Ein französischer Sommer (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
448 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491352-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein französischer Sommer -  FRANCESCA REECE
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»Der Roman, der in diesem literarischen Sommer den Ton angibt.« Sunday Times Als Assistentin des berühmten Schriftstellers Michael verbringt Leah den Sommer in einer Villa an der Küste von Südfrankreich. Dort soll sie die Tagebücher seiner Jugendjahre ordnen. Malerische Morgenstunden am Strand, Wein, gutes Essen, kultivierte Gespräche. Leah genießt den unbeschwerten Rhythmus des bohèmen Lebens und die illustre Gesellschaft in der Sommervilla. Doch Michaels Tagebücher von seinen Ausschweifungen im Soho der 60er und dem krisengeschüttelten Athen der 70er Jahre offenbaren immer dunklere Seiten des Schriftstellers, und bald stößt Leah auf ein Geheimnis, das eng mit ihr selbst verwoben ist.  Francesca Reece erzählt von der Jugend, dem Älterwerden und von Machtverhältnissen in der Liebe und im französischen Künstlermilieu.  »Sinnlich und spannend. Der perfekte Sommerroman!« Stylist Magazine

Francesca Reece, in Nordwales geboren, ist Autorin und Übersetzerin. Ihr Debütroman »Ein französischer Sommer« erschien 2022 im S. Fischer Verlag. 2019 erhielt sie den Desperate Literature Prize, ihre Texte erschienen in »The London Magazine«, »Banshee« und der englischen »Elle«. Nach mehreren Jahren in Paris lebt sie nun in London. »Die Unmöglichkeit von Liebe« ist ihr zweiter Roman.

Francesca Reece, in Nordwales geboren, ist Autorin und Übersetzerin. Ihr Debütroman ›Ein französischer Sommer‹ erschien 2022 im S. Fischer Verlag. 2019 erhielt sie den Desperate Literature Prize, ihre Texte erschienen in »The London Magazine«, »Banshee« und der englischen »Elle«. Nach mehreren Jahren in Paris lebt sie nun in London. »Die Unmöglichkeit von Liebe« ist ihr zweiter Roman. Juliane Gräbener-Müller, Jahrgang 1956, übersetzt seit vierzig Jahren Romane und Sachbücher aus dem Englischen und Französischen, u.a. von Louise Erdrich, Elif Shafak, Ian Rankin, Neal T. Stephenson, Frédéric Beigbeder und Tecia Werbowski. Für die Übertragung von Stephensons Roman ›Anathem‹ wurde sie zusammen mit ihrem Mitübersetzer Nikolaus Stingl mit dem Kurd Laßwitz-Preis ausgezeichnet. Juliane Gräbener-Müller lebt und arbeitet in Bammental bei Heidelberg. Tobias Schnettler wurde 1976 in Hagen geboren und studierte Amerikanistik. Er arbeitet als Übersetzer in Frankfurt am Main und hat zuletzt unter anderem Bücher von Nell Zink, Andrew Sean Greer und John Ironmonger übersetzt.

Wie verlässlich sind Erinnerungen? Und was ist hingebogen, um die Wahrheit ertragen zu können?

In Francesca Reece’ raffiniertem Roman blitzt hinter dem sommerlichen Savoir-vivre ein düsteres Geheimnis auf, das einen manischen und höchst manipulativen Charakter entlarvt.

Francesca Reece ist es gelungen, einen spannenden, viel beachteten Sommerroman zu schreiben, der spannend und sprachlich hervorragend ist.

ein Sommer-Roman mit viel Verve!

Die fehlende Kontrolle über die eigene Geschichte und die Wechselwirkung von Vergangenheit und Gegenwart sind dann auch die Kernthemen dieses gelungenen Debütromans [...]

Superfrisch und leicht geschrieben. Ideale Urlaubslektüre

sinnlich und geistvoll, perfekte Urlaubslektüre

Misstrauen, Geheimnisse und eine niemals beendete Liebe [...] machen dieses Buch zu einem kurzweiligen Leseerlebnis.

[Ein französischer Sommer erzählt] auf überzeugende Weise davon [...], warum manche Männer Frauen so gern zur Projektionsfläche ihrer Wünsche machen.

Ein starkes Debüt, das einen sofort in den Bann zieht.

2 Michael


Sie kam in den Raum spaziert und es war, als wäre ich durch eine Art Tunnel direkt in meine eigene Vergangenheit gerutscht. Dieses Mädchen war nicht bloß wie Astrid, sie war Astrid. Der größte Teil ihres Gesichts war hinter einem Vorhang aus Haar versteckt, doch ich sah es sofort; ich spürte es, wie einen elektrischen Schlag.

»Alles gut, Darling? Du siehst ein bisschen blass aus«, sagte meine Frau und berührte mich leicht am Ellbogen.

Mein Blick löste sich nicht von dem Mädchen, das tatsächlich echt sein musste; sie gab einem Fremden gerade Küsschen auf die Wange, also besetzte sie greifbaren Raum. Annas Stimme war weit weg, und ich fragte mich einen Augenblick lang, ob ich meinen Aufenthaltsort gewechselt hatte, ob sie nicht vielleicht durch ein geschlossenes Fenster zu mir sprach oder sogar vom Rand eines Swimmingpools aus. Ich war unter der Oberfläche. Selbst der Bereich um das Mädchen herum schien in eine andere, ältere Sphäre des Seins zu gehören. Das Licht war so, wie das Licht 1968 ausgesehen hatte, in der Ecke, beim Waschbecken in der Wohnung in der Charlotte Street. Es fiel auf genau dieselbe Weise auf ihre Lider, wie es auf Astrids gefallen war.

Anna zischte meinen Namen und erhöhte den Druck auf meinen Arm. Irgendein mechanischer Impuls erlaubte es mir, meinen Kopf ruckartig in ihre Richtung zu bewegen. Sie stand tatsächlich direkt neben mir. Ich verzog das Gesicht.

»Ja? Ja – entschuldige. Ich hab mich gerade ganz komisch gefühlt. Ich hol mir was zu trinken. Möchtest du auch was?« Ich zwang mich, fröhlich zu klingen.

»Noch ein Glas Weißwein«, sagte sie, ein wenig besänftigt.

Astrid war ebenfalls auf dem Weg zur Bar, und ich beschleunigte mein Tempo und ignorierte eine Gruppe, die ich vage als meinen französischen Übersetzer und seine Adjutanten erkannte, und von denen einer gerade meinen Namen rief, Mi-kai-ell, Mi-kai-ell! Sie existierten nun in einem Reich, dem ich entkommen war. Ich war jetzt bei Astrid, in der Bar der Students’ Union in der Malet Street. Ich konnte den hartnäckigen Muff der Universitätsgebäude riechen, verbunden mit Bier und altem Zigarettenrauch. Ich hatte beinahe das Gefühl, dass meine Haut, wenn ich mir ins Gesicht gefasst hätte, glatt und straff gewesen wäre, so wie sie es damals gewesen war.

Sie war jetzt so nah, dass ich sie berühren konnte, und ich streckte die Hand aus und fasste nach ihrer Schulter. Sie fuhr herum, und ein kurzer Anflug von Erschrecken machte einem starren, höflichen Lächeln Platz. Ich suchte ihr Gesicht nach irgendeinem Zeichen von Erleuchtung ab, als mich plötzlich eine ungewohnte soziale Unsicherheit erfasste. Ich spürte, wie sich ein nervöses Lachen Bahn brach und in meiner Kehle verfing, weil mir auffiel, dass ich noch immer ihre Schulter gefasst hielt; ich spürte die Wärme ihres Körpers, die sich in meiner Handfläche sammelte. Verlegen ließ ich los und tätschelte sie wie ein entfremdeter Vater, der versucht, seine Liebe zu zeigen. Unbeholfen nach dem ersten Gedanken greifend, der mir in den Kopf kam, räusperte ich mich und sagte wenig originell:

»Haben Sie nicht mit meiner Tochter studiert?«

Sie sah mich mit einem Blick an, aus dem, wie ich entsetzt feststellte, nur vage kaschiertes Mitleid sprach. Wie schrecklich. Sie fand das alles erbärmlich. Ich wollte unbedingt mit dem Daumen über ihre Unterlippe streichen, um zu erfahren, ob es sich genauso anfühlte.

»Kann schon sein«, sagte sie. »Wo hat sie denn studiert?«

»Wie bitte?«, fragte ich, ein wenig benommen, bis ich mich daran erinnerte, was ich gerade gesagt hatte. »Ah. Oxford. St Catz. Clarissa.«

Das Mädchen sah mich ausdruckslos an, und dann, als hätte sie sich gerade an eine Art soziale Verpflichtung erinnert, sagte sie freundlich: »Ach. Wie Mrs Dalloway? Oder die eine von Samuel Richardson? Oder wie diese Serie mit Sabrina aus Total Verhext!

Ich betrachtete ihre Züge genauer, und es stimmte einfach alles; doch ihre Stimme war nicht ganz richtig, und sie hatte den verdammten Samuel Richardson erwähnt, was überhaupt keinen Sinn ergab.

»Eigentlich James Baldwin.« Ein wenig defensiv.

»Nein, das kann ich nicht gewesen sein. Mich haben sie in Oxford nicht angenommen.«

»Michael?« Die vertrauten Kadenzen der Stimme meiner Frau waren die Totenglocke meiner verwirrend schimmernden Halluzination. Sie schmiegte ihren schlanken Körper besitzergreifend an meinen. »Wer ist das?«

Ich drehte mich um und sah, wie sie das Mädchen freundlich anlächelte. Das unvorhergesehene Eindringen schnöder Realität half mir, meine Fassung zurückzuerlangen. Ich stülpte mir meine »Freundlicher-Gesprächspartner«-Kappe über, legte einen Arm um Anna und sagte: »Na, genau das versuche ich gerade herauszufinden. Ich bin mir sicher, dass wir sie irgendwoher kennen; ich hätte schwören können, dass sie mit Clarissa zur Uni gegangen ist.«

Anna betrachtete das Mädchen kühl. »Ich kann nicht behaupten, dass sie mir bekannt vorkommt«, und dann, eine elegante, langfingrige Hand ausstreckend: »Entschuldigen Sie meinen Mann. Ich bin Anna Young, und das ist Michael.«

»Leah«, erwiderte das Mädchen, sichtbar erleichtert, dass Anna die Situation so souverän in die Hand nahm. In den Raum deutend fügte sie an: »Glückwunsch. Das alles sieht – ähm – ich meine, das Werk sieht … phantastisch aus.«

Anna lächelte. »Danke. Machen Sie gerade ein Praktikum in der Galerie?« Ihre Stimme klang herzlich, doch die Frage war eine nicht sehr subtile Demonstration ihrer Macht.

»Nein, nein, überhaupt nicht. Ich bin mit einer Freundin hier, die über den Kunstmarkt schreibt. Ich weiß fast nichts über Kunst. Also, jetzt nicht nichts, natürlich, aber …«

Sie wand sich vor Scham. Anna strahlte sie großzügig an. »Und was machen Sie?«

Leah verzog das Gesicht. »Äh, schwer zu sagen – so viel, wie nötig ist, um die Miete zu bezahlen. Zurzeit arbeite ich in einem Café«, und dann, weil sie merkte, dass die Antwort unzureichend war: »Ich überlege, mich für einen Masterstudiengang einzuschreiben.«

Ich stellte fest, dass sie nach einem Ausweg suchte, den ihr Anna nur zu gerne gewähren würde. Ich war fest entschlossen, sie nicht gehen zu lassen. Ich musste herausfinden, warum das Universum sie mir geschenkt hatte.

»Na, Sie sollten für mich arbeiten«, platzte es aus mir heraus, ohne dass ich genau wusste, was ich da sagte. Ich spürte, wie Anna mich mit ihren Blicken durchbohrte.

»Wie bitte?«, sagte Leah.

»Ja«, fuhr ich fort, jetzt von absoluter Überzeugung geleitet. »Ja, ich habe sogar vor einer Weile mal halbherzig nach einer Assistenz gesucht …«

»O mein Gott. Anna Young. Michael Young, natürlich. Gott, bin ich blöd. Sie sind der Michael Young. Der Autor. Richards Fall. Sie haben eine Anzeige im FUSAC geschaltet, richtig? Keine poshen Namen. Das waren Sie, oder?«

Erstaunt und voller Optimismus – das Universum war wirklich auf meiner Seite – nickte ich enthusiastisch. »Sie kennen die Anzeige?«

»Ich hab sogar angerufen! Aber die Frau am Telefon sagte, die Stelle sei schon besetzt …« Ihre Begeisterung ließ nach und sie blickte verlegen auf Anna, in dem erkennbaren Bewusstsein, dass ihr gerade möglicherweise ein ziemlicher Patzer unterlaufen war. Natürlich hatte meine Frau das gesagt. Sie hätte ganz sicher nicht gewollt, dass ich eine weibliche Assistenz bekam.

Annas freundliche Miene veränderte sich nicht. »Na, ist das nicht perfekt?«, sagte sie. »Großartig.« Sie nahm meine Hand. »Wenn man bedenkt, wie sehr du es hasst, auf meine Partys zu kommen. Was für ein glücklicher Zufall, was?« Sie sah von einem zum anderen, dann nahm sie, wie eine gütige Königin, mit ihrer freien Hand Leahs und sagte: »Michael, ich muss mich wirklich unter die Leute mischen und unterhalten. Wieso vereinbart ihr beiden nicht einen Termin miteinander?«

Ein Termin, ja. Diese ganze phantasmagorische Erfahrung würde kein isoliertes Ereignis bleiben. Sie würde auch jenseits dieses Abends existieren. Ich legte meine Hand auf Annas Rücken, küsste sie auf die Wange und sagte: »Gar keine schlechte Idee, Schatz. Willst du immer noch etwas trinken?«, und dann, an Leah gewandt: »Und was trinken Sie?«

Anna konnte ihre Wut kaum verbergen.

 

Meine Tochter kann eine richtige bitch sein – zumindest mir gegenüber ist sie das gerne. Sie war ein verwöhntes und arrogantes kleines Mädchen. Ich glaube, Anna hat so verzweifelt wettzumachen versucht, dass sie nicht ihre Mutter ist, dass sie sie zu sehr verwöhnt hat. Sie hatte diese Angewohnheit – die meiner Generation ganz fremd ist –, ihr ständig zu sagen, wie besonders sie war. O Darling, du hast eine solche Künstlerseele, oder O Darling, ich glaube wirklich, du fühlst die Musik ganz anders als die anderen Kinder. Clarissa gewöhnte sich daran, zu glauben, dass ihre Meinung von Bedeutung war. Klar, clever ist sie. Gott weiß, das sollte sie auch sein, nach allem, was ich für ihre Ausbildung hingeblättert habe. Doch was ich einfach nicht begreifen kann, ist, wie wichtig sie sich selbst nimmt.

Als ich in ihrem Alter war, wollte ich nichts anderes als vögeln und etwas spüren. Ich war ehrgeizig, aber ehrgeizig auf eine prahlerische, unreife Art und Weise. Unsere Vorstellungen von Ehrgeiz sind diametral entgegengesetzt. Die Art, wie sie...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2022
Übersetzer Juliane Gräbener-Müller, Tobias Schnettler
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Affäre • Anspruchsvolle Literatur • Bohème • Erinnerung • Familie • Frauen • Geheimnis • Gesellschaft • Intrige • Künstlermilieu • Liebe • London • Sommerroman • Sommervilla • Südfrankreich
ISBN-10 3-10-491352-8 / 3104913528
ISBN-13 978-3-10-491352-0 / 9783104913520
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