Die Bilder der Madame Allard (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31067-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bilder der Madame Allard -  Kelly Bowen
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Ein vergessenes Apartment voller Geheimnisse - und die unglaubliche Geschichte einer furchtlosen Frau
London, 2017: Als Aurelia das Pariser Apartment ihrer Großmutter in Paris erbt, ist sie überwältigt. Die Räume sind voller berühmter Gemälde und feiner Couture - wie eine Zeitkapsel, die die bewegte Geschichte der Stadt bewahrt hat. Eines der Bilder führt sie zum mysteriösen Kunsthistoriker Gabriel. Gemeinsam gehen sie der Wahrheit hinter den seit Jahrzehnten verborgenen Schätzen auf den Grund.

Paris, 1942: Die glamouröse Estelle Allard schlägt sich in der Stadt der Lichter durch. Als die deutschen Besetzer ihre Freunde bedrohen, tut sie alles, um diese zu schützen. Dafür muss sie ein gefährliches doppeltes Spiel spielen und ahnt nicht, welche Konsequenzen ihre Entscheidung hat, gegen die Nazis zu kämpfen.

KAPITEL 1


Aurelia

Paris, Frankreich
10. Juni 2017


Die Frau war nackt.

In einem Wirbel von Scharlachrot und Orange hatte sie die Arme erhoben, ihr Haar wie eine dunkle Flut hinter ihr. Gefangen im Lichtstrahl, der durch die offene Wohnungstür hereinfiel, blickte sie aus ihren dunklen Augen wütend und anklagend von der Leinwand dem Betrachter entgegen, als wollte sie sich über das Eindringen in ihr Heim und ihre Privatsphäre beschweren. Lia erstarrte in der offenen Tür, in der einen Hand den schweren Schlüssel und in der anderen die Dokumente, in denen stand, dass sie jedes Recht hatte, an diesem Ort zu sein.

Und dass diese unbekannte Wohnung mit allem, was darin war, ihr gehörte.

Das ist ein wertvoller Besitz, hatten die Anwälte ihr versichert. Ihre Großmutter muss Sie sehr geliebt haben. Lia hatte nicht reagiert, war Grandmères letzter Wille doch genauso undurchsichtig wie ihr Wille zu Lebzeiten. Also setzte sie nicht darauf, dass Liebe dabei eine Rolle gespielt hatte.

»Licht und Strom müssten funktionieren«, sagte die Concierge, die auf dem Treppenabsatz hinter ihr stand, eine überraschend junge Frau mit einem kurzen pinkfarbenen Bob und einem sympathischen Lächeln, die sich schlicht als Celeste vorgestellt hatte. Lia hatte sie gleich gemocht. »Falls Sie noch etwas brauchen, klingeln Sie einfach.«

»Vielen Dank«, entgegnete Lia, während sie den Schlüssel in die Tasche steckte.

»Sie haben am Telefon gesagt, dass die Wohnung Ihrer Großmutter gehört hat?« Celeste lehnte lässig am Treppengeländer.

»Ja. Sie hat sie mir vererbt.« Zumindest hatten die Anwälte das gesagt, als sie sie in die Kanzlei bestellt und ihr Unmengen an Dokumenten vorgelegt hatten. Und während die Wohnung in Paris von einem auf den Namen ihrer Großmutter laufenden Konto bezahlt und unterhalten wurde, hatte Estelle Allard, soweit Lia wusste, niemals woanders als in Marseille gelebt.

»Oh. Herzliches Beileid«, sagte die Concierge.

»Danke. Ihr Tod kam nicht unerwartet. Aber das mit der Wohnung war ein ziemlicher … Schock.«

»Nicht gerade ein negativer Schock, denke ich, oder?«, wandte Celeste ein. »Wir alle sollten solches Glück haben.«

»Stimmt«, gab Lia zu, während sie mit dem Emailanhänger an ihrem Hals spielte. Bis zu diesem Morgen war die alte Kette das einzige Geschenk gewesen, das ihre Großmutter ihr je gemacht hatte. An ihrem achtzehnten Geburtstag hatte sie ihr das Schmuckstück ohne viel Aufhebens gegeben. Lia wandte sich wieder der Concierge zu. »Wie lange arbeiten Sie schon hier?«

»Seit sechs Jahren.«

»Ich nehme nicht an, dass Sie irgendetwas über diese Wohnung wissen? Oder über meine Großmutter? Estelle Allard?«

Celeste schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Die Eigentümer der anderen Wohnungen kenne ich alle gut, während ich keine Ahnung hatte, wem diese gehört. Ich wusste nur, dass sie, seit ich hier angefangen habe, unbewohnt ist.«

Spontan klemmte sich Lia die Papiere unter den Arm, zog den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und nahm ein kleines Bild heraus. Es war eine etwas unbeholfene Zeichnung in leuchtenden Farben und stellte ein Landhaus dar, das von smaragdgrünen Bäumen umgeben war und sich vom kobaltblauen Himmel abhob. Zusammen mit dem Wohnungsschlüssel war es das Einzige, was Lias Großmutter ihr direkt hinterlassen hatte.

»Was ist mit dem Namen Seymour? William Seymour? Kommt der Ihnen bekannt vor?«, fragte Lia und hielt Celeste die Zeichnung hin.

Celeste schüttelte erneut den Kopf. »Nein. Darf ich fragen, wer das war?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er das Bild signiert hat.«

»Oh.« Offensichtlich hatte Lia Celestes Neugierde geweckt. »Denken Sie, dass er mal der Eigentümer der Wohnung war?«

»Ich habe keinen Schimmer.« Lia seufzte, während sie das kleine Gemälde wieder in ihre Tasche steckte.

»Ich kann in den Aufzeichnungen über das Gebäude nachsehen, wenn Sie möchten«, bot Celeste an. »Die Unterlagen reichen viele Jahre zurück. Wenn hier jemals ein William Seymour gelebt hat, müsste sich das eigentlich herausfinden lassen.«

Das freundliche Angebot rührte Lia. »Nein, ist schon gut.« Sie wollte die Zeit der Concierge nicht vergeuden. Zumindest nicht, solange sie selbst nicht ein wenig nachgeforscht hatte.

»Sicher? Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie es sich anders überlegen.«

»Danke. Das mache ich.«

Celeste zögerte. »Haben Sie vor, hier zu wohnen?«, fragte sie schließlich.

Lia öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann jedoch wieder. Die schlichte Antwort war Ja, zumindest vorerst. Aber auf lange Sicht? Das war wesentlich schwerer zu beantworten.

»Das geht mich natürlich nichts an.« Die Frau senkte den Kopf. »Entschuldigung.«

»Oh, kein Problem.« Lia lächelte. »Ich habe mich einfach noch nicht entschieden.«

»Ich hoffe, dass Sie bleiben werden«, sagte Celeste aufrichtig. »Es wäre schön, wenn …«

Das Geräusch eines Türschlosses, das geöffnet wurde, begleitet von hysterischem Hundegebell, veranlasste Lia, sich umzuwenden. Auf der anderen Seite des Treppenabsatzes erschien eine ältere Dame. Sie trug ein sich windendes weißes Fellbündel unter dem Arm und hatte einen Gehstock in der Hand. Sie trug einen geblümten Rock mit schmaler Taille und um den Hals eine dicke Perlenkette. Ihr gelocktes weißes Haar umrahmte ihr üppig gepudertes Gesicht, die karminroten Lippen waren ärgerlich verzogen. Die Farbe war in den tiefen Falten um ihren Mund verlaufen, und ihr gesamter Anblick wirkte eher makaber. Aurelia konnte Grandmères missbilligendes Zischen geradezu hören.

Make-up sollte immer dezent sein, Lia. Es sei denn, du willst auffallen, ohne gesehen zu werden, natürlich.

Damals war Lia ein Lipgloss liebender Teenager gewesen, und die kryptische Kritik hatte sie geärgert. Inzwischen musste sie zugeben, das Grandmère durchaus recht gehabt hatte.

Lias Nachbarin schlurfte über den Marmorfußboden, den Blick auf das große Aktgemälde hinter ihr gerichtet, das im spärlichen Licht in der Wohnung zu sehen war. Die Frau war genauso geschockt wie Lia vorhin, was bei der älteren Dame jedoch in deutlich sichtbare Missbilligung mündete. Lia bemühte sich zu lächeln und baute sich so in der Tür auf, dass der Blick in die Wohnung verstellt war.

Die Frau reckte mürrisch den Hals, um an ihr vorbeizusehen.

»Guten Tag«, sagte Lia höflich, wie es ihre Internatsmanieren verlangten, worauf der Hund erneut in wütendes Gebell ausbrach, das schrill von den Wänden und dem Marmorboden widerhallte. Das Gesicht der Frau wurde noch unwirscher, als sie irgendwo aus den Falten ihrer Kleidung ein Stück Wurst hervorzauberte. Das beendete das Bellen, und die glänzenden Augen des Hundes waren nun nicht mehr auf Lia, sondern auf die Belohnung in der klauenartigen Hand gerichtet.

»Ist das Ihre Wohnung?«, fragte die Frau in der plötzlichen Stille mit einer Stimme wie Sandpapier.

»Ja.« Eine Tatsache, die noch so neu war, dass es Lia nicht leichtfiel, die Antwort mit Überzeugung vorzubringen.

»Ich wohne schon mein ganzes Leben lang hier. Seit 1943«, sagte die Frau mit prüfendem Blick.

Lias Lächeln verlosch. »Hm. Das ist eine lange Zeit …«

»Ich weiß alles, was in diesem Gebäude vor sich geht. Und in all der Zeit hat niemand diese Wohnung betreten oder verlassen. Bis jetzt.«

»Mhm«, machte Lia unverbindlich, da sie sich nicht sicher war, ob das als Frage, Feststellung oder Missbilligung gemeint war. Sie klammerte sich an den Umschlag mit den Dokumenten und drückte ihn an die Brust.

»Wohnen Sie allein hier?« Der Blick der Frau wanderte zu Lias linker Hand.

»Entschuldigung?« Lia unterdrückte den Drang, die Hand in die Tasche zu schieben.

»Sie wirken zu alt, um nicht verheiratet zu sein. Aber jetzt ist es wohl zu spät, nehme ich an. Was für ein Pech.«

Lia blinzelte und fragte sich, ob sie sich vielleicht verhört hatte. »Wie bitte?«

»Ich kenne Frauen wie Sie.« Lias Nachbarin rümpfte die Nase, und ihr Blick fiel zuerst auf Lias schweren Rucksack und die Tasche und schließlich auf ihre nackten Schultern und die hinter dem Nacken verknoteten Träger ihres roten Sommerkleids.

»Frauen wie mich?« Ärger stieg in Lia auf.

»Ich möchte keine Musik hören. Keine Drogen oder Partylärm. Keine fragwürdigen Männer, die auf der Suche nach Ihnen mitten in der Nacht an meiner Tür herumstreifen.«

»Ich werde versuchen, Männer nur tagsüber zu empfangen.« Lia gab sich Mühe, höflich zu bleiben.

Celeste, die während der ganzen Unterhaltung kein Wort gesagt hatte, brach in Gelächter aus und bemühte sich, dies mit einem Hustenanfall zu tarnen.

Die Frau fuhr herum.

»Guten Tag, Madame.« Celeste riss sich zusammen. »Wie geht es Ihnen heute, Madame Hoffmann?«

Die Angesprochene warf einen strengen Blick auf das pinkfarbene Haar der Frau vor ihr und verzog angewidert die scharlachroten Lippen. »Abartig«, murmelte sie.

Celestes Handy klingelte, und sie warf einen Blick auf das Display. »Ein wichtiger Anruf«, sagte sie und sah Lia entschuldigend an. »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen. Und herzlich willkommen.« Sie stieß sich vom Treppengeländer ab und hopste die Stufen hinunter, woraufhin der Hund erneut in hysterisches Bellen ausbrach.

Lia nutzte die Ablenkung, um sich in ihre Wohnung zurückzuziehen, und schloss...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Übersetzer Anja Rüdiger
Sprache deutsch
Original-Titel The Paris Apartment
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • altes Geheimnis • Bettina Storks • Claire Winter • eBooks • Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Frankreich • Große Gefühle • Historische Romane • Historischer Roman • Katharina Fuchs • mutige Frauen • Neuerscheinung • neuerscheinung 2024 • Spion • Spionin
ISBN-10 3-641-31067-9 / 3641310679
ISBN-13 978-3-641-31067-7 / 9783641310677
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