Die Bücherfrauen (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491391-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Bücherfrauen -  Romalyn Tilghman
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Mit ihrer Liebe zu Büchern schenken drei mutige Frauen einer zerstörten Kleinstadt neue Hoffnung In Prairie Hill, einer Kleinstadt irgendwo in Kansas, steht nach einem Tornado nur noch die Fassade der Bibliothek. Angelina kehrt für ihre Doktorarbeit zurück an den magischen Ort ihrer Kindheit. Ihre Liebe zum Lesen erbte sie von ihrer Großmutter Amanda. Frauen wie Amanda, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts Kultur in die entlegensten Winkel des Landes brachten, widmet Angelina ihre Studien. In Kansas begegnet sie zwei Frauen, die wie sie an einem Wendepunkt stehen. Gemeinsam entwickeln sie eine Schaffenskraft, die der Kleinstadt neue Hoffnung gibt. Am Ende der Welt finden die drei Frauen einen neuen Lebenssinn und ihr ganz persönliches Glück. »Ein warmherziger Roman über den Wert der Gemeinschaft. Eine inspirierende Geschichte über Frauen aus heutigen und vergangenen Zeiten.« Library Review Journal

Romalyn Tilghman hat ihr ganzes Leben in der Kulturförderung gearbeitet. Nach ihrem Universitätsabschluss in Journalismus leitete sie eine Vereinigung für Kulturförderung in Kansas. Im Lauf ihrer Karriere arbeitete sie in ländlichen Kulturvereinen überall in den Vereinigten Staaten. In ihrer täglichen Arbeit ist sie Zeugin, wie Gruppen von vorwiegend Frauen in den entlegensten Winkeln des Landes für Kultur kämpfen. »Die Bücherfrauen« ist ihr erster Roman. Er wurde zum Überraschungserfolg des Independent-Verlages ?She Writes Press? und gewann zahlreiche Preise. Heute lebt Romalyn Tilghman in Los Angeles, USA.

Tilghman, Romalyn Romalyn Tilghman hat ihr ganzes Leben in der Kulturförderung gearbeitet. Nach ihrem Universitätsabschluss in Journalismus leitete sie eine Vereinigung für Kulturförderung in Kansas. Im Lauf ihrer Karriere arbeitete sie in ländlichen Kulturvereinen überall in den Vereinigten Staaten. In ihrer täglichen Arbeit ist sie Zeugin, wie Gruppen von vorwiegend Frauen in den entlegensten Winkeln des Landes für Kultur kämpfen. »Die Bücherfrauen« ist ihr erster Roman. Er wurde zum Überraschungserfolg des Indie-Verlages ›She Writes Press‹ und gewann zahlreiche Preise. Heute lebt Romalyn Tilghman in Los Angeles, USA. Somann-Jung, Britt Britt Somann-Jung ist Lektorin und Übersetzerin und lebt in Hamburg. Neben Elizabeth Gilberts »City of Girls« übersetzte sie zuletzt Werke von Ta-Nehisi Coates, Heidi Julavits und Matt Sumell. Ihre Übertragung des Romans »In guten wie in schlechten Tagen« von Tayari Jones wurde 2019 mit einem der Hamburger Literaturpreise ausgezeichnet.

Romalyn Tilghman vermittelt in ihrem Roman „Die Bücherfrauen“ US-amerikanisches Lebensgefühl und zeigt wie wichtig Kultur in Form von Kunst und Literatur für die Identitätsfindung ist.

Die Kombination der Lebensgeschichten der drei Frauen heute und der Tagebücher, die von früheren Zeiten erzählen, machen das Buch zu einer unterhaltsamen Lektüre.

Ein wohltuender Roman über Freundschaft, Solidarität und Kulturförderung - alles Dinge, die wir aktuell so gut gebrauchen können.

eine Liebeserklärung an das Buch an sich

Ein Buch, das den Zusammenhalt zwischen Frauen und die Gabe, immer wieder neu anzufangen, feiert.

Angelina


Der leere Horizont passte zu dem leeren Notizheft mit Spiralbindung, das sich hinten in meine Hüfte bohrte. Während ich die I-70 entlangglitt, lag vor mir alles und nichts. Ich hatte noch hundert Tage, um meine Dissertation abzuschließen und die zum letzten Mal verlängerte Deadline einzuhalten. Jetzt oder nie, das hatte mein Betreuer unmissverständlich klargemacht. Ich konnte den Sack zumachen oder … oder was? Bei der miesen Wirtschaftslage waren die Aussichten für mittellose Studienabbrecher nicht gerade rosig.

Es wurde Zeit, dass ich nach New Hope kam. Keine Umwege mehr. Keine Ablenkungen. Es wurde Zeit, wieder auf den Stufen zu stehen, die mich dazu inspiriert hatten, über die Bibliotheken Andrew Carnegies zu schreiben. Wenn die Bibliothek im Nachbarort zerstört war, was mochte dann mit meiner Bibliothek sein? Mit der Bibliothek, die mich die Liebe zu den Büchern gelehrt und damit mein Leben verändert hatte? Ich musste ihr die Ehre erweisen und in ihre Geschichte eintauchen, solange sie noch stand, auch wenn sie mittlerweile ein Kulturzentrum war.

Die nötigen Vorkehrungen zu treffen, war nicht leicht gewesen; in manchen Momenten hatte mich schiere Panik erfasst. Hätte ich nicht gerade Eat, Pray, Love verschlungen, hätte ich mir vielleicht kein Herz gefasst. Ich war stolz, endlich das Haus meiner Mutter in Philadelphia zu verlassen, die Schritte zu wagen, die ich schon zehn Jahre früher hätte tun sollen. Doch es ängstigte mich auch, eine Routine hinter mir zu lassen, die ich in- und auswendig kannte. Damit die Angst mich nicht überwältigte, stellte ich mir vor, ich wäre wieder neun Jahre alt, voller Mut und Tatendrang. Trotz und die Entschlossenheit, meinen Traum zu verwirklichen, trieben mich an.

Die Carnegie-Bibliotheken faszinierten mich seit meinem ersten und einzigen Besuch in Kansas, als wir vor mehr als dreißig Jahren zur Mutter meines Vaters gereist waren. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie mein Vater mit mir Unsere kleine Farm gelesen hatte. Wir saßen eng nebeneinander, damit wir uns die Illustrationen ansehen konnten. In meiner Erinnerung roch es nach Sonnenschein, denn in Kansas wechselte mein Vater vor dem Vorlesen immer das Hemd, und das frische Hemd hatte den ganzen Tag draußen auf der Leine gehangen. Aus dem Buch waren mir vor allem die Planwagen in Erinnerung geblieben. Wagen voller Familien, die alles zurückließen, um noch einmal neu anzufangen. Damals hätte ich alles dafür gegeben, Laura zu sein – ich wollte das Haar in Zöpfen tragen, mit Puppen aus Maiskolben spielen, aus einer Blechtasse trinken und Buchstabierwettbewerbe gewinnen. Nach unserem Besuch in Kansas hatte ich meine Lehrerin überzeugt, mit mir für Halloween das Kostüm eines Siedlermädchens zusammenzustellen – eine Haube aus einem runden Stück Haferflockenkarton und einen Kaliko-Rock, der von einem Hula-Hoop-Reifen in Form gehalten wurde. In diesem Reifrock hatte ich kaum gehen können, dabei wäre ich am liebsten gerannt. Von zu Hause weggerannt, um nach Kansas zurückzukehren.

Jetzt hatte ich es geschafft. Ich hatte mehr als dreißig Jahre gebraucht, aber nun war ich auf dem Weg. Der Schuber mit allen Bänden von Unsere kleine Farm lag im Kofferraum.

Als ich meine Entscheidung verkündet hatte, pfefferte Mutter den Spüllappen so heftig ins Becken, dass ich an den Tornado denken musste, den wir gerade im Fernsehen gesehen hatten. So wütend war sie noch nie gewesen, jedenfalls nicht seit dem Weltkrieg, den sie mit meinem Vater ausgefochten hatte, als wir vor all den Jahren von seiner Mutter zurückgekehrt waren. Den ganzen Herbst über war es in unserem Haus entweder totenstill oder so laut gewesen, dass wir die Fenster schließen mussten. Den unbeschwerten Tagen, an denen mein Vater mir Pu der Bär vorgelesen hatte, war ich damals zwar längst entwachsen, aber seine neue Distanziertheit hatte mich erschreckt. Ich flüchtete mich in meine Geschichten und malte mir aus, ich wäre Pippi Langstrumpf oder Mary in ihrem geheimen Garten. Für imaginäre Freunde war ich nicht einfallsreich genug, ich brauchte die Großen der Weltliteratur, um die Spannungen zwischen meinen Eltern zu ertragen. Echte Klassenkameraden hätte ich schließlich kaum zu Keksen, Kakao und zerschlagenem Porzellan einladen können.

Was eigentlich los war, begriff ich nicht; sicher wusste ich nur, dass mein Vater seinen Job verloren hatte, weil er zu lange in Kansas geblieben war. Mutter hatte Kansas nie gemocht, vor allem weil Kansas (in Form ihrer Schwiegermutter) sie nie gemocht hatte. Unsere Rückkehr hatte einen Flächenbrand entfacht, der nie ganz gelöscht wurde, sondern noch nach dem Tod meines Vaters weiterschwelte.

Vor meiner Abreise hatte meine Mutter unmissverständlich klargemacht, dass sie nicht von mir hören wollte und dass ich von nun an keinen Cent von ihr zu erwarten hatte. Tja, vielleicht musste ich also Burger braten, wenn mein Kreditkartenlimit erreicht war. Und vielleicht musste ich auch für den Rest meines Lebens in Therapie, weil ich endlich die Nabelschnur durchtrennt hatte. Aber jetzt und hier fühlte es sich so an, als hätte ich keine andere Wahl. Das war so klar wie das weite Land in meinem Rückspiegel.

Seit zehn Jahren war ich Dr. Phil. AAD: Doktorin der Philosophie mit Allem Außer einer Dissertation. Als ich mit der Arbeit begonnen hatte, war ich wild entschlossen gewesen, meine Dissertation zu beenden, bevor dreißig Kerzen auf meinem Geburtstagskuchen brannten. Der intellektuelle Prozess des Forschens und Entdeckens faszinierte mich. Ich wollte meinen Doktor in Bibliothekswissenschaften machen und eine bedeutende Forschungsbibliothek leiten. Ich wäre vielleicht nicht schlau genug für das geballte Wissen einer solchen Bibliothek, hätte sicher nicht alle Bücher aus dem Katalog gelesen, aber ich könnte bei allen Fragen behilflich sein. Ich wäre Dr. Sprint, nicht einfach nur Angie.

Um meine Dissertation zu schreiben, hatte ich wieder nach Hause ziehen müssen, sehr zur Freude meines Vaters. Da er mich erst spät im Leben gezeugt hatte und ich, wie er selbst, Einzelkind war, kannte seine Vernarrtheit keine Grenzen. Er überschüttete mich mit seiner Liebe und war unendlich stolz, dass ich als Erste der Familie studierte. Mutter glaubte nicht, dass ich schlau genug war, um zu promovieren, aber sie gelobte, den Mund zu halten und mich nicht mehr als »Dummkopf« oder »hohle Nuss« zu bezeichnen.

Als ich gerade von einer Recherchereise aus Schottland zurückgekehrt war, wo ich den Geburtsort von Andrew Carnegie besucht hatte, starb mein Vater. Nur einen Tag später machte ich mich an die Arbeit in Sprint’s Print Shoppe, seiner kleinen Druckerei, in der ich fortan jeden Tag arbeitete. Doch ein paar Tage vor meiner Abreise hatten wir den Laden endgültig dichtgemacht, weil das Geschäft nicht länger rentabel war; Druckerzeugnisse wurden zu schnell durch elektronische Kommunikation ersetzt, und es gab nur noch wenig Bedarf an gedruckten Rundschreiben und Einladungen. In den ersten Jahren unter meiner Leitung waren die Geschäfte dank meiner Bemühungen und meiner Neigung zur Besessenheit gar nicht mal schlecht gelaufen. Mein Vater hatte vor allem ein Faible für Schriftarten gehabt, für Serifen und Schnörkel, aber ich hatte geglaubt, den Laden mit etwas mehr Geschäftssinn zum Erfolg führen zu können. Das hatte sich nun erledigt. Die Welt hatte sich verändert – andere gesellschaftliche Gepflogenheiten, die Sorge um die Umwelt, von neuen Technologien ganz zu schweigen –, und wir waren entbehrlich geworden.

Zehn Jahre für nichts. Woche für Woche hatte es entweder eine Druckerkrise oder eine Mutterkrise gegeben. Ich war mit meiner Dissertation nur langsam vorangekommen. Die Fortschritte bemaßen sich in einzelnen Sätzen, nicht Seiten. Wann immer ich konnte, zwackte ich mir ein paar Stunden ab, aber es kam immer irgendwas dazwischen. Hochzeitseinladungen, die auf den letzten Drücker zugestellt werden mussten, weil die Braut zu lange gebraucht hatte, um sich zwischen matt und glänzend zu entscheiden. Oder meine Mutter, die mich zur Apotheke schickte, um Paracetamol in Ibuprofen umzutauschen. Ich hatte die falschen Prioritäten gesetzt und mich von meinem wichtigsten Ziel ablenken lassen, meiner Arbeit über das Wirken des »Schutzheiligen der Bibliotheken«.

Meine Großmutter hatte mir als Erste davon erzählt, dass Andrew Carnegie Anfang des 20. Jahrhunderts neunundfünfzig Bibliotheken in Kansas errichten ließ. Er investierte 875000 Dollar in Gemeinden, die ein Baugrundstück bereitstellten und sich verpflichteten, zehn Prozent der Investitionskosten für den laufenden Betrieb der Bibliothek aufzubringen. Wenn ich mir das weite Land so ansah, war es schwer vorstellbar, dass sich hier um 1900 eine literarische Bewegung etablieren konnte.

Großmutter beschrieb Carnegie als eine Art wohltätigen Hänschen Apfelkern, der das Land mit Bibliotheken statt mit Apfelbäumen überzog. Später erfuhr ich, wie schlecht unter seiner Ägide Stahlarbeiter behandelt worden waren. Bei seinem Versuch, die Gewerkschaft zu zerschlagen, waren sogar sieben Männer ums Leben gekommen. Ein paar Gemeinden in Kansas hatten sich deshalb geweigert, sein Geld anzunehmen, auch wenn es ihnen eine Bibliothek beschert hätte.

Sollte man vergeben und vergessen? War Carnegie...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2021
Übersetzer Britt Somann-Jung
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anspruchsvolle Literatur • Bibliothek • Bücher • Bücherei • Bücherfrauen • Frauen • Freundinnen • Freundschaft • Gemeinschaft • Gemeinschaftsgefühl • Glück • Großmutter • Lebenssinn • Neuerscheinungen 2021 • rural-environments • Selbstfindung • Zusammenhalt
ISBN-10 3-10-491391-9 / 3104913919
ISBN-13 978-3-10-491391-9 / 9783104913919
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