. Ist doch seltsam, dass Paul sich stets um eine klare Antwort drückt, wenn es um Selina geht. Die sammelt doch Männer wie Knöpfe. Geht ihr mal einer verloren, näht sie einfach einen neuen an oder kauft sich eine neue Packung und hebt sich den Rest dann für später auf. Reserve-Knöpfe. Knopf-Schlampe. Ich warte auf den Tag, an dem sie gefeuert wird. Zu hoher Knopfverbrauch.

»Jo?«, reißt mich John aus meinen Gedanken. »Nicht heute, okay? Es soll ein netter und schöner Abend werden«, fügt er fast schon ermahnend hinzu.

»An mir liegt das nicht. Solange Paul sich benimmt.«

»Du weißt, dass er das immer macht.«

»Ja. Schon klar.«

Selbstverständlich benimmt sich Paul Meyer immer vorbildlich. Nicht einmal sein Name ist nicht nicht mustergültig. Nett und langweilig; das ist er. Und das ist das, was er jedem zeigt. Nicht weniger und schon gar nicht mehr. Alles Fassade. Alles nur Fassade.

Die Tür macht uns meine freudig dreinschauende Schwippschwägerin Paula auf.

Fehlende Kreativität ist offenbar eine Familienangelegenheit und der Schein des Seins ebenso, denn Paula lächelt Probleme meist gern weg. Lächeln und durch scheint ihr Motto zu sein. Mehr als eine normale Begrüßung konnte ich ihr trotzdem – oder deswegen – nie entgegenbringen. Schwippschwägerin hin oder her.

»Schön dich zu sehen«, sagt John.

Er ist immer so nett. Aber auch kreativ, also nicht so ein Scheinwesen wie die Meyers.

»Schön, dass ihr da seid«, antwortet die immer noch erfreute Paula. »Kommt rein.«

Das Haus ist wie aus dem Katalog, wenn es solche Kataloge gibt. Wie aus einer Deko-Show, als Musterbeispiel. Alles hat seinen Platz und es passt perfekt. Mir persönlich gefällt das weniger. Olivia früher auch nicht, bis sie dann Paul kennenlernte. Ab da war Katalog-Stil in Ordnung.

Ich finde meine Schwester in der Küche, neben ihrer besten Freundin Ina. Endlich gute Gesellschaft. Hier fällt die Begrüßung schon ganz anders aus.

»Wie viele Leute habt ihr denn eingeladen?«, fragt John verwundert, als er in den Garten guckt und die großen Tische sieht.

»Die üblichen Verdächtigen«, antwortet Paul, der gerade in den Raum kommt. Gewohnt überheblich und überheblich freundlich begrüßt er uns.

Warum musste sich meine Schwester ausgerechnet in diesen Mann verlieben? Und noch schlimmer: ihn heiraten. John tut mir an solchen Abenden ein wenig leid, weil er – wie das so oft ist – sich mit Paul beschäftigen muss. Dass es nun schon acht Jahre sind, macht es auch nicht besser oder einfacher. Glücklicherweise ist John kein Stück wie Paul. Aber sonst wären wir auch nicht zusammen. Nie im Leben.

Pauls sehr interessanten Informationen zum Ablauf des Abends folge ich nach zwei Sekunden schon nicht mehr. Das vorbereitete Essen erhält deutlich mehr Aufmerksamkeit von mir. Wenigstens das darf Olivia selbst machen. Nicht, dass sie das müsste. Dafür gäbe es sicherlich ein Catering oder nein, gleich einen Koch. Wenn schon, denn schon.

»Sind da Erbsen drin?«, frage ich Olivia und mache mich gedanklich schon über den Nudelsalat her.

»Ja. So wie Mama ihn immer macht«, antwortet sie.

Gut, dann nicht. Mama ist eine gute Köchin. Warum Erbsen in den Nudelsalat gehören, kann sie mir bis heute aber nicht fundiert erklären.

»Wir haben aber auch Kartoffelsalat«, sagt Olivia und zeigt mir den Rest des Essens.

Gegrillt soll offensichtlich werden. Und da Paul ist, wie er ist, hat er zwei Grills – erzählt er uns zufrieden. Einen für die Fleischesser und einen für die Gemüse-Fraktion. So nett, der Paul. So nett. Und zuvorkommend. Ja, so ist mein lieber Schwager.

John macht eine Kopfbewegung, die mir wohl sagen soll: Siehst du, er denkt daran. Und: Er ist so zuvorkommend. Das ist jetzt vielleicht nur meine Interpretation, aber John würde schon in diese Richtung denken. Er versucht mir Paul sozusagen schmackhaft zu machen. Dass das bisher keinen Erfolg hatte, sollte sichtbar sein. Warum John ihn nicht nicht mag, empfinde ich manchmal als Verrat. Manchmal, ein bisschen. Wir müssen doch zusammenhalten, finde ich.

Gut, dass Ina da ist, denn sie verdreht unbemerkt die Augen – ich sehe es jedoch – und drückt damit aus, was ich über Pauls Aussagen denke.

»Ist er nicht fantastisch?«, fragt Ina mich leise.

Ich nicke. Wir verstehen uns.

»Wo ist Valter?«, frage ich Ina, während Paul weiter auf John einredet..

Sie zeigt in den Garten und sagt: »Er ist bei den anderen.«

»Wer sind die anderen?«

»Ein paar Kollegen von Paul. Christoph, plus Anhang. Noch irgendwelche Freunde und du weißt schon ... Haben sie darüber nicht auf der Arbeit gesprochen?«

»Mit denen habe ich nicht viel zu tun. Zum Glück. Und Paul, na ja, du weißt, ich mache dort einen Bogen um ihn.«

»Weil du das sonst nicht machst?«, fragt Olivia.

»Stimmt auch wieder«, antworte ich.

Inas Betonung bei Anhang irritierte mich kurz, so wie ihr gleichzeitiges Hochziehen der Augenbrauen. Ich frage nach und Olivia erzählt mir von Christophs neuester Eroberung: Eine hübsche, blonde und sehr junge, modellähnliche Frau. Sie ist die Neue in einer immer länger werdenden Reihe von zeitweiligen Begleiterinnen. Oder sie ist nun die eine. Ja. Oder auch nicht. Wohl eher das, weil Christoph in der Hinsicht bisher nichts ausließ. Für mich ist er nur ein weiterer Beweis für Pauls Untreue. Schließlich umgibt man sich doch mit Menschen, die einem ähnlich sind und die ähnlich ticken. Paul tickt offenkundig nicht so, wie er es uns gerne weismachen will. Irgendwann werden meiner Schwester schon noch die Schuppen von den Augen fallen. Durch die Schichten muss ich mich erst einmal durchkämpfen. Ich gebe nicht auf.

Die Schwägerin vom Chef zu sein, ist an sich schon nicht wirklich doll. Dann aber die Schwägerin von einem solchen Chef zu sein, sprengt meine Belastbarkeit. Wie geht man mit einem Mann um, den man eigentlich jede Sekunde anschreien oder schlagen möchte? Der einzige Vorteil ist, dass ich ihn und Knopf-Schlampe Selina im Auge behalten kann, um Olivia endlich einen Beweis liefern zu können.

John geht derweil mit Paul raus und begrüßt die Leute. Ich bleibe lieber erst einmal drinnen. Andere Vorgesetzte wollte ich hier eigentlich nicht sehen. Außerdem wäre es wohl verwerflich gewesen, auch einmal Olivias Freunde und Kollegen einzuladen.

Weshalb sich meine große Schwester nicht gegen ihren Ehemann durchsetzt, werde ich nie verstehen, denn sie ist alles andere als nur ein dummes kleines Heimchen am Herd oder eine Trophäe, die man von Zeit zu Zeit präsentieren will. Johns vermeintliche Ermahnung vorhin ist längst verflogen. Dafür muss jedoch der Name Paul nur erwähnt werden. Der Rest geht dann sehr schnell.

Beim Blick nach draußen entdecke ich Tobias – Paulas Mann. Er sitzt neben dem Anhang, dem sehr schönen Anhang.

»Wie heißt die Neue von Christoph?«, frage ich.

»Chloe«, antwortet Olivia.

»Heißt sie wirklich so, oder ist das ein Künstlername?«

Olivia und Ina zucken mit den Schultern.

»Warum Künstlername?«, fragt Paula.

»Na, die ist doch bestimmt ein Model. So wie sie aussieht. Und war die letzte nicht ebenfalls ein Model?«, sage und frage ich.

»Ich glaube, das ist ihr richtiger Name«, antwortet Olivia.

Das fällt mir schwer zu glauben. Bei manchen ist der Name scheinbar Programm oder Vorsehung.

Alle Männer scharen sich um Christoph. Im Grunde wollen sie sich um Chloe scharen, das ist offensichtlich, also davon gehe ich aus. Kurz beobachte ich die Versammlung.

»Immer das Gleiche«, sage ich.

»Ach, die reden doch nur«, sagt Paula.

Olivia, Ina und ich gucken uns an.

Seit einiger Zeit vermuten wir, dass Tobias nicht mehr nur im heimischen Bett nach einer Frau sucht. Paula weiß davon jedoch nichts; von unserer Vermutung und der Suche in fremden Betten. Mein beauftragter Informant John konnte bisher keine genaueren Einzelheiten in Erfahrung bringen. Jedoch muss man sagen, dass wir mit Paula und Tobias nur zu tun haben, wenn es Familientreffen gibt oder eben eine Paul-Party. John ist sich bei dem Thema etwas unsicher. Grundsätzlich traut er Tobias den Betrug durchaus zu – so wie Paul. Da ist er Realist. Allerdings hätte er gerne triftige Gründe, bevor er dem einen oder dem anderen eine reinhauen würde, wenn es dazu käme und nötig...

Erscheint lt. Verlag 30.11.2023
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Beziehung • Dunkelheit • Krankheit • Paar • Probleme • verloren • Verlust
ISBN-10 3-7584-3627-3 / 3758436273
ISBN-13 978-3-7584-3627-7 / 9783758436277
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