Philoktet (eBook)

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2019 | 1. Auflage
147 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76099-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Philoktet - Heiner Müller,  Sophokles
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Philoktet, geschrieben 1958/1964 und uraufgeführt 1968 am Münchner Residenztheater, ist eines der bekanntesten und wichtigsten Stücke des Autors. Diese Ausgabe gestattet den Vergleich mit der ?Vorlage?, auf die Heiner Müller (1929-1995) antwortete: Sophokles' Philoktet, uraufgeführt 409 vor Christus in Athen.

»Die griechische wie die deutsche Version des tragischen Lebens von Philoktet zeigen deutlich, daß die Sprache der Partner des Todes ist. Man hört ihn als ein dunkles musikalisches Branden im Epos, aus dem das Ensemble der großen griechischen Tragödien hervorgeht. Man hört ihn auch, nicht nur in seinem Philoktet, im Ensemble der Stücke von Müller. Wenn es sich nicht um eine Komödie handelt, ist das Theater ein Akt des Tötens - wie der Stierkampf. Das Instrument, das Werkzeug dieser Tötung ist das Wort. Diese Macht zeigt sich nirgends so radikal, so klinisch wie in diesen beiden Werken.« Etel Adnan



<p>Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf, Sachsen, war einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zudem war er Lyriker, Prosa-Autor und Essayist sowie Präsident der Akademie der Künste Berlin (Ost). Er ist am 30. Dezember 1995 in Berlin verstorben.</p>

Prolog

Darsteller des Philoktet, in Clownmaske.

Damen und Herren, aus der heutigen Zeit

Führt unser Spiel in die Vergangenheit

Als noch der Mensch des Menschen Todfeind war

Das Schlachten gewöhnlich, das Leben eine Gefahr.

Und daß wirs gleich gestehn: es ist fatal

Was wir hier zeigen, hat keine Moral

Fürs Leben können Sie bei uns nichts lernen.

Wer passen will, der kann sich jetzt entfernen.

Saaltüren fliegen auf.

Sie sind gewarnt.

Saaltüren zu. Der Clown demaskiert sich: sein Kopf ist ein Totenkopf.

Sie haben nichts zu lachen

Bei dem, was wir jetzt miteinander machen.

Küste.

Odysseus. Neoptolemos.

ODYSSEUS

Das ist der Platz, Lemnos. Hier, Sohn Achills

Hab ich den Mann aus Melos ausgesetzt

Den Philoktet, in unserm Dienst verwundet

Uns nicht mehr dienlich seit dem, Eiter drang

Aus seiner Wunde stinkend, sein Gebrüll

Kürzte den Schlaf und gellte mißlich in

Das vorgeschriebne Schweigen bei den Opfern.

Der Berg ist sein Quartier, sein Grab nicht, hoff ich

Ein Loch, vom Wasser in den Fels gewaschen

In langer Arbeit, als der Fisch bewohnte

Was wir mit trockner Sohle jetzt begehn.

Ein Quell davor. Wenn zehn Jahre einen Quell nicht

Austrocknen. Such mir seine Wohnung. Dann

Hör meinen Plan und was dabei dir zufällt.

NEOPTOLEMOS

Dein Auftrag führt nicht weit.

ODYSSEUS

Leer?

NEOPTOLEMOS

Eine Laubstreu.

Aus rohem Holz ein Trinknapf. Feuersteine.

Lumpen, zum Trocknen an den Wind gehängt

Mit schwarzem Blut.

ODYSSEUS

Die Wunde immer noch.

Er kann nicht weit gehn mit dem alten Schaden

Sucht Nahrung oder Grünzeug das den Schmerz dämpft.

Sorg daß er uns nicht anfällt, lieber ja

Als irgendeinem gibt er mir den Tod.

NEOPTOLEMOS

Mit Grund. Du warst das Eisen das ihn abschnitt.

ODYSSEUS

Sei du das Netz, mit dem ich ihn zurückfang.

NEOPTOLEMOS

Dein Wort hat weite Maschen. Was verlangst du?

ODYSSEUS

Daß du in unsrer Sache dich nicht schonst.

NEOPTOLEMOS

Das Leben zu behalten leb ich nicht.

ODYSSEUS

Noch andres das dir mehr sein mag als Leben.

Schwatz ihm den Bogen aus der Hand, mit Pfeilen

Schickt er mein Wort zurück in meinen Mund

Du hattest keine Hand in seinem Unglück

Nicht dein Gesicht auf unsern Schiffen sah er

Leicht mit gespaltner Zunge fängst du ihn

Leicht schleppen wir aufs Schiff den Waffenlosen.

NEOPTOLEMOS

Zum Helfer bin ich hier, zum Lügner nicht.

ODYSSEUS

Doch braucht es einen Helfer hier der lügt.

NEOPTOLEMOS

Vielleicht kann Wahrheit mehr.

ODYSSEUS

Bei dem nicht unsre.

NEOPTOLEMOS

Was kann er gegen zwei auf einem Fuß?

ODYSSEUS

Solang er seinen Bogen hat, zu viel.

NEOPTOLEMOS

Laß uns mit Pfeilen kreuzen seinen Pfeil.

ODYSSEUS

Wer folgt dem toten Feldherrn in die Schlacht?

NEOPTOLEMOS

Der Pfeil auf unsrer Sehne hält vielleicht

Im Köcher seinen Pfeil.

ODYSSEUS

Mehr als sein Leben

Gilt unser Tod ihm, und kein Leben ist

Auf Lemnos, das der Krieg nicht braucht vor Troja.

NEOPTOLEMOS wirft seinen Speer weg.

Mit nackten Händen zieh ich ihn aufs Schiff.

ODYSSEUS nimmt den Speer auf.

Sei wo du willst kühn, klug brauch ich dich hier

Und wenig nütz ist mir des Toten Schläue.

Lern das von mir eh dich sein Pfeil belehrt.

Dein letzter Gang wärs, Narr, ließ ich dich gehn.

NEOPTOLEMOS

Laß mir den Gang, so laß ich dir die Furcht.

ODYSSEUS

Wenn du noch einen Schritt gehst nagl ich dich

Mit deinem eignen Speer an diese Insel.

Und Herakles erscheint dir nicht wie dem

Den der beraubte Gott an sein Gebirg schlug

Zu dauernder Gesellschaft seinen Vögeln

Nicht von der Art die nachwächst ist dein Fleisch

Dich werden ganz vom Stein die Geier pflücken.

NEOPTOLEMOS

Viel hohen Mut dem Waffenlosen zeigst du.

ODYSSEUS

Ich zeig dir, was der Waffenlose kann.

NEOPTOLEMOS

Mit meinem Speer. Und nicht zum erstenmal

Seh ich in deinen Händen meins, geschickt

Zum Diebstahl, und an mir besonders, sind die

Mit Recht nicht trägst du, was mein Vater trug

Als er noch Hände hatte, sie zu brauchen

Das viel beschriene Erz, die narbige Stierhaut.

Gib mir von meinen Speeren einen wieder

Ich zeig dir, was ich kann mit einem Speer.

ODYSSEUS

Zeig mirs zu andrer Zeit am andern Ort.

Auch hab ich deinen Speer schon rot gesehn

Und zweifle nicht an deiner Kunst im Schlachten.

Ich brauch dich lebend und noch brauchst du mich so.

Mit tausend Speeren ist mein Speer begabt

Vom Zufall der Geburt, mit tausend deiner

Und tausend Speere sind mit dem behalten

Oder verloren, wenn du mir versagst.

Das wars warum ich dich nach Troja schleppte

Von Skyros weg, eh du das Leben schmecktest

Nach deines Vaters uns zu zeitigem Tod

Als seine Mannschaft weigerte die Schlacht

Auf seinem Hügel saufend seinen Wein

Und seine Weiber teilend, lang entbehrt

Das eine wie das andre überm Schlachten

Für seinen Ruhm und Mehrung seiner Beute.

Wer hat ihm Hektor auf den Speer gesteckt?

Wir brauchten dich, sie in die Schlacht zu haun

Wie wir den brauchen jetzt für seine Mannschaft.

Nicht deinen Arm, zum Schlachten ungeschickt

Nicht seinen Arm, allein uns wenig brauchbar

Denn williger geht der Mann in seinem Blut

Unter dem Fuß der kommt im heimischen Leder.

Dein Erbe trag ich nicht zu meinem Ruhm

Sondern im Kampf um deines Vaters Leichnam

Sterbend für Totes, ging das meiste Blut

Aus meiner Mannschaft, und die Narben brannten.

Und brennen nicht mehr, seit sie mich behängt sehn

Mit deinem Erz zum Lohn für ihre Wunden.

Setz ich den Fuß aufs Festland ohne den

Kehrt seine Mannschaft unserm Krieg den Rücken

Der Troer wäscht sich weiß mit unserm Blut

Mästet mit unserm Fleisch die heimischen Geier.

Zum Dieb und Lügner bist du schlecht begabt

Ich weiß es. Süß aber, Sohn Achills, ist der Sieg.

Drum einen Tag lang, länger brauchts nicht, schwärz

Die Zunge, dann in Tugend wie du willst

Solang sie dauert, leb du deine Zeit.

Ins Schwarze gehn wir alle, weigerst dus.

NEOPTOLEMOS

Aus faulem Grund wächst wohl ein Gutes nicht.

ODYSSEUS

Eins ist der Grund, ein andres ist der Baum.

NEOPTOLEMOS

Den Baum nach seiner Wurzel fragt der Sturm.

ODYSSEUS

Den Wald nicht fragt er.

NEOPTOLEMOS

Den das Feuer...

Erscheint lt. Verlag 17.6.2019
Nachwort Wolfgang Storch
Übersetzer Wolfgang Schadewaldt
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Altes Griechenland • Antike • Bibliothek Suhrkamp 1402 • BS 1402 • BS1402 • Bühne • Deutschland • Drama • Dramatiker • Einfluss • Heiner Müller • Müller • Ostdeutschland DDR • Philoktet • Rezeption • Schauspiel • Sophokles • Theater • Tragödie • Vorlage
ISBN-10 3-518-76099-8 / 3518760998
ISBN-13 978-3-518-76099-4 / 9783518760994
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