Nanikis Rache im Land der Apartheid - Autobiografischer Roman -  Rolf Stöver

Nanikis Rache im Land der Apartheid - Autobiografischer Roman (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
244 Seiten
Verlag DeBehr
978-3-95753-470-5 (ISBN)
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Ich erkannte meine Frau Naniki nicht wieder. Sie, die stets stolz, anmutig und zuversichtlich war, war in sich zusammengefallen, ängstlich, verstört. Bisher hatte sie nie über ihre Kindheit erzählt, doch was sie nun preisgab, ließ mich zutiefst erschauern. Ihr Vater war vor ihren Augen ermordet worden, als sie noch ein Kind gewesen war. Jetzt hatte sie den Mörder erkannt. Und dieser war ihr nun auf den Fersen, denn eine Zeugin für sein Verbrechen bedeutete für ihn eine Gefahr, die er umgehend aus dem Weg räumen wollte. Ich war in Südafrika Baustellenleiter für eine deutsche Firma, die für die Trockenkühlung eines im Bau befindlichen Kraftwerks tätig war, während Naniki als Kosmetikerin für eine französische Firma arbeitete. Dass meine Baustelle 400 km entfernt mitten im afrikanischen Busch an der Grenze zu Botswana lag, wurde nun zu einem Problem, weil ich oft mehrere Tage zusammenhängend auf der Baustelle verbringen musste. Naniki würde dann allein sein, ausgerechnet jetzt, wo sie zur Zielscheibe geworden war. Doch meine Frau schmiedete einen Plan. Sie hatte als Kind ein Versprechen gegeben, dies wollte sie nun einlösen - das Versprechen der Rache. Ein autobiografischer Roman.

 

Südafrika 1996

 

Von 1983 bis 1992 hatten Naniki und ich gemeinsam als schwarz-weißes Liebespaar gegen die Apartheid gekämpft und dabei viele Erfolge, aber auch Niederlagen erlebt. Schließlich mussten wir Südafrika fluchtartig in Richtung Deutschland verlassen, wo wir schließlich heiraten durften.

1994 kehrten wir voller Zuversicht in das nun demokratische Südafrika zurück. Nelson Mandela war demokratisch zum Präsidenten gewählt worden. Die Apartheid war beendet.

Der Glaube, dass die Rassendiskriminierung und damit unsere Odyssee ein Ende haben würde, war ein fataler Trugschluss. Da wir wieder in der Öffentlichkeit für die Freiheit und Würde der Menschen eintraten, wurden wir schnell zur Zielscheibe der verbliebenen Rassisten, die nunmehr im Untergrund tätig waren.

Mehrfach wurden Anschläge auf Naniki verübt, sie wurde entführt und gefoltert, durch ihre unglaubliche Fähigkeit, erwachsene Männer außer Gefecht zu setzen, überlebte sie auch das.

Bei einer gemeinsamen Großveranstaltung im Ellispark-Stadion (Johannesburg) mit den vielfältigen Kulturen Südafrikas sangen wir gemeinsam auf der Bühne zum Abschluss „Amazing Grace“.

Alle Emotionen der vergangenen Jahre kamen schließlich bei dem Lied zum Ausbruch, wir standen auf der Bühne und weinten fest umschlungen.

Durch unseren unerschütterlichen Zusammenhalt, die Liebe, den Glauben an Gott und unseren Gesang als schwarz-weißes Duo auf den Bühnen Südafrikas, haben wir auch das überstanden.

Wie gut, dass wir nicht wussten, dass unsere Odyssee noch lange nicht zu Ende war.

Nach unserem emotionalen Auftritt im Ellispark Stadion ließ man uns in Ruhe. Selbst in unserem Reihenhauskomplex ging das Leben normal weiter, man vermied offensichtlich, uns auf den Vorfall anzusprechen. Unklar war für uns, ob die Nachbarn aus Mitleid oder einfach aus Respekt sich so verhielten. Polizei, Ambulanz wie auch der südafrikanische Geheimdienst hatten oft genug vor unserer Haustür für Aufregung gesorgt. Unsere unmittelbare Umgebung wusste also nur zu gut, was alles in der Vergangenheit passiert war.

Unser Leben verlief so harmonisch und friedlich wie selten zuvor, was auch Naniki zu verdanken war. Sie hatte die Gabe, schreckliche Erlebnisse einfach auszublenden, das war schon immer so.

Regelmäßig suchten wir die deutsch-katholische Kirche auf, wo wir das „Ave Maria“ vor dem Altar sangen, es war schon zur Tradition geworden, ebenso wie die Legende, dass Naniki es geschafft hatte, die schwarze Bevölkerung in die „weiße“ Kirche zu locken, was während der unmenschlichen Apartheid unmöglich gewesen war.

Nur langsam begannen die Schwarzen zu lernen, was Freiheit überhaupt heißt, sie mussten Vorurteile, Hemmungen und Angst abbauen, die Freiheit war neu zu erfinden. Ohne Nelson

Mandela hätte dieser Prozess wohl nie stattgefunden, denn er plädierte für Vergebung und ging mit gutem Beispiel voran, seine Ideologie war allgegenwärtig. Für mich war er einer der Klügsten Männer der Weltgeschichte. Nicht Hass, sondern Versöhnung war sein Rezept.

Lange sollte unsere „Ruhepause“ nicht dauern, denn nach 6 Monaten klingelte Jonathan an unserer Haustür. Er war der schwarze Geheimdienstler, der auf der Lohnliste des südafrikanischen Geheimdienstes stand. Jonathan hatte uns während der turbulenten und gefährlichen Zeit dienstlich zu beschützen, privat waren wir längst Freunde geworden. Für die neue demokratische Regierung galt es als äußerste Priorität, rassistische Zellen des alten Regimes zu zerschlagen, eine heikle Aufgabe, denn die Rassisten versuchten sich im Untergrund zu organisieren.

Ich hatte das Gefühl, dass Jonathan nicht zu einem Freundschaftsbesuch gekommen war, Naniki erging es ebenso, ich sah es an ihrem Gesicht. Sie war es auch, die Jonathan dazu bewegte, sofort zur Sache zu kommen. Wir saßen in unserem Garten, als Jonathan mit einem Zug sein Bier austrank und anfing zu reden. Was wir zu hören bekamen, war beunruhigend, ich fiel ihm mehrfach ins Wort, während Naniki teilnahmslos zuhörte, sie sprach kein einziges Wort.

Der Geheimdienst hatte verlässliche Informationen erhalten, nach denen sich eine rechtsextremistische Organisation neu gebildet habe. Unterstützt würde sie unter anderem durch Gleichgesinnte in Europa werden. Die erste Widerstandsbewegung gegen die schwarze Regierung war zerschlagen worden, woran wir zu unserem Leidwesen maßgeblich beteiligt waren und zwischen die Mühlsteine gerieten. Ziel war es, die schwarze Regierung zu unterwandern, sie wollten „ihr“ Südafrika zurückhaben. Der Anführer sei ein reicher Farmer aus Namibia, von dort habe er die Fäden gezogen. Inzwischen soll er in Pretoria sein. „Die Indizien sprechen dafür, dass man euch wegen eurer Aktivitäten gegen den Rassismus wieder im Visier hat.“ Damit beendete Jonathan seinen unerfreulichen Vortrag.

„Die Vergangenheit holt uns immer wieder ein“, meldete sich Naniki zum ersten Mal zu Wort, „aber Gott wird uns nicht im Stich lassen. Im Übrigen habe ich in der Kirche längst bemerkt, dass wir beobachtet werden.“ Nach dieser überraschenden Bemerkung sagte sie kein Wort mehr, sondern verschwand in der Küche. Ihr Gesang war die Bestätigung dafür, dass sie dort angekommen war. Es klang traurig, sie sang „Nkosi i sikelele“ (Gott beschütze Afrika). Nicht umsonst hatte Nelson Mandela dieses schöne Lied zur Nationalhymne gemacht.

Jonathan machte einen bewegten Eindruck, als er sagte: „Naniki ist eine bewundernswerte Frau, sie sieht Dinge, die wir nicht sehen, ist voller Energie und gibt niemals auf, pass gut auf sie auf.“

„Das werde ich, aber sie wird diejenige sein, die auf mich aufpasst“, sagte ich lächelnd.

„Über neue Erkenntnisse werde ich dich sofort informieren und auch über die Strategie des Geheimdienstes, und jetzt besuche ich Don Camillo, denn wer von euch spricht, meint auch Don Camillo.“ Damit verabschiedete er sich.

Don Camillo war der katholische Pfarrer, den Spitznamen hatte er von mir, weil er viele Gemeinsamkeiten mit Don Camillo in Italien hatte, mit dem Vatikan hatte er nicht allzu viel im Sinn, denn der war ja auch weit genug weg. Ansonsten hatte er das Herz auf dem rechten Fleck. Wir hatten viel Schönes, aber auch Unschönes gemeinsam erlebt, er war also nicht nur unser Seelsorger, sondern auch Freund.

Jonathans Besuch war in unserem Komplex nicht unbemerkt geblieben, er war ja kein Unbekannter. Vor allem June – sie vertrat das Komitee – musste vor Neugier platzen. So stand sie am nächsten Morgen vor unserer Tür, um die Tageszeitung zu bringen, irgendeinen Vorwand musste sie ja haben.

Ich wimmelte sie freundlich ab, es sei nur ein Freundschaftsbesuch gewesen, sagte ich. June verschwand, aber die Zweifel waren ihr anzusehen.

Als wir unser Reihenhaus bezogen, war June eine eingefleischte Rassistin, man würde keine Schwarzen im Komplex dulden, hatte sie verkündet. Sie sprach von „dulden“, denn während der Apartheid war es für Schwarze verboten, sich außerhalb der zugewiesenen Townships anzusiedeln.

Nanikis gewinnende Art, ihr Stolz und unser Gesang hatten June vom Gegenteil überzeugt. In den Augen der Nachbarn war ein Wunder geschehen, denn June und Naniki wurden Freunde. Bewegende Szenen hatten sich damals abgespielt.

Prompt rief Don Camillo am nächsten Morgen im Büro an, um seinen Besuch anzukündigen, er wolle mit uns besprechen, was zu tun sei, denn der Bericht von Jonathan sei doch sehr bedenklich.

Don Camillo erschien pünktlich und nachdem er seine Miniration Cognac aus den Tiefen seiner Taschen hervorgekramt hatte, ließen wir uns im Garten nieder. Wir diskutierten den Bericht vom Geheimdienst und stellten schnell fest, dass es eigentlich nichts zu diskutieren gab, außer dass wir alle auf der Hut sein mussten. Stets wachsam zu sein, funktioniert aber nur in der Theorie, in der Praxis ist es unmöglich, wir wussten es ja aus eigener Erfahrung. Daher beschlossen wir, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen und unser alltägliches Leben fortzusetzen – ohne Stress oder Angst.

So wechselten wir das Thema und beendeten schließlich den Abend mit einem Bier für mich und Don Camillo mit seinem Cognac. Merkwürdig war nur, das Naniki fast den ganzen Abend geschwiegen hatte, ahnte sie vielleicht etwas? Ihre für mich schon unheimliche Fähigkeit, Dinge vorauszusehen, hatte sie in unserer turbulenten Vergangenheit oft genug bewiesen.

Es war unser unausgesprochenes Ziel, die Wunden der unmenschlichen Apartheid zu heilen, und die vielfältigen Völker und Kulturen Südafrikas einander näherzubringen. Das Rezept war ganz einfach: Verständnis, Respekt und ein gehöriges Maß an Toleranz.

Seit dem Tag unseres Kennenlernens 1983 haben Naniki und ich nach diesem Rezept gelebt und sind dabei zu einem unzertrennlichen Paar geworden, obwohl wir aus völlig unterschiedlichen Kulturen stammen.

Dass einige der ehemals „Weißen Herrscher“ ihre Macht zurückhaben wollten, war irgendwie verständlich, aber die Tatsache, dass sie nach wie vor behaupteten, es sei ihr Land, das Land ihrer Väter, machte mich wütend und brachte Naniki auf die Palme.

Wissenschaftler aus der ganzen Welt sind sich inzwischen einig, dass der Urmensch im südlichen Afrika entstanden ist, und zwar in den Höhlen von...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-95753-470-4 / 3957534704
ISBN-13 978-3-95753-470-5 / 9783957534705
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