Werke (eBook)

Werke 4: Die Stücke 2

(Autor)

Frank Hörnigk (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
600 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76101-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Werke - Heiner Müller
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Die in diesem Band abgedruckten Stücke sind zwischen 1967 und 1977 entstanden. In der Theaterpraxis und vor allem in der Zusammenarbeit mit Robert Wilson entwickelt Müller neue ästhetische Möglichkeiten des Theaters. Im Zentrum seiner Arbeiten steht die Auseinandersetzung mit historischen und mythologischen Stoffen sowie großen literarischen Vorlagen. Was ihn beschäftigt, ist mit den Stichworten Deutschland, deutsche Geschichte, Nationalsozialismus, Preußen, Geschichte der russischen Revolution, Shakespeare, Antike, Terror und Gewalt im geschichtlichen Prozeß nur grob umrissen. Stets versucht Müller, die im historischen Material liegende allgemeine Gewalt historischer Verhältnisse aufzurufen und erkennbar zu halten.



<p>Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, war einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zudem war er Lyriker, Prosa-Autor und Essayist sowie Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er ist am 30. Dezember 1995 in Berlin verstorben.</p>

PROMETHEUS

Nach Aischylos

PERSONEN

Prometheus

Kratos und Bia

Hephaistos

Okeanos

Io

Hermes

Chor

KRATOS UND BIA   Ans Ende sind wir gekommen der Welt

Von Menschen leer. Deine Arbeit, Hephaistos

Mußt du jetzt ausführen, die der Vater befohlen hat

Zeus, an den Fels schlagen den da

Mit unlöslichem Eisen das Fleisch

Das sich empört hat

Und beraubt dein Feuer

Das allgeschickte

Menschen zum Gebrauch

Damit er lerne des Zeus Herrschaft

Und aushalten den Stolz

Und die Liebe zu Sterblichem

Fleisch an Stein.

HEPHAISTOS   Für dich dein Auftrag

Hat ein Ende also, und nichts mehr zwischen

Mir und meinem Auftrag. Aus dem Griff

Deiner Fäuste entlassen in meine Hand

Ist der Verwandte.

Wie kann ichs aber

An den Berg binden roh in harten Winter

Weil er das glänzende nahm, mein Feuer

Und seinen Gebrauch weiß, diesen?

Das muß ich jetzt tun.

Nicht achten nämlich des Zeus Wort

Ist schwer und nicht

Trägt das mein Rücken, mit Arbeit krumm.

Sohn der Themis, viel planender, unwillig

In haltbarer Fessel dich Unwilligen jetzt

Werde ich aufhängen an dieser Gegend

Damit nicht Stimme noch Gestalt

Von Sterblichen du weißt mehr, sondern verbrannt

Von der Sonne mit gleißendem Licht

Deiner Haut vergeht die Blüte. Dir nicht

Zur Freude die bunt gewandete Nacht wird

Über das Licht gehn, noch die Sonne

Essen den Tau, und bei dir immer

Dein Schmerz und im Herzen die Kränkung. Denn

Der dich befreit

Ist nicht geboren.

Solchen Gewinn

Aus deiner Liebe zu Sterblichen hast du

Der vom Himmel gepflückt hat

Nicht achtend Götterzorn

Verbotenen Vorteil ihnen.

Für das den unerfreulichen den Berg jetzt

Wirst du bewachen

Aufrecht, schlaflos, nicht beugen könnend das Knie

Viel schreiend aber

In kein Ohr. Denn unausweichlich

Herrscht Zeus, in harter Herrschaft. Denn lang noch nicht

Übt er die.

KRATOS UND BIA   Was flennst du zwecklos

Willst du nicht hassen den Götterfeind?

Ausgeliefert was dein ist Sterblichen hat er.

HEPHAISTOS   Mein Bruder ist er. Das

Macht mich langsam.

KRATOS UND BIA   Mehr als lieben den magst du fürchten

Des Vaters Zorn.

HEPHAISTOS   Frech warst du immer

Im Herzen roh.

KRATOS UND BIA   Wen heilt dein Klaglied? Nicht zu nichts

Brauch deine Stimme.

HEPHAISTOS O    Handwerk, vielmal mir verhaßt

Für solche Übung.

KRATOS UND BIA   Verachte das nicht. Ist aus deiner

Kunst sein Unfall?

HEPHAISTOS   Wär sie eines andern.

KRATOS UND BIA   Last ist alles, außer den Göttern

Herr sein. Frei nämlich ist Zeus allein.

HEPHAISTOS   Das weiß ich nun, und nichts mehr

Entgegen sagen kann ich.

KRATOS UND BIA   Wirst du die Fessel dem antun also

Schnell, daß dich nicht langsam sieht der Vater.

HEPHAISTOS   In meinen Händen das Erz mag er ansehn.

KRATOS UND BIA   An den Berg nagle, kleid mit dem Hammer

In sein Kleid ihn.

HEPHAISTOS   Das wird jetzt, und nichts hilft heraus mehr.

KRATOS UND BIA   Stärker schlag, enger bind ihn, geschickt

Wo kein Ausweg ist, den Ausweg

Findet der.

HEPHAISTOS   Eher den Berg bewegt

Als diesen, den Arm, er.

KRATOS UND BIA   Den andern jetzt. Damit er lernt, der Schlaukopf, Zeus denkt schneller.

HEPHAISTOS   Mit meinen Händen. Und keinen Tadel mehr

Verdient von ihm das Werkzeug.

KRATOS UND BIA   Den Keil durch die Brust jetzt treib ihm

Mit Gewalt.

HEPHAISTOS

Ah Prometheus! Hör mich beschrein deine Qual.

KRATOS UND BIA   Zauderst du wieder, bejammerst neu

Des Zeus Feind? Daß du nicht um dich weinst, sorge.

HEPHAISTOS   Ein Bild, mit Augen nicht anzusehn, seh ich.

KRATOS UND BIA   Ich seh erlangen den das Verdiente.

Jetzt um die Seiten wirf das Erz ihm.

HEPHAISTOS   Zu tun das ist Zwang

Von Zeus. Treib du mich nicht an.

KRATOS UND BIA   Mehr dich antreiben werd ich

Da dus brauchst. Schmied um die Beine ihm den Ring jetzt.

HEPHAISTOS   Getan ists, und nicht mit großer Mühe.

KRATOS UND BIA   Die Füße durchbohr ihm kräftig

Mit dem Stachel. Genau blickt

Das auf unsre Arbeit sieht, das Auge.

HEPHAISTOS   Deiner Gestalt sehr gleich bellt die Stimme.

KRATOS UND BIA   Zeig du dich mild. Mein Hartes

Wird nicht getadelt noch meines Zornes Dichte.

HEPHAISTOS   Laß uns fortgehn. Ganz in meiner Arbeit

Hängt er befestigt.

Ab.

KRATOS UND BIA   Hier jetzt übe du

Deinen Trotz, und Raub an Göttern.

Von deinen Qualen wieviel werden Sterbliche dir

Abschöpfen?

Brauch die gepriesene, deine Vorsicht.

Wälz dich heraus aus dieser Kunst.

Ab.

PROMETHEUS    Himmel der Götter, und mit schnellem Flügel

Ihr, Winde. Quell, Fluß und des Meeres

Wellen, die ohne Zahl gehn.

Erde, kreisende Mutter, und oben

Dein, Sonne, allsehendes Rund.

Seht, was von Göttern ich leid, ein Gott, zertrümmert

Mit solchen Mißhandlungen und gehalten

In die tausendjährige Zeit

In der schmählichen Fessel.

Das hat für mich erfunden der neue

Herr der Unsterblichen.

Das gegenwärtige Leid

Und das kommende schrei ich. Wo wird auftauchen

Meinem Elend die Grenze?

Was klag ich. Weiß ich doch was kommt

Genau, und nicht mir ungewohnt

Wird die kommende Qual sein. Das recht Erworbene aber muß man tragen

Als Leichtes. Aber zu schwer

Ist Stummsein. Des Feuers Quelle nämlich gestohlen habend

Mit meinen Händen den Sterblichen brachte ich

Grund aller Künste. Das bezahl ich jetzt

Unter dem Himmel befestigt mit Nägeln.

Was kommt unsehbar? Gott, Mensch, oder von beiden

Zu meinem, der Erde letztem Berg, zu sehn

Meine Leiden oder zu mehren die?

Seht gefesselt mich unglücklichen Gott

Zeus Feind und in den Haß gekommen

Aller die gehn in seinem Himmel

Wegen zu großer Liebe für Menschen.

Was für Geräusch wieder

Beinah wie von Vögeln, der Himmel von leichten

Schlägen der Flügel saust, schrecklich

Jedes mir, das herankommt.

CHOR   Nichts fürchte. Dir freundlich

Komm ich auf schnellem Wind

Im Schwarm der Flügel. Der Schall nämlich

Von Stahl ging durch das Eingeweid

Meiner Höhlen, heraus

Schlug er meine ernst blickende Scham

Ungeschuht auf geflügeltem Fahrzeug her kam ich.

PROMETHEUS    Töchter der viel gebärenden

Thetis, und des Okeanos, der um die ganze

Erde mit nicht ermüdendem Fluß geht, seht, ihr

In welcher Fessel am steilen Felsen den Abgrund ich

Bewache, unbeneidet.

CHOR   Ich seh, Prometheus

Und meinen Augen furchtbar im Rauch aus Tränen dicht

Schrumpft am Felsen deine Gestalt, befestigt

Mit dieser stählernen Beschimpfung

Weil im Olymp neu das Steuer hält

Und herrschend mit frischen Gesetzen

Das vor ihm Gewaltige jetzt vernichtet Zeus.

PROMETHEUS    Hätt er doch

Einem Gott nicht noch andern zur sichtbaren Freude

Unter den Boden mich der die Toten hält, eingetaucht

Grenzlos, in ganz überdauernder Fessel.

Jetzt aber ein luftiger Spielball ich Unglücklicher

Meinen Feinden Erfreuliches leide ich.

CHOR   Wer ist im Herzen von Göttern schlimm genug, dem

Das gefiele. Wen über das Leid, das deine, färbt nicht

Zorn mit, Zeus ausgenommen. Mit Vorsatz

Zwingt das himmlische Geschlecht und nicht aufhören wird der

Eh das Herz ihm satt ist oder andre Hand

Die schwer zu fangende, die Macht, nimmt.

PROMETHEUS

Freilich sehr brauchen wird der Leiter der Seligen

Mich Mißhandelten mit mächtiger Fußfessel

Ich weiß es nämlich, von wem

Er aufhört, aus der Macht geworfen und beraubt

Der Ehren, die er schmeckt

Und mich nicht mit Gesängen honigzungig

Wird er bezaubern und niederducken vor seinen

Schrecklichen Drohungen werde ich nicht so weit

Und es aussagen, eh mich er losläßt

Aus der Fessel und Strafe zahlen

Für diese Schmach will.

CHOR   Frech bist aber und nicht herauskommen

Aus...

Erscheint lt. Verlag 17.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Bühne • Deutschland • Drama • Dramatiker • Heiner Müller • Müller • Ostdeutschland DDR • Sammlung • Schauspiel • Stücke • Theater • Werke
ISBN-10 3-518-76101-3 / 3518761013
ISBN-13 978-3-518-76101-4 / 9783518761014
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