Die Konkurrentin (eBook)

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2023 | 1. Auflage
528 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61419-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Konkurrentin -  Hans Werner Kettenbach
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Eine sympathische Frau strebt das höchste Amt der Stadt an. Doch sie hat starke Gegner, die versuchen, ihr den Weg zu verlegen. Die Konkurrentin ist ein satirischer Politthriller über die Rituale und Taktiken, ohne die in der Demokratie keine Wahlen zu gewinnen sind. Es ist zugleich ein ergreifender Roman über den Konflikt zweier ungleicher Schwestern und damit die Erinnerung an ein dramatisches Kapitel deutscher Geschichte.

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ?Kölner Stadt-Anzeiger?. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (?Plärrer?), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.

Hans Werner Kettenbach, geboren 1928, war Journalist und zuletzt stellvertretender Chefredakteur beim ›Kölner Stadt-Anzeiger‹. Mit fünfzig schrieb er seinen ersten Roman. Insgesamt sind fünfzehn Romane erschienen, von denen fünf verfilmt wurden. Die Kritik hat sie mit den Werken von Sjöwall / Wahlöö (›Plärrer‹), Simenon und Patricia Highsmith (FAZ) verglichen. 2009 erhielt Kettenbach den »Ehrenglauser« für sein Lebenswerk. Er starb am 5. Januar 2018 in Köln.

Um diesen Punkt abzuschließen, ein für allemal: Sicherlich würde sich heute nur noch ein Masochist, nein, nur ein Lebensmüder mit dem Argument hervorwagen oder auch bloß mit der Andeutung, eine Frau wie sie gehöre eher ins Bett als in die Politik. Aber nicht wenige ihrer Parteifreunde werden genau so denken, wenn nicht sogar genau so empfinden, sozusagen, nämlich in den verborgenen Tiefen ihres Genitalbereichs, und ausschlaggebend ist ja nicht das, was sie bei der Diskussion über die Kandidaten daherschwätzen, sondern wem sie am Ende ihre Stimme geben, hinter dem Paravent der geheimen Wahl, bei der niemand ihre Diskussionsbeiträge als zielbewußte Irreführung erkennen kann. Und daß auf der anderen Seite die Frauen unter den Delegierten dieser Wahlversammlung sich rückhaltlos mit ihrer Geschlechtsgenossin solidarisieren würden, kann ich mir schon gar nicht vorstellen. Ich habe oft genug die giftigen Blicke beobachtet, wenn wir bei einem Empfang oder irgendeinem anderen Auftrieb, an dem ich in ihrem Schlepptau teilnehmen durfte, erschienen und alsbald die Kerle sich an sie heranmachten.

Sie ist nicht ganz ohne Schuld daran. Sie ist … wie soll ich es nennen?

Paßt die ausgeleierte Metapher, daß sie gern mit dem Feuer spielt? Vielleicht läßt es sich so beschreiben, ja. Sie spielt gern mit dem Feuer, noch immer und trotz der vierundfünfzig Jahre, die ihr freilich niemand ansieht. Sie hat es schon mit neunzehn getan, als sie mit einem verstauchten Daumen, den sie sich bei einem Handballspiel eingehandelt hatte, zu mir in die Praxis kam. Ich überwies sie sicherheitshalber und nicht zuletzt, weil ich schon auf den ersten Blick fürchtete, daß ich an dieser Behandlung ein allzu großes Gefallen finden könnte, an den Orthopäden.

Wahrscheinlich hat sie mich durchschaut, schon auf den ersten Blick. Ich habe sie nie danach fragen wollen, und sie hat mir auch nie offenbart, daß es so war. Sie kam jedenfalls immer wieder zu mir zurück, mal zur Kontrolle des Daumens, in dem sie ein jähes, sehr schmerzhaftes Stechen verspürt habe, mal mit einem leichten Fieber, hin und wieder auch mit Symptomen, die ich kurzerhand simuliert genannt hätte, wenn sie, wenn Lene, wenn dieses wahr und wahrhaftig bildschöne Weib nicht bei der Befragung über derlei Molesten solch eine Augenweide gewesen wäre und bei jeder näheren Untersuchung solch ein Abenteuer für meine Fingerkuppen.

Sie kam so lange zurück, bis ich eines Tages sehr plötzlich Witwer mit zwei Kindern geworden war, und sobald sie das erfahren hatte, überzeugte sie mich im Handumdrehen nicht nur davon, daß die siebzehn Lebensjahre, die ich älter war als sie, einer Ehe und dem solcherart gefestigten gemeinsamen Glück nicht im Wege wären; sie trieb mir ebenso meine Zweifel daran aus, daß sie einem zehnjährigen Jungen und einem sechsjährigen Mädchen die Mutter ersetzen und beide großziehen könnte. Sie hat es tatsächlich gekonnt, und sie ist auch nach der Geburt unserer gemeinsamen Tochter, die sie mit einundzwanzig zur Welt brachte, dieser Aufgabe ohne Abstriche gerecht geworden. Es gab keinen Unterschied zwischen René und Clara auf der einen, Birgit auf der anderen Seite, alle drei waren gleichermaßen Lenes Kinder, und sie war allen dreien gleichermaßen die Mutter, eine perfekte Mutter, könnte man sagen, wenn das nicht so penetrant nach Frauen-Schrifttum klänge.

Allerdings hat sie sich nie von dieser Aufgabe absorbieren lassen, und auch von keiner anderen der vielen Aufgaben, die sie übernommen und zielstrebig gelöst hat. Was sie darüber hinaus noch wollte, all das, was ihr nicht minder wichtig war, das hat sie nie aus den Augen verloren. Zum Beispiel ihren Sport. Ihren Theaterabend. Und zum Beispiel, nun ja: das Spiel mit dem Feuer.

Hin und wieder hat sie in unserer Umgebung für Unruhe gesorgt. Hin und wieder gab es Ereignisse wie das unter Beteiligung des Steuerberaters, der mit seiner Frau und den vier Kindern im Haus gegenüber wohnte. An einem frühen Mittwochabend im Oktober, es war zu Beginn des Quartals, und ich war mit der Abrechnung früher fertig geworden, als ich erwartet hatte, ich kam gegen sechs nach Hause, die Blätter der Bäume waren schwer vom Regen, sie waren noch grün, und während ich aus dem Auto stieg und genießerisch die Luft einsog, sah ich im Garten gegenüber die Frau des Steuerberaters. Sie hatte mich anscheinend nicht bemerkt, sie verschwand ohne Gruß hinter der dichten Hecke, als ob sie dort etwas zu tun hätte, was mich wunderte, denn für die Gartenarbeit ließ der Steuerberater einen Gärtner kommen, ich hatte weder sie noch ihren Mann je im Garten arbeiten sehen.

Ich schloß meine Haustür auf und wollte eintreten, als mir aus dem Wohnzimmer der Steuerberater entgegenkam. Er begrüßte mich ein wenig überschwenglich, so kam es mir vor, erzählte mir ein wenig überhastet etwas schwer Verständliches von einem sehr günstigen Angebot zur Kapitalanlage, das er mir habe zeigen wollen, er habe den Prospekt zurückgelassen, und wenn ich interessiert sei, könne er mir in den nächsten Tagen noch ein paar Informationen dazu geben, jetzt sei es leider zu spät dafür geworden, seine Frau warte wahrscheinlich mit dem Essen, einen schönen Abend noch, und verschwunden war er.

Ich begrüßte Lene, die sich im Hintergrund gehalten hatte, sie stand in der Tür des Wohnzimmers, im verdämmernden Licht des Herbsttages, da die Lampen noch nicht brannten. Ich schaltete die Lampen ein und fragte, wo die Kinder seien. Sie sagte, die Kinder seien noch unterwegs, René habe mit einem Freund ins Kino gehen wollen, und Claras Flötenstunde sei auf fünf verlegt worden, sie müsse aber jeden Augenblick nach Hause kommen, und die Kleine sei müde gewesen, sie habe sie in ihren Korb gelegt, und dort schlummere sie jetzt friedlich. Ich war mir nicht sicher, aber mir schien, als sei sie ein wenig außer Atem. Sicher war ich mir, daß auf ihrer Stirn ein feiner Schweißfilm haftete.

Erst ein paar Monate später kam ich darauf, daß die Frau des Steuerberaters seit diesem Abend nicht mehr in meiner Praxis erschienen war, auch keines seiner Kinder und er selbst auch nicht, obwohl er von einer chronischen Gastritis und sie von einem hartnäckigen endogenen Ekzem geplagt wurde, welche Übel ich zuvor regelmäßig und bei beiden mehrfach im Jahr behandelt hatte. Ich fragte Lene nicht, was sie davon halte. Vielleicht spielten ja die Kinder noch immer miteinander, vielleicht gab es noch immer sogar die gelegentlichen Gespräche über den Gartenzaun. Ich weiß es nicht. Mir fiel allerdings auch auf, daß wir von diesen Nachbarn nicht mehr eingeladen wurden. Zwar hatte derlei Umgang ohnehin nicht allzu oft stattgefunden, ich mochte die Leute nicht besonders, die zu ihnen kamen, seine Klientel im wesentlichen, ein dümmliches, hochnäsiges Volk, und die mochten mich nicht, vermute ich. Aber der Schnitt war deshalb so auffällig, weil auch Lene die beiden nicht mehr zu uns einlud. Ich fragte sie nicht nach dem Grund.

Ich habe sie nie gefragt bei solchen Gelegenheiten, Ereignissen wie an diesem Oktoberabend. Es gab einige davon, im Laufe unserer vierunddreißig Ehejahre. Ein vager Glanz in ihren Augen, eine ungewohnte, verhaltene Aura, die ich manchmal schier zu riechen glaubte. Allerdings nur selten dann, wenn ich nach Hause kam, wie an dem Abend, an dem der Steuerberater seine Empfehlung zur Kapitalanlage hinterlassen hatte. Ein wenig öfter schon, wenn sie nach Hause kam, gegen elf, auch schon mal gegen Mitternacht, von der Gymnastikgruppe oder hernach von einer Versammlung der Bürgerinitiative, dann der Partei. Ich sprach nie aus, was ich befürchtete. Ich fürchtete vielmehr, daß sie mir ungefragt offenbaren könnte, woher sie kam und was sie erlebt hatte.

Das war feige, natürlich. Aber ich weiß nicht, wie ich anders die Abende hätte überstehen sollen, an denen sie gegangen war, um an diesem Training, jener Versammlung, Diskussion, Vorstandssitzung teilzunehmen, oder zuletzt, um die Veranstaltungen zu garnieren, bei denen sie den Oberbürgermeister vertreten mußte, Repräsentationspflichten, die bekanntlich lange dauern konnten. Und es wird auch keiner mir zu sagen wissen, wie ich anders die Nächte hätte überstehen sollen, in denen sie zu Parteitagen, Kongressen, zu Informationsreisen des Ausschusses für dieses oder jenes unterwegs war.

Ich versuchte immer wieder mir klarzumachen, daß ich keinerlei triftigen Grund für meinen quälenden Verdacht hatte; den Verdacht, ja, sie sei mir untreu. Ich versuchte mir klarzumachen, daß ich an primitiver nackter Eifersucht litt, Eifersucht auf jeden, der bei ihr sein konnte, wenn es mir verwehrt war. Ja, ja, der kurze Atem, der dünne Schweiß auf ihrer Stirn; der Glanz in den Augen, die Empfindung, einen merkwürdigen Geruch wahrzunehmen, ohne ihn exakt definieren zu können. Aber das alles waren doch keine Beweise. War es nicht ebensogut möglich, daß all das, was mich quälte, nur in meinem Kopf existierte, Hirngespinste, erzeugt von meiner Eifersucht? Natürlich war das möglich. War es nicht sogar wahrscheinlich?

Um diesen Punkt nun wirklich ein für allemal abzuschließen: Einmal habe ich mich um ein Haar mit einem Kegelbruder geprügelt, der eine dumme, boshafte Anspielung hatte fallenlassen, eine grinsende Bemerkung über jüngere Ehefrauen, von denen manche schwerer zu hüten seien als ein Sack Flöhe. Die anderen Kegelbrüder trennten uns, und er entschuldigte sich sofort, er sagte, er habe nur so dahergeredet und es tue ihm leid. Ich war später ein paarmal in Versuchung, ihn unter vier Augen zu fragen, ob er tatsächlich nur dahergeredet habe. Ich ließ das. Aber wenn er mehr gewußt hat, als er auszusprechen den Mut hatte,...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amt • Aufstieg • Demokratie • Deutsche Geschichte • Deutschland • Familiengeschichte • Frau • Immobilienhai • Kettenbach • Kommunalpolitik • Konflikt • Oberbürgermeister • Politik • Politthriller • Rituale • Roman • Satire • Schwestern • Stadt • Taktiken • Thriller • Wahlen
ISBN-10 3-257-61419-5 / 3257614195
ISBN-13 978-3-257-61419-0 / 9783257614190
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