Die Buchverliebten (eBook)

Roman | Für Leser:innen von 'Der Buchspazierer'
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01599-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Buchverliebten -  Anja Baumheier
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Eine Liebesgeschichte über den Zauber des Lesens In Geschichten eintauchen, die Nacht durchlesen, ein Buch mit dieser wohligen Mischung aus Freude und Abschiedsschmerz zuschlagen. Nichts liebt der Buchhändler Ole Oevermann so sehr wie die Literatur. Doch seit einiger Zeit kommen immer weniger Kunden in seine kleine Buchhandlung in der Lübecker Marlesgrube. Auch Gesa Grambek hat die Bücher aus ihrem Leben verbannt, seit ihre große Liebe Onni, ein finnischer Schriftsteller, vor zwanzig Jahren starb. Als Gesa ihre Stelle bei einer Versicherung zu verlieren droht, ist sie verzweifelt. Wie soll sie wenige Jahre vor der Rente eine neue Stelle finden? Da lernt sie Ole Oevermann kennen. Der Buchhändler ist nicht nur überaus charmant und überzeugt davon, dass sich Gesas Kündigung abwenden lässt - er möchte auch ihre Liebe zur Literatur wiedererwecken ... Ein Roman für Bücherfreundinnen, Geschichtenliebhaber und alle, die daran glauben, dass Bücher gebrochene Herzen heilen können.

Anja Baumheier wurde 1979 in Dresden geboren. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet dort als Lehrerin für Französisch und Spanisch. Bei Rowohlt erschienen bereits ihre Romane 'Kranichland', 'Kastanienjahre' und 'Die Erfindung der Sprache'.

Anja Baumheier wurde 1979 in Dresden geboren. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Berlin und arbeitet dort als Lehrerin für Französisch und Spanisch. Bei Rowohlt erschienen bereits ihre Romane "Kranichland", "Kastanienjahre" und "Die Erfindung der Sprache".

Gesa


1995

Gesa und die Liebe, das passte nicht zusammen. Dafür gab es unwiderlegbare Beweise. Gesa, dreiunddreißig Jahre alt, kinderlos, Versicherungskauffrau bei der Lübeck-Safe-AG, hatte in ihrem Leben bisher zwei Männer gehabt. Zwei Männer. Zwei Mal Pech.

Der erste war genau genommen noch gar kein richtiger Mann gewesen. Frühsommer 1976. Jan war siebzehn und Bassist in der Schulband des altehrwürdigen Katharineums, Gesa ein Jahr jünger. Die beiden Teenager kamen sich bei den Bundesjugendspielen näher. Erst verlor Gesa ihr Herz, ein halbes Jahr später ihre Jungfräulichkeit. Eine Woche darauf wollte Jan nichts mehr von ihr wissen. Die Gründe, die er für seine Zurückweisung hervorbrachte, waren so abwegig, dass sich Gesa schon bald nicht mehr an sie erinnern konnte. Ihr junges Herz zerbrach in Stücke, und sie schwor sich, nie wieder einen Mann an sich heranzulassen.

Zehn Jahre lang ging das gut; alle Bewerber blockte Gesa erfolgreich ab. Doch mit siebenundzwanzig wurde sie unvorsichtig. Wieder ein Jan. Das hätte sie misstrauisch machen müssen. Jan Nummer zwei war ein Zahnarzt, der im Büro der Lübeck-Safe-AG vorstellig wurde, um ein umfangreiches Versicherungspaket zu erwerben. Haftpflicht. Rechtsschutz. Berufsunfähigkeit. Nach vier Monaten wollte Gesa den zweiten Jan ihren Eltern vorstellen. Sie fuhr in seine Praxis in Kücknitz, um ihn zu überraschen. Doch im Behandlungszimmer war es Gesa, die eine Überraschung erlebte, als sie ihren Freund mit der Sprechstundenhilfe auf dem Behandlungsstuhl erwischte.

Nach der doppelten Jan-Enttäuschung brauchte Gesa schleunigst etwas, um zu vergessen. In der Brigitte hatte sie einen Artikel über Liebeskummer gelesen. Dort stand, man solle sich ablenken, etwas Neues lernen, ein Hobby finden. Also suchte Gesa nach einem Hobby, das sich umstandslos ihren Wünschen anpasste, das ihr nicht das Herz brechen würde. Sie versuchte es, wie in dem Artikel empfohlen, mit Stricken, Wandern und Angeln. Vergeblich. Viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Doch dann entdeckte Gesa die Literatur.

Ein Volltreffer, auch wenn es genau genommen Liebe auf den zweiten Blick war.

Bereits in der Schule, damals als die Sache mit Jan Nummer eins gerade ihren Anfang nahm und Gesas Deutschlehrer sich vergeblich bemühte, die in einen hormonellen Dauerausnahmezustand geratenen Schüler für die Schönheit von Epik, Dramatik und Lyrik zu begeistern, hatte Gesa ein wohliges Kribbeln beim Aufschlagen eines Buches gespürt. Aber Jan Nummer eins nannte sie einen Bücherwurm, mit einem Hauch von Verachtung in der Stimme. Und da man bei den ersten zarten Versuchen noch bereit ist, sich der Liebe vorbehaltlos in die Arme zu werfen und sich ruckzuck an alles Mögliche anzupassen, hatte Gesa ihre Romane in einen Koffer geräumt und unter das Bett geschoben.

Der Groll gegen die Liebe im Allgemeinen und Bassisten sowie Zahnärzte im Besonderen führte nach dem Jan-Nummer-zwei-Desaster dazu, dass es zwischen Gesa und der Literatur abermals funkte. Heftig funkte. Sie holte den Koffer wieder unter dem Bett hervor und erneuerte ihren Bibliotheksausweis. Während des schlimmsten Liebeskummers fand sie Trost in der Gewissheit, dass sie nicht die Einzige war, die von der Liebe gequält wurde. Da war Marianne Dashwood aus Janes Austens Gefühl und Verstand. Da war Bridget Jones in den Romanen von Helen Fielding. Da war Jane Marsh aus Ende eines Sommers von Rosamunde Pilcher. Gesa war nicht allein.

Auch gute zehn Jahre später war Gesa noch eine begeisterte Leserin. Natürlich las sie nicht mehr ausschließlich Liebeskummerlektüre, sie las einfach alles, was ihr zwischen die Finger kam, und liebte, litt, lachte und weinte, während sie einen Roman nach dem anderen verschlang.

Wenn Gesa verreiste, dann nie ohne Lektüre. Bereits beim Packen wusste sie, dass sie viel zu viele Bücher in ihren Koffer stopfte. Aber die Vorstellung, ihr könnte unterwegs der Lesestoff ausgehen, war für sie unerträglich.

So auch an diesem Tag. Gesa blickte auf das Buch, das auf ihrem Schoß lag. Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel García Márquez. Der Roman war ein Geburtstagsgeschenk ihres Chefs. Gesa schaute von ihrem Buch auf und nach links, wo ihr Zwillingsbruder am Steuer seines Volvos saß. Hinter der Seitenscheibe zogen die Kiefernwälder Finnlands vorbei wie in einer Endlosschleife, überflittert von einer märchenhaften Sonne.

«Nun wird es Zeit für das Geständnis.» Gero drosselte die Geschwindigkeit.

Gesa legte ihre Stirn in Falten.

«Rovaniemi, die Stadt, in die wir gerade fahren, ist nicht nur der Sitz des Weihnachtsmannes. Da sitzt, ich meine, wohnt, auch Kimi Saariaho.»

Gesa stöhnte auf. Kimi Saariaho war ein finnischer Schauspieler, den ihr Bruder im Stadttheater Lübeck bei einer szenischen Lesung von Schönheit und Elend des Lebens von Frans Eemil Sillanpää gesehen hatte. Seitdem war der Mann ihrem Bruder nicht mehr aus dem Kopf gegangen. In der Darbietung des Schauspielers Kimi Saariaho hatte Gero so viel Schönheit des Lebens erkannt, dass er ganz besessen von ihm war.

«Sag nicht, wir sind nur wegen Saariaho nach Finnland gereist sind. Ich dachte, du wolltest Lappland kennenlernen und eine Woche direkt am nördlichen Polarkreis verbringen, am Tor zur Arktis sein.»

«Das auch.» Gero warf einen Blick auf ihr Buch und gab Gas. «Die Finnen sind übrigens ein sehr glückliches Volk, wohl sogar das glücklichste Europas. Und sie sind auch richtiggehend leseverrückt.»

Das wirkte. Obgleich Gesa ihrem Bruder wegen seiner Heimlichtuerei grollte, besänftigten sie die zauberhaften Kiefernwälder und die Vorstellung, eine Woche in einem Land zu verbringen, dessen Einwohner glücklich und buchliebhabend waren. Vielleicht, überlegte Gesa, während sie Gero über den Arm streichelte, vielleicht stand beides miteinander in Zusammenhang. Nein, korrigierte sie sich, ganz sicher sogar hing beides miteinander zusammen.

 

Am vorletzten Tag ihres Aufenthaltes fuhr Gesa im Volvo ihres Bruders zum vierzehn Kilometer entfernten Olkkajärvi, einem idyllischen, vollkommen klaren See. Sie wollte die unberührte Landschaft genießen, sich die urigen Mökkis, die finnischen Ferienhäuser, anschauen, vielleicht eine Sauna besuchen. Ein wenig wollte sie auch Abstand von Gero gewinnen, der unermüdlich die Cafés, Restaurants und Museen, das Rovaniemi-Theater, die Lappia-Hall und sogar alle Kinos nach seinem Schwarm absuchte. Leider vergeblich. Gesa liebte ihren Bruder, doch die Verzweiflung, mit der er nach Kimi Saariaho fahndete, ging ihr zu weit. Andererseits, so dachte Gesa, wenn sie ehrlich war, erinnerte diese hoffnungslose Suche nach der Liebe sie auch ein wenig an sie selbst.

Eine öffentliche Sauna fand Gesa am Olkkajärvi-See nicht. Vom vielen Umherlaufen taten ihr die Füße weh. Sie setzte sich auf einen Holzstapel in der Nähe eines unbewohnten Mökkis und öffnete ihren Rucksack. Gero hatte es gut gemeint. Ein wenig zu gut. Offenbar hatte er noch immer ein schlechtes Gewissen, weil er seine Schwester unter Vortäuschung falscher Tatsachen nach Finnland gelockt hatte.

Kalakukko. Ein Brotlaib, in dem in Speck eingewickelter Fisch steckte. Karjalanpiirakka. Handtellergroße Teigtaschen, gefüllt mit Milchreis. Eine Thermoskanne voller Kaffee, die, nach Gesas vorsichtigen Schätzungen, ein Fassungsvermögen von zwei Litern haben musste. Gesa fragte sich, wer das alles essen und trinken sollte. In der linken Seitentasche ihres Rucksacks steckte ein von einer Serviette gehaltenes Besteckset, in der rechten das Buch, das Gesa gerade zum zweiten Mal las. Der Alchimist von Paulo Coelho. Wie sehr Gesa diesen Roman liebte. Sie war gerade an der Stelle, wo sich Santiago und Fatima begegneten. Aber da die lange Wanderung nicht nur Gesas Füßen einiges abverlangt hatte, sondern sie auch so hungrig hatte werden lassen, dass ihr Magen knurrte, griff sie zunächst nach dem Kalakukko. Sie biss herzhaft hinein. Die köstliche Kombination aus Brot, Speck und Fisch in ihrem Mund ließ Gesa unwillkürlich die Augen schließen.

«Nauti ateriastasi.»

Gesa schrak zusammen und öffnete die Augen. Das hieß guten Appetit. «Kiitos. Danke», erwiderte Gesa.

Vor ihr stand der Weihnachtsmann, nur in jünger und wesentlich attraktiver. Der Mann trug ein rot kariertes Holzfällerhemd, eine Arbeitshose, einen Vollbart und in der Hand eine Axt.

«Onni.» Der Mann, der offenbar Onni hieß, tippte sich auf die Brust und nickte Gesa freundlich zu.

Da sah sie, dass in der Brusttasche dieses Onni ein Buch steckte. Alkemisti von Paulo Coelho.

In diesem Augenblick war es um sie geschehen. Nicht auf den zweiten, nein, auf den ersten Blick. Dass der Mann nicht Jan hieß, war schon mal ein Pluspunkt. Aber Gesa wollte sich absichern. In ihrem Rucksack befand sich ein Wörterbuch. Sie blätterte zum Buchstaben B. «Basisti?», erkundigte sie sich.

Onni schüttelte den Kopf.

Gesa blätterte zum Buchstaben Z. «Hammaslääkäri? Zahnarzt?», setzte sie nach.

Onni schüttelte den Kopf. «Kirjailija. Writer. Author.»

Gesa hatte sich Hals über Kopf verliebt, und sie wusste, dass sie nichts dagegen tun konnte. Doch dann fiel ihr ein Zitat aus dem Alchimisten ein. Alles, was passiert, kann einmalig sein. Aber alles, was zweimal passiert, wird sicher ein drittes Mal passieren. Das klang nicht gut, das klang gar nicht gut. Dennoch. Es war bereits passiert, Gesa hatte ihr Herz zum dritten Mal verloren. Glücklich und leseverrückt waren die Finnen,...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller-Autorin • Bibliophil • Bücher • Bücherliebe • Bücher über Bücher • Buchhandlung • Der Buchspazierer • Die Erfindung der Sprache • feel good • Geschenk für Frauen • Kastanienjahre • Kranichland • Lesen • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Lübeck • Neuerscheinung 2023 • Roman • Roman für Frauen • Roman Neuanfang • späte Liebe • Trauer • Wohlfühlroman • Zweite Chance
ISBN-10 3-644-01599-6 / 3644015996
ISBN-13 978-3-644-01599-9 / 9783644015999
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