3 Worte unterwegs - Dan K. Sigurd

3 Worte unterwegs (eBook)

Straßenpoesie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
232 Seiten
periplaneta (Verlag)
978-3-95996-260-5 (ISBN)
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Seit Jahren lässt Dan sich im Mauerpark von Passanten und Fans 3 Wörter geben, aus denen er dann spontan Gedichte auf seiner Schreibmaschine verfasst. In Berlin ist er damit äußerst erfolgreich, doch anstatt sich auf seinem Ruhm auszuruhen und die ganze Kohle zu verprassen, die er verdient, zieht der Straßenpoet wieder hinaus in die Welt ... die allerdings immer verrückter zu werden scheint.
Während Dan mit seinen Versen die Menschen in Hamburg, München, Prag und Gibraltar glücklich zu machen versucht, hadert er doch sehr mit dem, was sie so anstellen mit sich und der Welt, diese Menschen ...

Eine einzigartige Mischung aus Poesie und Reiseroman. Gedichte voll aus dem Leben und ein Blick hinter die Kulissen, die keine sind.



Der Straßenkünstler Dan K. Sigurd wurde 1990 in Berlin geboren, wuchs jedoch größtenteils in Hamburg auf. Zwischen zahlreichen ausgedehnten Reisen durch Europa und die USA studierte er Film, Politik und Psychologie an der Freien Universität sowie Regie an der filmArche in Berlin. Er gibt regelmäßig Lesungen seiner Werke und schreibt seit einigen Jahren Gedichte für Passanten im Mauerpark in Prenzlauer Berg. Einige seiner Kurzgeschichten verfilmte er in Eigenregie und feierte mit ihnen erste Festivalerfolge. www.Dan-K-Sigurd.de

Sachsen Anhalt
(Hitchhiker Festival)


Dan träumte davon, wie er durch ein surreales Schloss voller Außerirdischer und magischer Märchenwesen stolperte. Gerade weil er wusste, dass er früh aufstehen musste, hatte er ewig gebraucht, um einzuschlafen, und er wachte immer wieder schweißgebadet auf, davon überzeugt, dass er seinen Zug verpasst hatte.

„Mir wurde gesagt, du würdest heute Abend meine Poesie mit deiner Musik begleiten?“, sagte Dan zu einer jungen Frau mit stechend roten Augen, die nickte und ihn aufforderte, ihr zur Bühne zu folgen. Sie bahnten sich ihren Weg durch ein Labyrinth endloser Gänge und Dan war sich sicher, dass sie sich verirrt hatten.

„Wo bringst du mich hin? Schaffen wir das noch rechtzeitig?“, fragte er und geriet zunehmend in Panik. Die Frau drehte sich um, warf ihm einen weiteren hypnotischen, feurigen Blick zu und öffnete ihren Mund, der ein paar scharfe Reißzähne enthüllte. Sie machte einen Satz auf ihn zu, um ihn zu beißen, aber bevor sie ihre Zähne in seinem Hals versenken konnte, erschall der Wecker seines Handys und riss ihn aus seinen Träumen.

Dan rollte sich aus dem Bett und suchte eilig seine Sachen zusammen. Er packte ein paar Sandwiches und ein Handtuch ein und zog dann den kleinen roten Wagen mit seiner Schreibmaschine hinunter zur U-Bahn-Station, wo er den Touchscreen eines Fahrkartenautomaten nach einem speziellen neuen Ticket absuchte: Seit der Pandemie und vor allem seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine war die Inflation in vollem Gange. Die Neoliberalen behaupteten, sie seien für freie Marktwirtschaft und gegen staatliches Eingreifen, aber sie wussten auch, dass ihre Wähler Autos besaßen, weshalb sie Maßnahmen zur Senkung der Benzinpreise ergriffen hatten. Die Grünen, ihre Partner in dieser neuen unseligen Allianz, hatten darauf hingewiesen, dass dies im Kampf gegen den Klimawandel extrem kontraproduktiv war, und so hatte die Bundesregierung außerdem beschlossen, die Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel zu subventionieren. In den Sommermonaten konnte man nun eine Monatskarte für nur 9 € kaufen. Sie galt nicht nur in U-Bahnen und Bussen in der Stadt, sondern auch in Regionalzügen im ganzen Land. Der Automat spuckte ein kleines Stück Papier aus und Dan schrieb seinen Namen unter das Wort „deutschlandweit“. Dann stieg er in die U-Bahn und checkte die Nachrichten auf dem kaputten Touchscreen seines Handys:

„Tote und Schwerverletzte bei Zugunglück

Am letzten Schultag vor den Pfingstferien ist bei Garmisch-Partenkirchen ein Regionalzug entgleist. Laut Polizei kamen dabei vier Menschen ums Leben, es gibt viele Schwerverletzte.3

Dan schüttelte ungläubig den Kopf. ‚Das geht ja gut los‘, dachte er, als er eine weitere Schlagzeile sah:

Überfüllter Zug in Berlin-Gesundbrunnen gestoppt

Am Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen musste am Freitagnachmittag ein offenbar überfüllter Zug gestoppt werden. Ein Bahnsprecher sagte dem rbb, der RE5 nach Rostock habe etwa eine Stunde lang im Bahnhof gestanden. Reisende wurden gebeten, auszusteigen. Auch die Bundespolizei wurde zur Unterstützung dazugerufen. Nach einer Stunde konnte der Zug weiterfahren.

Pfingst-Reiseverkehr startete am Freitag

Wegen der Pfingstferien sind am Freitag viele Menschen aus Berlin in Richtung Ostsee aufgebrochen. Da seit Mittwoch auch das Neun-Euro-Ticket gilt, hatte die Bahn mit einem erhöten Fahrgastaufkommen in Regionalzügen gerechnet. Das Zugangebot ist deshalb aufgestockt worden4

Dan betete, dass ihm nicht das gleiche Schicksal widerfahren würde, als er aus der U-Bahn ausstieg, und durch eine riesige Glashalle zu dem Bahnsteig lief, wo sein Regionalzug gerade einfuhr. Er stieg ein, zusammen mit jeder Menge anderer Fahrgäste, aber zum Glück war dies der erste von mehreren Stops innerhalb der Stadt, und so fand er tatsächlich einen Sitzplatz. An jeder Station stiegen weitere gestresste, maskierte Gestalten ein und als sie den Hauptbahnhof hinter sich gelassen hatten, mussten sich einige Leute neben ihm in den Gang stellen. An der letzten Haltestelle am Stadtrand blieb schließlich auch kein Platz mehr zum Stehen und eine Stimme verkündete über die Lautsprecher: „Meine Damen und Herren, wir sind voll. Bitte steigen Sie nicht ein und warten Sie stattdessen auf den nächsten Zug! Bleiben Sie bitte von den Türen weg, sonst schließen die nicht!“

Dan war froh, dass er so früh eingestiegen war, denn bei dem spärlichen Fahrplan dieser regionalen ‚Express‘-Züge konnte man leicht seinen Anschlusszug verpassen, was die Reisezeit verdoppelte. Doch die Zeit verging, und sie blieben, wo sie waren. Gerade als Dan sich sicher war, dass auch sie hier noch mindestens eine Stunde festsitzen würden, setzte sich der Zug endlich wieder in Bewegung. Er überprüfte sein Handy auf Nachrichten von Oliver, dem Festivalveranstalter, der ihn für das Hitchhiker Festival gebucht hatte. Er hatte Dan gesagt, dass ihn jemand vom Hauptbahnhof Halle abholen würde, aber Dan wusste immer noch nicht, wer, wann und wo genau. Da das Festival bereits in vollem Gange war, konnte er Oliver jedoch nicht mehr erreichen.

‚Na, das wird schon!‘, sagte sich Dan. ‚Wenigstens habe ich mein Handtuch dabei!‘

Er holte seine zerschlissene Ausgabe von Per Anhalter durch die Galaxis heraus und las:

„...die Wirkung eines Pangalaktischen Donnergurglers ist so, als werde einem mit einem riesigen Goldbarren, der in Zitronenscheiben gehüllt ist, das Gehirn aus dem Kopf gedroschen.

Der Anhalter gibt einem auch Auskunft darüber, auf welchen Planeten die besten Pangalaktischen Donnergurgler gemixt werden, wie viel man über den Daumen gepeilt dafür bezahlen muss und welche freiwilligen Organisationen einem hinterher wieder auf die Beine helfen.5

‚Ich schätze, Oliver ist schon nicht mehr zurechnungsfähig weil er sich zu viele Pangalaktische Donnergurgler genehmigt hat‘, dachte Dan und blickte aus dem Fenster auf die üppige, grüne Landschaft. Ab und zu hielten sie an winzigen Stationen mit heruntergekommenen Bahnhofshäuschen. An einer dieser Stationen wiederholte sich die Stimme aus dem Lautsprecher: „Bleiben Sie bitte von den Türen weg!“

Das Piepsen der sich schließenden Türen war alle paar Minuten wieder und wieder zu hören, aber sie blieben, wo sie waren. Dan war sich nicht sicher, ob die Passagiere, die die Türen blockierten, wirklich das Problem waren, aber schließlich verkündete die körperlose Stimme: „Eine der Türen hat eine Fehlfunktion. Deshalb wird sich die Weiterfahrt ein wenig verzögern ...“

Das Piepen und Klappern der Türen ging weiter. Dan begann, sich Sorgen zu machen, ob er seinen Anschlusszug noch bekommen würde. Schließlich gaben sie auf und die Stimme verkündete: „Wegen einer Türstörung endet diese Zugfahrt hier. Bitte steigen Sie in den nächsten Zug von diesem Bahnsteig um!“

Dan folgte den frustrierten Massen nach draußen und setzte sich in den Schatten eines mit Graffiti beschmierten Gebäudes, dessen Fenster mit Holzbrettern zugenagelt waren. Er versuchte erneut, Oliver zu erreichen und kam schließlich durch. Als er feststellte, dass Dan noch immer eine zweistündige Autofahrt von ihnen entfernt war, schlug er vor, nach Berlin zurückzukehren, sollte es ihm nicht möglich sein, den nächsten Zug zu nehmen: „Vielleicht findet sich noch ein anderes Shuttle, das heute Nachmittag die Stadt verlässt und dich mitnehmen könnte.“

Dan versprach, ihn auf dem Laufenden zu halten. Kurz nachdem er aufgelegt hatte, begann ihr defekter Zug sehr langsam rückwärts zu rollen.

„Wenn er wieder fahren kann, warum können wir dann nicht weiterfahren?“, fragte eine Frau hinter Dan und ein paar andere Fahrgäste seufzten frustriert. Eine Anzeigetafel informierte sie darüber, dass die nächste Verbindung, die sie benutzen sollten, wegen eines „Polizeieinsatzes“ 20 Minuten Verspätung hatte. Dan bemerkte Polizeibeamte auf dem Bahnsteig und fragte sich, ob sie gekommen waren, um bei dem defekten Zug zu helfen - oder ob sie hier waren, um die Menge in Schach zu halten. Der Mob litt unter der stechenden Sonne und als eine weitere Stimme aus den Lautsprechern verkündete, dass der verspätete Zug komplett gestrichen worden war, war Dan sicher, dass ein Aufstand bevorstand. Er beschloss, zurück nach Berlin zu fahren, nur um gleich darauf festzustellen, dass auch der Zug zurück abgesagt worden war. Ein kräftiger Mann mit einem tätowierten Totenkopf im Nacken ging auf einen der Polizisten zu und fragte etwas, das Dan nicht verstehen konnte. Der Beamte forderte ihn auf, seine Maske aufzusetzen, und belehrte ihn dann mit fester Stimme: „Wenn es etwas praktisch für umsonst gibt, wollen es natürlich alle haben und am Ende bekommt dann niemand etwas ...“

Der tätowierte Mann sah aus, als wolle er dem Beamten eine Ohrfeige verpassen, doch dann beschloss er, seinen Unmut über die Hotline der Bahngesellschaft kundzutun. Nach ein paar vergeblichen Versuchen steckte er sein Telefon wieder in die Tasche, drehte sich zu seiner Frau um und grunzte: „Die Scheiß-Hotline funktioniert nicht - natürlich!“

Eine weitere Durchsage informierte sie, dass der nächste Zug Verspätung hatte - aber noch nicht komplett gestrichen war. Und etwa eine halbe Stunde später tauchte er tatsächlich am Horizont auf. Die Menge jubelte und bewegte sich instinktiv nach vorne. Die Polizei musste sie hinter die weiße Linie...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2023
Reihe/Serie Edition MundWerk
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Berlin • Berliner Mauer • drei Worte unterwegs • East Side Gallery • Erzählung • Freie Kultur • freie Kunstszene • Gedichte • Gib mir drei Worte • Gibraltar • Impro • Impro-Lyrik • Improvisation • Künstleralltag • Kunst und Kultur • Lyrik • Mauerpark • Poems • Reise • Schreibmaschine • Spontanität • Storys • Straßenkünstler • Verse • Zeitdokument
ISBN-10 3-95996-260-6 / 3959962606
ISBN-13 978-3-95996-260-5 / 9783959962605
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