Alsterflimmern. Luises Rückkehr (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-29364-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alsterflimmern. Luises Rückkehr -  Susanne Rubin
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Die dunkle deutsche Vergangenheit stellt Luise vor eine unmögliche Wahl
Hamburg 1951. Luise Vossen ist in London aufgewachsen und hat sich ihr ganzes Leben danach gesehnt, die Stadt kennenzulernen, in der ihre Eltern sich vor dem Zweiten Weltkrieg zum ersten Mal trafen und in der sie selbst das Licht der Welt erblickte. Sie ist beeindruckt vom alten Glanz der Metropole, der zwischen den Trümmern hindurchschimmert. Und noch etwas fasziniert Luise: der charmante Anwalt Jens Thomsen. Die Familiengeschichten der beiden sind eng mit dem Warenhaus Tietz verbunden. Die Tietzens verloren ihr Unternehmen während des Nationalsozialismus - für Luise ganz klar eine große Ungerechtigkeit. Selbstverständlich hätte der Familie ihr Eigentum zurückgegeben werden müssen, davon ist sie überzeugt. Doch Jens scheint auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. Muss Luise zwischen Moral und Liebe wählen?

Susanne Rubin ist eine waschechte »Hamburger Deern«. Zusammen mit ihrem Mann, einem pensionierten Kriminalbeamten, lebt sie in ihrer geliebten Heimatstadt. Nach eigener Aussage ist ihr Mann ihr persönlicher Held, und ihre inzwischen erwachsenen Söhne sind die wunderbarsten der ganzen Welt. Sie liebt das Schreiben und Spieleabende mit ihrer Familie.

2. Kapitel


Hamburg, im Spätsommer 1951

So wie ihr Opa es ihr vor knapp zwei Jahren erzählt hatte, war die Stadt, nach der sich Luise so sehr gesehnt hatte, auch heute noch von den Narben, sogar noch von offenen Wunden gezeichnet, die der schreckliche Krieg hinterlassen hatte. Dennoch hatte sich Hamburg offenbar vorgenommen, Luise strahlend zu begrüßen. Zumindest empfand sie es so, während sie an Deck stand und begierig alles in sich aufnahm, was sie von dort aus erblicken konnte.

Die Sonne schien von einem wolkenlosen und azurblauen Himmel und tauchte selbst die grauen und wenig ansprechenden Löschkräne und Lagerhallen im Hamburger Hafen in ein goldenes Licht. Allerorts arbeiteten Menschen. Nicht nur die Schiffe ringsherum wurden entladen, sie konnte auch überall im Hafen Baustellen erkennen. Offenbar entstanden an zahlreichen Orten neue Gebäude, weitere Lagerhallen und zusätzliche Anlegestellen. Vorhin waren sie an einer großen Werft vorbeigekommen, und die Geräusche der Arbeiten waren unüberhörbar gewesen.

Mit wild klopfendem Herzen hatte sie gerade das Anlegemanöver des großen Frachtschiffes verfolgt, doch nun folgte sie Kapitän Roberts über den schmalen hölzernen Laufgang hinunter auf die Anlegebrücke. Nur wenige Schritte hinter Luise ging ein kräftiger Matrose zusammen mit ihnen von Bord. Er trug die zwei großen Koffer, in denen sie zu Hause all das verstaut hatte, was ihr für ihr neues Leben unentbehrlich erschienen war. Ihre kleinere Reisetasche hatte ihr lächelnd der Kapitän abgenommen.

Unten auf der Anlegebrücke angekommen, blieb der Kapitän kurz stehen und wandte sich ihr zu.

»Wir müssen noch ein Stück bis zur nächsten Treppe weiterlaufen«, erklärte er. »Oben werden Sie dann von einem zuverlässigen Fahrer unserer Reederei in Empfang genommen. Sicherlich wird er schon dort sein und auf Sie warten, Miss Vossen. Sie werden von ihm direkt zu Ihren Gastgebern gefahren. Ich habe Ihrem Vater versprochen, Sie erst aus den Augen zu lassen, wenn Sie sicher im Auto sitzen.«

»Das ist wirklich sehr nett und fürsorglich von Ihnen, Käpt’n Roberts«, erwiderte sie.

Er lächelte leicht. »Ich habe ebenfalls zwei Kinder, Miss Vossen. Ich kann Ihren Vater nur zu gut verstehen.«

Kurz darauf erreichten sie eine schmale Treppe, die in zwei Abschnitten von den Pontons der Anlegestellen hinauf auf einen kleinen Platz führte. Tatsächlich stand dort ein glänzend schwarzer Opel Kapitän, an dessen Motorhaube ein Fahrer in Chauffeuruniform lehnte und Zeitung las.

Er sah auf, als er ihre Schritte hörte, faltete sofort die Zeitung zusammen, nickte ihnen freundlich zu und öffnete den Kofferraum des Autos, damit die beiden Männer ihr Gepäck verstauen konnten. Anschließend bedankte sich Luise noch einmal beim Kapitän und seinem Matrosen.

»Ich wünsche Ihnen viel Glück, Miss Vossen«, antwortete Käpt’n Roberts.

Dann verabschiedeten sie sich voneinander, und der Fahrer öffnete ihr die Tür. Während sie sich im Fond des Wagens in die weichen Ledersitze fallen ließ, atmete sie einige Male tief durch. Sie war in Hamburg, nun konnten all ihre Träume wahr werden.

»Mein Name ist Hannes«, stellte sich ihr der Fahrer vor und unterbrach damit ihre euphorischen Gedanken.

Zum ersten Mal, seit sie vorgestern ihr Zuhause verlassen hatte, sprach wieder jemand mit ihr deutsch. Auf dem Schiff hatten natürlich alle englisch gesprochen.

»Der Weg ist nicht lang, mein Fräulein. Die Fahrt dauert nur wenige Minuten.«

Der unüberhörbare Hamburger Dialekt des Fahrers ließ sie schmunzeln. Sie kannte das von ihrem Großvater, und sie liebte es.

Tatsächlich ging die Fahrt für Luises Geschmack viel zu schnell vorbei. Sie hätte zu gerne noch viel mehr von der Stadt gesehen, doch gerade hielt der Wagen vor dem Haus der Thomsens an. Ihre Mutter hatte ihr das Haus so gut beschrieben, dass sie es auch ohne das goldfarbene Kanzleischild sofort erkannt hätte.

»Wir sind da, mein Fräulein«, sagte Hannes.

Er stieg aus, öffnete ihr die Tür und danach den Kofferraum, um ihr Gepäck auf den Bordstein zu stellen. In diesem Augenblick wurde auch schon die Haustür geöffnet. Kerstin Thomsen blieb kurz stehen und kam ihr dann strahlend und mit offenen Armen entgegen, um sie herzlich zu begrüßen.

»Ach, Luise, ich freue mich so«, sagte sie. Kerstin entließ sie erst aus ihrer festen Umarmung, als auch ihr Mann Hagen auftauchte, der sie ebenfalls kurz an sich zog.

»Sei herzlich willkommen, liebe Luise.« Hagens dunkle, aber dennoch klare Stimme war in jedem Gerichtssaal sicherlich ein wichtiges Werkzeug, dachte Luise sofort.

Der Fahrer der Reederei verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verbeugung und tippte sich an den Schirm seiner Mütze. »Mein Fräulein. Es war mir eine Ehre.«

»Vielen Dank, Hannes«, erwiderte sie.

Unaufgefordert schnappte sich Hagen ihre Koffer und trug sie ins Haus.

»So, nun komm rein und trink erst einmal einen Kaffee mit uns. Du bist sicher ziemlich müde von der Überfahrt.« Kerstin legte ihren Arm um Luises Taille und dirigierte sie zur Haustür.

»Es geht eigentlich. Ich habe ganz gut geschlafen, und die Fahrt war ruhig und aufregend zugleich. Wir hatten gutes Wetter, und ich habe es so sehr genossen. Ehrlich gesagt, hatte ich vorher ein bisschen Angst, seekrank zu werden, aber zum Glück war die Sorge unnötig.« Sie konnte immer noch nicht recht fassen, dass sie nun hier war. »Entschuldigt, ich rede zu viel. Ich bin wirklich aufgeregt. Ein Kaffee wäre natürlich wundervoll.«

»Lass ruhig alles raus, meine Liebe. Ich habe übrigens einen Butterkuchen gebacken. Deine Mutter schrieb mir, dass du ihn gern magst.«

»O ja, den lieb ich sehr. Ich war immer glücklich, wenn Hertha ihn gebacken hat.«

»Ach ja, die gute Hertha Kelling. Es tut mir leid, dass sie gestorben ist. Sie war eine mutige und sehr liebevolle Person, und sie hat damals so viel für deine Mutter riskiert.« Kerstin seufzte. »Ihr vermisst sie sicher sehr.«

»Ja, wir alle tun das, aber Mama natürlich besonders.«

Inzwischen standen sie im Flur des Hauses. Hagen stellte die Koffer neben die Treppe, nahm ihr den leichten Sommermantel ab und hängte ihn an einen der glänzenden Garderobenhaken aus Messing. Direkt gegenüber der Garderobe führte ein kleiner Durchgang in die Küche. Die Tür stand weit offen. Genauso hatte es sich Luise vorgestellt.

Kerstin Thomsen war noch immer die beste Freundin ihrer Mutter. Obwohl sie nun schon seit vielen Jahren in verschiedenen Ländern lebten, konnten sie sich ihre tiefe Freundschaft erhalten. Luise bewunderte die beiden Frauen dafür. Die Jahre der Naziherrschaft und des Krieges waren für beide Familien nicht leicht gewesen, doch obwohl es die Thomsens zuerst in die Schweiz und später sogar für einige Jahre in die Vereinigten Staaten verschlagen hatte, schafften es Charlotte Vossen und Kerstin Thomsen, das wertvolle Band zwischen ihren Familien zu erhalten.

»Setz dich, mein Deern«, forderte Kerstin sie auf.

Luise wartete, bis Hagen einen der Stühle für sich unter dem Tisch hervorgezogen hatte und sich setzte. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass in einer Familie oft jeder seinen Stammplatz am Tisch hatte, und es war ihr wichtig, nichts falsch zu machen.

»Hier?«, fragte sie und deutete auf den Stuhl, hinter dem sie stand.

»Ja, nimm gerne den.« Kerstin wandte sich ihr lächelnd zu. Sie deutete auf einen Stuhl auf ihrer Seite des Tisches. »Ich sitze immer hier und Jens neben mir, also dir dann gegenüber«, erklärte sie.

»So, nun erzähl mal«, forderte Hagen sie auf, nachdem Kerstin ihnen Kaffee eingeschenkt und jedem ein Stück Kuchen auf den Teller gelegt hatte. »Geht es deiner Familie gut?«

Luise nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, bevor sie antwortete. »Ja, alle sind so weit gesund und munter. Na ja, das mit Opa wisst ihr ja, aber Peter beginnt demnächst sein Medizinstudium in Cambridge und ist sehr stolz darauf.«

»Das klingt wundervoll. Dann ist er ja auch nicht mehr so weit weg von zu Hause. Deine Mutter wird froh darüber sein. Gerade jetzt, wo du hier in Hamburg bist.«

»Ja, alle freuen sich darüber. Obwohl er natürlich auf dem Campus wohnen wird, weil das den Alltag als Student für ihn einfacher macht.«

»Das sehe ich auch so«, bestätigte Hagen. »Jens hat ähnliche Erfahrungen gemacht, als er in Harvard war.«

»Ich hoffe, dass deine Eltern dich hier bald besuchen kommen.« Kerstin schenkte ihnen Kaffee nach. »Ich würde mich so freuen, beide wiederzusehen.«

Luise lachte. »Ich nehme an, du meinst vor allem meine Mutter.«

»Charlotte fehlt mir natürlich, aber ich habe auch deinen Vater sehr ins Herz geschlossen. Jannes liebt Charlotte so sehr, und er ist ein wunderbarer Mann. Ich habe seine Stärke stets bewundert und wie er um ihre Liebe gekämpft hat. Wir alle haben so viel gemeinsam durchgestanden, und deine Mutter wird für mich ohnehin immer ein Vorbild bleiben, wenn es um Tapferkeit und Mut geht.«

»Ich weiß. Mir geht es ähnlich«, gab Luise zu. »Ich kenne ihre Geschichte, aber ich mag mir kaum vorstellen, wie ich mich an ihrer Stelle verhalten hätte. Sie ist die mutigste Frau, die ich kenne, und sie wird auch immer mein größtes Vorbild bleiben.«

In dieser Sekunde hörten sie, wie die Haustür aufgeschlossen wurde.

»Ah, das wird Jens sein.«

Kerstin erhob sich, ging hinüber zum Küchenbüfett und stellte ein weiteres Kaffeegedeck auf den Tisch. Automatisch stand auch Luise auf.

»Schau...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Reihe/Serie Das Alsterhaus
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Alster • Anne Jacobs • eBooks • Emanzipation • Entscheidung • Familiengeheimnis • Familiensaga • Fenja Lüders • Frauenromane • Goldene Zwanziger • Große Gefühle • Große Liebe • Hamburg • historische familiensaga • Katharina Lansing • Kaufhaus • Lena Johannson • Liebesromane • Micaela Jary • Miriam Georg • Nationalsozialismus • neue Bücher 2024 • Neuerscheinung • Wolf Serno
ISBN-10 3-641-29364-2 / 3641293642
ISBN-13 978-3-641-29364-2 / 9783641293642
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