Die Hoffnung der Marienkäfer (eBook)

Ein Inselgarten-Roman
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2022 | 1. Auflage
512 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491425-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Hoffnung der Marienkäfer -  Patricia Koelle
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»Marienkäfer lehren uns, geduldig zu sein. Egal, wie kalt und dunkel es ist - sie warten einfach auf eine bessere Zeit.« Während eines Kuraufenthalts beginnt Leonie einen Webkurs - und bald darauf, ihren Alltag umzukrempeln. Denn nach vielen beruflichen Jahren am Schreibtisch löst die praktische Arbeit mit den Händen etwas in ihr aus. Kaia hadert mit ihrem Studium. Ihre Freundin Remy Kreyhenibbe möchte sie aufheitern und bittet sie darum, ein Haus auf der Insel Poel anzuschauen, das den Inselgärten gespendet worden ist. Kaia macht sich auf den Weg und fühlt sich erst einmal unendlich einsam. Als Leonie und Kaia aufeinandertreffen, ahnen die beiden Frauen noch nicht, welche Möglichkeiten ihnen diese Begegnung eröffnet, und dass es manchmal besser ist, das Leben auf sich zukommen zu lassen. Der finale Band der Inselgärten-Reihe von Patricia Koelle - über die Hoffnung, dass alles gut werden wird Dieses Buch ist ein in sich geschlossener Roman, den man eigenständig lesen kann.

Patricia Koelle ist eine Autorin, die in ihren Büchern ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen, neben Romanen und Geschichten-Sammlungen, die Ostsee- und Nordsee-Trilogie, die Inselgärten-Reihe sowie die Sehnsuchtswald-Reihe. ?Flaschenpost vom Leben? ist der erste Band ihrer Glückshafen-Reihe.

Patricia Koelle ist eine Autorin, die in ihren Büchern ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch erschienen, neben Romanen und Geschichten-Sammlungen, die Ostsee- und Nordsee-Trilogie, die Inselgärten-Reihe sowie die Sehnsuchtswald-Reihe. ›Flaschenpost vom Leben‹ ist der erste Band ihrer Glückshafen-Reihe.

Tolle Bücher!

1 Das Leben weben


Leonie bemerkte erst jetzt, dass sie vor Kälte ganz steif geworden war. Vor allem im Nacken fror sie. »Ich hätte einen wärmeren Schal mitnehmen sollen«, sagte sie zu einer Blaumeise, die erschrocken aufflog, als Leonie von der Bank aufstand. Sie wusste nicht, wie lange sie da allein im launigen Vorfrühlingswind gesessen hatte. Nach dem Vorfall am Morgen immer noch tief in Gedanken, spazierte sie durch den kleinen Ort zurück, den sie sich bis jetzt kaum angesehen hatte. Vor einem Schaufenster blieb sie stehen, unwiderstehlich davon angezogen.

Eine Decke in warmen Rot- und Orangetönen war darin über einen alten Schaukelstuhl gebreitet. Ein Spinnrad stand daneben, und an einer gespannten Schnur hingen Geschirrtücher, eine Weste und ein Poncho, alle mit bemerkenswert schönen Mustern und in klaren, leuchtenden Farben, von denen sie sich sogar hier draußen gewärmt fühlte. Leonie blickte auf das Schild über der Tür.

Handweberei

Eine dunkle Erinnerung flog ihr zu, an den Werkunterricht in der Schule. Ein kleiner hölzerner Webrahmen, ein »Schiffchen«, das sie durch Fäden geschoben hatte, eine Walze, die man drehte und die die Schnüre eine Art Tanzschritt vollführen ließ. Buntes Garn, dessen Reihen sich zu einem Stück Stoff zusammenfügten, das sich gut anfühlte und irgendwann zu einem schiefen Topflappen wurde, den ihr Vater in Ehren hielt.

Leonie öffnete die Tür, an der eine Glocke freundlich bimmelte. Hier würde sie sich aufwärmen können, ein wenig umsehen, vielleicht sogar einen Schal erwerben. Sie hatte sich lange nichts mehr gekauft, wozu auch? Es hatte gar keinen Grund dafür gegeben, fiel ihr mit einem kleinen Schrecken auf. Nichts hatte ihr mehr viel bedeutet.

 

Eine zierliche Frau saß an einem Webstuhl, der Leonie gewaltig erschien. An den Wänden und auf Tischen hingen und lagen noch mehr Tücher, Stoffe, Decken, Jacken. Die Frau blickte auf und lächelte Leonie zu. »Guten Tag, kann ich etwas für Sie tun?«

»Guten Tag! Vielen Dank, aber ich möchte mich nur umschauen. Es sieht alles so schön aus.« Leonie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Am liebsten hätte sie alle Stoffe berührt.

»Gern, lassen Sie sich Zeit. Und Anfassen ist erlaubt.« Die Frau nickte ihr ermutigend zu. »Sogar erwünscht.«

Es roch gut hier, nach Wolle, Leinen und anderen Dingen, und die Geräusche, die der Webstuhl machte, waren anheimelnd. Fast als würde er etwas erzählen, in einer Sprache, die Leonie nur noch nicht verstand.

Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass Stoffe gar nicht glatt sind. Viele davon hatten Erhebungen, Strukturen, die man mit geschlossenen Augen spüren konnte. Wie kleine Landschaften. Sie befühlte härtere Stoffe und anschmiegsame, leichte und schwere, feste und lockere, mit Fransen und ohne. Sie sah, wie das Licht die Farben veränderte, wenn draußen eine Wolke über die Sonne glitt oder sie unter dem künstlichen Licht in der hinteren Ecke lagen. Sie betrachtete genauer, wie die Fäden verschränkt waren, versuchte zu entziffern, wie die Muster entstanden sein konnten. Dabei fiel ihr auf, dass sie da draußen im Park auf der Bank vorhin genau dasselbe versucht hatte: herauszufinden, wie die Muster in ihrem Leben zustande gekommen waren, und die Knoten darin. Und die Fehler, so wie bei diesem Geschirrtuch, dessen Preis heruntergesetzt war, weil beim Weben ein roter Faden nicht über, sondern unter dem gelben verlief. So war das mit den Fäden, mit den roten sowieso. Man verlor sie manchmal aus den Augen.

»Daher kommt der Ausdruck, den Faden zu verlieren. Aus der Weberei«, sagte die freundliche Frau, die vom Webstuhl aufgestanden war und Leonie über die Schulter blickte. »Wie auch viele andere Redewendungen. An dem Tag war ich abgelenkt. Mein Sohn hatte Liebeskummer. Da habe ich den Fehler nicht rechtzeitig bemerkt und konnte ihn nicht mehr rückgängig machen. Wenn Sie das Geschirrtuch wollen, mache ich Ihnen einen Sonderpreis. Ich bin übrigens Birgit.«

Dann stimmten Leonies Gedanken also. Das Leben der Weberin hinterließ seine Spuren in dem Stoff. Und das Weben hinterließ Spuren in der Sprache. Leben und Weben, das klang nicht nur ähnlich, das hatte auch einiges gemeinsam.

Wenn sie begreifen könnte, wie das Weben ging, vielleicht würde sie dann auch lernen, wie sie die Fäden ihres Lebens ordnen konnte, damit das Gewebe wieder hielt und einen neuen Sinn ergab? Möglichst in freundlicheren Farben als in letzter Zeit.

»Gerne«, sagte sie. »Aber ich möchte mich noch weiter umsehen. Es gefällt mir alles so gut!«

»Das freut mich. Lassen Sie sich Zeit. Sind Sie Kurgast hier?«

»Ja.«

»Wie schön. Wenn Sie Fragen haben, ich bin wieder am Webstuhl.«

 

Leonie spazierte weiter durch den Laden und entdeckte überall Schönes. Auch eine kleine ausgestopfte Ente in heiteren Gelb- und Blautönen, in die sie sich sofort verliebte. Der Preis war wesentlich höher als der des Geschirrtuchs, doch sie setzte den Vogel entschlossen neben die Kasse, wo Birgit das Tuch bereitgelegt hatte. Dann sah sie der Weberin eine Weile zu, wie diese die Tritte des Webstuhls bediente, so dass sich die Längsfäden auf eine komplizierte und ausgeklügelte Weise hoben und senkten und Birgits flinke Hände das Schiffchen mit dem andersfarbigen Garn quer hindurchfliegen lassen konnten. Reihe legte sich an Reihe und wurde immer wieder mit einer Art Balken dichter zusammengeschoben. Direkt vor Leonies Augen entstand ein neuer Stoff. Aus den Garnen wurde eine Farbfläche, die den Blick anzog und wohltuend war. Auch der Rhythmus, der Birgits Arbeit bestimmte, besaß etwas Beruhigendes, fast Hypnotisches. Den Geräuschen, die dabei entstanden, hätte Leonie ewig zuhören können. Überhaupt wäre sie am liebsten hiergeblieben. Der ganze Vorgang hatte so etwas Konkretes, Greifbares, Handliches. Er mochte hochkompliziert sein, aber man hatte ihn im Blick, und Birgits Hände besaßen die Kontrolle darüber.

Eben doch anders, als es mit dem Leben war. Da war es schwieriger, alles im Blick und unter Kontrolle zu behalten.

 

»Wie fangen Sie denn an, wenn Sie eine Idee für einen Stoff haben?«, fragte Leonie. Birgit ließ die Hände ruhen und sah auf. »Setzen Sie sich doch. Möchten Sie einen Kaffee?«

»Gern.«

Birgit verschwand um eine Ecke. Leonie umkreiste den Webstuhl und betrachtete fasziniert die Tritte, Walzen, Rahmen, Balken und Hebel, die sich zu einem komplexen Ganzen fügten. Er hatte etwas von einem lebendigen Wesen, und doch beeindruckte sie die ausgefeilte Technik.

Birgit kehrte mit einem Tablett zurück und winkte Leonie in eine enge, aber gemütliche Sitzecke. »So, was wollten Sie wissen?«, fragte Birgit und schob Leonie eine Tasse und einen Teller mit Keksen hin.

»Ärgern Sie sich sehr, wenn Ihnen beim Weben ein Fehler passiert?«, platzte sie heraus.

Birgit lachte. »Ja, anfangs schon. Aber es geschieht nicht mehr oft, und wenn doch, lehrt es mich etwas über mich selbst. Es zeigt mir, dass ich unkonzentriert war, und oft wird mir dabei bewusst, was mir gerade wichtig ist oder mich belastet. Das ist ganz gut so. Meist behalte ich solch einen Stoff dann selbst, weil er mich an etwas Bestimmtes erinnert. Und außerdem gibt ein Fehler dem Gewebe auch einen ganz eigenen Charakter.«

Der heiße Kaffee tat gut, und Birgits Worte auch. Leonies Eindruck, dass sie hier etwas lernen könnte, verstärkte sich. Das, was Birgit gerade gesagt hatte, hätte ihr heute früh geholfen, als sie so plötzlich hinausgelaufen war und alle vor den Kopf gestoßen hatte.

Hier in diesem Laden voller Farben und Fäden lag vielleicht der Schlüssel zu ihrer Zukunft, den sie so dringend suchte.

 

»Sie hatten gefragt, wie ich anfange, wenn ich eine Idee habe«, fuhr Birgit fort. »Es ist so, dass das Weben an sich nur das Tüpfelchen auf dem i ist. Die Belohnung sozusagen. Denn bevor man überhaupt beginnen kann, ist eine Menge Arbeit nötig. So einen Webstuhl muss man nämlich gewissermaßen programmieren wie einen Computer, bevor man mit dem Stoff loslegt. Ich muss mich für die Art von Garn und für die Farben entscheiden und für ein Muster, das ich mir vorher ausdrucke. Ich muss überlegen, welche Größe und Dichte das Gewebe haben soll und wie viele Stücke ich daraus machen will … ach, und noch vieles mehr. Das kann man nicht so eben mal erklären.« Birgit nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich zurück. »Ah, eine Pause tut gut!« Sie lächelte. »Interessiert Sie das wirklich?«

Leonie nickte eifrig. »Doch. Ich habe das Gefühl, es ist gerade genau das Richtige für mich. Sie sagten, es gibt viele Ausdrücke im Alltag, die aus der Weberei stammen. Welche denn noch außer dem ›verlorenen Faden‹?«

»Zum Beispiel ›sich verzetteln‹. Die langen Längsfäden, die auf den Webstuhl gespannt werden, damit man nachher mit dem Schiffchen die Querfäden hindurchschießen kann, nennt man die ›Kette‹. Die geplante Reihenfolge dieser Kettfäden heißt ›Zettel‹. Wenn man sich verzählt, dann hat man sich eben verzettelt und kriegt nur mit viel Mühe die Fäden wieder zusammen.«

Leonie nickte und nahm sich einen Keks. Im Verzetteln war sie letztens Meisterin gewesen. So viel hatte sie schon begriffen. Hoffentlich konnte man lernen, die Fäden wieder zusammenzubekommen.

»Wie lange sind Sie denn noch hier?«, erkundigte sich Birgit. »Sie könnten einen Kurs bei mir machen. So was biete ich an.«

»Das klingt gut! Was macht man denn da genau?«

»Meine Anfängerkurse haben den Zweck, die Teilnehmerinnen dazu zu bringen, ein Projekt zu berechnen und...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2022
Reihe/Serie Die Inselgärten-Reihe
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Entschleunigung • Erbe • Familie • Frauenromane ab 50 • Freundschaft • Geschenk für Frauen • Geschenk für Freundin • Geschichten-Garten • Großeltern • Insekten • Inselgarten • Inselgärten-Reihe • Kuraufenthalt • Liebe • Marienkäfer • Meer • Moor • Naturschutz • Neuerscheinungen 2022 • Patricia Koelle • Poel • Sehnsucht • Taschenbuch Bestseller 2022 • Träume verwirklichen • Web-Kurs
ISBN-10 3-10-491425-7 / 3104914257
ISBN-13 978-3-10-491425-1 / 9783104914251
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