Normal ist das aber nicht! (eBook)

oder: Dringend gesucht: More Sex and good Drugs and only Rock n Roll
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
196 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-72979-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Normal ist das aber nicht! -  Reimar Neumann
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Mike sucht eine Sängerin für die Band, in der auch er singt. Er sucht aber auch eine Partnerin über verschiedene Internetportale. Sein Assistent Heino ist ebenfalls auf der Suche. Jutta würde gerne Sängerin in der Band werden, kann aber nicht gut singen. Ihre beste Freundin Nora von der Krankenkasse, die auch im Internet auf Partnersuche ist, hilft ihr widerwillig dabei. Die Wege von Mike und Nora kreuzen sich erst mal nur im Internet, dann aber nicht mehr, weil sie Stellvertreter zum vereinbarten Date schicken, denn sie sitzen beide im Rollstuhl und befürchten, vom anderen abgelehnt zu werden. Das sind aber nicht die einzigen Missverständnisse, mit denen sich die Helden dieser liebenswerten Komödie zwischen Rollstuhlfahreralltag und Musikszene herumschlagen müssen. Neben allerlei Freiersfüßen, Rollstühlen und Assistenten sind auch Freunde, gute Freunde und Sex-Freunde dabei, die mit ihrem Hin und Her die Fußgängerzone jener ungenannten Kleinstadt unsicher machen, in der es definitiv nur einen rollenden Rocksänger gibt, der denkt, dass er auch dann anonym bleiben kann, wenn er genau das in sein Onlinedatingprofil schreibt.

Reimar Neumann wurde 1961 in Berlin geboren und ist in Kreuzberg aufgewachsen. Er studierte Sozialwesen und arbeitete in unterschiedlichen Funktionen in der öffentlichen Verwaltung (Arbeitsamt, Landratsamt) und in der Behindertenhilfe (Geschäftsführer Inklusionsfirma, Leiter Integrationsfachdienst, Leiter Werkstatt für behinderte Menschen, Behindertenbeauftragter). Geprägt durch seinen musikalischen Vater, spielte er seit seiner Jugend Schlagzeug in verschiedenen Bands und schrieb zahlreiche Songtexte. 1990 gründet er www.handicap-event-management.de, eine Agentur für, von und mit behinderten Musikern und Künstlern. Die Präsenz in der Behindertenszene und in der Musikszene gleichermaßen, der Wille, diese Bereiche zusammenzubringen und sein kulturelles Interesse auch im Theaterbereich, brachte ihn immer wieder selbst auf die Bühne oder zur Organisation von Veranstaltungen. Im Jahr 2004, anlässlich der Paralympics in Athen, schrieb er den Text für die CD-Produktion »Olympia is coming home« und realisierte die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Musikern mit Behinderung für eine gemeinsame Veröffentlichung. Das Musical »Ciano«, bei dem er zum Autoren- und Komponistenteam gehörte, wurde 2001 uraufgeführt. Sein zweites Musical-Libretto »Wanted« aus dem Mai 2020 diente als Vorlage zu diesem Roman. Reimar Neumann lebt seit 2009 in Karlsruhe.

Reimar Neumann wurde 1961 in Berlin geboren und ist in Kreuzberg aufgewachsen. Er studierte Sozialwesen und arbeitete in unterschiedlichen Funktionen in der öffentlichen Verwaltung (Arbeitsamt, Landratsamt) und in der Behindertenhilfe (Geschäftsführer Inklusionsfirma, Leiter Integrationsfachdienst, Leiter Werkstatt für behinderte Menschen, Behindertenbeauftragter). Geprägt durch seinen musikalischen Vater, spielte er seit seiner Jugend Schlagzeug in verschiedenen Bands und schrieb zahlreiche Songtexte. 1990 gründet er www.handicap-event-management.de, eine Agentur für, von und mit behinderten Musikern und Künstlern. Die Präsenz in der Behindertenszene und in der Musikszene gleichermaßen, der Wille, diese Bereiche zusammenzubringen und sein kulturelles Interesse auch im Theaterbereich, brachte ihn immer wieder selbst auf die Bühne oder zur Organisation von Veranstaltungen. Im Jahr 2004, anlässlich der Paralympics in Athen, schrieb er den Text für die CD-Produktion »Olympia is coming home« und realisierte die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Musikern mit Behinderung für eine gemeinsame Veröffentlichung. Das Musical »Ciano«, bei dem er zum Autoren- und Komponistenteam gehörte, wurde 2001 uraufgeführt. Sein zweites Musical-Libretto »Wanted« aus dem Mai 2020 diente als Vorlage zu diesem Roman. Reimar Neumann lebt seit 2009 in Karlsruhe.

1.

Es war erst gestern erst … eigentlich ein ganz normaler Tag, aber was ist schon normal? Wer wusste das besser als Mike, der seit 20 Jahren jeden Tag erleben musste, wie wenig normal es war, ein völlig normales Leben zu führen? Vielleicht hätte sein Assistent den Zeitungstypen nicht einfach über den Haufen schießen sollen, das war nicht normal, also zumindest kam es nicht so oft vor. Aber der Reihe nach:

In der Band, deren Sänger Mike war, hatten Sie beschlossen, noch mal voll durchzustarten. Auch das machten sie schon seit 20 Jahren: immer volle Kraft, immer Rock und immer Spaß mit allem, was dazu gehört – Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll eben. Und immer wieder diskutierten sie in regelmäßigen Abständen die beiden zentralen Fragen der semiprofessionellen Bandhistorie: Sollen wir covern oder selbst Songs schreiben? Und: Singen wir auf Deutsch oder Englisch? Und genauso regelmäßig blieben sie ihrem Motto treu, dass man sich auf gar keinen Fall festlegen sollte und immer für alles offenbleiben müsse.

»Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht.« Mit diesem zentralen Satz beendete Mike dann regelmäßig die Diskussionen, ließ den Drummer einzählen und sie hatten wieder Sex and Drugs and Rock ’n’ Roll.

Mit dem Sex klappte es manchmal bis meistens nicht so, wie er sich das vorstellte, und deshalb fand Mike die Idee seiner Bandkollegen, die bei der letzten Diskussion in einem Nebensatz fiel, gar nicht so schlecht: Lasst uns doch eine Sängerin suchen. Er hätte natürlich auch beleidigt sein und das als Kritik an sich interpretieren können, aber eine gut aussehende Frontfrau mit Beinen bis zum Hals, wie aus dem Fernsehvorspann zum Montagskino, das wäre ihm sehr angenehm gewesen, mit einer Stimme, die erst den Stahl härtet und dann schmelzen lässt, wie Vanilleeis auf nackter Haut. Ein Vergleich, der ihm besonders gefiel, weil er nackte Haut und Vanilleeis an sich schon mochte und in dieser Kombination erst recht. Und wenn es diese Traumfrau dann geben würde, schmachteten sie sich zusammen in einer extra dafür komponierten Nummer das Schmalz aus der Birne, kletterten in den Charts auf einen Spitzenplatz und wären das Traumpaar der Nation, natürlich auch privat. Sänger in einer Band, und mit der Frontfrau liiert … was will man mehr?, dachte er sich. Drugs and Rock ’n’ Roll hatte er ja schon.

Suzie Quatro war 16 Jahre mit ihrem Gitarristen verheiratet. Gut, es denkt ja niemand gleich ans Heiraten, aber schlecht wäre es nicht, wenn man wüsste, wo man hingehört. Backstage war Mike ja oft derjenige, der von den After-Show-Girls keine abbekam. Partnerschaft gibt Sicherheit und die lästige Dauerbereitschaft zur Kontaktanbahnung fällt weg, keine Enttäuschungen, keine Kondome. Und dann kommt Chris Norman und es klappt mit der Schmalz-Birne-Nummer. So oder so ähnlich war es zwar kein Plan, ergab aber ein Thema zum Denken und Träumen und Machen.

Doch woher bekam man so einen musikalischen Engel, der mit einem Engel eigentlich gar nicht so viel gemeinsam haben sollte? Langweilige Zicken brauchten sie nicht und er kannte die Bands und Musikerinnen aus der Region, da war nichts dabei, was auch nur annähernd seinen Vorstellungen entsprach. Warum er vom Gedanken an Engel sofort bei langweiligen Zicken landete, beschäftigte ihn nicht weiter. Er war keiner, der jeder Assoziation auf den Grund ging. Viel lieber gönnte er sich seine Vorurteile, um die Welt zu verstehen und zu erklären. Ob die Welt nun auf seine Erklärungen wartete oder nicht, sie hören wollte oder nicht, war ziemlich egal. Er war Sänger in einer Band und wollte seine Sicht der Dinge loswerden, er hatte etwas zu sagen und er war wichtig, zumindest genauso wichtig wie diese pseudo-prominenten Salatgurken aus den überflüssigen Fernsehsendungen zwischen den niveauvollen Werbeblöcken. Die wurden zumindest von Fachleuten gemacht, also die Werbeblöcke. Die wussten, wie dämlich jemand sprechen musste, um gutes Durchschnittsmüsli an den Mann zu bringen. Marktführer werden durch doof labern konnte er auch, dachte Mike sich. Kann so schwer nicht sein. Aber wer hörte zu, wollte zuhören oder musste zuhören? Da war er doch gedanklich schon wieder vom Thema abgewichen, es ging ja immer noch um den Engel. Und er war nun schon seit ewigen Zeiten, also definitiv länger als elf Minuten, in verschiedenen Internetportalen unterwegs, aber eine Frau, nicht mal einen Engel, die an ihm Interesse gefunden hätte, oder zumindest an Musik – oder an seiner Musik – und nicht nur problembeladene Alltagsbewältigung postulierte, hatte er noch nicht gefunden, nicht mal ansatzweise, nicht mal eine dumme Zicke.

Letzte Rettung: Zeitungsinserat. Band sucht Sängerin oder so ähnlich. Diese analoge Kommunikationsmethode, die auf den direkten zwischenmenschlichen Kontakt setzte, zumindest zu dem Zeitungsinseratverkäufer, zumindest wenn man das Inserat nicht online schaltete, zumindest dann, wenn man die Zuschriften auf die Chiffre-Anzeige abholte und sie sich nicht gegen Aufpreis zuschicken ließ. Und weil Aufpreis ein Wort war, das in Mike tiefe Abneigung aufkommen ließ, würde der Zeitungsinseratverkäufer diese Kommunikationsform fast mit dem Leben bezahlen müssen, aber das erst später und auch nur in einem alternativen Universum.

Mike saß mal wieder im Rollstuhl. Seit 20 Jahren machte er das immer wieder, also täglich, tagsüber, wenn sein Assistent Heino ihn nach der Morgentoilette in selbigen reinhob. Ja, sein Assistent hieß Heino, schon immer, keine Ahnung, wer ihm das angetan hatte, na ja doch, seine Eltern, aber warum? Dass er blond und ein wenig blöd werden würde, war zur Zeit der Namensgebung ja noch nicht absehbar. Heino war dafür sehr abwechslungsreich und empathisch, humorvoll und manchmal schwer gebildet, was er im täglichen Leben gut zu verbergen wusste. Woher er seine Vorliebe für Augenklappen hatte, wusste kein Mensch und er sprach auch nicht darüber. Er hatte übrigens eine für das rechte und eine für das linke Auge, trug diese im Wechsel, also ganz anders als Ray Sawyer, der Sänger von Dr. Hook And The Medicine Show, und er hasste es, wenn er gefragt wurde, warum er die Augenklappe nicht einfach von rechts nach links zog, wenn er das Auge zu wechseln gedachte. Er wurde das aber nie gefragt, weil es ja niemand sah, und wenn doch, man darüber ja nicht sprach, und deshalb blieb ihm auch der Hass erspart, den auszusenden er sich für diesen Fall vorgenommen hatte. Konsequenterweise nahm er die Klappe allerdings ab, wenn er sich seine schwarze Sonnenbrille auf die Nase setzte und eine gelbe Blindenbinde, die mit den drei schwarzen Punkten, am Oberarm trug.

Heino war heute Augenklappenlinksträger. So gingen die beiden zum Zeitungsinseratverkäufer, also gut, Heino ging, Mike fuhr, weil Heino ihn vor sich her schob. Mike konnte selber gar nicht fahren, weil er Tetra war. Mit seinen schwachen Armen und verkrümmten Fingern wäre das eine ziemliche Anstrengung gewesen die er, trotz täglichen Hanteltrainings, gerne vermeiden wollte. Außerdem wurde Heino unter anderem auch für das Rollstuhlschieben bezahlt. – Aber nicht nur dafür.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es in der Stadt, in der wir uns befinden, einer namenlosen Stadt, die überall in Deutschland liegen könnte, kaum barrierefreie Wohnungen gab, so wie jemand mit Mobilitätseinschränkung sie brauchte. Aber Mike hatte eine schöne Altbauwohnung, die groß genug war, um sich einen Assistenten mit eigenem Zimmer halten zu können. Dummerweise hatte er die Wohnung schon gekauft gehabt, als er noch Fußgänger war, deshalb im Hochparterre ohne Aufzug. Der Denkmalschutz, die Jugendstil-Andeutungen bei so manchen Verzierungen im Treppenhaus und der Hinterhofgarten als Treffpunkt für die Nachbarn zum Feierabendbier hatten ihm einfach zugesagt. Hätte er da mal nur weiter gedacht. Aber zu dem Zeitpunkt war eben gerade kein Versicherungsvertreter da, der ihn vor den Gefahren der Normalität warnte, um ihm für monatliche Kostenbeiträge zu versprechen, die Realität zu finanzieren, wenn sie denn zuschlüge und die Versicherung sich ums Verrecken nicht drücken könnte.

Nun war es eben so, dass Heino Mike die eine Treppe, genau elf Stufen, rauf und runter tragen musste. Auch dafür wurde er bezahlt und wie lange seine Bandscheiben das gut fanden, sollte eine Überraschung sein. Also trug er Mike die Treppe runter und setzte ihn in den bereitstehenden Schiebe-Rollstuhl. Den Elektrorollstuhl nutzte Mike nur in der Wohnung, damit er sich wenigstens dort von seinem Assistenten unabhängig bewegen konnte. Wenn er draußen unterwegs war, dann sowieso nur mit Assistent, also konnte ihn Heino auch schieben.

Bevor es losging erfolgte noch der obligatorische Blick in den Briefkasten, wo zwischen ungewollter Werbung und den dauernden Verwaltungsschreiben nichts Interessantes oder Wichtiges zu erkennen war. Die Altpapiertonne hatte ein aufmerksamer Mitbewohner direkt neben den...

Erscheint lt. Verlag 21.9.2022
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Behinderte • Comedy • Humor • Inklusion • Komödie • Liebe • Rock and Roll • Rollstuhlfahrer
ISBN-10 3-347-72979-X / 334772979X
ISBN-13 978-3-347-72979-7 / 9783347729797
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