Der gestiefelte Kater. Kindermärchen in drei Akten. Mit Zwischenspielen, einem Prologe und Epiloge (eBook)

Tieck, Ludwig - Deutsche Klassiker der Literatur - 14386

(Autor)

Helmut Kreuzer (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
88 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962141-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der gestiefelte Kater. Kindermärchen in drei Akten. Mit Zwischenspielen, einem Prologe und Epiloge -  Ludwig Tieck
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Tiecks 'Gestiefelter Kater', als Schauspiel eines Schauspiels konzipiert, ist ein Balanceakt auf der Grenze zwischen Tiefsinn und Unsinn, ein geistreich-witziges Spiel mit der Illusion, mit mehreren Spielebenen und Rollendimensionen. Es realisiert romantische Ironie als Spiegelung des Stücks im Stück: Inhalt ist ein missglückter Theaterabend, der halb scheiternde Versuch einer fiktiven Theatertruppe, das Märchenstück eines fiktiven Autors vor einem fiktiven Publikum aufzuführen. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

(Johann) Ludwig Tieck (31.5.1773 Berlin - 28.4.1853 Berlin) zählt zusammen mit Novalis und den Schlegel-Brüdern zu den wesentlichen Protagonisten der literarischen Romantik. Neben seiner Tätigkeit als freier Schriftsteller war er ab 1825 in Dresden als Hofrat und Dramaturg am Hoftheater tätig. 1842 folgte er dem Ruf König Friedrich Wilhelms IV. als Theatermacher nach Berlin, wo er auch seinen Lebensabend verbrachte. Tieck begann bereits auf dem Gymnasium mit dem Verfassen von Dramen und Erzählungen. Der Briefroman »William Lovell«, in dem er den Niedergang eines enterbten jungen Briten beschreibt, steht am Beginn seines romantischen Schaffens. Besondere Bekanntheit erlangte Tieck mit dem Verfassen von Märchen: In den Bereich des Schauerromans begibt er sich mit »Der blonde Eckbert«, während »Der Runenberg« in romantischer Manier mit der Unvereinbarkeit von Realität und idyllischer Verklärung spielt. »Der gestiefelte Kater« - sein wohl bekanntestes Märchenspiel - löste, aufgrund des sprechenden Katers als Protagonist und dem fiktiven unerbittlichen Publikum auf der Bühne, bei seiner Uraufführung einen öffentlichen, aber auch von Tieck kalkulierten Eklat aus.

(Johann) Ludwig Tieck (31.5.1773 Berlin – 28.4.1853 Berlin) zählt zusammen mit Novalis und den Schlegel-Brüdern zu den wesentlichen Protagonisten der literarischen Romantik. Neben seiner Tätigkeit als freier Schriftsteller war er ab 1825 in Dresden als Hofrat und Dramaturg am Hoftheater tätig. 1842 folgte er dem Ruf König Friedrich Wilhelms IV. als Theatermacher nach Berlin, wo er auch seinen Lebensabend verbrachte. Tieck begann bereits auf dem Gymnasium mit dem Verfassen von Dramen und Erzählungen. Der Briefroman »William Lovell«, in dem er den Niedergang eines enterbten jungen Briten beschreibt, steht am Beginn seines romantischen Schaffens. Besondere Bekanntheit erlangte Tieck mit dem Verfassen von Märchen: In den Bereich des Schauerromans begibt er sich mit »Der blonde Eckbert«, während »Der Runenberg« in romantischer Manier mit der Unvereinbarkeit von Realität und idyllischer Verklärung spielt. »Der gestiefelte Kater« – sein wohl bekanntestes Märchenspiel – löste, aufgrund des sprechenden Katers als Protagonist und dem fiktiven unerbittlichen Publikum auf der Bühne, bei seiner Uraufführung einen öffentlichen, aber auch von Tieck kalkulierten Eklat aus.

Der gestiefelte Kater

Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort

[13]Erster Akt


Kleine Bauernstube. Lorenz. Barthel. Gottlieb. – Der Kater Hinz liegt auf einem Schemel am Ofen.

LORENZ. Ich glaube, dass nach dem Ableben unsers Vaters unser kleines Vermögen sich bald wird einteilen lassen. Ihr wisst, dass der selige Mann nur drei Stücke von Belang zurückgelassen hat, ein Pferd, einen Ochsen und jenen Kater dort. Ich, als der Älteste, nehme das Pferd, Barthel, der nächste nach mir, bekömmt den Ochsen, und so bleibt denn natürlicherweise für unsern jüngsten Bruder der Kater übrig.

LEUTNER (im Parterre). Um Gottes willen! hat man schon eine solche Exposition gesehn! Man sehe doch, wie tief die dramatische Kunst gesunken ist!

MÜLLER. Aber ich habe doch alles recht gut verstanden.

LEUTNER. Das ist ja eben der Fehler, man muss es dem Zuschauer so verstohlnerweise unter den Fuß geben, aber nicht so gradezu in den Bart werfen.

MÜLLER. Aber man weiß doch nun, woran man ist.

LEUTNER. Das muss man ja aber nicht so geschwinde wissen; dass man so nach und nach hineinkömmt, ist ja eben der beste Spaß.

BARTHEL. Ich glaube, Bruder Gottlieb, Du wirst auch mit der Einteilung zufrieden sein, Du bist leider der Jüngste, und da musst Du uns einige Vorrechte lassen.

GOTTLIEB. Freilich wohl.

SCHLOSSER. Aber, warum mischt sich denn das Pupillenkollegium nicht in die Erbschaft? Welche Unwahrscheinlichkeiten!

[14]LORENZ. So wollen wir denn nun gehn, lieber Gottlieb, lebe wohl, lass Dir die Zeit nicht lang werden.

GOTTLIEB. Adieu.

 (Die Brüder gehn ab.)

GOTTLIEB (allein. Monolog). Sie gehn fort – und ich bin allein. – Wir haben alle drei unsre Wohnungen, Lorenz kann mit seinem Pferde doch den Acker bebauen, Barthel kann seinen Ochsen schlachten und einsalzen, und eine Zeitlang davon leben, – aber was soll ich armer Unglückseliger mit meinem Kater anfangen? – Höchstens kann ich mir aus seinem Felle für den Winter einen Muff machen lassen, aber ich glaube, er ist jetzt noch dazu in der Rauhe. – Da liegt er und schläft ganz geruhig, – armer Hinze! wir werden uns bald trennen müssen. Es tut mir leid, ich habe ihn auferzogen, ich kenne ihn, wie mich selber, – aber er wird dran glauben müssen, ich kann mir nicht helfen, ich muss ihn wahrhaftig verkaufen. – Er sieht mich an, als wenn er mich verstände, es fehlt wenig, so fang ich an zu weinen. (Er geht in Gedanken auf und ab.)

MÜLLER. Nun, seht Ihr wohl, dass es ein rührendes Familiengemälde wird? Der Bauer ist arm und ohne Geld, er wird nun in der äußersten Not sein treues Haustier verkaufen, an irgend ein empfindsames Fräulein, und dadurch wird am Ende sein Glück gegründet werden. – Es ist vielleicht eine Nachahmung vom Papagei von Kotzebue, aus dem Vogel ist hier eine Katze gemacht, und das Stück findet sich von selbst.

FISCHER. Nun es so kömmt, bin ich auch zufrieden.

HINZE, DER KATER (richtet sich auf, dehnt sich, macht einen hohen Buckel, gähnt und spricht dann:) – Mein lieber Gottlieb, – ich habe ein ordentliches Mitleid mit Euch.

[15]GOTTLIEB (erstaunt). Wie, Kater, Du sprichst?

DIE KUNSTRICHTER (im Parterre). – Der Kater spricht? – Was ist denn das?

FISCHER. Unmöglich kann ich da in eine vernünftige Illusion hineinkommen.

MÜLLER. Eh ich mich so täuschen lasse, will ich lieber zeitlebens kein Stück wieder sehn.

HINZE. Warum soll ich nicht sprechen können, Gottlieb?

GOTTLIEB. Ich hätt es nicht vermutet, ich habe zeitlebens noch keine Katze sprechen hören.

HINZE. Ihr meint, weil wir nicht immer in alles mitreden, wären wir gar Hunde.

GOTTLIEB. Ich denke, Ihr seid bloß dazu da, Mäuse zu fangen.

HINZE. Wenn wir nicht im Umgang mit den Menschen eine gewisse Verachtung gegen die Sprache bekämen, so könnten wir alle sprechen.

GOTTLIEB. Nun, das gesteh ich! – Aber warum lasst Ihr Euch denn so gar nichts merken?

HINZE. Um uns keine Verantwortungen zuzuziehn, denn wenn uns sogenannten Tieren noch erst die Sprache angeprügelt würde, so wäre gar keine Freude mehr auf der Welt. Was muss der Hund nicht alles tun und lernen! Das Pferd! es sind dumme Tiere, dass sie sich ihren Verstand merken lassen, sie müssen ihrer Eitelkeit durchaus nachgeben, wir Katzen sind noch immer das freieste Geschlecht, weil wir uns bei aller unsrer Geschicklichkeit so ungeschickt anzustellen wissen, dass es der Mensch ganz aufgibt, uns zu erziehn.

GOTTLIEB. Aber warum entdeckst Du mir das alles?

[16]HINZE. Weil Ihr ein guter, ein edler Mann seid, einer von den wenigen, die keinen Gefallen an Dienstbarkeit und Sklaverei finden, seht, darum entdecke ich mich Euch ganz und gar.

GOTTLIEB (reicht ihm die Hand). Braver Freund!

HINZE. Die Menschen stehn in dem Irrtume, dass an uns jenes instinktmäßige Murren, das aus einem gewissen Wohlbehagen entsteht, das einzige Merkwürdige sei, sie streicheln uns daher oft auf eine ungeschickte Weise und wir spinnen dann gewöhnlich nur, um uns vor Schlägen zu sichern. Wüssten sie aber mit uns auf die wahre Art umzugehn, glaube mir, sie würden unsre gute Natur zu allem gewöhnen, und Michel, der Kater bei Eurem Nachbar, lässt es sich sogar zuweilen gefallen, für den König durch einen Tonnenband zu springen.

GOTTLIEB. Da hast Du Recht.

HINZE. Ich liebe Euch, Gottlieb, ganz vorzüglich. Ihr habt mich nie gegen den Strich gestreichelt, Ihr habt mich schlafen lassen, wenn es mir recht war, Ihr habt Euch widersetzt, wenn Eure Brüder mich manchmal aufnehmen wollten, um mit mir ins Dunkle zu gehn, und die sogenannten elektrischen Funken zu beobachten, – für alles dieses will ich nun dankbar sein.

GOTTLIEB. Edelmütiger Hinze! Ha, mit welchem Unrechte wird von Euch schlecht und verächtlich gesprochen, Eure Treue und Anhänglichkeit bezweifelt! Die Augen gehn mir auf, – welchen Zuwachs von Menschenkenntnis bekomme ich so unerwartet!

FISCHER. Freunde, wo ist unsre Hoffnung zu einem Familiengemälde geblieben?

LEUTNER. Es ist doch fast zu toll.

[17]SCHLOSSER. Ich bin wie im Traum.

HINZE. Ihr seid ein braver Mann, Gottlieb, – aber nehmt’s mir nicht übel, Ihr seid etwas eingeschränkt, borniert, keiner der besten Köpfe, wenn ich frei heraussprechen soll.

GOTTLIEB. Ach Gott, nein.

HINZE. Ihr wisst zum Beispiel jetzt nicht, was Ihr anfangen wollt.

GOTTLIEB. Du hast ganz meine Gedanken.

HINZE. Wenn Ihr Euch auch einen Muff aus meinem Pelze machen ließet, –

GOTTLIEB. Nimm’s nicht übel, Kamerad, dass mir das vorher nur so durch den Kopf fuhr.

HINZE. Ach nein, es war ein ganz menschlicher Gedanke. – Wisst Ihr kein Mittel, Euch durchzubringen?

GOTTLIEB. Kein einziges!

HINZE. Ihr könntet mit mir herumziehn und mich für Geld sehen lassen, – aber das ist immer keine sichere Lebensart.

GOTTLIEB. Nein.

HINZE. Ihr könntet ein Journal herausgeben, oder eine deutsche Zeitung, mit dem Motto: Homo sum, – oder einen Roman, ich wollte Euer Mitarbeiter sein, – aber das ist zu umständlich.

GOTTLIEB. Ja.

HINZE. Nun, ich will schon noch besser für Euch sorgen, – verlasst Euch drauf, dass Ihr durch mich noch ganz glücklich werden sollt.

GOTTLIEB. O bester, edelmütigster Mann. (Er umarmt ihn zärtlich.)

HINZE. Aber Ihr müsst mir auch trauen.

[18]GOTTLIEB. Vollkommen, ich kenne ja jetzt Dein redliches Gemüt.

HINZE. Nun, so tut mir den Gefallen und holt mir sogleich den Schuhmacher, dass er mir ein Paar Stiefeln anmesse.

GOTTLIEB. Den Schuhmacher? – Stiefeln?

HINZE. Ihr wundert Euch, aber bei dem, was ich für Euch zu tun gesonnen bin, habe ich so viel zu gehn und zu laufen, dass ich notwendig Stiefeln tragen muss.

GOTTLIEB. Aber warum nicht Schuh’?

HINZE. Gottlieb, Ihr versteht das Ding nicht, ich muss dadurch ein Ansehn bekommen, ein imponierendes Wesen, kurz eine gewisse Männlichkeit, die man in Schuhen zeitlebens nicht hat.

GOTTLIEB. Nun, wie Du meinst, – aber der Schuster wird sich wundern.

HINZE. Gar nicht, man muss nur nicht tun, als wenn es etwas Besonders wäre, dass ich Stiefeln tragen will; man gewöhnt sich an alles.

GOTTLIEB. Ja wohl, ist mir doch der Diskurs mit Dir ordentlich...

Erscheint lt. Verlag 19.5.2023
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Nachwort Helmut Kreuzer
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Belletristik • Deutsch • Deutsch-Unterricht • Deutschunterricht Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater • gelb • gelbe bücher • Hanswurst • Heft Reclam Erzählung • Heft Reclam Geschichte • Heft Reclam Kunstmärchen • Heft Reclam Kurzgeschichte Romantik • Heft Reclam Literatur Romantik • Heft Reclam Märchen • Heft Reclam Sprechende Katze • Ironie • Klassenlektüre • Klassiker • Klassische Belletristik • Komödie • König • Lektüre • Lektüre Erzählung • Lektüre Geschichte • Lektüre Kunstmärchen • Lektüre Kurzgeschichte Romantik • Lektüre Literatur Romantik • Lektüre Märchen • Lektüre Sprechende Katze • Literatur • Literatur Epoche Romantik • Literatur Klassiker • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Heft Reclam • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Lektüre • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Reclamausgabe • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Reclam Ausgabe • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Reclamheft • Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater Textausgabe • Ludwig Tieck Erzählung • Ludwig Tieck Geschichte • Ludwig Tieck Kunstmärchen • Ludwig Tieck Kurzgeschichte Romantik • Ludwig Tieck Literatur Romantik • Ludwig Tieck Märchen • Ludwig Tieck Sprechende Katze • Märchen • Prosa • Publikumsbeschimpfung • Reclam • Reclamausgabe Erzählung • Reclam Ausgabe Erzählung • Reclamausgabe Geschichte • Reclam Ausgabe Geschichte • Reclamausgabe Kunstmärchen • Reclam Ausgabe Kunstmärchen • Reclamausgabe Kurzgeschichte Romantik • Reclam Ausgabe Kurzgeschichte Romantik • Reclamausgabe Literatur Romantik • Reclam Ausgabe Literatur Romantik • Reclamausgabe Märchen • Reclam Ausgabe Märchen • Reclamausgabe Sprechende Katze • Reclam Ausgabe Sprechende Katze • Reclam Hefte • Reclamheft Erzählung • Reclamheft Geschichte • Reclamheft Kunstmärchen • Reclamheft Kurzgeschichte Romantik • Reclamheft Literatur Romantik • Reclamheft Märchen • Reclamheft Sprechende Katze • Reclams Universal Bibliothek • Romantik • Satire • Schullektüre • Schullektüre Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater • Sekundarstufe Ludwig Tieck Der gestiefelte Kater • Stück im Stück • Textausgabe Erzählung • Textausgabe Geschichte • Textausgabe Kunstmärchen • Textausgabe Kurzgeschichte Romantik • Textausgabe Literatur Romantik • Textausgabe Märchen • Textausgabe Sprechende Katze • Theaterstück • universalbibliothek • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-962141-3 / 3159621413
ISBN-13 978-3-15-962141-8 / 9783159621418
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