Der gestiefelte Kater -  Ludwig Tieck

Der gestiefelte Kater (eBook)

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2014 | 1. Auflage
Sharp Ink (Verlag)
978-80-282-5167-3 (ISBN)
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Der gestiefelte Kater ist eine Komödie von Ludwig Tieck. In seinem Drama verzichtet Ludwig Tieck als einer der ersten Autoren im deutschsprachigen Raum auf den Versuch, seinem Publikum 'vernünftige Illusionen' zu liefern. Im Illusionstheater gibt es eine einfache Trennung zwischen Fiktion und Realität: 'Gespielt' wird auf der Bühne, und alles, was dort geschieht, während der Vorhang offen steht, ist zuvor eingeübt worden. Das Publikum soll möglichst vergessen, dass das Geschehen auf der Bühne 'nur ein Spiel' ist. Im Parkett und auf den Rängen hingegen sitzen Zuschauer, die sich weitgehend ruhig und passiv-aufmerksam verhalten, gelegentlich aber auch spontan reagieren. Zur Inhalt: Die drei Söhne des verstorbenen Müllers teilen in der Bauernstube das Erbe unter sich auf. Gottlieb, der jüngste der drei Brüder, erhält dabei lediglich den Kater Hinze und ist angesichts seiner Situation verzweifelt. Als Hinze aber anfängt zu sprechen, wundert sich Gottlieb über den sprechenden Kater. Sogleich machen sich im Publikum Aufregung über die 'unvernünftige Illusion' und Verwirrung breit. Der sprechende Kater wirkt clever und intelligent und gibt sich sehr um Gottlieb besorgt. Gottlieb und Hinze schließen Freundschaft, woraufhin Hinze den Willen äußert, dem unbeholfenen Gottlieb aus seiner Misere zu helfen, wenn dieser ihm ein Paar Stiefel anfertigen lasse. Um Hinzes Bitte nachzukommen, bittet Gottlieb den vorbeigehenden Schuhmacher herein, der, wie nach ihm alle Charaktere der Bühnenhandlung, nicht über Hinze erstaunt ist. Johann Ludwig Tieck (1773-1853) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer der Romantik.

Erster Akt


Erste Szene


Kleine Bauernstube.

Lorenz, Barthel, Gottlieb. Der Kater Hinz liegt auf einem Schemel am Ofen.

Lorenz: Ich glaube, daß nach dem Ableben unsers Vaters unser kleines Vermögen sich bald wird einteilen lassen. Ihr wißt, daß der selige Mann nur drei Stück von Belang zurückgelassen hat: ein Pferd, einen Ochsen und jenen Kater dort. Ich, als der Älteste, nehme das Pferd, Barthel, der nächste nach mir, bekömmt den Ochsen, und so bleibt denn natürlicherweise für unsern jüngsten der Kater übrig.

Leutner, im Parterre: Um Gottes willen! hat man schon eine solche Exposition gesehn! Man sehe doch, wie tief die dramatische Kunst gesunken ist!

Müller: Aber ich habe doch alles recht gut verstanden.

Leutner: Das ist ja eben der Fehler, man muß es dem Zuschauer so verstohlenerweise unter den Fuß geben, ihm aber nicht so geradezu in den Bart werfen.

Müller: Aber man weiß doch nun, woran man ist.

Leutner: Das muß man ja durchaus nicht so geschwind wissen; daß man so nach und nach hineinkömmt, ist ja eben der beste Spaß.

Schlosser: Die Illusion leidet darunter, das ist ausgemacht.

Barthel: Ich glaube, Bruder Gottlieb, du wirst auch mit der Einteilung zufrieden sein, du bist leider der jüngste, und da mußt du uns einige Vorrechte lassen.

Gottlieb: Freilich wohl.

Schlosser: Aber warum mischt sich denn das Pupillenkollegium nicht in die Erbschaft? das sind ja Unwahrscheinlichkeiten, die unbegreiflich bleiben!

Lorenz: So wollen wir denn nur gehn, lieber Gottlieb, lebe wohl, laß dir die Zeit nicht lang werden.

Gottlieb: Adieu.

Die Brüder gehn ab.

Gottlieb allein. Monolog: Sie gehn fort – und ich bin allein. – Wir haben alle drei unsre Hütten; Lorenz kann mit seinem Pferde doch den Acker bebauen, Barthel kann seinen Ochsen schlachten und einsalzen, und eine Zeitlang davon leben – aber was soll ich armer Unglückseliger mit meinem Kater anfangen? – Höchstens kann ich mir aus seinem Felle für den Winter einen Muff machen lassen; aber ich glaube, er ist jetzt noch dazu in der Mauße. – Da liegt er und schläft ganz ruhig. – Armer Hinze! Wir werden uns bald trennen müssen. Es tut mir leid, ich habe ihn auferzogen, ich kenne ihn, wie mich selber – aber er wird daran glauben müssen, ich kann mir nicht helfen, ich muß ihn wahrhaftig verkaufen. – Er sieht mich an, als wenn er mich verstände; es fehlt wenig, so fang ich an zu weinen. Er geht in Gedanken auf und ab.

Müller: Nun, seht ihr wohl, daß es ein rührendes Familiengemälde wird? Der Bauer ist arm und ohne Geld, er wird nun in der äußersten Not sein treues Haustier verkaufen, an irgendein empfindsames Fräulein, und dadurch wird am Ende sein Glück gegründet werden. Sie verliebt sich in ihn und heiratet ihn. Es ist eine Nachahmung vom Papagei von Kotzebue; aus dem Vogel ist hier eine Katze gemacht, und das Stück findet sich von selbst.

Fischer: Nun es so kömmt, bin ich auch zufrieden.

Hinze der Kater richtet sich auf, dehnt sich, macht einen hohen Buckel, gähnt und spricht dann: Mein lieber Gottlieb, ich habe ein ordentliches Mitleiden mit Euch.

Gottlieb erstaunt: Wie, Kater, du sprichst?

Die Kunstrichter, im Parterre: Der Kater spricht? – Was ist denn das?

Fischer: Unmöglich kann ich da in eine vernünftige Illusion hineinkommen.

Müller: Eh ich mich so täuschen lasse, will ich lieber zeitlebens kein Stück wieder sehn.

Hinze: Warum soll ich nicht sprechen können, Gottlieb?

Gottlieb: Ich hätt es nicht vermutet, ich habe zeitlebens noch keine Katze sprechen hören.

Hinze: Ihr meint, weil wir nicht immer in alles mitreden, wären wir gar Hunde.

Gottlieb: Ich denke, ihr seid bloß dazu da, Mäuse zu fangen.

Hinze: Wenn wir nicht im Umgange mit den Menschen eine gewisse Verachtung gegen die Sprache bekämen, so könnten wir alle sprechen.

Gottlieb: Nun, das gesteh ich! – Aber warum laßt ihr euch denn so gar nichts merken?

Hinze: Um uns keine Verantwortung zuzuziehen; denn wenn uns sogenannten Tieren noch erst die Sprache angeprügelt würde, so wäre gar keine Freude mehr auf der Welt. Was muß der Hund nicht alles tun und lernen! Wie wird das Pferd gemartert! Es sind dumme Tiere, daß sie sich ihren Verstand merken lassen, sie müssen ihrer Eitelkeit durchaus nachgeben; aber wir Katzen sind noch immer das freieste Geschlecht, weil wir uns bei aller unsrer Geschicklichkeit so ungeschickt anzustellen wissen, daß es der Mensch ganz aufgibt, uns zu erziehen.

Gottlieb: Aber warum entdeckst du mir das alles?

Hinze: Weil Ihr ein guter, ein edler Mann seid, einer von den wenigen, die keinen Gefallen an Dienstbarkeit und Sklaverei finden; seht, darum entdecke ich mich Euch ganz und gar.

Gottlieb, reicht ihm die Hand: Braver Freund!

Hinze: Die Menschen stehn in dem Irrtume, daß an uns jenes seltsame Murren, das aus einem gewissen Wohlbehagen entsteht, das einzige Merkwürdige sei; sie streicheln uns daher oft auf eine ungeschickte Weise, und wir spinnen dann gewöhnlich nur, um uns vor Schlägen zu sichern. Wüßten sie aber mit uns auf die wahre Art umzugehn, glaube mir, sie würden unsre gute Natur zu allem gewöhnen, und Michel, der Kater bei Eurem Nachbar, läßt es sich ja auch zuweilen gefallen, für den König durch einen Tonnenband zu springen.

Gottlieb: Da hast du recht.

Hinze: Ich liebe Euch, Gottlieb, ganz vorzüglich. Ihr habt mich nie gegen den Strich gestreichelt, Ihr habt mich schlafen lassen, wenn es mir recht war, Ihr habt Euch widersetzt, wenn Eure Brüder mich manchmal aufnehmen wollten, um mit mir ins Dunkle zu gehn, und die sogenannten elektrischen Funken zu beobachten – für alles dieses will ich nun dankbar sein.

Gottlieb: Edelmütiger Hinze! Ha, mit welchem Unrecht wird von euch schlecht und verächtlich gesprochen, eure Treue und Anhänglichkeit bezweifelt! Die Augen gehn mir auf; welchen Zuwachs von Menschenkenntnis bekomme ich so unerwartet!

Fischer: Freunde, wo ist unsre Hoffnung auf ein Familiengemälde geblieben?

Leutner: Es ist doch fast zu toll.

Schlosser: Ich bin wie im Traum.

Hinze: Ihr seid ein braver Mann, Gottlieb – nehmt's mir nicht übel – Ihr seid etwas eingeschränkt, borniert, keiner der besten Köpfe, wenn ich frei heraus sprechen soll.

Gottlieb: Ach Gott nein.

Hinze: Ihr wißt zum Beispiel jetzt nicht, was Ihr anfangen wollt.

Gottlieb: Du hast ganz meine Gedanken.

Hinze: Wenn Ihr Euch auch einen Muff aus meinem Pelze machen ließet –

Gottlieb: Nimm's nicht übel, Kamerad, daß mir das vorher durch den Kopf fuhr.

Hinze: Ach nein, es war ein ganz menschlicher Gedanke. Wißt Ihr kein Mittel, Euch durchzubringen?

Gottlieb: Kein einziges.

Hinze: Ihr könntet mit nur herumziehn und mich für Geld sehen lassen – aber das ist immer keine sichre Lebensart.

Gottlieb: Nein.

Hinze: Ihr könntet vielleicht ein Naturdichter werden, aber dazu seid Ihr zu gebildet; Ihr könntet an ästhetischen Journalen mitarbeiten, aber, wie gesagt, Ihr seid keiner der besten Köpfe, die dazu immer verlangt werden; da müßtet Ihr noch Jahr und Tag abwarten, weil es nachher nicht mehr so genau genommen wird, denn nur die neuen Besen kehren scharf – aber das Ding ist überhaupt zu umständlich.

Gottlieb: Ja wohl.

Hinze: Nun, ich will schon noch besser für Euch sorgen; verlaßt Euch drauf, daß Ihr durch mich noch ganz glücklich werden sollt.

Gottlieb: O bester, edelmütigster Mann! Er umarmt ihn zärtlich.

Hinze: Aber Ihr müßt mir auch trauen.

Gottlieb: Vollkommen, ich kenne ja jetzt dein redliches Gemüt.

Hinze: Nun so tut mir den Gefallen und holt mir sogleich den Schuhmacher, daß er mir ein Paar Stiefeln anmesse.

Gottlieb: Den Schuhmacher? – Stiefeln?

Hinze: Ihr wundert Euch; aber bei dem, was ich für Euch zu tun gesonnen bin, habe ich so viel zu gehn und zu laufen, daß ich notwendig Stiefeln tragen muß.

Gottlieb: Aber warum nicht Schuh?

Hinze: Gottlieb, Ihr versteht das Ding nicht, ich muß dadurch ein Ansehn bekommen, ein imponierendes Wesen, kurz, eine gewisse Männlichkeit, die man in Schuhen zeitlebens nicht hat.

Gottlieb: Nun, wie du meinst – aber der Schuster wird sich...

Erscheint lt. Verlag 12.7.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 80-282-5167-6 / 8028251676
ISBN-13 978-80-282-5167-3 / 9788028251673
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