Die Lilienbraut (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
496 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-22127-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Lilienbraut -  Teresa Simon
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Köln in den Vierzigerjahren. Die junge Nellie Voss hat gerade eine Stelle bei 4711 angetreten. Schnell wird ihr klar, dass sie ein untrügliches Gespür für Düfte hat. Ab und zu vergisst sie darüber sogar, dass ein schrecklicher Krieg tobt. Doch noch mehr beschäftigt sie ihre aussichtslose Liebe zu einem Mann, den sie nicht haben darf ...

Köln in der Gegenwart: Nach ihrer schmerzhaften Trennung eröffnet Liv einen kleinen Laden für Seifen und Düfte im Stadtviertel Ehrenfeld. Eines Tages begegnet sie auf der Straße zufällig einer geheimnisvollen weißhaarigen Dame, die bei ihrem Anblick regelrecht erschüttert ist und sie beschimpft. Wer ist sie, und was verbindet sie mit Liv?

Teresa Simon ist das Pseudonym der promovierten Historikerin und Autorin Brigitte Riebe. Sie ist neugierig auf ungewöhnliche Schicksale und lässt sich immer wieder von historischen Ereignissen und stimmungsvollen Schauplätzen inspirieren. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin ist bekannt für ihre intensiv recherchierten und spannenden Romane, die tiefe Emotionen wecken. Ihre Romane »Die Frauen der Rosenvilla«, »Die Holunderschwestern«, »Die Oleanderfrauen« und »Glückskinder« wurden alle zu Bestsellern.

2


Köln, Mai 1940


Wann hat eigentlich alles angefangen?

Bereits im Februar, als die Kinder der Pfarrei St. Joseph so traurig waren, weil der Karnevalsumzug verboten worden war und der neue Kaplan heimlich für sie eine kleine kostümierte Feier im Pfarrsaal veranstaltet hat? Damals habe ich ihn zum ersten Mal gesehen, und gefallen hat er mir auf Anhieb: groß, athletisch, von der Figur her eher einem Sportler als einem Geistlichen ähnelnd, mit dunkelgrünen Augen und braunen Haaren, die lockig wären, würde er sie nur eine Spur länger tragen.

Oder war es, als wir mit unseren Körben die Ostermesse besucht haben, um traditionsgemäß Brot, Eier und Schinken weihen zu lassen?

Beim Hinausgehen hat er an der Kirchentür jedem die Hand geschüttelt und frohe Ostern gewünscht. Plötzlich hat mein ganzer Körper gekribbelt, und als er mich dann auch noch so verschmitzt mit seinen Grübchen angelächelt hat, war ich verloren.

Greta schien es ähnlich zu ergehen.

»Was für ein Mann!«, hat sie gestöhnt, kaum dass St. Joseph hinter uns lag. »Und welch abgrundtiefe Verschwendung …«

Muss ich betonen, dass Greta und ich seitdem keine Sonntagsmesse mehr versäumen? Wir, die bislang nicht gerade die regelmäßigsten Kirchgängerinnen waren?

Zum Glück sind es von unserer Wohnung in der Körnerstraße bis zur Kirche in der Venloer Straße nur wenige Schritte. Greta aber, eine begeisterte Langschläferin, nimmt dafür sogar die Anreise aus Lindenthal in Kauf. Dabei ist sie so gut wie verlobt. Aber das scheint sie manchmal zu vergessen. Vor allem, wenn sie Kaplan Benedikt Maria Weiss zu Gesicht bekommt.

Ich lasse ihr ihre Schwärmereien. Greta hat viel Temperament, das muss an dem italienischen Blut in ihren Adern liegen. Bei ihr fällt alles immer eine Nummer größer aus: Freude, Enttäuschung, Begeisterung, Trauer. Allerdings kann sie sich das auch leisten, denn sie stammt aus einer der angesehensten Familien der Stadt. Hätten wir beide nicht im gleichen Jahrgang die weiterführende Schulbank gedrückt, wären wir uns sicherlich niemals begegnet. So aber hat die Handelsschule für Frauen uns zu besten Freundinnen gemacht: Greta Farina, deren berühmte Vorfahren jene Parfümmarke ins Leben gerufen haben, die an allen europäischen Höfen Triumphe feiern konnte, und ich, die Halbwaise Nellie Voss, deren Mamm Ilka jeden Tag in der kleinen Eckkneipe Halflang Kölsch ausschenkt.

Normalerweise erzählen wir uns alles, wie beste Freundinnen es eben tun. Aber wie hätte ich ihr nur gestehen sollen, dass ich nicht mehr schlafe und kaum noch etwas herunterbringe, weil ich Tag und Nacht an ihn denken muss, obwohl ich doch genau weiß, dass es vollkommen aussichtslos ist, weil er sein Leben für immer Gott geweiht hat?

Welche Sünde begehe ich damit!

Nein, Abertausend Sünden sind es, denn ich bin von Woche zu Woche mehr in ihn verliebt.

Es zu beichten wage ich nicht.

Und wem auch?

Im Beichtstuhl von Pfarrer Greven würde ich kein Wort herausbringen, und selbst in einer anderen Kirche wäre es mir zu gefährlich. So bleibt mir nur dieses Tagebuch, um meine Gedanken zu sammeln und all das niederzuschreiben, was mich bewegt und bedrückt.

Bin ich oberflächlich oder sogar leichtsinnig?

Aus gleichaltrigen Jungs hab ich mir nie viel gemacht, sie erscheinen mir immer so naiv und unreif; vor erwachsenen Männern jedoch habe ich mich bislang gehütet.

»Sieh dich vor, Nellie«, so Mamms warnende Worte. »Wenn du schwanger wirst, dann musst du auch heiraten. Selbst, wenn es der falsche Mann fürs Leben ist …«

Einen falschen Mann fürs Leben habe ich niemals gewollt. Vielleicht denken manche in Ehrenfeld deshalb auch, ich sei arrogant, aber das bin ich nicht. Bloß kritisch und wählerisch, das ja. Vielleicht habe ich die ganze Zeit ja einfach nur auf den Richtigen gewartet.

Wie aber hätte ich in meinen kühnsten Träumen ahnen sollen, dass das ausgerechnet ein Mann Gottes sein würde?

Es ist ja nicht allein sein Aussehen, das mich unwiderstehlich anzieht, nein, auch seine Freundlichkeit, sein Humor, die Klugheit im Reden und im Handeln. Vor allem aber gefällt mir seine Fürsorglichkeit gegenüber den Kindern und Jugendlichen aus der Pfarrei, die gerade jetzt so dringend männlichen Beistand brauchen. Beim Jungvolk werden sie nur noch gedrillt, vorbei mit lustigen Lagerfeuern und Zeltfreizeiten. Am liebsten würde mein Bruder Martin gar nicht mehr hingehen, doch das traut er sich nicht. Wenn er schon bald zur Hitlerjugend muss, wird es sicherlich noch schlimmer.

Männer werden hier mehr und mehr zur Mangelware. Viele aus Köln-Ehrenfeld sind inzwischen Soldaten, ganze Jahrgänge sind schon eingezogen worden. Söhne, Brüder, junge Ehemänner fehlen plötzlich an allen Ecken und Enden, das macht den Familien hier schwer zu schaffen. Unseren Bap können sie zum Glück nicht mehr holen, der liegt schon seit sechs Jahren auf dem Melaten-Friedhof.

Und was bin ich froh, dass Martin erst dreizehn wird und damit noch viel zu jung für die Wehrmacht ist!

Dabei ist unser Küken im letzten Jahr gewaltig in die Höhe geschossen. Er sieht jetzt schmal und staksig aus wie ein Fohlen und ist ständig hungrig, weil unsere Mamm ihn mit den paar Lebensmittelmarken niemals richtig satt bekommt. Und das trotz ihrer kleinen Extrageschäfte, auf die ihr allerdings keiner kommen darf.

Nächste Woche wird Martin gefirmt.

Spätestens dann werde ich Benedikt wiedersehen, der die Firmlinge aus Ehrenfeld an diesem Tag in den Dom begleitet …

Was für ein Tag!

Mamm hat mich in aller Herrgottsfrüh mit dem Fahrrad nach Bickendorf zu Bäcker Lemmle geschickt, dem Einzigen, der gegen heimliche Bierlieferungen Roggenbrötchen rausgibt, die die Arbeiter nach Feierabend in unserer Kneipe, dem Halflang, so gern als Halve Hahn zum Kölsch verzehren. Ich muss warten, bis er den Korb für mich gefüllt hat, da sehe ich sie: das fahrende Volk, das seit drei Jahren in Wohnwagen und Baracken auf dem Schwarz-Weiß-Platz hinter Stacheldraht vegetiert. Hin und wieder haben sie sich zu uns ins Halflang geschlichen, mager und zerlumpt, aber immer freundlich, haben für ein paar Groschen Messer geschärft oder unsere Töpfe geflickt, und Mamm hat sie niemals ohne ein Glas Bier und eine zusätzliche Wegzehrung wieder gehen lassen. Mit dem kleinen Adriano, der anfangs immer mitkam, hat Martin sich sogar ein wenig angefreundet. Die Jungs haben zusammen geschussert, wobei Adriano meistens gewonnen hat, weil er mit den Murmeln einfach geschickter ist.

Jetzt treiben SA-Leute sie wie Vieh zusammen und verfrachten Greise, Männer, Frauen und sogar die Kinder auf Lastwagen. Mit Schlagstöcken, Fußtritten und Gewehrkolben zwingen sie sie aufzusteigen. Viele schreien, bluten und weinen, darunter auch Adriano, der eine Platzwunde an der Stirn hat und so elend aussieht, so voller Angst, dass mir selbst ganz eng ums Herz wird.

»Zeit, dass wir diese Zigeuner endlich loswerden.«

Hat Bäcker Lemmle das gerade wirklich gesagt?

»Was haben sie dir denn getan?«, frage ich zurück.

»Das weiß man nie. Besser, du zählst alles nach, wenn einer von denen im Laden war. Schon ihre kleinsten Bastarde haben das Klauen im Blut, und verschlagen sind sie doch alle miteinander! Die müssen jetzt endlich das Arbeiten lernen. Der Führer räumt gründlich auf, und ich bin heilfroh, dass dieses Pack endlich kriegt, was es verdient!« Seine Augen sind ganz schmal geworden; im Mundwinkel hängt ihm ein Speichelfaden.

Hass macht hässlich, muss ich denken und mag den Bäckermeister mit dem zurückweichenden Haaransatz noch weniger als sonst.

Ich schlage die Rosinenschnecke aus, die er mir unbedingt aufdrängen will. Mit einem süßen Stückchen kann er mich jetzt nicht fangen. Noch beim Zurückfahren ist mir speiübel, und nicht einmal der Duft der frischen Brötchen, den ich sonst immer begierig einatme, kommt dagegen an.

Jetzt gleich nach Hause?

Unmöglich!

Obwohl ich mich für die Arbeit noch umziehen muss. Fräulein Weber, Bürovorsteherin bei 4711, duldet Nachlässigkeit in puncto Kleidung ebenso wenig wie beim Schriftverkehr. Weil ich so gut in Steno bin, habe ich bei ihr einen Stein im Brett, was sich allerdings schnell ändern kann, denn sie ist extrem launisch. Doch der Gedanke, mich sofort in den dunkelblauen Rock und die frisch gebügelte weiße Bluse zu zwängen, ist unerträglich. So halte ich vor St. Joseph an, nehme meinen Korb vom Lenker, damit ihn niemand klauen kann, und gehe für einen Moment hinein.

Im Gotteshaus hängt noch ein Rest Weihrauch von der gestrigen Maiandacht. Ich liebe es, wenn der...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 4711 • Die Fliederbraut • Die Frauen der Rosenvilla • Die Holunderschwestern • Die Oleanderfrauen • eBooks • Familiensaga • Frauenromane • Generationenroman • kleine geschenke für frauen • Liebe • Liebesromane • Parfüm • Spiegel-Bestseller-Autorin
ISBN-10 3-641-22127-7 / 3641221277
ISBN-13 978-3-641-22127-0 / 9783641221270
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