Gut Friesenhain - Zwischen Traum und Freiheit (eBook)

Roman
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2023 | 1. Auflage
736 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-28125-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gut Friesenhain - Zwischen Traum und Freiheit -  Lotte Grünewald
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Münsterland 1895: Zerrissen zwischen gesellschaftlichen Konventionen und dem Drang nach Freiheit kämpft eine junge Grafentochter für die Erfüllung ihres Traums ...
Münsterland, 1895. Als älteste Tochter der Grafenfamilie von Scheweney ist Luises Leben vorbestimmt: Sie soll den Adligen Johan van Leeuwen heiraten und ihre Tage unter den feinen Damen der Gesellschaft verbringen. Doch die temperamentvolle Luise will ihre Zukunft selbst gestalten. Sie will Tiermedizin studieren und auf dem Gestüt ihrer Familie anpacken. Als sie heimlich an einer Veranstaltung der Frauenbewegung teilnimmt, lernt sie Max Brugge kennen. Der junge Sozialdemokrat hat für Luises Probleme nur Spott übrig, Johan wiederum entpuppt sich bei seiner Ankunft nicht nur als standesgemäß, sondern auch als weltoffen. Ein passender Ehemann scheint endlich gefunden - doch warum geht Max Luise einfach nicht aus dem Kopf?

Die große Münsterland-Saga von Lotte Grünewald:
Band 1: Gut Friesenhain - Zwischen Traum und Freiheit
Band 2: Gut Friesenhain - Zwischen Hoffnung und Vernunft
Band 3: Gut Friesenhain - Zwischen Liebe und Skandal

Lotte Grünewald ist das Pseudonym von Mirjam Müntefering. Das Suchen und Erfinden spannender Geschichten begleitet sie schon ein Leben lang - sei es während ihres Studiums der Filmwissenschaften, in den Jahren, in denen sie als Fernsehjournalistin tätig war, oder heute als Autorin. Wenn sie nicht gerade in ihrem Tinyhouse-Schreibwagen Romane zu Papier bringt, genießt sie das Leben mit ihrer Ehefrau und allerlei Tieren am grünen Rand des Ruhrgebiets. Die Friesenstute Jeltje - die beste Freundin ihrer eigenen Stute - diente als Inspiration für ihre Familiensaga-Trilogie »Gut Friesenhain«, in der es um ein malerisches Gestüt im Münsterland geht.

Clara
2


Clara hätte gern gewusst, warum das gemeinsame Frühstück an diesem Morgen so ungewöhnlich schweigsam verlief. Die ganze Familie saß beisammen an dem großen rötlich glänzenden Kirschholztisch im Frühstücksraum: Graf und Gräfin von Scheweney, Wilhelm, Luise und Clara selbst. Neben dem langgezogenen Büfett, auf dem sich frisches Brot, Rosinenbrötchen, Butter, Wurst, Käse und Obst türmten, stand der erste Hausdiener Hannes Ranke, von allen nur beim Nachnamen genannt. Dieser schien Rankes Gestalt so ganz und gar zu entsprechen, denn er wirkte stets biegsam und beweglich wie Efeu. Unter seinen bereits lichten, rotblonden Haaren beobachtete er mit Argusaugen, dass bloß keine der Zutaten auszugehen drohte, ehe nicht alle Familienmitglieder ausreichend davon genommen hatten. Eine heiter wirkende, zartgelbe Tapete zierte die Wände des Raumes und gab vor, dass auch hier drinnen feines Laub sich vom Boden zur hohen, mit kunstvollem Stuck verzierten Decke streckte. Darin saßen allerlei exotische Vögel, die Schnäbel graziös zu tonlosem Gesang geöffnet. An den Wänden waren etliche elegante Gasleuchter angebracht, die sich wie Schwanenhälse aus ausgebreiteten Flügeln in den Raum reckten. Doch der Morgen war strahlend hell und das Sonnenlicht fiel durch die Reihe der fast bodentiefen Fenster, sodass keine zusätzliche Beleuchtung nötig war.

Anders als im großen Besuchersalon waren die Stühle hier im Frühstückszimmer bequem, die Blumenbuketts unaufdringlich und niemand achtete sonderlich auf Etikette – denn hier waren sie in der Regel unter sich. Trotzdem wollte am heutigen Morgen keine Unterhaltung zwischen den Familienmitgliedern aufkommen.

Dass ihr Vater und Wilhelm nicht viel zur Konversation beitrugen, fiel nicht weiter auf. Obwohl sie sich in ihrer Größe sehr unterschieden, der Graf eher klein und gedrungen, Wilhelm groß und schlank, waren beide ihrem Naturell entsprechend nicht gesprächig. Wie immer aß der Graf mit Appetit. Er saß der Tafel vor und beschäftigte sich nebenbei bereits mit der Morgenpost und dem Landwirtschaftlichen Anzeiger. In letzterem studierte er eine Seite besonders ausführlich, faltete das Blatt dann sorgsam und legte es zu seiner Linken an Wilhelms Teller. Clara, die Wilhelm schräg gegenübersaß, neben ihrer Mutter und mit dem Rücken zur Fensterfront, versuchte einen Blick auf die Schrift zu werfen. Nur die Titel waren für sie auszumachen. Interessierte ihren Vater der aktuelle Weizenpreis? Oder gar die dampfbetriebenen Traktoren?

Im Gegensatz zu ihr, die gern gewusst hätte, was davon für Friesenhain von Belang war, schien Wilhelm die Lektüre nicht zu reizen. Gelassen kauend ließ er den Blick aus seinen meerblauen Augen, die unter dem kastanienbraunen, dichten Haar umso leuchtender schienen, immer wieder zu den großen, weißen Sprossenfenstern schweifen. Woran dachte er wohl, wenn er auf die lange, von Platanen gesäumte Allee des Gutes hinaussah? Schon als Kind war er eher in sich gekehrt gewesen, hatte weder Luises Abenteuerlust noch Claras enormen Wissensdurst zu allen Abläufen auf dem Gestüt geteilt. Nur Bücher hatten ihn auf eine Weise fasziniert, die Clara von sich selbst nur kannte, wenn es um Belange Friesenhains ging.

Während also von den beiden männlichen Mitgliedern der Familie ohnehin nicht viel zu erwarten war, was die morgendliche Unterhaltung anging, wunderte Clara sich, dass auch Luise und ihre Mutter beharrlich schwiegen.

Luise rührte kaum einen Bissen an. Derweil saß ihre Mutter trotz des bequemen Stuhles mit steif durchgedrücktem Rücken auf ihrem Platz. Sie führte energisch kleine Häppchen mit der Gabel zum schön geschwungenen Mund, als sei das Frühstück eine weitere der ernst zu nehmenden Pflichten, denen eine Gräfin nachzukommen hatte.

Worüber hatten die beiden wohl gerade auf der Empore noch gesprochen? Luise mit ihrem Dickkopf würde sich von einer Zurechtweisung aufgrund ihrer unangemessenen Reitkleidung doch nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen. Das sähe ihr gar nicht ähnlich. Üblicherweise ertrug sie alle mütterlichen Tadel mit unterdrückter Ungeduld und tat danach alles weiter so, wie sie es wollte.

Und Mutter, ja, die ließ sich sonst ihre Verstimmung nach einer weiteren der üblichen Kollisionen mit ihrer älteren Tochter auch nicht derart anmerken. Das entsprach nicht ihrem Anspruch an sich selbst und an alle anderen Familienmitglieder, in jeder Situation Contenance zu bewahren. Was war also vorgefallen?

Luise hatte ihrer Mutter doch nicht von dieser Versammlung der Frauenrechtlerinnen erzählt, die ihr offenbar im Kopf herumspukte? Das würde freilich den unterdrückten Zorn erklären, den Clara neben sich deutlich spürte.

Ihre Schwester war manchmal ein solcher Dickkopf, dass ihr alles zuzutrauen war. Schon als Fräulein Gehmlich das erste Mal sehr vorsichtig ihre Aktivitäten im Deutschen Allgemeinen Frauenverein erwähnte, hatten Luises seegrüne Augen aufgeblitzt. Und Clara war klar gewesen, dass hier ein Problem heranziehen könnte. War es jetzt etwa so weit gekommen und Luise hatte ihrer Mutter gegenüber etwas angedeutet?

Clara beschloss, Luise nach dem Frühstück in der oberen Etage abzufangen, um zu erfahren, was geschehen war.

Mit diesem Vorsatz vorerst zufrieden, wandte sie sich an ihren Vater: »Für wann hat Triest sich angekündigt?«

Der befreundete Pferdezüchter aus dem Hannoveraner Umland wollte heute vom Bahnhof des zwanzig Kilometer entfernten Osnabrück aus herüberkommen. Er brachte ihnen per Pferdewaggon mit dem Zug und dann über Land den neuen Deckhengst aus seiner eigenen Zucht, der das Blut der Friesenhain-Pferde auffrischen sollte. Clara hatte vor ein paar Wochen das Glück gehabt, Vater und Bruder auf der kleinen Reise nach Hannover begleiten zu dürfen, wo ihnen diverse edle Tiere vorgeführt worden waren und sie schließlich diesen Hengst ausgesucht hatten. Er war groß und kräftig, wie ein Kavalleriepferd sein musste, und hatte bereits bewiesen, dass er Gelassenheit, Mut und gute Führigkeit an seine Nachkommen weitervererbte. Die ideale Voraussetzung, um mit den vielversprechendsten Friesenhain-Stuten charakterstarke und zudem schöne Fohlen hervorzubringen. Clara hoffte sehr, dass ihr Vater nach diesem kleinen Hinweis auf die Idee kommen würde, ihr zu erlauben, bei der Ankunft des Tieres dabei zu sein. Während sie Messer und Gabel neben den Teller legte, wartete sie gespannt auf seine Antwort.

Jetzt wandte der Graf sich um und schaute auf die vergoldete und hübsch verschnörkelte Uhr, die den Kaminsims zierte.

»Schon neun?«, brummte er mit seinem ungewöhnlich tiefen Bass, der allen, die seine Stimme zum ersten Mal hörten, gleich Respekt einflößte. Er tupfte sich mit einem Zipfel der Serviette die Mundwinkel, wobei er sorgfältig darauf achtete, den nach Vorbild Kaiser Wilhelms II. an den Enden hochgezwirbelten Schnurrbart nicht zu beschädigen. »Gut, dass du mich erinnerst, Clara. Bevor Triest hier ankommt, wollte ich noch ein paar Dinge erledigen. Er wird sicher gleich hier sein. Ihr findet mich im Arbeitszimmer.« Das bedeutete wohl, dass er bis zur Ankunft des Züchters nicht gestört werden wollte. Er sah zu seiner Frau, in seinem Blick eine leise Frage. Offenbar war auch ihm aufgefallen, wie beherrscht die Gräfin heute Morgen wirkte. Doch obwohl sie sein Zögern bemerkt haben musste, erwiderte sie seinen Blick nicht. Also legte er die Serviette neben seinen Teller und stand auf.

Clara zog die Unterlippe zwischen die Zähne und ließ es gleich wieder, als ihr auffiel, was sie da tat. Nun war sie in einer Zwickmühle. Trotz ihres Hinweises hatte ihr Vater ihren Wunsch nicht erkannt.

Sie holte Luft und sagte rasch, ehe er zur Tür hinaus verschwunden war: »Ich würde gerne dabei sein, wenn der neue Hengst ankommt, Vater.«

Ihr Vater sah sie einen Moment lang zerstreut an, mit den Gedanken bestimmt bereits bei der Arbeit, die auf seinem Schreibtisch wartete. Graf Hermann von Scheweney war nur mittelgroß, für einen Mann sogar eher klein, doch seine breiten Schultern, die tiefblauen Augen und der prächtige Backenbart samt Schnäuzer machten aus ihm eine eindrucksvolle Gestalt. Dass seine zweite Tochter und jüngstes Kind stets höchstes Interesse an den Belangen des Gestüts hegte, war er von Claras Kindheit an gewohnt. Doch gab es durchaus Geschäftsangelegenheiten, bei denen er sie ausschloss. Früher war ihre Anwesenheit nicht ins Gewicht gefallen – im Gegenteil, das kleine, eifrige Mädchen hatte sämtliche Geschäftspartner entzückt und amüsiert, weil sie ihr Interesse für eine Art niedliches Spiel gehalten hatten, in dem sie ihrem bewunderten Vater nachzueifern schien. Doch seit Clara erwachsen war, stieß ihre Beteiligung an gewissen Gesprächen zunehmend auf Befremdung. Besonders seitdem Wilhelm vor sechs Jahren, damals zweiundzwanzigjährig, nach Rückkehr von seiner freiwilligen einjährigen Ausbildung bei den Gardedragonern in Berlin zurückgekehrt und mehr und mehr in die Gestütsgeschäfte eingestiegen war. Dass er bei Verhandlungen anwesend war, nahmen alle für selbstverständlich – schließlich würde der junge Graf später den Besitz übernehmen, während es Claras vordringliche Aufgabe war, sich um eine vorteilhafte Ehe zu bemühen. Einen kurzen Moment lang durchzuckte Clara die Erinnerung an das Gespräch mit Luise vorhin auf den Stufen zum Haus. Obwohl sie es nicht gern eingestand, hatte ihre Schwester auch in ihr eine empfindsame Stelle berührt: All ihr Wissen und noch so großes Engagement nutzten Clara wenig, wenn die Männer etwas unter sich ausmachen wollten. Denn sie war nur die Tochter, nur eine Frau, der im Leben andere Aufgaben zufallen...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2023
Reihe/Serie Münsterland-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • Aufwachsen • eBooks • Emanzipation • Familie • Familiensaga • familiensaga trilogie • Frauenrechte • Frauenromane • Frauenschicksal • Frauenunterhaltung • Generationenroman • Geschenk für die Freundin • geschenk für die mutter • Geschenk für Frauen • Gesellschaft • Gesellschaftsroman • Große Gefühle • historische familiensaga • Historische Liebesromane • Historische Romane • Historischer Roman • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesromane • Neuerscheinung • romantisch • Saga • Schwestern • Starke Frauen • Taschenbuch Neuerscheinung 2023 • Upstairs and Downstairs • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-641-28125-3 / 3641281253
ISBN-13 978-3-641-28125-0 / 9783641281250
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