Zeit für Wunder (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
368 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-28349-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zeit für Wunder - Nina Konstantin
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Die Swinging Fifties und zwei Frauen zwischen Liebe und Lebenstraum, zwischen Anpassung und Selbstbestimmung, zwischen Bündnissen, Intrigen und Verrat.
Berlin 1952: Nach einem verheerenden Brand im Midnight, Berlins schillerndstem Nachtclub, setzten Besitzerin Vera und ihre Freundin Charlotte alle Hebel in Bewegung, das Lokal wieder aufzubauen und zu neuem Ruhm und Glanz zu bringen. Charlottes großer Traum ist jedoch ein eigenes Modelabel. Als sie Thierry Gérard, einen bekannten Pariser Schneider, kennenlernt, ist er angetan von ihrem Enthusiasmus und ihrem Talent. Er unterbreitet ihr das unwiderstehliche Angebot, mit ihm nach Paris zu kommen und dort ihre Karriere voranzutreiben. Zur gleichen Zeit erhält Charlottes Freund Alexander ein lukratives Angebot aus Moskau. Sie ist verzweifelt. Was kann sie tun, um Alexander nicht zu verlieren? Muss sie ihre eigenen Träume opfern?

Die Berlin-Saga:

Band 1: Stunden des Aufbruchs

Band 2: Zeit für Wunder

Beide Bände sind in sich abgeschlossen und unabhängig voneinander lesbar.

Nina Konstantin verlor schon in frühen Jahren unrettbar ihr Herz an Berlin. Nachdem sie als Jugendliche Kurzgeschichten veröffentlichte, die ihren Blick auf die pulsierende Metropole schärften, schrieb sie in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Drehbücher. Es entstanden Liebesfilme und Krimis für das deutsche Fernsehen. Doch die Faszination für Berlin und für die 50er-Jahre - für eine Zeit der Zuversicht und des Aufbruchs, eine Zeit voller Enge und Zwänge - ließen Nina Konstantin nicht los. Angeregt durch die Erzählungen ihrer Mutter, entschloss sie sich, ihrem geliebten Berlin eine ganz besondere Saga zu schenken.

1


Mitte April 1952

Charlotte sah einem Dutzend Spatzen zu, das sich um eine Pfütze vor einem Backsteinhaufen versammelt hatte. Die Vögel sprangen herum, breiteten ihr Gefieder aus, putzten sich und suchten nach Körnchen am Strand dieses kleinen Sees.

Sie streckte den Kopf in die Morgensonne und atmete durch. Ein wenig Zeit blieb ihr noch, bis sie die letzten Meter zu ihrem Vorstellungsgespräch antreten musste.

Flink zupfte sie ein Stück von ihrer trockenen Schrippe ab und warf den Vögelchen ein paar Krumen hin. Die Spatzen sprangen aufgeregt umher, rangelten um die Bröckchen.

Charlotte sah sich zu den wenigen Geschäften um, die der Bombenhagel nicht vollends zerstört hatte. Es ging voran mit Berlin. Auch wenn die Stadt noch Abertausende Wunden hatte, waren viele bereits am Verheilen. Das Gelächter einiger Bauarbeiter, die an der nächsten Straßenecke eine Grube für Kabel aufgegraben hatten, ließ sie Mut schöpfen.

Du schaffst das auch, Charlotte. Du kannst auch anpacken und loslegen.

Sie schlug die restliche Schrippe in ihr Taschentuch ein und verstaute sie ordentlich in ihrer ledernen Tasche.

Da fiel ihr Blick auf ihre Connies. Die amerikanischen Schuhe, die ihr Ex-Freund ihr geschenkt hatte und die sie so sehr liebte, waren inzwischen ausgetreten und schmutzig. Entsetzt starrte sie auf die Sportschuhe, die überhaupt nicht zu ihrem Kleid passten. In der ganzen Aufregung am frühen Morgen hatte sie zwar ihre eleganten Halbschuhe herausgestellt, aber vergessen, sie anzuziehen.

Eine gefühlte Ewigkeit hatte sie vor dem Spiegel ihres kleinen Zimmers im Midnight verbracht, einem Tanzklub, in dem sie ihr weniges Hab und Gut untergebracht hatte, und sich überlegt, was für diesen besonderen Tag wohl das Richtige sein könnte. Seriös, gleichzeitig körperbetont, nicht zu aufreizend, aber auf keinen Fall zu langweilig wollte sie aussehen. Ihr war das knöchellange rote Kleid am angemessensten erschienen. Und jetzt das! Ihr blieb keine Zeit mehr, zurückzugehen und die Schuhe zu wechseln.

Nachdem sie alle Krümel vom Kleid gestrichen hatte, nahm sie mit nervösen Schritten den Weg wieder auf.

Sie ging an einem von Bomben zerstörten Haus vorbei und blieb schließlich vor einem Laden stehen, dessen Schaufenster und fein gestaltete Tür aus einer anderen Zeit stammten. Nur wenige Gebäude hatten den Krieg so gut überstanden. Eine Brandbombe war unweit eingeschlagen, hatte aber lediglich das Nachbarhaus erwischt. Die Städte würden nie wieder so aussehen, wie Charlotte sie aus ihrer frühen Kindheit kannte. Aus den wenigen Jahren, bevor der Krieg gekommen war.

Charlotte wollte öffnen, doch der alte Ladenbesitzer zog die Tür für sie auf. Ein leises Glockenspiel ertönte.

»Fräulein Schüler«, begrüßte er sie. »Kommen Sie … Schön, Sie zu sehen.« Der altehrwürdige Besitzer des Krüger & Strecker – Stoffe und Kurzwaren – drehte den schlichten Goldring an seinem Finger, als müsste er sich selbst aufziehen, dann zupfte er seine Krawatte zurecht und bedeutete Charlotte mit einem Lächeln, einzutreten.

Der alte Herr Strecker roch nach Pomade, und sein schütteres weißes Haar war akkurat zum Seitenscheitel gekämmt. Er musste um die siebzig sein.

Selbstverständlich saß, wie Charlotte mit einem schnellen Blick feststellte, sein Maßanzug perfekt. Das Einstecktuch, das er je nach Wochentag wechselte, passte im Ton verblüffend gut zu seinem edlen Seidenhemd und gab ihm einen seriösen, wenn auch altbackenen Eindruck.

Umschmeichelnd nahm Strecker Charlottes Hand in seine. »Sie sind sehr pünktlich, Fräulein Schüler. Das ist heutzutage bei den jungen Leuten ja nicht mehr selbstverständlich«, lobte er und führte sie an einem Dutzend hölzerner Schaufensterpuppen vorbei in Richtung seines Büros.

Zwei Damen in Pelzmänteln ließen ihre extrovertierten Hüte wippen und musterten sie argwöhnisch, weil Charlotte – so ein Backfisch! – vom Ladenbesitzer persönlich hofiert wurde. Sie trug weder Schmuck noch teure französische Schuhe, von Pelz oder einem Glockenhut mit imposanten Federn ganz zu schweigen.

Trotz der eisigen Blicke der älteren Damen nickte Charlotte ihnen artig zu, während sie von Herrn Strecker weiter zwischen die Stoffe geführt wurde. Das schmale Geschäft an dem zur Schuttwüste verwandelten Viktoria-Luise-Platz war mit seiner schweren Holzvertäfelung und dem uralten Fußboden aus Eichenholz, dem Stuck und den Schmuckornamenten ein wahres Kleinod.

Normalerweise beruhigte Charlotte der Duft von Seide, Samt und Tweed, hier fühlte sie sich in ihrem Element, doch heute schlug ihr das Herz bis zum Hals. Nervös drückte sie ihre Tasche vor die Brust.

»Ich bin schon gespannt auf Ihre Mappe«, meinte Herr Strecker mit einem professionellen Lächeln, das wohl beruhigend wirken sollte.

Charlotte spürte, wie ihre Hände schwitzig wurden. Dieses Geschäft war ihr Lieblingsladen für erlesene Stoffe. Sie schätzte Streckers Kompetenz, und die Auswahl an Materialien war erstaunlich, weit besser als im KaDeWe.

Als sie vor zwei Wochen das letzte Mal hier gewesen war, hatte sie die neueste Ausgabe der Frauenhilfe mitgebracht und das großformatige Magazin mit den Schnittmustern vor Strecker auf die Meterware gelegt. »Ich brauche Seide, um so etwas zu schneidern«, hatte sie dem alten Herrn erklärt, woraufhin er die spröden Lippen geschürzt hatte, als schmeckte er eine vorzügliche Suppe ab. Dann hatte er sich in die Schnittmuster vertieft und die Modellfotografien genauestens studiert. »Ein sehr elegantes Kleid. Gute Linienführung. Praktisch, aber elegant.«

»Es muss etwas Besonderes werden. Für einen glamourösen Abend – eine Eröffnungsfeier.«

Bevor sie mehr hatte erklären können, hatte Streckers Sohn gerufen: »Das Midnight, Vater. Ein …« Er hatte wohl einen möglichst wenig anstößigen Begriff gesucht … »Ein Tanzlokal. Fräulein Schüler berät die Besitzerin.«

Er hatte ihr zugezwinkert, bevor er sich das Maßband lässig von der Schulter gestreift und sich wieder einem ergrauten Kunden zugewendet hatte.

»Verstehe«, hatte der Alte gebrummt. »Ein Ballhaus. Soso … Nicht ganz einfach zu nähen, was Sie sich da ausgesucht haben.«

»Ach, das bekomme ich schon hin.«

Lächelnd hatte Strecker sie gemustert. »Da bin ich mir sicher. Wenn ich mir ansehe, in welch fantastischen Kleidern Sie jedes Mal unser Geschäft betreten, Fräulein Schüler … Sie könnten hier glatt anfangen.«

Es war dieser eine Satz gewesen, der vor zwei Wochen alles ins Rollen gebracht hatte. Strecker wollte den Laden erweitern und eine große Abteilung nur für Damen eröffnen.

Zwei Männer hatten sich bisher beworben, soweit Charlotte wusste. Alles gestandene Fachverkäufer für Kurzwaren. Doch vielleicht konnte sie genug Sachverstand und das nötige Gespür für Formen und Farbe zeigen, um die männlichen Konkurrenten zu übertrumpfen. Neben Herrenmaßanzügen würde es bei Krüger & Strecker bald Abendkleider, Damenmäntel und edle Röcke geben. Und seine beiden Näher brauchten unbedingt eine weibliche Sicht, jemanden, der ihnen neben dem reinen Handwerk sagte, worauf es sonst ankam.

Seit diesem Besuch hatte sie nur noch einen Gedanken gehabt: bei Krüger & Strecker beginnen! Endlich Kleider kreieren, kreativ sein, Vorlagen erstellen und langsam, aber sicher den Berlinerinnen mit ihren Kreationen den Kopf verdrehen. Jede freie Minute hatte Charlotte in ihrer Kammer gehockt. Bis tief in die Nacht hatte sie, mit Papier und bunten Stiften bewaffnet, eine Skizze nach der anderen angefertigt, um zu beweisen, dass sie die Richtige war.

Sosehr sie es liebte, Vera bei der Eröffnung des Midnight zu unterstützen und sich schöne Inneneinrichtungen auszudenken: Es war an der Zeit, endlich eine echte Anstellung zu ergattern. Erstes eigenes Geld mit einer richtigen Arbeit zu verdienen – nicht durch Kellnern oder das bisschen Taschengeld, das sie von Vera für ihre Kleider zugesteckt bekam.

In den letzten Tagen hatte sie sich immer wieder ausgemalt, wie schön es wäre, die Damen nach hinten in den Laden zu begleiten, ihnen Stoffe zu zeigen und ein persönliches Kleid zu entwerfen.

Das verströmte den Hauch von Haute Couture. Krüger & Strecker war die frische Brise, ein zarter Auftrieb, den sie sich nach der Plackerei in der Schneiderei und ihrer Flucht vor Onkel Theo und Tante Hannelore sehnlich wünschte. Nachdem Theo ihr letztes Jahr nachgestellt hatte, um sie zu vergewaltigen, war sie geflohen. Nur weg, egal wohin. Ein Zurück zu den beiden gab es nicht. Und Charlotte hätte es auch um keinen Preis der Welt gewollt.

Dies war endlich ihre Chance. Vielleicht würde Strecker sie sogar irgendwann nach München schicken, wo er eine Filiale eröffnet hatte. Womöglich würde er sogar ins Ausland expandieren …

Charlotte spürte, wie ihre Wangen rot wurden. Sie versuchte, sich auf das kommende Gespräch zu konzentrieren, aber ihr Herz schlug zu wild.

»Folgen Sie mir doch ins Allerheiligste, Fräulein Schüler«, forderte Strecker sie mit ruhiger Stimme auf und führte sie durch die Kurzwarenabteilung zu einer schweren Holztür. Dahinter schloss sich ein imposantes Büro an. Der hohe Raum versprühte mit seiner Holzvertäfelung und den schweren Möbeln, die aus dem letzten Jahrhundert stammten, den Charme einer altehrwürdigen Universität. Auf einem Sekretär funkelten zahlreiche und überaus kostspielige Kristallkaraffen. Regale voller Hüte, Berge aus Stoffbahnen und ein Dutzend hölzerner Schneiderpuppen flankierten einen Schreibtisch mit schwerer Marmorplatte....

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Reihe/Serie Die Berlin-Saga
Die Berlin-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1950er Jahre • 2022 • Aufarbeitung des Nationalsozialismus • Berlin • BRD • Brigitte Riebe • Carmen Korn • Deutschland • Die Schwestern vom Ku'damm • Die Wunderfrauen • eBooks • Familiensaga • Frauenroman • Frauenromane • frauenschicksale bücher • Freiheit • Freundinnen • Freundschaft • Heimat • Ku'damm 56 • Liebe • Liebesromane • Liebesroman historisch • Nachkriegszeit • Nachkriegszeit Romane • Nachtclub • Neuerscheinung • Peter Prange • Romane für Frauen • Starke Frauen • Stephanie Schuster • Wiederaufbau • Wirtschaftswunder • Zeitenwende
ISBN-10 3-641-28349-3 / 3641283493
ISBN-13 978-3-641-28349-0 / 9783641283490
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