Becky Bernstein Goes Berlin (eBook)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
302 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-10799-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Becky Bernstein Goes Berlin -  Holly-Jane Rahlens
Systemvoraussetzungen
4,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
New York und Berlin: ein heiterer Roman über die Liebe zu einem Mann und zwei Städten Die Amerikanerin Becky Bernstein ist gerade von ihrem Geliebten sitzen gelassen worden. Da hilft nur eins: eine radikale Diät, für sich selbst und für ihre chaotische Wohnung. Während sich Becky über Berge von ausgedienten Klamotten, alten Schallplatten und nicht zuletzt Liebesbriefen hermacht und dabei brav an ihrem Mineralwasser nippt, werden die Erinnerungen an die wilden Jahre mit ihrem ersten deutschen Freund Jürgen wach - und ihre Taille immer schlanker.

Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete.

Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete.

Erstes Kapitel


Montag, 28. September 1992

Diätwoche: 1

Tag: 1

Gewichtsverlust: o

Am Nachmittag darauf

»Sex!« sagte Barry. »Und damit basta. Sex. Darauf kannst du dich verlassen. Das einzige, was Männer wollen, ist Sex. Sex. Sex.«

Jedesmal, wenn er das Wort verkündete, wurde seine Stimme lauter, tiefer, inbrünstiger. Und mit jedem neuen Ausruf schienen seine Hände einen Hintern zu kneten, der immer breiter wurde.

Barry war Schauspieler, ursprünglich aus Detroit, nun aus Berlin-Kreuzberg. Er arbeitete als einziger Amerikaner in einem ungeheuer populären russisch-deutschen Theaterensemble, das künstlerisch wertvoll über die Bühne stampfte und trampelte, große Gesten und jede Menge Krach machte und sehr wenig sagte. Das Theatralische war nun auch Barrys persönlicher Stil geworden.

»Hat er doch gekriegt«, protestierte ich. »Sex in allen Lebenslagen.«

»Von der Seite? Von hinten –?«

»Jaaa!« schrie ich. »Von vorn. Von hinten. Von oben. Von der Seite.«

»Auch kopfüber?«

»Er oder ich?«

Barry gluckste und biß in das Gorgonzolabrötchen, das ich ihm serviert hatte. »Du mußt einfach einsehen«, sagte er achselzuckend, »daß Hildegard ihm mehr gegeben hat.«

»Hildburg

»Und nie wirst du erfahren, warum. Und es ist auch egal.«

Ich runzelte die Stirn.

»Macht es dir was aus?« fragte er.

»Ein bißchen schon.«

»Was hast du für einen IQ

»148. Aber was hat der damit zu tun?«

»Nichts weiter, als daß du für jemanden mit einem IQ von 148 ziemlich blöd bist!« Barry lief ins Badezimmer, wo seine Wäsche auf ihn wartete. »Wie lange hat’s gedauert? Ein paar Wochen? Vergiß es und such dir einen anderen. Laß Felix seiner Hildkraut.«

»Burg. Hildburg. Aber du hast recht. Heike hat auch schon gesagt, ich soll den Idioten in den Wind schießen. Weiß der Henker, was der für einen IQ hat.«

»Sachte, sachte. Er kann ja nichts dafür. Laß den Typen in Ruhe.«

»In Ruhe? Ich soll ihn in Ruhe lassen?« kreischte ich. Wie ich es hasse, wenn Männer ihren Geschlechtsgenossen alles durchgehen lassen. »Wenn ich diesen Kretin sehe, breche ich ihm sämtliche Knochen!«

»He, du kannst aber ganz schön gemein sein.«

»Na und?«

»Schieß den Idioten in den Wind. Heike hat dir einen guten Rat gegeben. Wie geht’s ihr eigentlich?«

»Sie ist nicht auf dem freien Markt, falls du das wissen willst.«

»Tolle Titten.«

Ich verdrehte die Augen. Mit diesem Typen konnte man einfach kein ernsthaftes Gespräch führen.

»Fällt dir zu meiner ältesten Freundin nichts Besseres ein als ›tolle Titten‹?« fragte ich.

»Toller Hintern.«

Barry Sonnenberg war unverbesserlich. Aber süß.

»Sagen Sie einem Mann nie, er sei süß«, riet mir der süße kleine Megastar Rieh Matell einmal in einem Interview. »Männer wiegen sich gern in dem Glauben, daß sie männlich sind.«

»Gut, Rieh«, hatte ich gesagt, »gehen wir mal essen, und dann sage ich Ihnen, ob Sie auch männlich sind.«

Rich und ich waren nie essen, aber der Spruch kam gut an und sicherte mir meinen Job beim Sender und das Wohlwollen meiner feministischen KollegInnen.

Auch Barry und ich haben nie was miteinander gehabt. Dem Herrn sei Dank! Was war er für ein scharfer kleiner Herzensbrecher. Einmal in der Woche kam er und wusch seine Wäsche, und kaum zu fassen, wie viele schmutzige Laken er in dieser Zeitspanne ansammelte. Aber wir waren gute Freunde, zwei Amerikaner unter den Menschenfressern, und als Gegenleistung für das Waschpulver, den enormen Stromverbrauch und diverse Flaschen Bier erklärte er mir die Welt aus der Sicht eines süßen, männlichen, barbarischen Sexprotz.

Barry kam mit Ray-Ban-Sonnenbrillenimitat und frisch gewaschener und gefalteter Bettwäsche im Rucksack in die Küche.

»Weißt du«, begann er, »Hildlinde muß Sommersprosse wirklich fest im Griff haben. Ich kann mir sonst nicht vorstellen, wieso jemand dich verläßt.«

»Ach, danke schön, Barry. Du bist so lieb.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand freiwillig eine Frau verläßt, die eine Waschmaschine mit 15 Programmen besitzt, und noch dazu einen Trockner mit Sensitivtrockensystem und Spezialknitterschutz.«

Das Gorgonzolabrötchen! Ich schnappte es und zielte auf seinen Kopf. »In fünf Sekunden bist du draußen! Sonst passiert was!«

»Bin schon weg, bin schon weg«, sagte er, küßte mich auf die Wange und ging zur Tür.

»Halt, warte einen Moment!« sagte ich. »Nimm das Brötchen mit.«

»Nein, iß du es auf.«

»Unmöglich. Ich mache Diät.«

Barry hob die Brauen.

Zum erstenmal seit meinem Entschluß vom Vorabend hatte ich die Worte ausgesprochen. Sie klangen fremd und, ehrlich gesagt, wenig überzeugend. Ich hatte nicht einmal mit Heike über die Diät geredet, obwohl wir mindestens eine Stunde telefoniert hatten. Heike, an deren sehnigem, sportlichem Körper kein Gramm Fett sitzt, war keine Frau, die Mitgefühl für die Hungerkuren anderer Frauen aufbringen würde. »Wenn du abnehmen willst«, hatte sie einmal zu mir gesagt, »tu dir so viel auf den Teller wie immer und schmeiß dann die Hälfte weg. Das ist idiotensicher.«

Wie gesagt, in Sachen Hungerkuren war sie keine große Hilfe.

»Du machst Diät?« fragte Barry. »Laß es. Du ißt viel zu gern. Das hältst du nie durch. Und hast du es letztes Jahr nicht schon mal probiert?«

Ich zog ein Gesicht. »Letztes Jahr ist nicht dieses Jahr.«

»Und vorletztes, war da nicht auch so was?«

Ich nickte verdrießlich.

»Hör auf, ehe du enttäuscht bist. Glaub mir! Das klappt nicht.«

»Doch.«

»Wie lange willst du dich dieser Tortur unterziehen?«

»Bis ich auf Größe 36 bin oder zehn Kilo runter habe. Je nachdem, was zuerst kommt.«

»Zehn Kilo?!« Er grinste breit. »Drei. Höchstens. Mehr schaffst du nicht. Kein Gramm mehr.«

»Du irrst dich.«

Barry schob sich den Rucksack zurecht. »Aber übertreib’s nicht. Männer mögen ein bißchen Fleisch.« Und dann griff er mir an den Hintern und flüsterte wollüstig: »Sex, Sex, Sex.«

Ich boxte ihm in die Rippen.

»Aber eins muß ich dir sagen«, hauchte er, während seine Hände meinen Po kneteten, »es würde dir nichts schaden, wenn du um die Hüften ein paar Pfund abnehmen würdest.«

 

Während mein 400-Kalorien-Menü, bestehend aus gedünsteten Tomaten, Basilikum und Kartoffeln, auf dem Herd köchelte, schlug ich die Zeitung auf.

Für eine Journalistin bin ich eine ziemlich faule Zeitungsleserin. Mir reichen meist schon die Überschriften. Wenn jemand nachbohrt, gebe ich sofort zu, daß ich politisch völlig unbeleckt bin. Aber ich habe Glück, Bei Becky sind sehr selten Politiker eingeladen. Und wenn sich meine Produzentin Karla Menzel in einem plötzlichen Anflug von Waghalsigkeit doch dazu entschließt, dann verstehen sie und unsere Assistenten es sehr gut, mich zu briefen.

Ich überflog die erste Seite der Zeitung, fand aber nichts, was mich reizte. Steffi Graf gewinnt noch ein Vermögen in Zürich, Ministerpräsident Stolpe dementiert, Stasispitzel gewesen zu sein, schwere Kämpfe in Bosnien. Mir fielen die Augen zu. Ihr könnt mich mal, ich habe Urlaub. Ich faltete die Zeitung zusammen, warf sie beiseite und begann, die Entschlackungskur für meine Wohnung zu planen.

Ein Badezimmer, eine Küche, ein Schlaf-, ein Arbeits- und ein Wohnzimmer mußten in den nächsten sechs Wochen bis auf das unbedingt Lebensnotwendige entrümpelt werden. Eine wahrhafte Mammutaufgabe. Für den Anfang sollte ich mir etwas Einfaches vornehmen, etwas, was mich anspornte, weiterzumachen. Das schlimmste Chaos sollte ich dann irgendwann in der Mitte anpacken, wenn ich bis dahin noch genug Kraftreserven hatte. Wenn ich damit gleich begann, würde ich womöglich den Mut verlieren, doch wenn ich es bis zum Schluß aufsparte, säße es mir immer im Nacken und verdürbe mir den Spaß. Die Aktenordner, die wären ideal für Woche drei. Denn die unattraktivste Aufgabe war, meine über hundert Ordner durchzuforsten mit den Artikeln und Manuskripten aus etwa zwanzigjähriger Arbeit im ersten, zweiten, dritten, ja zehnten Entwurfsstadium: Sie waren in vier Schubkästen unter meinem Bettpodest verbunkert. Meine Plattensammlung zu entschlacken war ein Horror, aber dabei mußte ich nicht lange nachdenken. Springsteen auf dem Cover bedeutete »Aufheben«, Heino »Abfall!«. Langweilig, aber ein Klacks. Ja, die Platten waren was für Woche sechs.

Verbissen tigerte ich durch meine Wilmersdorfer Wohnung und inspizierte jedes Zimmer wie eine pingelige Ferienlagerbetreuerin am Tag vor dem Elternwochenende. Systematisch öffnete und schloß ich Schubladen, schaute hinter Türen, notierte mir die Hauptproblemzonen und plante ihre baldige Beseitigung.

Die Wohnung lag im vierten Stock (ohne Aufzug!), war warm und sonnig und mein ureigenes Junggesellinnendomizil. Ein himmelweiter Unterschied zu der dunklen, modrigen Neuköllner Behausung, aus der ich sieben Jahre zuvor ausgezogen war. Hier schmeichelte scheinbare Ordnung dem kritischen Blick. Im Grunde war ich ein ordentlicher Mensch, wenn das auch nach Meinung gewisser Leute zu freundlich ausgedrückt war. Sie fanden nämlich, »mäkelig«, »pingelig«, »pedantisch«, »besessen«, »zwanghaft« käme der Wahrheit um einiges näher.

So war ich nicht immer. Früher war ich nur besessen und zwanghaft. Um mäkelig, pingelig und pedantisch zu werden, mußte ich erst in meiner eigenen Wohnung leben. Und nun war ich endlich das Paradebeispiel einer...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2017
Übersetzer Sigrid Ruschmeier
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abnehmen • Aufräumen • Ausmisten • Ballast • Berlin • Diät • Erinnerungen • Liebe • New York
ISBN-10 3-688-10799-3 / 3688107993
ISBN-13 978-3-688-10799-5 / 9783688107995
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 792 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99
Roman

von Fatma Aydemir

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99
Roman. Jubiläumsausgabe

von Umberto Eco

eBook Download (2022)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
12,99