Die Erben von Gut Lerchengrund (eBook)

Roman
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2020 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-25069-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Erben von Gut Lerchengrund -  Susanne Rubin
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Das bewegende Schicksal zweier Familien und ein Geheimnis, das beide für immer verbindet
Norddeutschland, 1898: Heinrich von Grootenlohe lebt glücklich mit seiner jungen Frau auf Gut Lerchengrund. Doch als er zufällig ein Geheimnis seines Nachbarn Wilhelm Brodersen entdeckt, trifft er eine folgenschwere Entscheidung, die das Leben beider Familien für immer verändert.

1921: Heinrichs Sohn Jonas erbt den Gutshof. Er verliebt sich unsterblich in Wilhelms Tochter Elise, mit der er die Leidenschaft für Pferde teilt. Aber das Geheimnis der Väter und die Familienfehde scheinen ihre Liebe für immer zu zerstören.

1952: Jonas' Tochter Sinje übernimmt die Leitung des Gutshofes. Als die Pferde erkranken, sucht sie Hilfe bei Tierarzt und Nachbarssohn Tim Brodersen. Sinje und Tim fühlen sich zueinander hingezogen und das Glück scheint diesmal zum Greifen nahe. Doch wieder versucht jemand mit aller Macht, eine Verbindung zwischen den beiden Familien zu verhindern.

Susanne Rubin ist eine waschechte »Hamburger Deern«. Zusammen mit ihrem Mann, einem pensionierten Kriminalbeamten, lebt sie in ihrer geliebten Heimatstadt. Nach eigener Aussage ist ihr Mann ihr persönlicher Held, und ihre inzwischen erwachsenen Söhne sind die wunderbarsten der ganzen Welt. Sie liebt das Schreiben und Spieleabende mit ihrer Familie.

Prolog

Norddeutschland, im Spätsommer 1892

Das laute Klacken der Pferdehufe war einem dumpfen Klopfen gewichen, doch das machte die Situation für Gerlinde kaum erträglicher. Seit sie Hamburg mit seinen vertrauten Kopfsteinpflasterstraßen hinter sich gelassen hatten, gestaltete sich die Fahrt zwar leiser, aber auch deutlich holpriger. Die großen Räder ruckelten knirschend über eine unebene Sandpiste, und sie war heilfroh darüber, dass die Bänke in der Kutsche ihres Vaters weich gepolstert waren. Dennoch konnte sie dieser kleinen Reise nichts Gutes abgewinnen. Ihre Laune war an einem Tiefpunkt angelangt, und das Wetter spielte die passende Melodie dazu. Ein heftiger Regen prasselte unablässig auf das Kutschendach, und der Ausblick aus den Fenstern war alles andere als abwechslungsreich. Wenn sie durch Hamburg fuhren, gab es immer etwas zu sehen, doch hier, außerhalb der Stadtgrenzen, war das anders. Seit einer halben Stunde fuhren sie nun schon auf den vom Regenwasser aufgeweichten Sandwegen durch eine karge Heidelandschaft. Zwar blühte die Heide hier und da, doch die dunklen Wolken am Himmel ließen kaum Freude daran aufkommen; zumindest bei Gerlinde nicht. Viel lieber wäre sie jetzt in ihrem gemütlichen Zuhause und würde mit einer Freundin plaudern, heiße Schokolade trinken und Konfekt naschen.

»Nun mach nicht so ein störrisches Gesicht, mein Engel«, sagte ihre Mutter ungewohnt sanft, beugte sich vor und tätschelte leicht ihre Hand. »Dein umsichtiger Vater will uns schließlich nur vor dieser grauenvollen Epidemie in Sicherheit wissen.«

»Ach, ich weiß, Mama, aber muss er uns deshalb gleich ins Nirgendwo schicken?«

Mathilde Behrens schüttelte den Kopf und seufzte leise. »So viele Menschen sind schon an der Cholera gestorben, Kind. Ich bin jedenfalls froh, dass du und ich eine Weile aus der Stadt herauskommen. Außerdem schickt dein Vater uns nicht ins Nirgendwo, sondern auf das Gut eines seiner Geschäftsfreunde. Wir sind doch kaum zwei Stunden von zu Hause entfernt.« Ihre Mutter hob ein wenig ihr Kinn an, so wie sie es immer tat, wenn sie ihrer Meinung nach gerade etwas sehr Bedeutsames von sich gab oder jemanden in die Schranken wies, was ziemlich häufig vorkam. »Baron von Grootenlohe ist ein wirklich honoriger Mann. Dein Vater ist seit Jahren mit ihm befreundet und hält unendlich viel von ihm. Wir können also dankbar sein, dass der Baron uns beide bei sich aufnimmt, bis die furchtbare Epidemie hoffentlich bald ein Ende findet.«

Gerlinde lehnte sich zurück und schnaufte unwillig. In Gedanken sah sie ihn schon vor sich, den alten Geschäftsfreund ihres Vaters. Wahrscheinlich hatte er einen dicken Bauch, würde die ganze Zeit nur über die Landwirtschaft oder das Wetter reden und war insgesamt ein Hinterwäldler erster Güte. So sind diese Leute vom Land doch meistens, dachte sie missmutig, obwohl eine Stimme in ihrem Kopf sie gleichzeitig ermahnte, dass solche Gedanken höchstwahrscheinlich ungerecht und sicher nicht angebracht waren.

»Ich werde mich dort zu Tode langweilen.«

»Das glaube ich kaum. Auf dem Gutshof gibt es jede Menge Pferde. Du magst doch Pferde, nicht wahr?«

»Ja, schon …«

»Siehst du, Engelchen, du wirst dich sicherlich nicht langweilen, glaub mir. Ach ja, bei der Gelegenheit möchte ich dich noch ermahnen, dich von den Stallburschen fernzuhalten. Mach uns ja keine Schande, Kind.«

»Oh, Mama, bitte.«

»Du weißt, dass du viel …« Ihr Blick glitt vielsagend über Gerlindes bereits ausgereiften Körper. »Nun ja … älter wirkst als fünfzehn. Versprich mir also, dich einwandfrei zu benehmen und darauf achtzugeben, dass du niemals allein auf dem Gut unterwegs bist.«

»Versprochen, Mama.«

Ihre Mutter nickte kurz und sah aus dem Fenster. Offenbar war das Thema damit für sie beendet. »Wir werden bald da sein, denke ich.«

Kurz bevor sie Gut Lerchengrund erreichten, riss wie durch Zauberhand die Wolkendecke auf, und als sie wenig später das gusseiserne Tor passierten, war der Himmel bereits herrlich blau. Die letzten Regentropfen auf den Blättern der Büsche und Bäume glitzerten im Sonnenschein wie Diamanten. Etwas weiter entfernt erblickte Gerlinde einige lang gezogene Stallgebäude, weiß getünchte Gatter und schmale Reitpfade, die in alle Himmelsrichtungen führten. Vielleicht war es dieser Moment, in dem in ihr die Neugierde und erstaunlicherweise sogar ein Anflug von Vorfreude erwachten.

Der Kutscher bog auf eine breite Zufahrt ein, vorbei an uralten Pappeln und Eichen, bis er endlich direkt vor dem Gutshaus die Pferde zügelte. Kaum, dass sie die Kutsche verlassen hatte, erkannte Gerlinde, wie wunderschön und friedlich dieser Ort war. Das Gutshaus mit seiner kurzen, dennoch doppelläufigen und leicht geschwungenen Außentreppe erschien ihr riesig. Der dunkelrote Backstein des Gebäudes war zu einem großen Teil mit Efeu bewachsen, und die schneeweißen Fensterrahmen boten dazu einen ansprechenden Kontrast. Sie spürte ein leichtes Ziehen in ihrer Brust, das sich seltsamerweise angenehm anfühlte.

Sie war so von dem Anblick gefangen gewesen, dass sie leicht zusammenschrak, als ihre Mutter sie ansprach. »Das ist wirklich ein wunderschönes Haus, nicht wahr?«

Gerlinde kam gar nicht erst dazu, ihrer Mutter zu antworten, denn auf dem breiten Treppenabsatz vor der Haustür erschien in diesem Moment der Gutsherr persönlich, um sie zu begrüßen.

»Willkommen auf Gut Lerchengrund, liebe gnädige Frau und … liebes Fräulein Behrens.«

Es schien Gerlinde, als würde Baron von Grootenlohe kurz stutzen, bevor er auch sie begrüßte, aber vielleicht täuschte der Eindruck, denn schließlich hatte er sie ja beide erwartet. Wie es ihr ihre gute Erziehung gebot, deutete sie einen Knicks an, während sie ihm die Hand reichte. Der Baron war das genaue Gegenteil von der gräulichen Vorstellung, die sie sich von ihm gemacht hatte. Vor ihr stand ein schlanker und hochgewachsener Mann mit auffallend hellen Augen und vollem dunkelblondem Haar. Sie fühlte sich etwas eingeschüchtert von seiner aristokratischen Ausstrahlung. Das passierte ihr mit ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein nur sehr selten, und sie wunderte sich über das ungewohnte Gefühl der Unsicherheit. Als die Begrüßungsfloskeln schließlich ausgetauscht waren und sie ihrem Gastgeber ins Haus folgten, fühlte sie einen Anflug von Erleichterung.

Selbst wenn es für ihren Geschmack insgesamt ein wenig düster eingerichtet war, gefiel Gerlinde auch das Innere des Gutshauses ausgesprochen gut. Ihre Mutter und sie bekamen sehr gediegen eingerichtete Gästezimmer, die direkt nebeneinanderlagen. Sie waren durch eine Tür miteinander verbunden und teilten sich ein Badezimmer, das jeden Komfort bot. Die hohen Fenster der Zimmer ermöglichten einen Blick in den wunderschönen Garten des Anwesens.

Eigentlich hatte Gerlinde nicht herkommen wollen, doch nun verschwand der letzte Rest ihres Unwillens endgültig. Schon bei dem ersten Blick auf das herrliche Himmelbett in ihrem Zimmer musste sie sich eingestehen, wie froh sie war, hier sein zu dürfen. Das Gutshaus von Lerchengrund beeindruckte sie tief.

Erst beim Abendessen lernten sie auch die Baronin kennen. Gerlinde wusste nicht so recht, was sie von der wortkargen und blassen Person halten sollte. Eine Frau von Adel, noch dazu mit einem so augenfällig gut aussehenden Ehemann, hatte sie sich strahlend schön, wundervoll gekleidet und frisiert, vor allem aber äußerst selbstbewusst und eloquent vorgestellt. Doch Hannelore von Grootenlohe war vollkommen anders. Die Baronin war noch keine dreißig Jahre alt, das wusste Gerlinde, da ihre Mutter es erst vor Kurzem erwähnt hatte, doch sie wirkte deutlich älter. Ihr mittelbraunes Haar war streng zurückgekämmt und im Nacken zu einem festen Knoten verschlungen, der von einem Haarnetz gehalten wurde. Winzige Perlenohrringe waren der einzige Schmuck, den sie trug. Ihr dunkelblaues, hochgeschlossenes Kleid war schlicht und unterstrich insgesamt das matte und unauffällige Erscheinungsbild dieser Frau. Schon bald nach dem Essen zog sich die Baronin mit einer gemurmelten Entschuldigung in ihre Gemächer zurück. Es war ihr offensichtlich vollkommen egal, dass sie Gäste hatte. Das war für ihre Kreise ganz und gar ungewöhnlich, das wusste Gerlinde sehr genau. Heinrich von Grootenlohe gab ihnen gegenüber weiterhin den galanten Gastgeber, doch sie spürte deutlich, wie unangenehm ihm das Verhalten seiner Ehefrau war.

»Meine Gattin ist gesundheitlich leider nicht so auf der Höhe«, versuchte er, die Situation zu erklären.

»Das tut uns sehr leid. Hoffentlich geht es der Baronin bald besser«, sagte ihre Mutter und lächelte ihren Gastgeber strahlend an.

So unnachgiebig Mathilde Behrens üblicherweise auch sein mochte, so besaß sie doch das kostbare Talent, äußerst diplomatisch zu reagieren, wenn es die Situation erforderte. Gerlinde hatte sie schon oft dafür bewundert.

Der Baron nickte und erwiderte das Lächeln, wenn auch deutlich verhaltener. »Ich hoffe, Sie und Ihre reizende Tochter«, sein Blick huschte kurz zu Gerlinde, dann sah er wieder ihre Mutter an, »sind mit Ihrer Unterbringung zufrieden.«

»Die Zimmer sind ganz und gar zauberhaft, vielen Dank, Herr Baron.«

»Das freut mich. Sollte es Ihnen dennoch an irgendetwas fehlen, lassen Sie es mich bitte wissen. Wir haben übrigens Karla, eines der Dienstmädchen, ganz für Sie beide abgestellt. Sie brauchen nur zu läuten, dann wird sie zu Ihnen kommen. Karla ist vollends vertraut mit den üblichen Aufgaben einer Zofe. Morgen werde ich Ihnen beiden dann mit Freuden das Gut zeigen. Sie...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anne Jacobs • eBooks • Familiengeheimnis • Familiensaga • Frauenromane • Generationenroman • Gestüt • Große Liebesgeschichte • Gutshof • Intrige • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Norddeutschland
ISBN-10 3-641-25069-2 / 3641250692
ISBN-13 978-3-641-25069-0 / 9783641250690
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