Prolog

Sie sind jetzt auch Königin von Papua-Neuguinea, Eure Majestät, vorbehaltlich Ihrer Zustimmung natürlich«, verkündete Martin Charteris ehrerbietig, nachdem er wie jeden Morgen um zehn Uhr zur täglichen Audienz das Arbeitszimmer von Königin Elizabeth betreten hatte.

»Oh!«, erstaunt sah Elizabeth ihren Privatsekretär an. »Wie komme ich zu dieser Ehre?«

Er räusperte sich, und Elizabeth, die nun schon ihr halbes Leben von Martin Charteris begleitet wurde, nahm es als ein untrügliches Zeichen dafür, dass dieser stets beherrschte Mann eine Gefühlsregung verbergen musste. In diesem Fall war es, wie ihrem scharfen Auge nicht entging, ein Grinsen.

»Es verhält sich so«, begann er. »Wie Sie wissen, gehörte Papua-Neuguinea – bis zur kürzlich erfolgten Unabhängigkeit – zum Mandatsbereich Australiens. Dessen Premierminister Gough Whitlam bat die Bewohner von Papua-Neuguinea, die Staatsform zu wählen, die ihnen am meisten entspricht. Sie haben sich für eine Republik entschieden.«

»Das ist mir bekannt, aber eine Republik ist keine Monarchie. Was hat das dann mit mir zu tun?«

»Ich bekam gestern Besuch vom australischen Hochkommissar Sir John Bunting. Und der sagte wortwörtlich: ›Sie werden es nicht glauben, aber sie wollen, dass die Queen ihre Königin wird und auf ihrem Thron sitzt.‹«

»Welche Ehre«, befand Elizabeth. »Und was genau sind die Gründe dafür?«

»Das habe ich auch gefragt. Bunting nannte mir drei. Der erste ist, dass sie Sie mögen und außerdem kennen, weil Sie ja im vergangenen Jahr dorthin gereist sind.«

»Das ist schon mal eine gute Voraussetzung.« Nun musste auch Elizabeth lächeln. »Und der zweite Grund?«

»Sie möchten ein Staatsoberhaupt, das über den kleinen örtlichen Streitereien steht.«

»Durchaus vernünftig«, kommentierte Elizabeth, »und drittens?«

Nun versuchte Charteris nicht länger, sein Grinsen zu unterdrücken. »Drittens möchten sie weiterhin britische Auszeichnungen erhalten, obwohl sie nun nicht mehr zu Australien gehören.«

Auch Elizabeth lachte: »Das ist natürlich der beste Grund überhaupt!«

»Eine Einschränkung wäre da allerdings noch …«

»Ich höre?«

»Sie wollen Sie zunächst nur für zehn Jahre.«

Elizabeth schmunzelte. »Wenn das ihr Wunsch ist, sollen sie mich auch für die nächsten zehn Jahre bekommen.«

»Dann stimmen Sie also zu?«

»Natürlich stimme ich zu.«

»Da wäre noch etwas, Ma’am.«

»Ja?«

»Es betrifft Prinz Philip.«

»Oh, dann sollten wir ihn dazubitten.«

»Das …«, setzte Charteris an, doch die Königin hatte schon nach dem Telefonhörer gegriffen, um sich mit ihrem Mann verbinden zu lassen, der, wie sie wusste, den Vormittag ebenfalls in seinem Arbeitszimmer verbrachte. Wenige Minuten später betrat er ihr Büro.

»Du darfst deiner Frau gratulieren«, begrüßte ihn Elizabeth, »ich bin nun auch Königin von Papua-Neuguinea.«

»Oh.« Philip war ebenso überrascht wie zuvor Elizabeth. Und nachdem diese ihm den Sachverhalt kurz erläutert hatte, übergab sie das Wort an ihren Privatsekretär. »Martin sprach von einem Detail, das dich betrifft.«

»Ich höre?« Philip beugte sich gespannt vor und nahm damit die für ihn so charakteristische Haltung ein: die Unterarme auf die Oberschenkel gestützt, aufblickend, mit gerunzelter Stirn.

»Wie es scheint, werden Sie von Dorfbewohnern der Insel Tanna als Halbgott verehrt.«

»Als Halbgott?«, fragte Philip und setzte sich augenblicklich kerzengerade hin. »Ich?«

»Ich kann sie da schon verstehen«, sagte Elizabeth augenzwinkernd, wurde aber gleich darauf wieder ernst und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Privatsekretär zu, der erläuterte: »Erinnern Sie sich daran, dass Sie im vergangenen Jahr bei einem Besuch in der Hauptstadt des südpazifischen Inselstaates Vanuatu einer Gruppe von Abgeordneten der Nachbarinsel Tanna als Gastgeschenk ein Schwein überreichten?«

»Ja«, antwortete Philip verwundert.

»Die Inselbewohner erinnern sich ebenfalls daran, sehr gut sogar«, berichtete Charteris. »Zumal Sie auch noch Ihre weiße Navy-Uniform trugen.«

»Halbgötter in Weiß«, murmelte Philip, »dabei bin ich doch gar kein Mediziner.«

»Das müssen Sie auch nicht, Sir. Wie mir erläutert wurde, gibt es eine uralte Legende, in die Sie perfekt hineinpassen.«

»Was ist das für eine Legende?«, erkundigte sich Elizabeth fasziniert.

Charteris räusperte sich. »Dieser Legende zufolge entschwand der hellhäutige Sohn eines Berggeistes über die Meere in ein fernes, fremdes Land. Eines Tages kehrte er jedoch zurück – an der Seite einer einflussreichen und mächtigen Gemahlin.«

»Oh«, staunte Elizabeth, »ich bin also mit dem Sohn eines Berggeistes verheiratet.«

»Es scheint so, Ma’am«, bestätigte Charteris. »Als Sie – der hellhäutige Mann in weißer Navy-Uniform – tatsächlich an der Seite der mächtigen Frau zurückkamen und dann auch noch ein Schwein schenkten, sahen die Dorfbewohner das als Beweis, dass Sie der Sohn des Berggeistes sind.«

»Wie heißt dieses Dorf?«

»Yaohnanen, Sir, es handelt sich dabei um einige Hütten, die am Fuße des Vulkans von Tanna liegen. Dort verehrt man Sie seither, man feiert Ihren Geburtstag – und auch Ihren, Ma’am«, sagte er in Richtung der Königin, »und dabei tragen sie Fantasieuniformen und hissen den Union Jack. Und …« Wieder räusperte sich Charteris.

»Und?«, fragten Elizabeth und Philip wie aus einem Mund.

»Nun, wie es scheint, beten sie jeden Tag um Ihren Segen für die Bananen- und Yam-Ernte.«

»Entzückend«, fand Elizabeth. »Du solltest ihnen ein signiertes Porträt von dir schicken, Philip.«

Er nickte: »Das ist eine gute Idee.«

»Ma’am, Sir«, verabschiedete sich Charteris und zog sich zurück.

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, warf sich Philip spaßeshalber in die Brust: »Was sagst du nun? Du magst zwar die Königin sein. Aber ich bin ein Halbgott. Einmal im Leben habe ich dich übertrumpft.«

Elizabeth gab ihrem Mann einen Kuss und sagte lächelnd: »Dass du ein Halbgott bist, wusste ich schon immer, insofern habe ich heute keine Neuigkeiten erfahren. Was mir allerdings noch nicht bekannt war, ist, dass du der Bananen-Gott bist.«

»Und als solcher trage ich dir an, deine Bananen endlich zu essen wie ein Normalsterblicher«, ging Philip auf ihren leichten Tonfall ein. Elizabeth pflegte stets die beiden Enden der Banane abzuschneiden, sie dann der Länge nach aufzuschlitzen, mit Messer und Gabel – ohne sie zu berühren – zu schälen, um sie sodann in Scheiben zu schneiden.

»Alle in dieser Familie essen ihre Bananen so«, verteidigte sie diese Gewohnheit, »und du als Bananen-Gott solltest dafür sorgen, dass das künftig jeder so macht.«

Sie sahen einander an und lachten.

Das signierte Porträt wurde umgehend zu der Südseeinsel geschickt, wo die Dorfbewohner es mit Begeisterung entgegennahmen. Zum Dank ließen sie Philip ein »Nal-Nal« zukommen: einen Knüppel für die Schweinejagd.

*

Die Kinder hatten Ferien: Prinz Edward, der seit drei Jahren die Heatherdown Preparatory School besuchte, hatte ebenso frei wie sein großer Bruder Andrew, der auf das Internat Gordonstoun ging. Auch Anne und Charles waren nach Balmoral gereist, um den Sommer gemeinsam mit der Familie auf ihrem schottischen Landsitz zu verbringen. Die Tatsache, dass ihr Vater in Papua-Neuguinea als Halbgott verehrt wurde, sorgte besonders bei dem elfjährigen Edward für Begeisterung, während sich Charles und Anne eher für die Begleitumstände der Ernennung ihrer Mutter zur Königin interessierten. Schließlich waren sie beide schon einmal nach Papua-Neuguinea gereist: Charles hatte seine Mutter am 16. September 1975 bei den Unabhängigkeitsfeiern vertreten, und Anne hatte ihre Eltern im Vorjahr auf ihrem Besuch begleitet.

»Weshalb bist du nun Königin von Papua-Neuguinea?«, erkundigte sich Charles bei einem ihrer zahlreichen gemeinsamen Picknicks in den Weiten von Balmoral. »Schließlich war Papua-Neuguinea nie Teil des British Empire.«