Schule des Lebens (eBook)

Ein spirituelles Lesebuch
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
176 Seiten
btb (Verlag)
978-3-641-27101-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schule des Lebens -  Sue Monk Kidd
Systemvoraussetzungen
7,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein Lachen ist der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen
In diesem sehr persönlichen Buch erzählt die Bestsellerautorin Sue Monk Kidd anhand scheinbar kleiner Begebenheiten und Erlebnisse, wie sie sich von ihrem Alltag und den Menschen in ihrer Umgebung inspirieren lässt. Wer mit offenen Augen und Lust am Neuen durchs Leben geht, so ihre Botschaft, wird täglich wundervolle Erfahrungen machen: Lachen mit einer Fremden, einen Baum im Herbst blühen sehen, einem Frierenden einen Schal schenken, Angeln mit dem Großvater, Brotbacken mit den Freundinnen der Kinderzeit. Ein Buch für alle, die den Kontakt zu ihrer spirituellen Seite suchen und eine weise Ratgeberin an ihrer Seite wünschen.

Sue Monk Kidds Debütroman »Die Bienenhüterin« avancierte vom Geheimtipp zum Bestseller. Der Roman wurde allein in den USA über sechs Millionen Mal verkauft, er wurde in sechsunddreißig Sprachen übersetzt. Millionen LeserInnen haben ihre berührenden Geschichten wie »Die Meerfrau« oder »Die Erfindung der Flügel« verschlungen. »Das Buch Ana« ist Sue Monk Kidds vierter Roman, der in den USA sofort auf der Bestsellerliste stand und von der Presse begeistert aufgenommen wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in South Carolina.

BEWUSSTHEIT


Für mich ist Achtsamkeit die Fähigkeit, sich ganz einer einzigen Sache hinzugeben und auf immer tiefere Bewusstseinsebenen zu horchen. Wie gut wir das können, hängt letztlich von den Meditationspraktiken und den kontemplativen Übungen ab, die wir pflegen. Sie helfen uns zu erwachen und unsere Aufmerksamkeit immer feiner abzustimmen.

Das geht so: Finden Sie für sich eine Methode und praktizieren Sie sie diszipliniert. Übertragen Sie dann die Qualität dieser Achtsamkeit auf Ihr äußeres Erleben. Das könnte man angewandte Mystik nennen.

Weil ich dies anfangs immer wieder vergaß, brauchte ich Erinnerungshilfen. Wenn die Uhr in unserem Haus die Stunde schlug, nahm ich das als Einladung, achtsam zu sein. Jedes Mal, wenn ich die Treppe hochstieg, war das für mich aus irgendeinem Grund ein Wink, achtsam zu sein. Auf solche Weise breitet sich Bewusstheit immer mehr aus.

Diese kostbare Qualität fortwährender, unabgelenkter und aktiver Bewusstheit wird allmählich zu einer Absichtlichkeit, die andere Bereiche unseres Lebens durchdringt.

Das Ziel ist, dass wir im Fluss des Alltags tief in unserem Innern verankert bleiben. Wir lassen den inneren Dialog und den Bilderstrom, die unser Alltagsbewusstsein beherrschen, los und erleben uns bewusst und fokussiert.

Mitunter bin ich von dem Leben, das gerade geschieht, völlig losgekoppelt. Am schlimmsten war es an einem Nachmittag, als ich mich ins Auto setzte, um etwas zu erledigen. Zehn Minuten später stand ich vor der Schule meiner Tochter, wo ich sie fünfmal pro Woche abholte. Die Sache war bloß, dass heute Samstag war und ich eigentlich Kleider in die Reinigung bringen wollte. Ich hatte mich im automatischen Ablauf meines Hirns, das sein separates Leben führte, verloren und war gegenüber dem Hier und Jetzt erschreckend unaufmerksam geworden.

Jemand wies mich darauf hin, dass die englischen Wörter für »jetzt« und »hier«, now und here, zusammen das Wort nowhere, »nirgendwo«, ergeben: Ein kleiner Zwischenraum macht einen großen Unterschied. Ganz ähnlich bestimmt ein kleiner Zwischenraum, ob wir unser Leben im Nirgendwo oder im Hier und Jetzt erfahren.

Achtsamkeit heißt, sich immer ganz dem Zeitpunkt hinzugeben, in dem man sich gerade befindet, egal wie nervig und banal er ist, und in ihm einfach gegenwärtig zu sein.

Um halb zehn an einem von Glühwürmchen und Grillenzirpen erfüllten Abend im August liegen meine Kinder und ich im Garten und warten auf den Sternschnuppenschwarm der Perseiden. Der Himmel erstreckt sich über uns wie eine dunkle, leere Bühne. Nicht die Spur einer Sternschnuppe. Das Gras beginnt zu jucken. Meine Bande wird langsam unruhig.

Dann passiert es – so schnell, dass es mir den Atem verschlägt. Eine, zwei, drei goldene Feuerkugeln durchstreifen das Dunkel. »O – seht euch das an!«, rufe ich.

»Wow!«, sagt mein Sohn, und seine Stimme fliegt ihnen hinterher.

Eine nach der anderen flammt vorüber. Und ganz unvermittelt legt sich eine ehrfürchtige Stille auf unseren Garten.

Schweigend liegen wir da, während der Boden unter uns heilig wird und Gottes Gegenwart über den Himmel flackert, aber auch strahlend tief in mir drin. Es ist ein einzigartiger Augenblick. Nicht weil der Anblick so spektakulär ist, sondern weil ich seiner so bewusst bin. Weil ich aus mir herausgerückt bin. Meine Kinder und ich sind aus unserer alltäglichen Welt hinaus- und in ein Wunder von Schönheit hineingetreten, in dessen Mitte wir den Schöpfer entdeckt haben.

An einem Sommertag ging ich mit einer Freundin zum See. Wir beiden Teenager standen am Ufer und beobachteten, wie sich das Sonnenlicht auf der Oberfläche wiegte. Bänder von blauem Wasser kräuselten sich zwischen meinen Zehen. Hinter mir wogte das hohe Gras. Über uns schwebten Wolken still dahin. Die Welt erschien mir wie eine leuchtende Einladung.

»Los, komm«, rief ich Evelyn zu, »lass uns schwimmen.«

»Das Wasser ist mir zu trüb«, antwortete sie. »Und ich hab keine Lust, wieder einen Schnupfen zu kriegen.«

Dann eben ohne sie. Ich tauchte ins kühle Wasser und wieder ins heiße, blendende Licht hinauf. Als ich zum Ufer schaute, sah ich Evelyn auf ihrem winzigen Strandtuch sitzen, ohne die Welt im Geringsten wahrzunehmen. Wenn es einen entscheidenden Moment gibt, in dem man sich entschließt, entweder das Wagnis des Lebens anzupacken oder auf Nummer sicher zu gehen, dann war das wahrscheinlich meiner.

Jesus sprach von einem Leben in Fülle. Er sagte: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.« Vielleicht wollte er damit auch sagen, er sei gekommen, um uns für die Freuden des Lebens zu wecken, um uns von unseren Strandtüchern zu locken.

Sir Christopher Wren entwarf die St.-Pauls-Kathedrale in London, ein gewaltiges und prachtvolles Werk voller Säulen, Bogen, Türme und Schnitzereien, für dessen Bau fünfunddreißig Jahre benötigt wurden. Wren liegt in der Kathedrale begraben, unter einer schlichten Steinplatte. Ganz unauffällig und schmucklos trägt sein Grab nur diese eine Inschrift: »Suchst du sein Denkmal, sieh dich um!«

Am Ende ist das Werk unserer Liebe, das wir in all jene Leben um uns herum hineinschnitzen, das einzige Denkmal von wahrer Bedeutung.

An einem hellen, frostigen Tag in der Innenstadt von Atlanta stand ich vor einer Suppenküche. Es gab bereits eine kleine Schlange obdachloser und hungriger Menschen. Mein Mann und ich waren gekommen, um das Mittagessen auszuteilen. Als ich mich der Tür näherte, bemerkte ich eine Frau in einem dünnen Mantel, einer Skimütze und einem Handschuh. Mit ihrer behandschuhten Hand umschloss sie ihre kalte, ungeschützte Hand und versuchte, etwas Wärme in sie zu rubbeln.

»Sie haben wohl Ihren Handschuh verloren«, sagte ich zu ihr.

»Nein«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Ich habe einen gefunden

Die Sprache Gottes ist das Leben selbst, und ich lebe in dem unstillbaren Bedürfnis, mein Leben in meine Hände zu nehmen und das göttliche Alphabet zu entziffern, das ihm eingeschrieben ist.

Am Vorabend meines Geburtstags sagte kürzlich eine Frau mit völlig ernster Miene zu mir: »Wenn ich fünfzig werde, will ich berüchtigt werden.«

»Berüchtigt? Wofür?«, fragte ich.

Das schien sie zu verwirren. »Ich weiß noch nicht recht«, sagte sie. »So weit bin ich mit meiner Idee noch nicht gekommen.«

Um des Berüchtigtseins willen berüchtigt werden zu wollen, schien mir eine seltsame Idee. Abgesehen davon: Hatte sie in einem Wörterbuch überprüft, was »berüchtigt« bedeutet? Ich ging nach Hause und tat genau das. Da stand: »berüchtigt – durch schlechte Eigenschaften, üble Taten bekannt, berühmt.«

Ich begriff nicht, was der Reiz daran sein sollte. Doch nach dem Gespräch mit jener Frau setzte sich, fast gegen meinen Willen, ein Gedanke in mir fest: Wofür möchte ich mit fünfzig berüchtigt sein?

Insgeheim dachte ich noch immer daran herum, als eine Gruppe Frauen zu mir kam, um mit mir Geburtstag zu feiern. Zu unserer Unterhaltung holte ich den Gedichtband von Mary Oliver aus dem Regal und schlug vor, wir könnten abwechselnd daraus vorlesen. Als ich die amüsierten Blicke zwischen ihnen bemerkte, kam mir der Gedanke, dass, falls ich je berüchtigt sein würde, dann bestimmt nicht wegen überbordender Gelage.

Ich war die Letzte in der Reihenfolge und las ein Gedicht mit dem heiteren Titel »When Death Comes«, »Wenn der Tod kommt«. Nichts ahnend las ich bis zu der Stelle, an der Oliver schreibt, dass sie, wenn alles vorbei ist, sagen können will, sie sei ihr Leben lang mit dem Staunen verheiratet gewesen.

Plötzlich überkam mich etwas Unerwartetes. Es schnürte mir den Hals zu. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Es waren keine Tränen der Trauer, sondern Tränen, die überfließen, wenn etwas randvoll ist.

Ich blickte in all die Gesichter um mich herum. Sie schienen mir voller Schönheit und Leuchten. Mein Blick fiel auf eine schlichte weiße Lilie in einer Vase, und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ihr Anblick mich beinahe umwarf. Sie war so unverschämt prachtvoll. Aus dem Nichts tauchten ganz einfache Dinge auf und offenbarten ihr Feuer. Ihren göttlichen, unbenennbaren Funken. Ich fand für dieses Gefühl kein anderes Wort: Staunen angesichts des Lebens. Es war, als falle etwas von meinen Augen und als sähe ich nun alles endlich so, wie es war.

In meiner etwas schal gewordenen Ehe mit dem Leben dümpelte ich so dahin – denn seien wir ehrlich, die Innigkeit lässt allmählich nach, wenn man nicht an der Beziehung arbeitet –, und im nächsten Augenblick galoppierte das Leben herein und haute mich aus den Socken. Ich lernte, mich neu ins Leben zu verlieben. Und dass die Romantik verblasst war, hatte ich vorher gar nicht bemerkt.

»Life is a spell so exquisite that everything conspires to break it«, schrieb Emily Dickinson. »Das Leben ist ein so kostbarer Zauber, dass alles danach trachtet, ihn zu brechen.« Irgendwie hatte ich begonnen, auf Autopilot durchs Leben zu gehen, nur halb sehend, nur halb anwesend, vom gefürchteten Kleinkram völlig in Beschlag genommen. Aber am Abend meines Geburtstags wurde mir wieder klar: Wir können eine wahre und glückselige Ehe mit dem Leben nur in dem Maße führen, in dem wir bewusst sind.

Und damit erledigte sich auch meine Frage, wofür ich mit fünfzig berüchtigt sein wollte. Warum nicht für ein ungestümes Staunen angesichts des Lebens? Für ein Gedicht, das einem den Hals zuschnürt, und für den Anblick menschlicher Gesichter. Für das Entzücken, das einem Lilien bescheren...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2020
Übersetzer Daniel Schnurrenberger
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Firstlight
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alltag • Begebenheiten • eBooks • Ereignisse • Erzählungen • Frauenromane • Geschichten • Liebesromane • Ratgeber • Romane für Frauen • Spiritualität
ISBN-10 3-641-27101-0 / 3641271010
ISBN-13 978-3-641-27101-5 / 9783641271015
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99