Der Teufel von Dundee (eBook)

Ein Fall für Frey und McGray 7

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
640 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-28446-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Teufel von Dundee - Oscar Muriel
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»Eine unglaublich unterhaltsame viktorianische Krimiserie!« The New York Times
Edinburgh 1890. Inspector McGray ertappt zwei Grabräuber auf dem Friedhof, und beim Anblick der Leiche gefriert ihm das Blut in den Adern. Der Toten wurde das Zeichen des Teufels ins Gesicht gebrannt. Dasselbe Zeichen taucht kurz darauf in Edinburghs Irrenanstalt auf, mit dem Blut eines getöteten Patienten an die Wand geschmiert. Beschuldigt wird die berüchtigste Insassin des Hauses: McGrays Schwester Amy, die ihre Eltern brutal ermordet haben soll. Verzweifelt wendet sich McGray an einen alten Freund: Ian Frey. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, um Amys Unschuld zu beweisen - und die Spur führt zurück zu jener schrecklichen Nacht, als der Teufel McGrays Elternhaus in Dundee heimsuchte ...

Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.

1890


19. Februar


»Passende Nacht, um die Toten wieder auszugraben!«

Das heisere Flüstern hallte durch die rabenschwarze Dunkelheit, untermalt von den dumpfen, hektischen Aufschlägen von zwei Spaten auf der Erde.

Ob man die Augen offen hatte oder nicht, machte keinen Unterschied: Die Nacht war so stockfinster, dass die beiden Leichendiebe nicht einmal die Grabeinfassung erkennen konnten. Sie konnten sich gegenseitig lediglich am Rascheln ihrer Kleidung und am Geräusch ihrer klappernden Zähne wahrnehmen. Und selbst wenn sich der Himmel öffnen würde – was höchst unwahrscheinlich war –, würde es keinen nennenswerten Mondschein geben.

»Erinnert mich an die Nacht, in der wir die arme Bessy McBean wieder ausgebuddelt haben. Nettes Mädchen. Eine Milchmagd. Wir haben uns ein bisschen am Hornpipe Dance versucht, wenn du verstehst, was ich meine. Hab erst begriffen, dass es ihr Grab war, als wir die Kiste aufgestemmt haben. Stell dir vor, wie ich geschrien habe, als ich ihr Gesicht vor Augen hatte! War immer noch drall und hübsch. ’n bisschen grün, aber noch nicht von Würmern angeknabbert.«

Sein Gefährte grub ein wenig schneller.

»Denk nicht, ich wäre ein Rohling, ich fühle mich wirklich schlecht wegen ihr. Ich wusste, dass sie für den Seziertisch bestimmt war, damit sie aufgeschnitten wird und ihre Teile in Gläser gesteckt werden. Aber Geschäft ist Geschäft. Hmm! Vielleicht hast du ihre Augen ja mal im College gesehen! Wie sie in einem dieser Glaskolben herumdümpeln? Sie waren grün, und sie hatte da so einen sonderbaren Fleck auf dem …«

»Oh, nun halt doch mal die Klappe!«

»Ach! Dir rutscht wohl das Herz in die Hose, was, Junge?«

Die Antwort bestand lediglich aus einem Schnauben.

»Und dabei hab ich dir noch nicht mal von den wirklich gruseligen Nächten erzählt! Wie damals, als die Hexen schon vor uns am Werk gewesen waren und sich schon an Fingern, Kopfhaut und Leber bedient hatten …«

»Ich sagte, halt die Klappe! Kannst du nicht …«

In diesem Moment ertönte ein Klirren. Metall auf Metall. Einer der Spaten war gerade auf eines der Scharniere des Sargs geprallt.

»Flaches Grab«, konstatierte der heisere Dieb, nachdem er zufrieden einen Pfiff ausgestoßen hatte. »Glück gehabt. Dieser alte Küster wollte sicher unbedingt nach Hause, bevor er sich hier noch den Arsch abgefroren hätte.«

Hektisch kratzten sie die lose Erde vom Sargdeckel. Dabei hörten sie die Spaten über etwas schrammen, was eine schmiedeeiserne Verzierung sein musste.

»Eine teure Kiste!«, kommentierte der ältere Grabräuber und zog ein Brecheisen aus der Innentasche seines Mantels. Ohne Zeit zu verschwenden, hebelte er den Deckel fast geräuschlos auf.

Der jüngere Mann zog daraufhin ein Taschentuch hervor, doch bevor er noch Gelegenheit bekam, es sich vor die Nase zu halten …

»Noch nicht einmal ein Anflug von Gestank«, murmelte er, während sie das Holz splittern hörten. »Muss an der Eiseskälte liegen.«

»Sagte ich dir’s doch, Junge. Passende Nacht für unser Geschäft.«

Der Jüngere riss ein Zündholz an. Dessen Flamme warf einen so hellen Lichtschein in die Grube, dass er in der pechschwarzen Nacht geradezu blendete.

»Och, mach das aus, Teufel noch mal!«

»Es muss doch die richtige Leiche sein«, erwiderte der junge Mann und beugte sich über den leblosen Körper.

Das Erste, was er sah, waren zwei gelbliche, knochige Hände, so trocken und verschrumpelt wie altes Pergament. Sie ruhten auf einem alten schwarzen Kleid, auf dem die bleiche Haut geradezu leuchtete. Sie umklammerten immergrüne Zweige und ein kleines Gebetbuch.

Der junge Grabräuber hielt die Flamme näher an das Gesicht, sah das Glitzern einer dünnen goldenen Halskette, schaute dann auf und …

»Mein Gott …«

Sein Keuchen drang aus tiefster Kehle, und ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.

Mehr brachte er nicht hervor, denn der Ältere bedeutete ihm zu schweigen, riss ihm das Zündholz aus der Hand und erstickte die Flamme mit bloßer Hand. Erneut waren sie von Dunkelheit umgeben. Die beiden lauschten.

Reglos und mit angehaltenem Atem warteten sie eine Weile.

Stille.

»Beeilen wir uns lieber, Junge«, mahnte der ältere Leichendieb und zerrte dabei bereits an der Leiche.

»Ihr Gesicht …«, flüsterte sein Begleiter, der sich noch nicht von seinem Schreck erholt hatte. »In dem Gesicht ist so ein … ein … ach, vergiss es.«

Der Ältere stopfte sich das Gebetbuch aus feinem Leder und die Halskette in die Tasche, und dann hoben sie den schlaffen Körper hoch. Die schmächtige alte Lady fühlte sich irgendwie eine Spur zu schwer an. Ihrer beider Hände mussten taub geworden sein.

Die beiden kletterten aus der Grube und tasteten nach einem Tuch für die Leiche, das sie zuvor auf dem Schnee ausgebreitet hatten. Sie betteten den Leichnam darauf und wickelten ihn hastig darin ein. Im Lichtschein einer sehr weit entfernten Straßenlaterne konnten sie immerhin schemenhaft ihre eigenen Umrisse erkennen.

Mit einem Mal schaute der Ältere auf und verrenkte sich dabei fast den Hals. Sein Begleiter erstarrte und hielt den Atem an, bis er das Geräusch ebenfalls vernahm.

»Wir müssen los«, drängte der Alte.

»Aber das Werkzeug …«

»Keine Zeit!«

Sie hoben die notdürftig eingewickelte Leiche an und rannten keuchend über das Friedhofsgelände. Sie erreichten das große Gotteshaus Greyfriars Kirk, einen Ton dunkler als der sie umgebende Schnee, und als sie um die Ecke bogen, tauchten in der Ferne die Lichter der Gebäude am Grassmarket auf. Erneut vernahmen sie das Geräusch, dieses Mal lauter, und rannten schneller, wobei ihnen die in das Tuch eingewickelte Leiche aus den verschwitzten Händen zu gleiten drohte. Vor ihnen tauchten die eisernen Gitterstäbe des rückwärtigen Tors auf, und gleich dahinter zeichneten sich die Umrisse ihres Pferdewagens ab. Der Gaul, bereits unruhig geworden, stampfte mit einem Huf auf die überfrorenen Schieferplatten.

Der alte Leichendieb stieß das Tor auf. Während die rostigen Scharniere quietschten, durchschnitt ein donnernder Ruf die Luft und hallte über den ganzen Friedhof.

»Ich sehe euch, ihr mickrigen Mistkerle!«

Augenblicklich erkannten sie die dröhnende Stimme von Nine-Nails McGray.

Ein Schuss ertönte, und dann hörte man Trillerpfeifen und das Geräusch über den Schnee trampelnder Hufen. Die Schutzmänner kamen zu Pferd vom Haupteingang.

Ohne richtig hinzuschauen, wuchteten die beiden Grabräuber den Leichnam auf ihren Wagen. Der junge Mann sprang auf die Ladefläche, während sein Gefährte auf den Kutschbock stieg und dem Pferd die Peitsche gab. Der Wagen schoss vorwärts, und der junge Mann musste sich mit beiden Händen an den Brettern festhalten, da die Leiche langsam nach hinten rutschte und ihn über den Rand zu schieben drohte.

Er warf einen raschen Blick über die Schulter und erblickte dabei gerade noch das Mündungsfeuer eines weiteren Schusses im Dunklen.

»Halt!«, brüllte Nine-Nails. Seine Stimme verklang, während der Wagen auf die Gartenanlagen des George Heriot’s Hospital zuschoss. Der massive, schlossartige Gebäudeblock ragte wie eine abweisende Mauer in den Himmel auf.

Der Pferdewagen schoss auf die schneebedeckten, großen und offenen Rasenflächen des Krankenhauses, die von Gaslichtern erhellt wurden.

»Bist du wahnsinnig?«, kreischte der junge Mann, während er das Pfeifen und die lauten Rufe der Schutzmänner vernahm. Im gleichen Moment lenkte der ältere Grabräuber das Pferd nach rechts, auf eine Reihe von im Dunkeln liegenden Rosenbeeten zu. Pferd und Wagen walzten Dornenbüsche und Sträucher nieder. Als der Gaul wieherte und sich aufbäumte, versetzte ihm der Grabräuber einen Peitschenhieb, und genau in dem Moment, in dem erneut hinter ihnen ein Schuss fiel, erreichten sie ein schmales Seitentor. Der marode Lattenzaun konnte dem durchgehenden Pferd nichts entgegensetzen, und das alte Holz zerbarst, als Pferd und Wagen hindurchpreschten.

Sie kamen in eine dunkle, schmale Gasse, die nach Pisse und schalem Bier stank und in der lediglich ein blasser gelblicher Lichtfleck das andere Ende erahnen ließ, weit vor ihnen.

Erneut malträtierte der Ältere das Reittier mit der Peitsche, und der Wagen fuhr schneller. Wieder spürte der junge Mann, wie die Leiche nach hinten rutschte und ihn an den Rand des Karrens drängte. Stöhnend umklammerte er mit beiden Händen die Seitenbretter, trat mit dem Fuß den leblosen Körper der alten Frau wieder nach vorn und krallte sich noch fester in das Holz. Erst dann wurde ihm bewusst, dass die Stimmen der Polizisten nicht mehr zu hören waren.

Er gestattete sich einen Seufzer der Erleichterung, und dann schoss der Wagen auf die lang gezogene Esplanade des Grassmarket. Die hohen Mietskasernen, deren Umrisse er vom Friedhof aus schon gesehen hatte, ragten nun direkt vor ihnen auf. Dahinter erblickte er, wie am Firmament schwebend, die zahlreichen Lichtfleckchen, die, verschwommen im nächtlichen Nebel, aus den schmalen Fenstern von Edinburgh Castle drangen.

Der Alte lenkte das Pferd nach Norden, in die sicheren dunklen Gassen. Doch urplötzlich erscholl von rechts eine wilde Kakophonie aus Rufen, Pfiffen und Hufgetrappel.

Der junge Mann stieß einen Laut des Erschreckens aus angesichts von vier Pferden, die auf sie zu galoppiert kamen, des grellen Scheins von Blendlaternen und...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2022
Reihe/Serie Ein Fall für Frey und McGray
Ein Fall für Frey und McGray
Übersetzer Peter Beyer
Sprache deutsch
Original-Titel The Sign of the Devil
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 2022 • eBooks • historisch • Historische Kriminalromane • Krimi • Kriminalromane • Krimis • krimi und thriller • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2022 • Reihe • Schottland • siebter Band • Spannung • Taschenbuch
ISBN-10 3-641-28446-5 / 3641284465
ISBN-13 978-3-641-28446-6 / 9783641284466
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