Die Ratten -  Gerhart Hauptmann

Die Ratten (eBook)

Berliner Tragikomödie
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2023 | 1. Auflage
Sharp Ink (Verlag)
978-80-282-7779-6 (ISBN)
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'Die Ratten: Berliner Tragikomödie' von Gerhart Hauptmann. Veröffentlicht von Sharp Ink. Sharp Ink ist Herausgeber einer breiten Büchervielfalt mit Titeln jeden Genres. Von bekannten Klassikern, Belletristik und Sachbüchern bis hin zu in Vergessenheit geratenen bzw. noch unentdeckten Werken der grenzüberschreitenden Literatur, bringen wir Bücher heraus, die man gelesen haben muss. Jede eBook-Ausgabe von Sharp Ink wurde sorgfältig bearbeitet und formatiert, um das Leseerlebnis für alle eReader und Geräte zu verbessern. Unser Ziel ist es, benutzerfreundliche eBooks auf den Markt zu bringen, die für jeden in hochwertigem digitalem Format zugänglich sind.

„Doch Mäus’ und Ratten und solch Getier

Aß Thoms sieben Jahr lang für und für.“

Im Ernst, ich hab’ finstere und schwere Zeiten durchgemacht! Du wirst ja schließlich, trotzdem ich dir lieber nichts geschrieben habe, liebe Alice, davon unterrichtet sein.

Alice Rütterbusch

Das war aber net grad, weißt, sehr freindschaftlich, daß d’ mir auf alle die sauberen und langen Brief kein Wörtel geantwort’ hast.

Direktor Hassenreuter

Wozu, ha ha ha, einem kleinen Mädchen antworten, wenn man genug mit sich selber zu tun hat und in keiner Beziehung was nützen kann? Sessa! E nihilo nihil fit! Das heißt auf Deutsch: aus nichts kann nichts werden! Motten und Staub! Staub und Motten! ha ha ha! Das ist alles, was ich von meiner deutschen Kulturarbeit an der westlichen Grenze geerntet habe.

Alice Rütterbusch

Du hast also den Fundus net an den Direktor Kurz abgetreten.

Direktor Hassenreuter

„O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt.“ Nein, meine Kleine, ich habe den Fundus nicht in Straßburg gelassen! Dieser ehemalige Kellner, Kneipwirt und Pächter von anrüchigen Tanzlokalen, der mein Nachfolger wurde ... dieser Kretin, dieser bête imbécil, wollte den Fundus nicht! — Sessa, den Fundus hab’ ich nicht dort gelassen: dafür aber vierzigtausend Mark sauerverdientes Geld, von Gastspielreisen aus meiner Mimenzeit! außerdem fünfzigtausend Mark zugebrachtes Vermögen meiner braven Frau. Sessa! — Übrigens, daß ich den Fundus behielt, war ein Glück für mich. — Da! — Ha ha ha! Diese Kerle hier ... — (er berührt einige der Geharnischten) — du kennst sie doch? ...

Alice Rütterbusch

I kenn’ doch meine Pappenheimer.

Direktor Hassenreuter

Nun also: diese Pappenheimschen Kerle hier, und was drum und dran baumelt, haben den alten Lumpensammler und Maskenverleiher Harro Eberhard Hassenreuter nach seiner Hedschra tatsächlich über Wasser gehalten! — Aber reden wir lieber von heiteren Dingen: ich habe mit Vergnügen aus der Zeitung ersehen, daß du von Exzellenz für Berlin engagiert werden wirst.

Alice Rütterbusch

I mach mir nix draus! I möcht lieber bei dir spielen, und das mußt mir versprechen, wanns du wieder eine Direktion ibernehmen tust ... das versprichst mir, daß i augenblickli kontraktbrüchig werden kann! — (Der Direktor bricht in Lachen aus.) — I hab mi drei Jahre lang gnua auf die Provinzschmieren rumgeärgert. Berlin mag i net! und a Hoftheater schon lang net. Jessas die Leit! das Komödiespielen! — Weißt, i g’hör zum Fundus, i hab immer bloß daher g’hört! —

Sie nimmt unter den Pappenheimern Aufstellung.

Direktor Hassenreuter

Ha ha ha ha! Also komm, du getreuer Pappenheimer.

Er öffnet die Arme weit, sie fliegt hinein, und beide begrüßen einander mit einigen lange anhaltenden Küssen.

Alice Rütterbusch

Geh Harro, jetzt sagst mir: was macht deine Frau?

Direktor Hassenreuter

Therese geht’s gut, außer daß sie trotz Kummer und Sorgen von Tag zu Tag dicker wird. — Mädel, Mädel, wie du duftest! — (Er drückt sie an sich.) — Weißt du auch, daß du teufelsmäßig gefährlich bist?

Alice Rütterbusch

Meinst, daß i blöd bin? Freili bin i gefährlich.

Direktor Hassenreuter

Sakra!

Alice Rütterbusch

Meinst, i sollt mir in der schönen Gegend, drei Stiegen hoch, unter an muffigen Dach, mit dir a Rendezvous geben, wann ich net wißt, daß das für uns zwei, ans wie’s andere, gefährlich is. Ibrigens hab’ i ja, Gott sei Dank, weil i halt immer a Glück haben muß, wann i schon amal auf Schleichwegen geh, auf der Treppen den Nathanael Jettel troffen, bin dem Herrn Hofschauspieler bei ei’m Haar direkt in die Arme g’rannt. Wird schon sorgen, daß das nicht unter uns bleibt, daß i di b’sucht hab.

Direktor Hassenreuter

Ich muß das Datum verschrieben haben: der Mensch behauptet, ha ha ha, ich hätte ihn ganz ausdrücklich für heut nachmittag herbestellt.

Alice Rütterbusch

Das war aber net etwa die einzige Bassermannsche Gestalt, der i auf die sechs Treppenabsätz begegnet bin, und was mir die lieben kleinen Kinderln, die auf die Stufen rumkugeln, nachgeschrien haben, das is dermaßen unparlamentarisch, das is von solche Kröten, noch net drei Käs’ hoch sind, schon die allergrößte Gemeinheit, die mir noch vorkommen is.

Direktor Hassenreuter
lacht, wird dann ernst.

Ja, siehst du: daran gewöhnt man sich: was so hier in diesem alten Kasten mit schmutzigen Unterröcken die Treppe fegt und überhaupt schleicht, kriecht, ächzt, seufzt, schwitzt, schreit, flucht, lallt, hämmert, hobelt, stichelt, stiehlt, treppauf treppab allerhand dunkle Gewerbe treibt, was hier an lichtscheuem Volke nistet, Zither klimpert, Harmonika spielt — was hier an Not, Hunger, Elend existiert und an lasterhaftem Lebenswandel geleistet wird, das ist auf keine Kuhhaut zu schreiben. Und dein alter Direktor, last not least, rennt, ächzt, seufzt, schwitzt, schreit und flucht, ha ha ha, wie der Berliner sagt, immer mitten mang mit. Ha ha ha, Mädel, mir ist es recht dreckig gegangen.

Alice Rütterbusch

Weißt ibrigens, wen i, wie i grad auf den Bahnhof Zoologischer Garten zusteuer, troffen hab? Den alten guten Fürst Statthalter hab i troffen. Und sixt, unverfroren wie i amal bin, bin i zwanzig Minuten lang neben ihm hergschwenkt und hab ihn in an langen Diskurs verwickelt und, auf Ehre, Harro, wie ich dir sag, so is es buchstäblich tatsächlich g’schegn. Auf’n Reitweg is plötzlich Majestät mit großer Suite vorübergritten. I denk, i versink! Und hat übers ganze Gesicht gelacht und Durchlaucht so mit dem Finger gedroht. Aber g’freit hab i mi, das kannst mir glauben. Aber jetzt kommt d’Hauptsach. Jetzt paß auf. — Ob i mi freun tät, hat mi Durchlaucht plötzli g’fragt, und ob i wieder nach Straßburg mecht, wann der Direkter Hassenreuter das Theater tät wieder übernehmen. Na weißt: beinah hab i an Sprung getan!

Direktor Hassenreuter
Er wirft seinen Überzieher ab und steht in seinen Orden da.

Du hast wahrscheinlich bemerken müssen, daß die kleine Durchlaucht vorzüglich gefrühstückt hat. Sessa! Wir haben zusammen gefrühstückt. Wir haben ein exquisites kleines Herrenfrühstück beim Prinzen Ruprecht draußen in Potsdam gehabt. Ich leugne nicht, daß sich vielleicht eine Wendung zum Guten im miserablen Geschicke deines Freundes vorbereitet.

Alice Rütterbusch

Liebster, wie a Staatsmann, wie a Gesandter, siehst du ja aus.

Direktor Hassenreuter

Ah, du kennst diese Brust voll hoher und höchster Orden noch nicht!? Klärchen und Egmont! Hier magst du dich satt trinken! —

Neue Umarmung.

Carpe diem! genieße den Tag! Sekt, kleine Naive, steht allerdings auf dem jetzigen Repertoire deines alten Direktors, Erweckers und Freundes nicht! — (Er öffnet eine Truhe und entnimmt ihr eine Flasche Wein.) — Aber dieser Stiftswein ist auch nicht von Pappe! — (Er zieht den Korken. Die Türschelle geht.) — Was? — Pst! — Wer hat denn die ungeheure Dreistigkeit, am Sonntag nachmittag hier anzuklingeln? — (Es klingelt stärker.) — Kleine, zieh dich doch mal in die Bibliothek zurück. — (Alice eilt in die Bibliothek ab. Es klingelt wieder.) — Donnerwetter noch mal, der Kerl ist ja irrsinnig. — (Er eilt nach der Tür.) — Gedulden Sie sich oder scheren Sie sich! — (Man hört ihn die Tür öffnen.) — Wer? Wie? „Ich bin’s, Fräulein Walburga?“ Was? Fräulein Walburga bin ich nicht. Ich bin nicht die Tochter! Ich bin der Vater! Ach, Sie sind’s, Herr Spitta! Gehorsamer Diener, ich bin der Vater! Ich bin der Vater! Was wünschen Sie denn?

Im Gange erscheint wiederum der Direktor, geleitet von Erich Spitta, einem einundzwanzigjährigen jungen Menschen, der Brille und Zwicker trägt und übrigens scharfe und nicht unbedeutende Züge hat. Spitta gilt als Kandidat der Theologie und ist entsprechend gekleidet. Er hält sich nicht gerade, und seiner Körperentwicklung ist die Studierstube und mangelhafte Ernährung anzumerken.

Direktor Hassenreuter

Wollten Sie meiner Tochter Walburga hier auf dem Speicher Privatstunde geben?

Spitta

Ich fuhr im Pferdebahnwagen vorüber und glaubte wirklich, ich hätte Fräulein Walburga unten durch das Portal in’s Haus eilen sehen.

Direktor Hassenreuter

Gar keine Ahnung, mein lieber Spitta. Meine Tochter Walburga ist augenblicklich mit ihrer Mutter in der englischen Kirche, ich glaube, zu einem liturgischen Gottesdienst.

Spitta

Dann verzeihen Sie vielmals, wenn ich gestört habe. Ich nahm mir die Freiheit, heraufzukommen, weil ich mir sagte: eine Begleitung in dieser Gegend, vielleicht auf dem Rückwege nach dem Westen, wäre Fräulein Walburga am Ende nicht unangenehm.

Direktor Hassenreuter

Wohl, wohl, aber sie ist nicht hier, bester Spitta. Ich bedauere sehr. Ich selber bin nur zufällig hier: der Post wegen! und ich habe auch leider andere dringende Sachen vor. — Wünschen Sie sonst was, mein guter Spitta?

Spitta putzt seinen Kneifer und gibt Zeichen von Verlegenheit.

Spitta

Man gewöhnt sich nicht gleich an die...

Erscheint lt. Verlag 30.1.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 80-282-7779-9 / 8028277799
ISBN-13 978-80-282-7779-6 / 9788028277796
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