Der Fluch der Kartenlegerin (eBook)

Ein historischer Weimar-Krimi

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
400 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1405-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fluch der Kartenlegerin - Guido Dieckmann
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Ein mörderisches Komplott... Weimar im Winter 1798. Christian Vulpius hat es geschafft: Sein Räuberroman Rinaldo Rinaldini wird endlich gedruckt. Da wird er in einen neuen mysteriösen Fall verwickelt. In den Räumen der altehrwürdigen Bibliothek findet die Hebamme Josefina Bleichwein den Tod - erschlagen von einem Bücherregal. Bevor die Frau ihren Verletzungen erliegt, vertraut sie Vulpius jedoch an, dass sie sich von der französischen Wahrsagerin Madame Europe, die momentan Weimar besucht, die Karten habe legen lassen. Dabei habe sie von einem langsam aufziehenden Sturm erfahren, der die Stadt mitsamt ihrem Herrscherhaus bedrohe. Ist der Herzog von Weimar in Gefahr? Das klassische Weimar als Kulisse für einen spannenden Mordfall vom Autor des Bestsellers 'Die sieben Templer'.

Guido Dieckmann, geboren 1969 in Heidelberg, arbeitete nach dem Studium der Geschichte und Anglistik als Übersetzer und Wirtschaftshistoriker. Heute ist er als freier Schriftsteller erfolgreich und zählt mit seinen historischen Romanen, u.a. dem Bestseller 'Luther' (2003), zu den bekanntesten Autoren dieses Genres in Deutschland. Guido Dieckmann lebt mit seiner Frau an der Deutschen Weinstraße.
Als Aufbau Taschenbuch sind von ihm lieferbar: »Die sieben Templer«, »Der Pakt der sieben Templer«, »Luther« sowie die historischen Weimar-Krimis »Das Geheimnis des Poeten« und »Der Fluch der Kartenlegerin«.

Mehr Informationen zum Autor unter www.guido-dieckmann.de

Prolog


Eine Tagesreise weit hinter Warschau,
im Winter 1789

Kein Reisender mag es, wenn ein Schneesturm ihn zwingt, für eine unbestimmte Zeit Zuflucht in einer einsamen Herberge mitten im Wald zu suchen. Er kann nichts weiter tun als warten, bis das Wetter sich gebessert hat und die Kutsche weiterfahren kann. Aber wenigstens befindet er sich in Sicherheit. Auf mich trifft dies nicht zu, denn ich bin eine zum Tode Verurteilte auf der Flucht. Jede Minute, die ich damit vergeude, hier die Wände anzustarren, spielt denen in die Hände, die hinter mir her sind. Mein Kutscher hat keine Ahnung, warum ich so verzweifelt bin. Er sitzt unten im Gastraum, trinkt Bier und ist froh, nicht in die Kälte hinauszumüssen. Er behauptet, dass wir unsere Reise bald fortsetzen können, aber überzeugt hat er mich damit nicht. Stattdessen hat er mir geraten, mich auszuruhen. Ich müsse doch völlig erschöpft sein. Ja, erschöpft bin ich in der Tat. Aber es ist die Angst, die mir den Appetit raubt und mich nicht schlafen lässt.

Ich habe mein Aussehen verändert und meinen Namen vergessen. Aber ob ich damit meine Verfolger täuschen kann?

Ich setze mich mit einem Buch ans Fenster. Es sind Gedichte von Goethe, den ich schon lange bewundere, doch heute fällt es mir schwer, mich auf die Verse zu konzentrieren. Immer wieder wandert mein Blick durch das Fenster in den Hof. Auf der dünnen Glasscheibe vor mir haben sich zarte Eisblumen gebildet, von außen schlägt ein stürmischer Wind wässrige Flocken gegen das Fenster. Er rüttelt grob an den Läden. Einen Augenblick lang lausche ich dem Gesang des Sturms. Einen bangen Moment lang glaube ich, durch das Knarren der Holzdielen und das Ächzen im Gebälk die Stimme des Mannes zu hören, dem ich davongelaufen bin und der mich in seinem Keller zu Tode foltern wird, falls er mich aufspürt. Meine Hände zittern, als ich mir sein Gesicht unter der tadellos sitzenden gepuderten Perücke vorstelle: die eiskalten Augen, die mich, sooft er seinen Blick auf mich richtete, dermaßen aus der Fassung brachten, dass ich kein Wort mehr über die Lippen bekam. Inzwischen muss er herausgefunden haben, dass ich keineswegs eine Cousine besuche, sondern meine Heimat Frankreich für immer verlassen habe. Mein Ziel heißt nun Russland, weil ich hoffe, am Hof der Zarin Katharina eine Bleibe zu finden. Die Zarin ist eine starke Frau, die sich vor keinem Mann in ganz Europa fürchtet. Ich vertraue darauf, dass sie mich nicht zurückschicken wird. Ich fange an, in dem Buch zu blättern, und lese ein Gedicht, das auf meine angegriffenen Nerven nicht gerade beruhigend wirkt. Ein Kind wird von einer üblen Erscheinung gequält, doch sein Vater nimmt davon nichts wahr. Immer wieder versucht er, den Jungen zu beruhigen. Nun, darin erinnert er mich an meinem eigenen Vater. Der hat nicht glauben wollen, was für einem Teufel er mich zur Frau gegeben hat. Der Vater in Goethes Gedicht reitet einfach weiter, obwohl ihm doch langsam einmal auffallen müsste, dass mit dem Knaben in seinem Arm etwas nicht stimmt. Und dann …

Dann springt die Tür zu meiner Kammer mit einem hässlichen Knarren auf, und mir bleibt vor Schreck fast das Herz stehen.

»Musst du dich so anschleichen?«, zische ich die Kinderfrau an, ein unscheinbares Wesen, das ich in Dresden eingestellt habe. Sie zuckt nur mit den Schultern und meldet, dass sie Maria gefüttert habe und gleich zu Bett bringen werde. Maria? Wer zum Teufel ist Maria? Ach so. An den deutschen Namen, den sie meinem Kind gegeben hat, muss ich mich erst noch gewöhnen. Auch in St. Petersburg werden wir uns unter einem falschen Namen niederlassen müssen.

»Madame machen sich zu viele Sorgen«, sagt die Kammerfrau und klingt plötzlich fast wie der Kutscher. »Sie haben so lange durchgehalten, da werden Sie auch den Rest des Weges schaffen.« Sie schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, das mir guttut. Ich bin froh, dass sie bei mir ist, denn sie kann gut mit Kindern umgehen.

»Was soll schon geschehen?«, fährt sie mit ihrer tiefen Stimme fort. »Ihre Tarnung ist perfekt. Eine arme Witwe, die mit ihrem Kind und einer Dienerin nach Russland reist, um die Töchter eines Fürsten in Französisch und guten Manieren zu unterrichten. Absolut unverdächtig!«

Unverdächtig? Wirklich? Mein Blick fällt auf die schäbige Tasche auf dem Bett. Ich habe die Briefe des Fürsten aufgehoben, obwohl es klüger gewesen wäre, sie zu verbrennen. Aber das habe ich nicht übers Herz gebracht. Sie enthalten eine Einladung, das Entreebillet in ein neues, angstfreies Dasein. Nur zwei Tage noch, dann wird die Kutsche des Fürsten mich erwarten. Doch zwei Tage inmitten dieser Winterstürme können lang sein. Zu lang. Und mein Gemahl  …

»Wenn er mich findet, wird er mich eigenhändig töten. Du hast keine Ahnung, wie grausam er sein kann. Ein Menschenleben bedeutet ihm nichts. Ich habe seinen Stolz verletzt, und das wird er nicht auf sich sitzen lassen. Außerdem hat er genug Geld und Einfluss, um mich einmal um die ganze Welt zu verfolgen.« Ich lege das Buch mit dem schaurigen Goethe-Gedicht zur Seite und schlage müde die Hände vors Gesicht. Und wenn ich doch umkehre? Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Ich könnte einen Kurierreiter nach Frankreich schicken und einfach warten, bis …

Die Kinderfrau drückt mir teilnahmsvoll die Hand. »Wird schon gut gehen, meine Liebe. Ihr fürchterlicher Gemahl wird uns hier nicht aufspüren. Er hat doch keinen blassen Schimmer von diesem Russen und Ihrem Briefwechsel, oder?«

Nein, davon kann er nichts wissen. Jähzornig wie er ist, hätte er es mich spüren lassen, wenn er es bemerkt hätte. Er hielt nie etwas davon, Bestrafungen auf die lange Bank zu schieben. Allerdings wird er Nachforschungen angestellt haben. Gewiss hat er Menschen aus meinem Umfeld befragt. Dienstboten und Freunde. Was, wenn die schon geplaudert haben?

Die Herrin hat in Paris Bücher gekauft, die in einer fremden Schrift geschrieben waren.

Sie hat in Läden eingekauft, die eine Dame ihres Standes eigentlich nicht betreten sollte.

Sie hat die Bücher ins Feuer geworfen. Einmal haben wir sie überrascht, wie sie Puppen und anderes Mädchenspielzeug in einen Reisekoffer gepackt hat.

»Gehen Sie hinunter, ich werde hierbleiben und wachen«, erlöst mich Marias Kinderfrau aus dem Gefängnis meiner eigenen Gedanken. »Diese Poststation ist ein besserer Pferdestall, aber unten im Schankraum gibt es eine heiße Suppe, die einigermaßen genießbar ist. Sie brauchen etwas zum Aufwärmen. Beeilen Sie sich besser, sonst ist nichts mehr übrig.«

Bevor ich es mir überlegen kann, öffnet sie die Tür und späht hinaus in die Dunkelheit.

»Am Tisch der Wahrsagerin ist noch ein Plätzchen frei.«

»Eine … Wahrsagerin?« Ich verkrampfe mich innerlich, aber das Nicken der Kinderfrau wirkt so gelangweilt, als spräche sie über die Magd der Postmeisterin.

»Eine merkwürdige Person. Sie unterhält die Reisenden, indem sie ihnen für einen Becher Wein aus ihren Spielkarten die Zukunft herausliest. Vielleicht sollte Madame sie um Rat fragen. Es kann nie schaden, sein Schicksal zu kennen!«

Während ich hinuntergehe, überlege ich, ob diese Kartenlegerin einen Buckel, Warzen auf der Nase und gerötete Augen hat wie die Hexen in den Märchenbüchern meiner Kindheit. Doch neben dem gemauerten Ofen in der Wirtsstube sitzt eine auffallend hübsche, gut gekleidete Person, die mir so liebenswürdig zulächelt, dass ich mir ein Herz fasse und mich neben sie auf die Bank gleiten lasse. Noch bevor ich ein Wort mit ihr gewechselt habe, spricht sie mich in fließendem Französisch an. Aber sie stellt keine Fragen, als spürte sie, dass mir ein Geheimnis auf der Seele brennt. Wie betäubt verfolge ich, wie sie ihre Karten durch die schlanken Finger wandern lässt, bevor sie sie, gut gemischt, vor mir auf dem schmutzigen Tisch ausbreitet. Ich achte nicht mehr auf den Lärm der Schankstube, den beißenden Geruch nach Rauch, Bier und schwitzenden Leibern. Meine Aufmerksamkeit gilt allein den Bildern und wunderlichen Zeichen auf den Karten der Fremden. Derweil bringt mir eine Magd eine Schale mit dampfender Suppe. Ich möchte eigentlich nichts essen, aber mein leerer Magen befiehlt mir schließlich, den Löffel in die Hand zu nehmen. Die warme Mahlzeit tut gut, und der Wein, der plötzlich vor mir steht, entspannt mich so sehr, dass ich für einen kurzen Augenblick meine Ängste vergesse.

Bis ich die Fremde erbleichen sehe. Sie zuckt zusammen. Mit ungestümen Bewegungen rafft sie ihre Karten vom Tisch.

»Was haben Sie gesehen?«, stoße ich hervor und bemerke zu spät, dass ich gegen meinen Willen Französisch gesprochen habe.

»Nichts, es ist gar nichts, Madame. Verzeihen Sie mir, aber ich muss gehen!«

Als sie versucht, sich an mir vorbeizudrücken, packe ich sie am Arm. Jetzt lächelt sie nicht mehr. Im Gegenteil. Auf ihrem Gesicht breitet sich jener Ausdruck von Todesangst aus, die mir wohlbekannt ist, weil sie schon seit Wochen jeden meiner Schritte begleitet. Mir ist, als würde ich in einen Spiegel schauen.

»Sie … haben etwas in Ihren Karten gesehen, aber Sie wollen mir nicht sagen, was!« Plötzlich spüre ich, wie meine Hände und Füße taub werden. Mein Herz beginnt wie wild zu klopfen. Ich muss einen Moment lang die Augen schließen, damit das Schwindelgefühl nachlässt. Die Frau mit den Spielkarten reißt sich von mir los, und ich...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2017
Reihe/Serie Christian Vulpius
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 18. Jahrhundert • Christiane Vulpius • Deutsche Klassik • Goethe • historischer Krimi • Rinaldo Rinaldini • Thüringen • Weimar
ISBN-10 3-8412-1405-3 / 3841214053
ISBN-13 978-3-8412-1405-8 / 9783841214058
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