Habichtland (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Pendragon Verlag
978-3-86532-787-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Habichtland -  Florian Knöppler
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Wie kann man leben und lieben, wenn die Welt im Irrsinn versinkt? Deutschland 1941: Hannes und Lisa leben mit ihren Kindern zurückgezogen auf einem kleinen Hof in der Elbmarsch. Sie wollen sich von allem fernhalten, was nach Politik riecht. Doch Lisa fällt das immer ­schwerer. Sie kann nicht länger stillhalten, wenn der Bürgermeister seine Reden schwingt, wenn die Lehrerin ihren Kindern Härte predigt. Als Hannes einen offiziellen Posten im Dorf annimmt, um seine Familie zu schützen, spricht Lisa kaum noch mit ihm. Kurz darauf trifft Hannes seine Jugendliebe Mara wieder, die ihn bittet, ein großes Wagnis einzugehen ... In der Fortsetzung seines erfolgreichen Romans 'Kronsnest' erzählt Florian Knöppler mit großer sprachlicher Intensität von einer Familie, die an den Verhältnissen der Zeit zu zerbrechen droht. 'Florian Knöppler hat ein feines Gespür für die Charaktere und deren Dialoge, für Landschaften und das Lebensgefühl in einer dunklen Zeit.' Hauke Harder | Buchhandlung Almut Schmidt

Florian Knöppler geboren 1966, studierte Romanistik, Germanistik und Philosophie in Bonn und Bologna. Nach der anschließenden Ausbildung zum Redakteur arbeitete er für verschiedene Radio- und Fernsehsender und schrieb Zeitungsreportagen, häufig über Menschen mit besonderen Lebenswegen vor zeitgeschichtlichem Hintergrund. Mittlerweile lebt er mit seiner Familie auf einem Hof in Schleswig-Holstein. Dort in der Nähe spielen auch »Kronsnest« und sein Nachfolger »Habichtland«

Florian Knöppler geboren 1966, studierte Romanistik, Germanistik und Philosophie in Bonn und Bologna. Nach der anschließenden Ausbildung zum Redakteur arbeitete er für verschiedene Radio- und Fernsehsender und schrieb Zeitungsreportagen, häufig über Menschen mit besonderen Lebenswegen vor zeitgeschichtlichem Hintergrund. Mittlerweile lebt er mit seiner Familie auf einem Hof in Schleswig-Holstein. Dort in der Nähe spielen auch »Kronsnest« und sein Nachfolger »Habichtland«

1


„Lässt dich ja bitten wie ’ne Jungfrau.“

Karl nahm die Zügel in eine Hand und rückte zur Seite. Hannes stieg auf, versuchte ein Grinsen.

„Na ja, tat ja nicht nötig. Aber danke.“

Die Pferde zogen an. Was für ein Unsinn, sich plötzlich so zu zieren, dachte er, gerade bei Karl, dem frischgebackenen Ortsbauernführer und Königssohn. Prinz von Neuendorf, das hörte er bestimmt nicht gern. Schwer zu sagen, warum er Karl nicht leiden mochte. Da war irgendwas Seltsames an ihm und ein Gerücht, er habe wen gemeldet, wegen nichts.

„Und gestern, wie fandest du unser Maifeuer?“, fragte Hannes, als ihm nichts anderes einfiel.

„Ungeheuer würdevoll“, Karl grinste breit, „ein echter Ausdruck deutscher Sitte. Gut im Kampf gegen alles Volksfremde.“

Das war aus der Rede von Karls Vater, über die Lisa noch gestöhnt hatte, als sie schon im Bett lagen. Entgegen ihrer Abmachung, dass dieser Kram es nicht über ihre Schwelle schaffen sollte. Etwas bei ihr war anders geworden.

„Guck nicht wie ’ne Kuh beim Kalben“, sagte Karl, „er ist nicht der liebe Gott.“

„Stimmt.“

„Und das kann er ruhig auch mal hören. Tut ihm gut.“

Hannes pulte sich Dreck von den Fingernägeln. So hatte er Karl noch nie reden hören, schwer vorzustellen, dass sein alter Herr davon wusste.

„Wir kämpfen also nicht gegen das Volksfremde?“

„Doch, klar. Aber mein Vater tut, als wär er der Führer.“

Hannes schaute ihn von der Seite an, raspelkurze Haare, das schmale Kinn vorgestreckt.

„Kämpfen muss man, immer“, sagte Karl, „geht nicht anders. Bald geht’s nach Russland, wirst sehen. ’41 wird unser Jahr.“

Hannes heftete den Blick auf die Pferde vor ihnen. Prächtige Tiere, gut im Futter, glänzendes Fell, dicke Muskeln an der Hinterhand. Wer die richtigen Leute kannte, musste solche Pferde nicht zur Musterung bringen. Im Juni war die nächste, vielleicht war dann Alda weg und ihnen blieb nur Schnittchen.

Schweigend fuhren sie weiter, vorbei an den Kopfweiden, deren silbriges Laub im Wind schwankte, bis zur Ecke, an der Karl abbiegen musste zum Von-Heesen-Hof, wie die Leute immer noch sagten, obwohl er schon lange den Lübbens gehörte.

„Noch was anderes“, sagte Karl, als die Pferde zum Stehen kamen, „ich brauch noch einen Stellvertreter. Ich wollte dich vorschlagen.“

Hannes starrte ihn an.

„Wie … warum ich?“

Karl lachte.

„Weil sie sich von dir was sagen lassen.“

‚Von einem kleinen Krauter?‘, hätte er fast gefragt.

„Weil du ein guter Bauer bist und mit den Leuten kannst.“

Hannes schluckte schwer und sah sofort Lisa vor sich, mit zusammengezogenen Brauen.

„Muss ich drüber nachdenken.“

„Ja, mach das“, sagte Karl, „aber auf so einem Posten kann man eine Menge bewirken, Ausbildung, Beratung, denen helfen, die es verdienen, mitreden, welche Höfe Gefangene kriegen. Und ist auch nie verkehrt, wenn einem jemand dumm kommen will.“

Hannes hörte auf zu atmen. Vielleicht wusste er mehr, vielleicht wollte ihnen jemand ans Leder. Undenkbar war das nicht. Lisa richtete es, um nicht grüßen zu müssen, immer noch so ein, dass bei ihren Gängen ins Dorf an beiden Händen Taschen hingen.

„Übrigens, gestern Abend, Lisa, das war nicht schlau.“

Schlagartig wurde ihm heiß. Bei den Feierlichkeiten hatte sich Lisa zu einem höhnischen Kommentar hinreißen lassen, leise zwar, aber nicht leise genug. Ja, irgendwas lief bei ihr aus dem Ruder.

„Was ich nur sagen will: Pass auf sie auf.“

Hannes’ Herz klopfte noch bis zur Kehle, als Karl auf der Kastanienallee kleiner wurde. Am Ende des Weges erhoben sich ein paar mächtige Giebel, die Dächer waren inzwischen wieder gut in Schuss. In ein paar Tagen würden die Kastanien aufblühen und die Bienen der ganzen Gegend anlocken, auch seine. Er selbst hatte es bis jetzt vermeiden können, auch nur einen Fuß auf den Hof zu setzen, seitdem Maras Vater ihn hatte verkaufen müssen. Dort, auf diesem prächtigen Hof an der Seite von Mara, hatte er zum ersten Mal gespürt, dass man auch anders leben konnte, lachend, frei, ohne zusammengebissene Zähne.

Sie war dann überstürzt nach Lübeck gezogen und hatte einen anderen geheiratet. Und er war bald darauf schon in Lisa verliebt gewesen und hatte sich schnell mit ihr verlobt. Damals war Lisa so fröhlich und übermütig gewesen, mit diesem unwiderstehlichen Drang, alles zu nutzen, was sich ihr bot. Heute konnte Hannes sich manchmal anstrengen, wie er wollte, ohne Lisa zum Lächeln zu bringen. Zuletzt vor ein paar Tagen, nachdem sie kopfschüttelnd ein Schulbuch der Kinder weggelegt hatte.

Er machte sich auf den Weg, zu Hause wartete genug Arbeit. Die Kinder waren noch in der Schule. Lisa war allein, in der Küche vielleicht. Oder sie sprach doch mit jemandem, zwei Männern in Uniform. ‚Tut uns leid, Frau Thormählen, Sie müssen mitkommen. Schreiben Sie Ihrem Mann eine Nachricht.‘

Hannes fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht, fixierte einen Jungbullen am Wegrand. Krumme Hörner, ein Fleck auf der Stirn. Aber es half nichts, gegen solche Anfälle half selten etwas. ‚W… wieso weg?‘ Die kleine Marie in der Küchentür, mit ihrem viel zu großen Ranzen, dahinter Niklas, der wegen des Stotterns seiner Schwester die Augen verdrehte. ‚W… wann kommt Mama denn … wieder?‘ Erst nach einer Weile wurde es besser.

Sie waren häufiger geworden, diese Vorstellungen, die sich nicht verscheuchen ließen, und kamen in immer neuen Varianten: Niklas mit verdrehtem Genick, Marie im Fieberkrampf oder er selbst tot und die Kinder auf Jahre verstört.

Wann hatte es angefangen mit diesem Mist? Vielleicht nach der Geburt von Marie. Sie war dabei fast gestorben, eine abgeklemmte Nabelschnur. Auch Lisa war in Gefahr gewesen. Er hatte draußen auf der Diele gewartet und mitbekommen, wie in der Schlafkammer Hektik ausbrach. Die Hebamme lief herum, irgendwas fiel um und Lisa schrie und schrie. Und er konnte nur dastehen und auf eine Forke starren, die an der Wand lehnte, auf eine Pferdedecke, einen Sack Weizen. Alles so gleichgültig und unbewegt, ohne Zeichen dafür zu geben, ob gerade alles kaputtging oder nur noch schöner wurde.

Es war gutgegangen, aber in den Wochen danach hatte er manchmal, fast ohne Grund, angefangen zu weinen. Er hatte das Gefühl gehabt, es wäre etwas zerbrochen, er würde verrückt und könnte sich selbst nicht mehr über den Weg trauen. Irgendwann war es besser geworden, aber nie wieder wie vorher.

Er ließ den Blick über die Weiden schweifen. Das Gras wuchs jetzt wie verrückt, es war erstaunlich warm, der Himmel blau, fast ohne Wolken. Heute Abend würde er Lisa überreden, zwei Flaschen Bier in den Rucksack zu stecken und noch mal nach den Schafen zu sehen, wenn die Kinder schliefen. Ein Spaziergang durchs menschenleere Vorland, das sich hinterm Deich bis zum Fluss erstreckte.

Das taten sie manchmal, wenn das Wetter danach war, auf dem klapprigen Steg sitzen, mitten im hohen Schilf, und den Schwalben zusehen, wie sie über dem Wasser Insekten fingen. Meist war Lisa danach wie ausgewechselt, als ob es keine gereckten Arme auf der Dorfstraße gäbe und keine Schulbücher mit krummnasigen Juden. Einmal waren sie auf dem Rückweg von Regen überrascht worden, hatten im muffigen Stroh eines Schuppens gesessen, nach draußen geschaut und schließlich sogar lachend die Tür verbarrikadiert.

Lisa war allein, in der Küche. Sie schnitt Kartoffeln klein. Er setzte sich, trank ein Glas Wasser und betrachtete ihren Rücken, ihren schlanken, muskulösen Nacken. Er musste mit ihr wegen der Maifeier reden, spätestens am Abend, auch wenn er schon jetzt wusste, wie sie reagieren würde. Lächelnd, mit mehr oder weniger Spott. ‚Du machst dir aber auch immer Gedanken, Hannes! Was ich zu wenig denke, denkst du zu viel.‘

„Ist was?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und hielt inne.

„Hatte der Schmied die Beschläge fertig?“

„Ja“, sagte er.

Der Rucksack mit den Eisenbeschlägen stand auf der Diele, der Schmied hatte sie heißmachen und richten müssen. Jetzt nur noch einbauen, und der Balkenmäher war wieder bereit.

„Ich muss dir noch was erzählen“, begann er.

„Aha“, brummte sie und nahm sich die nächste...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2022
Verlagsort Bielefeld
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 3. Reich • Anpassung • Auflehnung • Bauern • Bauernfamilie • Bauernhof • Bauernleben • Elbmarsch • Famile • Familienleben • Großdeutsches Reich • Kronsnest • Landleben • Nazis • Politik • Schleswig-Holstein • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-86532-787-7 / 3865327877
ISBN-13 978-3-86532-787-1 / 9783865327871
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